Dienstag, 8. Oktober 2013
Abgesang auf die Demokratie
Nichts geht mehr in den USA. Seit einer Woche schon steht die Verwaltung still: Öffentliche Parks und Museen haben geschlossen, die Gesundheitsbehörde FDA und die Umweltbehörde EPA arbeiten wie viele andere Behörden nur mit einer Notbesetzung - und sind damit eigentlich nicht mehr in der Lage, ihren Job zu machen. Und all das nur, weil es dem amerikanischen Parlament nicht gelingt, einen Haushalt zu verabschieden.

Ganz so stimmt das natürlich nicht: Der Senat, von den Demokraten dominiert, würde schon wollen. Auch das Repräsentantenhaus, von den Republikanern dominiert. Allerdings beharren die Republikaner darauf, dass Obamas Reform der Krankenversicherung, die es allen Amerikanern ermöglichen soll, einen Versicherungsschutz zu erhalten, aufgeschoben, wenn nicht sogar aufgehoben wird.

Dabei waren die Gegner schon vor das Oberste Gericht gezogen, weil sie dachten, dass die Reform gegen die Verfassung sei - doch sie unterlagen; dabei hatten die Gegner die letzte Präsidentschaftswahl zur Abstimmung über die Reform erhoben - und Obama hat die Wahl mit großen Vorsprung gewonnen.

Nachdem den Gegnern nun keine demokratischen Mittel mehr offen stehen, nehmen sie also das ganze Land als Geisel und versuchen, die Regierung zu erpressen. Die Gegner, das sind noch nicht einmal alle Republikaner. Mitt Romney, der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, hatte in seiner Zeit als Gouverneur in Massachusetts sogar eine ähnliche Gesundheitsreform eingeführt wie später Präsident Obama auf Bundesebene. Die Gegner, das sind der radikale Flügel der Republikaner, der sich "Tea Party" nennt, nach der Bostoner Tea Party, bei der Amerikaner englischen Tee als Zeichen des Aufbegehrens zurück ins Meer geschmissen hatten, was schließlich zur Unabhängigkeit der USA führte.

Die Tea Party gibt sich als Grassroot-Bewegung, die die kleinen Leute unterstütze, doch finanziert wird sie von Großindustriellen wie den Koch-Brüdern, die einen hunderte Milliarden Dollar schweren Konzern besitzen. Die Tea Party hievte damals den jetzigen Führer der Republikaner, John Boehner, mit ins Amt - und so kann er sich jetzt nicht gegen sie stellen, auch wenn die Tea Party noch nicht einmal innerhalb der Republikaner die Mehrheit stellt. Deshalb ließ Boehner bis heute keine Abstimmung über den Haushalt im Repräsentantenhaus zu - denn dann würden zahlreiche Republikaner mit den Demokraten stimmen, um diese Farce endlich zu beenden, und die Tea Party hätte verloren.

Die Tea Party verfolgt einzig ein Ziel: Den Staat schwächen. Den Amerikaner ginge es besser ohne den Staat. Eine staatliche Krankenversicherung widerspricht dieser Einstellung natürlich völlig. Und es ist auch einsichtig, dass es Menschen besser gehen würde, wenn sie nicht zum Arzt können - besonders den Reichen, die das bezahlen müssten. Und so versucht die Tea Party, der republikanischen Partei und damit der ganzen Nation ihre Meinung aufzuzwingen.

Damit sieht man, wes Geistes Kind die Tea Party ist: Sie hat mit Demokratie nichts am Hut, sondern versucht, in den USA eine Oligarchie zu etablieren, in der eine Minderheit der Mehrheit vorschreibt, wie sie zu leben habe.
K.M.