Die Wirtschaft brummt derzeit, wie lange nicht mehr. Die Bundesagentur für Arbeit erwartet 2012 ein
Rekordtief bei den Arbeitslosenzahlen - im Jahresdurchschnitt sollen unter 3 Millionen Menschen arbeitslos sein, nach gut 5 Millionen noch vor einigen Jahren.
Woran liegt es, dass Deutschland wirtschaftlich trotz der weltweiten Finanz- und Schuldenkrise so gut da steht? Vielen Ökonomen und Journalisten erscheint die Antwort klar: Natürlich nur wegen der
Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010, die Deutschlands Arbeitsmarkt fit für die Zukunft machten. Wie die Zukunft aussah, konnte man schon seit Jahren in den USA beobachten: Immer mehr Menschen rutschen in den Niedriglohnsektor ab, und müssen zwei oder gar drei Jobs annehmen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Aber das muss man halt akzeptieren, soll das Land überleben (und die Oberschicht sich weiter aus der Finanzierung der Gesellschaft zurückziehen können).
Aber hat die Agenda 2010 wirklich etwas mit dem derzeitigen wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands zu tun? Reden wir doch mal über die
Eurokrise: Länder wie Griechenland und Portugal leiden unter der gemeinsamen Währung, weil diese nun ihre Währungen nicht mehr abwerten und so den Export ihrer Produkte ankurbeln können. Auf der anderen Seite steht Deutschland: Unsere Währung wird im gemeinsamen Währungsraum trotz der großen Handelsüberschüsse nicht mehr aufgewertet. Aus Deutschlands Sicht, ist der Euro zu billig. Und deshalb brummt die Wirtschaft.
Dieses Phänomen kennen wir aus der Vergangenheit: Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich die Industrienationen auf ein stabiles Währungssystem mit fixen Wechselkursen relativ zum Dollar geeinigt, dem sogenannten
System von Bretton Woods. Als Deutschlands Wirtschaft wuchs, hätte er Exportüberschuss vor allem in die USA mit einer Verteuerung der D-Mark einhergehen müssen. Doch der Wechselkurs blieb stabil, die D-Mark war unterbewertet und deutsche Güter waren konkurrenzlos günstig. Das deutsche Wirtschaftswunder nahm seinen Lauf.
Das Wachstum der deutschen Wirtschaft erlebte erste Dellen, als die D-Mark 1969 um 8,5% aufgewertet wurde. Als dann der Wechselkurs der D-Mark zum Dollar 1971 freigegeben wurde, wurde die D-Mark weitere 9% teurer. Das Wirtschaftswunder war vorbei. Freuen wir uns also über den billigen Euro, so langes es ihn noch gibt. Aber hören wir bitte auf zu behaupten, die neoliberale Agenda 2010 hätte irgendetwas mit der heutigen wirtschaftlichen Stärke Deutschlands zu tun.
J.E.
red horse am 23. März 12
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