Samstag, 4. November 2017
Mythos Effizienz
Es geschah vor der Bundestagswahl. Die Aktuelle Stunde, eine Nachrichtensendung des WDR, testete die Kandidaten, indem sie diese mit „echten Menschen“ konfrontierte. Der FDP-Chef Christian Lindner traf auf einen Krankenpfleger, der die Profitgier privater Klinikbetreiber bemängelte. Lindner gab jedoch zu bedenken, dass private Anbieter vielleicht effizienter seien.

Da erhebt sich die Frage, wo Herr Lindner die letzten dreißig Jahre verbracht hat. Seit den 1980er Jahren predigen neoliberale Ökonomen, dass man möglichst viele Aufgaben vom Staat zur Privatwirtschaft transferieren soll, weil diese doch so viel effizienter sei als der Staat mit seinen Sesselfurzern. Und die Politik folgte diesem Vorschlag bereitwillig – brachte der Verkauf von staatlichen Unternehmen doch Geld in die hochverschuldeten Kassen.

Seitdem kann man beobachten, wie die privaten Unternehmen die Effizienz steigern: Die Kosten für die Mitarbeiter werden drastisch reduziert. Anstatt ihnen feste, gut bezahlte Anstellungen zu geben, werden die Mitarbeiter ausgelagert und mit Hungerlöhnen abgespeist. Die Deutsche Post unterhält heute keine eigenen Postfilialen mehr und lässt die Packe von Subunternehmen ausliefern, die kaum den Mindestlohn erhalten. Auch wird die Infrastruktur wird vernachlässigt. Die Telekom rühmt sich, dass sie schon große Teile Deutschlands mit schnellem Internet versorge. Dabei gibt es immer noch Bereiche, die noch nicht einmal langsames Internet haben. Mit einer solchen Bilanz wäre ein Postminister früher zum Rücktritt gezwungen worden. Und der Kunde muss mit einem immer schlechteren Service und steigenden Preisen leben.

Aber: Die Gewinne haben sich vervielfacht. Die Investoren der einstigen Staatsunternehmen verdienen sich eine goldene Nase. Und das ist schließlich alles, worauf es ankommt.

Worauf es zumindest der FDP ankommt.
J.E.



Samstag, 21. Oktober 2017
Das war es mit der Mückenplage
Ehrenamtliche Forscher des Entomologischen Vereins Krefeld haben über 25 Jahre lange regelmäßig Insektenfallen in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz aufgestellt und die Menge der Insekten bestimmt, die gefangen wurden. Über die Zeit wurden das immer weniger. Seit 1989 ist die Zahl der Insekten um durchschnittlich 76 Prozent zurückgegangen. Die Insekten sterben aus.

Und diese Zahlen wurden nicht inmitten eines vergifteten Ackerfeldes ermittelt, sondern in Naturschutzgebieten. Wie es auf den Ackerfeldern aussieht, können wir nur spekulieren.

Dass Bienen sterben , wissen wir schon seit langem. Pestizide sind die Hauptverdächtigen. Damit wir immer hübsches Obst und Gemüse zu niedrigen Preisen bekommen, vergiften wir die Umwelt. Bei den Bienen bedeutet dies aber auch, dass wir damit unsere Lebensgrundlage zerstören, denn wir brauchen Bienen zum Befruchten der Blüten.

Nun stellen wir verwundert fest, dass diese Gifte auch alle anderen Insekten töten. Na und? Wer, außer einem Gourmet, braucht schon Schnecken? Oder Kakerlaken? Oder Mücken?

Doch die Insekten erfüllen wichtige Aufgaben im Ökosystem. Wie ein feines Uhrwerk erfüllt jede Art ihre Aufgabe. Fällt eine Art aus, dann verändert sich das Ökosystem. Und die Veränderung ist selten vorteilhaft.

Die augenfälligste Änderung ist, dass die Vögel immer weniger Nahrung finden – und deshalb auch die Zahl der Vögel drastisch zurückgeht.

Aber ehrlich: Wozu brauchen wir Vögel? Liefern die Milch? Können wir ihre Federn in Kissen verwenden? Eigentlich sind sie doch nutzlos. Und was nutzlos ist, so lehrt uns die moderne, ökonomische Denke, ist auch wertlos. Sollen sie doch krepieren.

Und wenn die Insekten sterben, dann fällt hoffentlich auch die alljährliche Mückenplage aus.
K.M.



Samstag, 7. Oktober 2017
Sollen sie uns hassen?
Salah ist Syrer. Als der Krieg ausbrach, war gerade seine kleine Tochter geboren, seine Frau war mit einem weiteren Kind schwanger. Sie wollten nicht weg, doch irgendwann kamen die Bomben immer näher. Die Fanatiker des Islamischen Staates standen vor den Toren der Stadt. Dann sollte Salah zur Armee eingezogen werden, zu einer Truppe, die als Foltertruppe bekannt ist. Da wusste er: Sie mussten fliehen.

Doch wie sollte er seiner schwangeren Frau und seinem Baby die Flucht zumuten? Die Strapazen wären zu groß. Ein Bekannter erzählte ihm, dass Flüchtlinge in Deutschland ihre Verwandten ganz legal nachkommen lassen können. Also beschlossen die Familie, dass Salah alleine fliehen sollte, sich alleine den Strapazen und dem fast sicheren Tod aussetzen sollte, um dann die Familie vor dem Elend in der Heimat zu retten. Deutschland erschien wie ein Paradies. Sie konnten ja nicht wissen, dass die christliche Leitkultur der Deutschen kaum menschlicher ist als das Weltbild des IS.

Salah machte sich auf die Flucht und kam 2015 in Deutschland an. Doch er musste warten, bis er seinen Asylantrag stellen konnte. Da er auch vor dem Militär geflohen war, bestand gute Aussicht, dass er nicht nur als Kriegsflüchtling anerkannt würde, sondern auch als politisch Verfolgter. Nach Monaten konnte er seinen Antrag stellen, doch die Bearbeitung verzögerte sich. Sie verzögerte sich um Monate. Im Jahr 2016 beschloss die Bundesregierung, dass Kriegsflüchtlinge nicht mehr ihre Familie nachholen können. Man fürchtete sich zwar vor dem vielen jungen Männern, die allein geflohen waren, da sie allein auf sich gestellt leicht gewalttätig werden konnten, aber noch mehr schien man sich vor ihren Familien und ihren Kindern zu fürchten. Kinder sollen lieber zu Hause sterben.

Endlich bekam Salah seinen Bescheid: Er war nur als Kriegsflüchtling anerkannt. Nach der neuen Regelung konnte er seine Familie nicht mehr nachholen. Verzweifelt machte sich seine Frau nun selber auf den Weg, mit ihrer kleinen Tochter und dem gerade geborenen Sohn; in den Ruinen des Krieges war kein Leben mehr möglich. Sie gelangten in die Türkei und kamen auf das Boot einer Schlepperbande. Dieses Boot sank, kaum dass es die Küste der Türkei verlassen hatte. Es gab keine Überlebenden.

Salah hat gegen seinen Bescheid Rechtsmittel eingelegt. Es sieht nun so aus, dass er wohl doch als politisch Verfolgter anerkannt wird und seine Familie nachholen könnte.

Doch die hat er nun nicht mehr.

(Nach einem Bericht des ARD-Magazins Panorama.)
K.M.



Mittwoch, 27. September 2017
Wahl gegen den Staat
Bei der Bundestagswahl 2017 gab es nur zwei Gewinner : Die FDP und die AfD, also zwei Parteien, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben: Die FDP ist eine alte, traditionelle Partei, die AfD ist eine junge Protestpartei. Der FDP traut man ohne weiteres zu, dass sie sich demokratisch verhält, bei der AfD hat man da noch seine Zweifel, da sich zu viele Rechtsradikale in ihren Reihen aufhalten.

Doch tatsächlich sind sich diese beiden Wahlgewinner näher, als es auf den ersten Blick scheint, und das muss wirklich Anlass zur Sorge geben. Denn beide Parteien geben nicht viel auf den Staat.

Große Teile der AfD träumen von einem anderen Staat, der eher völkisch als demokratisch ist. Völkisch bedeutet letztlich, dass man sich um demokratische Spielregeln keine Gedanken machen muss, da das Volk eh nur einen Willen besitzt. Und wer diesen Willen nicht hat, der ist eben ein Volksverräter und sollte deportiert oder anderweitig „entsorgt“ werden.

Die FDP träumt von einem Staat, der kaum noch Staatsgewalt ausübt. Sie will „weniger Staat“, ganz im Sinne der neoliberalen Doktrin, die im Staat das Böse an sich sieht und davon fantasiert, dass es allen Menschen bessergehen würde, wenn sich der Staat nicht andauernd einmischen würde.

Doch wenn der Staat nicht mehr da ist, um sich einzumischen, um Umweltschutz, Arbeitnehmerrechte und auch Menschenrechte zu garantieren – wer tut dies dann?

Ohne eine demokratische Staatsgewalt sind die Schwachen den Starken ausgeliefert. Und auch wenn die Motivationen unterschiedlich sind, die Zielsetzung von FDP und AfD ähneln sich hier. Sie wollen den Staat entmachten und die Gewalt in die Hand der Starken legen.

Und genau deshalb ist das Wahlergebnis so besorgniserregend.
P.H.



Freitag, 1. September 2017
Nonstop Nonsens
Alexander Dobrindt ist unser Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Und wenn es um Erfolge geht, dann hat kein Minister mehr Erfolge vorzuweisen, als Dobrindt. Sie müssen ihn nur mal fragen.

So etwa beim Ausbau des schnellen Internets. Hier hat Dobrindt auf eine Technologie gesetzt, die schnell 70% der Haushalte erreichen kann – allerdings nur in großen Städten. Dabei handelt es sich um das sogenannte Vectoring, bei dem man das alte Kupferkabel auf 50 oder 100 Mbit/s beschleunigt. Um wirklich schnelles Internet zu haben, müsste man auf reine Glasfasertechnologie umstellen. Doch da ist Deutschland unter ferner liefen im europaweiten Vergleich . Und viele ländliche Bereiche wären ja schon froh, wenn sie wenigstens Vectoring hätten.

Beim Ausbau moderner Fahrzeugtechnologien sieht es auch nicht besser aus. Dobrindt schützt den Diesel , während die Elektromobilität nicht vorankommt.

Zugleich gibt es einen riesigen Investitionsstau bei der Infrastruktur. Straßen und Brücken verfallen, bald kann sich das Exportland Deutschland überlegen, wie es seine Waren noch an die Grenzen bringt, über die Straßen wird es kaum gehen. Als Lösung werden öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) von Dobrindt beworben. Eine solche ist der Ausbau der A1 zwischen Bremen und Hamburg. Eine private Betreibergesellschaft bezahlte den Ausbau, und erhielt dafür die Einnahmen aus der LKW-Maut. Die scheinen nicht zu reichen, und so verklagt die Betreibergesellschaft nun den Staat. Dobrindt war über das Problem wohl schon seit Jahren informiert , doch er blieb ein Fan der ÖPP-Projekte.

Eigentlich ging bei Dobrindt alles schief, was schiefgehen konnte (aber fragen Sie nicht ihn dazu). Nur bei einer Sache hat er wie gewünscht geliefert: Der Maut . Ein Projekt, was sich kaum rechnet, und eigentlich nur eingeführt wurde, weil die Bayern über die Einführung der Maut in Österreich sauer waren.

Dobrindt liefert also nur, wenn es wirklich unsinnig wird. Aber dann ist er verlässlich.
K.M.



Freitag, 25. August 2017
Bayern des samma mia
Man kann über Bayern vieles sagen, aber besonders hervorheben muss man die den Bayern angeborene Bescheidenheit. Es ist nun einmal so, dass Bayern das schönste Bundesland ist, dass die Schulen hier am besten sind und das Leben am lebenswertesten. Das hat nichts mit Arroganz zu tun.

Und gerade weil das Leben hier am lebenswertesten ist, wollen ja auch so viele Flüchtlinge nach Bayern. Bayern tut alles, um Flüchtlingen und Ausländern allgemein das Leben schwer zu machen (man kann Gesetze ja menschlich oder bayerisch auslegen), doch sie kommen trotzdem. Deswegen braucht Bayern ja auch weiter Grenzkontrollen , was die EU gar nicht einsehen will. Aber die EU ist eben nicht nah am Bürger, wie der bayerische Ministerpräsident gerade noch einmal betont hat.

So weiß die bayerische Staatsregierung auch, dass der Bürger keine Steuern mag, ganz besonders keine Erbschaftssteuern – auch wenn davon nur ganz wenige Bürger überhaupt betroffen wären. Doch das sind ja gerade die wertvollen Bürger, für die Bayern seine Politik macht. Deshalb weigert sich Bayern als einziges Bundesland, die vor kurzem beschlossenen, neuen Regeln zur Erbschaftssteuer umzusetzen. Das könnte noch dazu führen, dass die Reichen im Land ein bisschen Steuern zahlen müssen. Und das will Bayern ganz und gar nicht.

Bayern fühlt sich als Schutzpatron der Reichen. Deswegen hat es auch die geringste Dichte von Steuerprüfern im gesamten Bundesgebiet. Der scheue Millionär soll sich nicht verfolgt fühlen, nur weil er ein paar Millionen an Steuern hinterzieht. Und wenn die Staatskasse dann etwas klamm wird, dann verkauft man auch schon mal staatseigene Sozialwohnungen an Immobilienfirmen – die dann schon einen Weg finden, auf Kosten der Mieter Rendite zu machen. Aber für sozial Schwache schlägt das Herz der CSU eben nicht. Die können ja auch nicht so viel spenden.

So gesehen macht es durchaus Sinn, dass Bayern Flüchtlinge am Betreten des Landes hindern will. Der soziale Sprengsatz, den die CSU legt, könnte sonst noch hochgehen.
J.E.



Sonntag, 13. August 2017
Ablenkung
Alle Jahre wieder kommt es vor, dass ein amerikanischer Präsident in seinem Land politische Hindernisse vorfindet. Dies können wirtschaftliche Probleme sein oder auch eine Sexaffäre. Wie geht ein amerikanischer Präsident am besten mit innenpolitischen Schwächen um? Nun, er lenkt von ihnen ab. Bill Clinton feuerte bei der Lewinsky-Affäre auf den Sudan und Afghanistan, Bush überfiel den Irak, weil er innenpolitisch unter Druck geriet.

Aber niemand hatte einen derartigen Druck zu ertragen wie Donald Trump. „The Donald“, wie er sich manchmal selber bezeichnet, soll mit den Russen konspiriert haben, um die Wahl um amerikanischen Präsidenten zu gewinnen. Ausgerechnet mit den Russen, dem Erzfeind der Amerikaner!

Und die Einschläge kommen immer näher. Der Sonderermittler Mueller hat eine Grand Jury eingesetzt, die nun das Verfahren führt. Die Räume von Trumps Wahlkampfmanager Manafort wurden vom FBI durchsucht. Sein Sohn hatte sich mit einer russischen Anwältin getroffen, um negatives über Hillary Clinton zu erfahren. Immer mehr Menschen aus Trumps Umfeld hatten zweifelhafte Kontakte zu den Russen. Ist Trump ein Präsident von Putins Gnaden?

Die Fragen werden lauter und drängender, und Trump macht das, was viele Präsidenten vor ihm taten: Er lenkt ab. Noch ist es kein Krieg, aber er bereitet ihn vor. Erst wird Nord-Korea bedroht, nun auch Venezuela . Noch kam es zu keinen kriegerischen Handlungen, aber die Szene wurde vorbereitet. Wenn Trump weiter unter Druck bleibt, wird er einen Krieg anzetteln.

Denn Menschen sind für richtige Manager eben nur Zahlen in einem Business Case.
K.M.



Freitag, 28. Juli 2017
Ein angemessenes Verhalten
Nun haben die Autohersteller auch noch ein Kartell gebildet. Dass sie keine Skrupel kennen und Verbrauchswerte schönen, immer größere und schwerer Giftschleudern für den Profit bauen, und ihnen die Umwelt trotz aller anderslautender Beteuerungen am Arsch vorbeigeht, das waren wir ja schon gewohnt. Nun auch noch ein Kartell.

Allerdings überrascht die Reaktion von BMW auf die Selbstanzeige: Wie ein beleidigtes Kind wollen sie nur mit Daimler nicht mehr spielen. „Mit dem will ich nicht mehr, ne!“ ruft BMW heraus, weil Daimler eine Selbstanzeige eingereicht hat, in der auch BMW beschuldigt wird.

Ist es nicht drollig? Da unterhalten sich zwei Verbrecher, und dann ist einer der beiden tatschlich überrascht, dass der andere ein illoyales Arschloch ist? Das Verhalten ist der Situation doch sicherlich nicht angemessen.

Angemessen wäre folgende Szene gewesen: Die Lichter sind gedimmt in dem Büro, in dem Don Krüger, der Pate aus München, Don Zetsche, den Paten aus Stuttgart, empfängt. Mit rauchiger Stimme beginnt Don Krüger leise zu reden: „Don Zetsche? Was tust du der Familie an?“

Don Zetsche windet sich ein bisschen, ganz wohl ist ihm nicht. Ein kleines Bisschen Anstand ist ihm geblieben, auch wenn es ihn zum Glück nicht oft belästigt. „Du musst verstehen, Don Krüger…“ murmelt er.

„Egoismus ist niemals gut“, krächzt Don Krüger mit heiserer Stimme. „Die Familie geht immer vor. Wo wären wir ohne die Familie? Wo wäre das Land ohne die Familie?“ Als von Don Zetsche keine Antwort kommt, spricht Don Krüger weiter: „Aber ich werde Nachsicht mit dir haben. Hier, ein Geschenk: Ein Pferdekopf!“

Das wäre ein angemessenen Verhalten gewesen.
P.H.



Freitag, 14. Juli 2017
Arrogant und heuchlerisch – ist das die deutsche Leitkultur?
Einige Meldungen der letzten Tage, für die maßgeblich Unionspolitiker verantwortlich sind, zeichnen ein nicht gerade freundliches Bild dieser Partei, die sich christlich und manchmal sogar sozial gibt. All dies begann vor einigen Tagen, als der CDU-Generalsekretär Peter Tauber einen Tweet beantwortete. Die CDU hatte gerade ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl vorgestellt, in dem sie Vollbeschäftigung für 2025 verspricht, da fragte jemand, ob das für ihn bedeutete, er habe dann drei Minijobs. Tauber antwortete darauf: „Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.“

Einmal abgesehen, dass Tauber Minijobber für Menschen zweiter Klasse hält (weshalb seine christliche Partei diese auf wie den letzten Dreck behandelt), er hat auch noch nicht verstanden, was die jahrelange, asoziale Politik der CDU im Land angerichtet hat. Es ist bei weitem nicht so, dass jeder, der etwas gelernt hat, in diesem Land der niedrigen Arbeitslosigkeit auch einen guten Job bekommt. Wie eine Studie schon 2015 zeigt, hat nur jeder fünfte Minijobber keine Ausbildung. 71 Prozent haben dagegen einen Beruf gelernt, weitere 9 Prozent haben sogar einen Hochschulabschluss. Doch selbst gut ausgebildeten Menschen gibt die Politik in diesem Land keine Chance mehr.

Diese arrogante Haltung haben wir auch den Griechen gegenüber. Eigentlich sind sie faul, chaotisch und unzuverlässig, dennoch helfen wir ihnen in ihrer Notlage großzügig. Wie großzügig, zeigte eine Meldung in dieser Woche: Insgesamt verdiente Deutschland an den Griechenland-Krediten bisher 1, 34 Milliarden Euro. Wenn doch alle nur so selbstlos wären, wie wir Deutschen…

Doch wenn es um wirklich selbstloses Verhalten geht, dann schießt Bayern mal wieder den Vogel ab. Wie jedes Bundesland, so hat auch Bayern zahllose Flüchtlinge aufgenommen. Einige dieser Flüchtlinge haben mittlerweile eine Arbeit gefunden, leben aber noch in der Flüchtlingsunterkunft. Deshalb müssen sie für die Kosten der Unterkunft nun zahlen, was ja erst einmal gerecht ist. Doch kein Land verlangt so viel wie Bayern: 278 Euro kalt pro Monat für ein Mehrbettzimmer mit Gemeinschaftsbad und Gemeinschaftsküche. Auf den Quadratmeter umgelegt sind das mehr als 40 Euro im Monat. So eine hohe Miete zahlt man noch nicht einmal für eine Luxuswohnung in München-Bogenhausen.

Die Rechten, die so gerne eine deutsche Leitkultur fordern, zeigen, wie diese tatsächlich aussähe: Ungerecht und asozial, getrieben von Arroganz und Heuchlerei.

Da bleiben wir doch lieber ohne Leitkultur.
J.E.



Freitag, 30. Juni 2017
Wider den Populisten
Populisten behaupten, sie würden im Namen des Volkes sprechen, doch sie verwechseln ihre eigene Meinung mit der des Volkes. Konservative behaupten, sie würden im Namen des Volkes sprechen, doch sie sind so davon überzeugt, es besser zu wissen, dass sie sich gar keine Mühe machen, den Willen des Volkes zu eruieren.

Die Mehrheit des Volkes hat nichts gegen eine Ehe für alle – die Konservativen haben dennoch ewig versucht, sie zu verhindern, bis die linken Parteien sie nun doch durchgesetzt haben.

Die Mehrheit des Volkes wünscht sich Informationen über die Qualität ihrer Luft , besonders über die Stickoxide, die von den Dieselfahrzeugen ausgestoßen wurden. In Bayern gab es dazu eine großangelegte Untersuchung, doch die Staatsregierung hält diese Informationen trotz eines Gerichtsurteils, dass sie zur Veröffentlichung verpflichtet, zurück – und akzeptiert lieber, auf Steuergeldern eine Strafe zu zahlen.

Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich bessere Möglichkeiten, gegen Unternehmen vorzugehen, die sie um kleinere Beträge betrügen. Helfen könnte hier eine Musterklage , bei der ein Unternehmen exemplarisch verurteilt wird – und dieses Urteil gilt dann für alle Betroffenen, von denen nicht jeder einzeln gegen das Unternehmen vorgehen muss. Doch die Union blockiert das Gesetz zur Musterklage.

Die SPD stellt ein neues Steuerkonzept vor, bei kleinere Einkommen entlastet, höhere hingegen stärker belastet werden (wobei ein kleines Einkommen für einen Single ohne Kinder unter 100.000 Euro liegt – also schon recht hoch). Die Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM), die für mehr soziale Marktwirtschaft wirbt, aber die Union dabei unterstützt, eine Politik für eine asoziale Marktwirtschaft zu machen, denunziert das Konzept mit der Behauptung, dass der Reichensteuersatz von 42% nun schon bei 62.000 Euro anfange. Das kleine Detail, dass man heute schon ab 54.000 Euro 42% Steuern zahlen muss, wird von der INSM doch glatt übersehen.

Auch wenn die Konservativen vorgeben, im Namen des Volkes zu sprechen, obwohl sie nur ihre eigene Agenda verfolgen, gelten sie doch nicht als Populisten, sondern als ernstzunehmende Demokraten.

Wenn sie nicht gerade wieder „Kinder statt Inder“ fordern oder eine Maut auf Autobahnen, weil die bösen Osterreicher diese ja auch haben.
J.E.