Samstag, 27. September 2014
Für mehr Diskriminierung in der Wirtschaft
Die Überschrift mag verwundern. Kann man wirklich mehr Diskriminierung fordern? Gibt es nicht sogar - und das völlig zu Recht - ein Gesetz, welches sich gegen Diskriminierung wegen des Geschlechts, der Hautfarbe oder der Religion fordert? Nun gut, bei Religion ist das Gesetz etwas nachsichtig, immerhin sollen die christlichen Unternehmen in Deutschland die Möglichkeit haben, Andersgläubige auszugrenzen.

Aber erst einmal ist Diskriminierung unmenschlich und sollte mit allen Mitteln bekämpft werden. Ohne Wenn und Aber.

Aber... keine Regel ohne Ausnahme.

Am gestrigen Freitag hat die EU-Kommission voller Stolz das mit Kanada ausgehandelte Freihandelsabkommen CETA vorgestellt. Natürlich enthält dieses Abkommen auch einen Passus über geheime Schiedsgerichte, die verhandeln sollen, wenn Unternehmen meinen, dass sie im Partnerland benachteiligt, also diskriminiert würden. Und dies könnte bei der Kennzeichnung für die kanadischen Ölsande passieren.

Die Förderung des Öls aus Kanadas Sanden ist hochgradig umweltschädlich. Die EU hat deshalb ins Gespräch gebracht, dass diese Öle besonders gekennzeichnet werden, damit der Kunde weiß, was er hier kauft. Das schmeckt den Ölunternehmen natürlich gar nicht. Nachher kauft niemand diese Öle, nur weil sie so umweltschädlich hergestellt werden. Die Ölindustrie fühlt sich von der EU diskriminiert - und wäre damit potentiell einer der ersten Kandidaten, die mal die Effektivität der geheimen Schiedsgerichte ausprobieren könnten. Frei nach dem Motto: Wenn ich meinen Müll nicht verkaufen kann, dann soll der Staat mich doch bitte dafür entschädigen.

Das erinnert an die Debatte über die Kennzeichnung von Gen-Nahrung. In der EU wird gentechnikfreie Nahrung gekennzeichnet. In den USA ist dies verboten. Die Kennzeichung sei irreführend und erwecke den Eindruck, dass Gentechnik ein erhöhtes Risiko berge als nicht gentechnisch veränderte Nahrung, so der Industrieverband der Gentechniker. Deshalb wolle man den Verbraucher nicht verunsichern und verzichtet lieber auf die Kennzeichnung. Sie sei diskriminierend.

Doch der Verbraucher würde schon gerne wissen, welche Nahrung gentechnisch verändert ist und welche nicht. Und er würde schon gerne wissen, welche Produkte umweltschädlich hergestellt werden, und welche umweltschonend. Hält uns die Industrie diese Information vor, dann stört sie den Markt.

Ein Markt kann nur funktionieren, er kann nur frei einen fairen Preis finden, wenn alle Informationen allen bekannt sind. Hält eine Seite wichtige Informationen zurück, dann muss ein Markt versagen. Für diese Erkenntnis bekam der amerikanische Ökonom Joseph Stiglitz im Jahr 2001 den Nobelpreis. So neu ist die Erkenntnis also nicht.

Mit ihrer Forderung gegen Diskriminierung wollen die Unternehmen also ein Marktversagen herbeiführen, von dem alleine sie profitieren. Wenn die Kunden dumm gehalten werden, kann man ihnen jeden Preis abnehmen. Fair ist der sicherlich nicht.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir in der Wirtschaft endlich mehr Diskriminierung haben.
J.E.