Freitag, 30. November 2012
Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt
In diesen Tagen gehen zwei Meldungen durch die Presse, die uns mal wieder zweifeln lassen, ob wir in einem fortschrittlichen und aufgeklärten Land leben - oder doch eher in einer Bananenrepublik, wo Recht und Gesetz ganz im Auge des Betrachters liegen.

Da gab es vor einigen Monaten einen Entwurf zum neuen Armutsbericht der Bundesregierung, der sich recht kritisch mit der Tatsache auseinandersetzte, dass die Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind und die Einkommen zwischen den Reichen und dem Rest der Bevölkerung immer weiter auseinander gehen - vor allem deshalb, weil die Reichen immer reicher werden, während die Einkommen der anderen Arbeitnehmer stagnieren. Dieser Entwurf wurde nun unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums (Philipp Rösler, FDP) überarbeitet, und diese kritischen Passagen wurden entfernt. Nun ist von einer aufgehenden Schere zwischen arm und reich nicht länger die Rede. Nachher käme noch jemand darauf, dass die Reichen etwas von ihrem Reichtum abgeben sollen, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Das kann die FDP natürlich unmöglich zulassen.

Doch diese Streichungen waren keine Willkürentscheidung, wie der Bundeswirtschaftsminister in einem Interview mit dem ARD/ZDF-Morgenmagazin erklärte. Sondern vielmehr sei es so, dass es heute viel mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftige gibt als noch vor Jahren, die Aussage des Berichts sei deshalb nicht korrekt gewesen.

Das stimmt auch. Nur verdienen die meisten einen Hungerlohn, weil der Niedriglohnsektor konsequent ausgebaut wurde. Die Tatsache, dass heute mehr Leute beschäftigt sind, ist kein Widerspruch zur Behauptung, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander geht. Aber das scheint Herrn Rösler und den Rest unserer Bundesregierung nicht zu stören. Sie leben halt nach dem Pipi Langstrumpf-Motto: "Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt."

Ähnlich ging die Politik und Justiz wohl auch im Fall Gustl Mollath vor. In einem schmutzigen Scheidungskrieg mit seiner früheren Frau hat Herr Mollath Anzeige gegen sie und ihren damaligen Arbeitgeber, die Hypo-Vereinsbank, wegen Schwarzgeldgeschäften gestellt. Dies erschien dem zuständigen Richter und einem Gutachter so absurd, dass Herr Mollath wegen paranoider Wahnvorstellungen um einen Schwarzgeldkomplex vor sieben Jahren in die Psychatrie eingewiesen wurde. Und weil sich der Wahn nicht besserte, sitzt er da heute noch.

Erst als die Presse sich der Sache annahm und ein interner Revisionsbericht der Bank publik wurde, der Mollaths Behauptungen bestätigte, wurde der Druck auf die auch schon damals tätige Justizministerin Beate Merk (CSU) so groß, dass sie nun die Staatsanwaltschaft Nürnberg anwies, den Fall neu aufzurollen. Zwar waren Frau Merk die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Fall Mollath und der interne Bericht der Bank schon seit geraumer Zeit bekannt. Doch erst der massive öffentliche Druck hatte sie dazu bringen können, ihre ganz eigene Weltsicht der Realität anzupassen.

So unterhaltsam Pippi Langstrumpf mit ihrem Versuch ist, sich die Welt nach ihrer Vorstellung einzurichten - vielleicht sollte man angehende Politiker davon abhalten, diese Sendung zu sehen. Offensichtlich richtet sie bei diesen charakterlich nicht sonderlich gefestigten Menschen viel Schaden an.
K.M.