Der Westen ist ja auf so manches stolz. Dazu gehört auch, dass die westlichen Demokratien ein Rechtsstaat sind - die Gesetze gelten für alle und jeden, für Reiche wie für Arme, für Starke wie für Schwache. Na ja, so lautet zumindest die Theorie.
Der US-amerikanische Supreme Court hat in einer
bemerkenswerten Entscheidung Mitte Januar 2012 entschieden, dass religiöse Institute in den USA ein weitgehend rechtsfreier Raum sind. In dem Fall ging es um einen Lehrer, der wegen seiner Behinderung von einer Schule der Lutheraner gefeuert worden war. Nach amerikanischem Recht darf niemand wegen einer Behinderung diskriminiert werden. Doch Kirchen besitzen nun, wie das Oberste Gericht festgestellt hat, Narrenfreiheit.
Wir brauchen aber nicht erst in die USA zu gehen, um uns zu sehen, dass religiöse Institute Sonderrechte haben. So gilt zwar für Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen in Deutschland das allgemeine Arbeitsrecht - aber mit
erheblichen Abweichungen. So kann die Kirche Kündigungen aussprechen, wenn der Mitarbeiter einen Lebenswandel führt, der nicht mit den Dogmen der Religion vereinbar ist - wie eine Scheidung oder den Austritt aus der Kirche. Sie kann dem Mitarbeiter aber auch kündigen, wenn er sich gegen die Dogmen der Kirche ausspricht, indem er z.B. für die Abtreibung eintritt. Eigentlich gilt das Recht in einem Rechtsstaat für alle. Doch die Kirche ist ja nicht von dieser Welt.
Geht es andererseits darum, dass die kirchlichen Einrichtungen ihr Handeln an den eigenen religiösen Grundsätzen ausrichten sollten, zeigen diese sich mit einem Male ungewohnt großzügig. So hat das Diakonische Werk der evangelischen Kirchen überhaupt kein Problem damit, eine firmeneigene Leiharbeitsfirma, die Dia Logistik, zu gründen, um über sie
Mitarbeiter zu Hungerlöhnen zu beschäftigen. Auch der "Wohlfahrtsverband" der katholischen Kirche, die Caritas, gibt sich viel Mühe,
die Löhne ihrer Mitarbeiter zu drücken.
Was dies mit Nächstenliebe zu tun hat, erscheint auf den ersten Blick nicht klar. Auf den zweiten müssen wir an Markus 10,25 denken: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt." Und nun verstehen wir, dass die Kirchen ihrer Mitarbeiter nur deshalb mit Dumping-Löhnen abspeisen wollen, weil sie um deren Seelenheil besorgt sind. Und wir dachten schon, es zeuge von Skrupellosigkeit.
P.H.
red horse am 04. Februar 12
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