Samstag, 23. Juni 2012
Den Staat schwächen
Die Staaten sollen sparen. Immerhin kann man ja nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Und so schnürrt man in Europa einen Fiskalpakt, der alle Länder dazu verpflichten soll, weniger Schulden zu machen.

Doch warum machen die Länder eigentlich so viele Schulden? Nun, weil die Ausgaben so hoch sind. Das könnte man zumindest auf den ersten Blick sagen. Und tatsächlich geben wir für unsere Sozialversicherungen und die Sozialhilfe Milliarden aus.

Ein anderer Grund für die vielen Schulden könnte aber auch sein, das wir viel zu wenig Geld einnehmen. Denn schließlich sagt uns erst die Differenz aus Einnahmen und Ausgaben, wie stark wir im Negativen sind. Und gerade die Einnahmen fast aller Industrieländer wurden in den letzten Jahren beschnitten. In den USA senkte Reagen den Höchssteuersatz von über 70% auf und 40%, und auch George W. Bush setzte Anfang 2000 Steuersenkungen von etwa 135 Milliarden Dollar pro Jahr durch. Ähnlich schenkte die Regierung Schröder den Deutschen Milliarden, als sie den Spitzensteuersatz von über 50% auf knapp über 40% senkte. Allerdings haben all diese Maßnahmen ein Geschmäckle: Sie kommen fast nur den Reichen zugute, die Armen zahlen fast genauso viel Steuern wie vor den großen Reformen.

Aber der Staat wollte die Steuern reduziert, schließlich sollen die Leistungsträger für ihre Leistung auch belohnt werden. Dass sie auch bei den hohen Steuersätzen belohnt wurden und Millionen nach Hause brachten ist egal. Dass die Wirtschaft nach den Zweiten Weltkrieg trotz der hohen Steuersätze deutlich besser lief als heute, wo die Leistungsträger besser belohnt werden, stört auch keinen. Doch wenn der Statt schon die Einnahmen reduziert - müsste er dann nicht auch die Ausgaben reduzieren?

Hier tat sich der Staat schwer. Schließlich tut er mit seinen Ausgaben den Bürgern - also uns allen - etwas gutes. Er subventioniert die Theater und die Schwimmbäder, er baut die Straßen und stellt Sozialleistungen bereit. Wer würde schon darauf verzichten wollen? Und wer würde eine Regierung wiederwählen, die diese Leistungen einschränkte?

Also blieb bei den Ausgaben alles beim Alten, und der Staat machte mehr Schulden. Das soll nun der Fiskalpakt eindämmen. Jetzt muss der Staat bei den Ausgaben streichen. Damit wird er schwächer. Und nun könnte man an eine Verschwörung glauben: Es sind gerade die Konservativen, die die Einnahmen des Staates reduzierten, nun den Fiskalpakt fordern - und sich ohnehin einen schwachen Staat wünschen. Mit ihren fiskalpolitischen Maßnahmen erreichen sie diese Schwächung endlich.

Dabei ist ein schwacher Staat nur für einen gut: Für die Starken. Und dazu gehört die Mehrheit der Bürger sicher nicht.
K.M.