Samstag, 17. November 2012
Der Selbstmord der privaten Altersvorsorge
Es ist ein Dauerbrenner: Die Rente in Deutschland. Konnte Norbert Blüm noch verkünden: "Die Rente ist sicher", so glaubt dies heute keiner mehr. Doch dies liegt weniger daran, dass Norbert Blüm in den 1980er Jahren Unsinn erzählt hat, sondern vielmehr daran, dass die Politik sich in den letzten zwei Jahrzehnten große Mühe gegeben hat, die Rente zu zerstören.

Einen Meilenstein dazu hat die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder gelegt, als sie beschloss, das Rentenniveau auf unter 50% des durchschnittlichen Nettoverdienstes zu senken. Ziel war es, einen Anstieg des Rentenbeitrags zu verhindern, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen. Stattdessen sollten die Arbeitnehmer sich privat absichern - denn daran müssen sich die Arbeitgeber ja nicht beteiligen. Die Riester-Rente war geboren - und Lebensversicherungen wurden wieder attraktiver.

Doch die Umwandlung des umlagefinanzierten Rentensystems, bei dem die Beiträge der Arbeitnehmer direkt in den Taschen der Rentner wandern, die davon ihren Lebensunterhalt bestreiten, in ein kapitalgedecktes Rentensystem brachte neue Probleme mit sich: Auf einmal wurde das von den Arbeitnehmern angesparte Geld nicht mehr von den Rentnern für den Konsum ausgegeben, sondern es verschwand in riesigen Pensionsfonds, die weltweit nach Anlagemöglichkeiten suchen. Doch so, wie eine Ware, die es im Überfluss gibt, billiger wird, so wird auch Geld, das es im Überfluss gibt, billiger. Der Preis des Geldes sind die Zinsen. Und diese sanken in den letzten Jahren ins Bodenlose. Dieser Effekt wurde durch die Finanzkrise (auch hier suchten riesige Geldmengen nach Anlagemöglichkeiten und fanden sie in wertlosen Hypothekenderivaten) noch verstärkt.

Nur: Was erwirtschaftet eine Rentenversicherung, wenn die Zinsen ins Bodenlose stürzen? Richtig: Kaum noch Überschüsse. Und so sanken die Garantiezinsen der Lebensversicherungen von 4% im Jahre 1994 auf heute 1,75%. Doch auch wenn der Garantiezins heute schon niedriger ist als die Inflationsrate (auch bei der Riester-Rente wird ja nur garantiert, dass das eingezahlte Geld wieder ausgezahlt wird - der Garantiezins beträgt also 0%) - und das angesparte Geld somit jedes Jahr weniger wert wird - besteht immer noch die Gefahr, dass viele Rentenversicherungen, die heute die hohen Garantiezinsen der Vergangenheit erwirtschaften müssen, in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen. Deshalb hat der Staat den Versicherungsunternehmen erst erlaubt, eine Zinszusatzreserve zu bilden - und nun erlaubt er den Versicherern auch noch, die Bewertungsreserven nicht an an die Versicherten ausschütten zu müssen. Unter dem Strich bedeutet das weniger Geld für die Versicherten.

Mit diesen Maßnahmen kann die private Altersvorsorge zwar noch etwas länger überleben. Doch am Ergebnis führt kein Weg vorbei: Eine erfolgreiche private Altersvorsorge schaufelt so viel Geld in den Kapitalmarkt, dass die Renditen unter die Inflationsrate sinken. Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge sorgt nur dafür, dass das angesparte Kapital langsam wegschmilzt.

Die private Altersversorgung begeht Selbstmord auf Raten. Da bis zu ihrem Tod einige Konzerne jedoch einen großen Reibach machen, wird die Politik wohl weiterhin die private Altersvorsorge bewerben. Denn wer Geld hat, bestimmt die Regeln - und die Bürger sind die Dummen.
J.E.