Freitag, 19. Dezember 2014
Die gespaltene Münze
Der Kapitalismus, so lehrt uns schon Adam Smith im 18. Jahrhundert, ist vor allem so erfolgreich, weil er Arbeitsteilung nutzt. Es ist nicht mehr ein Handwerker, der ein ganzes Produkt herstellt, sondern unterschiedliche Arbeiter führen unterschiedliche Produktionsschritte durch, die dann in einem Produkt münden. So kann man viel mehr Güter herstellen, als wenn jeder das gesamte Produkt herstellen würde.

Diese Arbeitsteilung, die Produktion genormter Produkte am Fließband, war sicherlich ein Erfolgspfeiler der modernen Wirtschaft. Ohne sie wären die Produkte, die wir benutzen, viel teurer und viele von uns könnten sich nur einen Bruchteil von ihnen überhaupt leisten.

Aber wie es so oft der Fall ist, wenn eine Idee auf einem Gebiet erfolgreich war, versucht man diese Idee auf anderen Gebieten anzuwenden, wo sie eigentlich mehr schaden als nutzen. Nachdem der Kapitalismus die Arbeitsteilung eingeführt hatte, teilten die Volkswirtschaften ab dem Zeitalter der Globalisierung, welches um 1980 Fahrt aufnahm, die Wirtschaft in Konsumenten und Produzenten. Bisher hatte die Bevölkerung eines Landes die Produkte, die sie herstellte, auch weitestgehend selber konsumiert, finanziert aus den Einkünften, die sie bei der Produktion erhielt. Nun kam man auf die Idee, die Produktion in ferne, billige Länder zu verlagern, und diese Produkte dann nur noch vor Ort konsumieren zu lassen. Wie ein Konsument, der nicht produziert, Geld für den Konsum erhalten sollte, blieb ein Rätsel. Die steigenden Arbeitslosenzahlen und sinkenden Einkommen zeigten, dass dieses Rätsel nicht wirklich gelöst wurde.

Das Internet, welches um das Jahr 2000 anfing, unsere Welt zu dominieren, machte eine weitere Spaltung alltäglich: Die Aufspaltung zwischen Kunde und Nutzer.

Wenn man ein Auto kaufte, dann war man zugleich der Kunde des Herstellers wie auch der Nutzer des Produkts. Doch schon das Privatfernsehen verdiente sein Geld nicht durch die Zuschauer, sondern durch die werbetreibende Industrie. Die Zuschauer sind die Nutzer, die Industrie die Kunden. An den Kunden richtet man das Programm aus, was deshalb seicht und kritiklos ist - man könnte ja sonst die werbetreibende Industrie vergraulen.

Dieses Prinzip hat das Internet nun zum Lebensprinzip erhoben: Alles ist "umsonst". Schließlich leben die Internetfirmen ja von der Werbung (die letztlich auch der Bürger zahlt, aber das läuft eher indirekt und wird deshalb nicht wahrgenommen). Die Nutzer des Internets sind die Bürger, die Kunden sind die werbetreibende Industrie. An ihren Bedürfnissen richtet sich das Internet aus. Und ob das wirklich immer im Sinne der Nutzer ist, kann man bezweifeln.

Denn wenn man die zwei Seiten einer Münze trennt, erhält man nur wertlosen Schrott.
J.E.