Samstag, 22. September 2018
Dialektischer Brexit
Diese Woche war das Treffen der Staats- und Regierungschefs in Salzburg. Die Hoffnung war, dass es endlich einen Durchbruch in den Brexit-Verhandlungen geben würde. Doch tatsächlich tat sich nichts. Premierministerin May beharrte auf ihren Positionen und beklagte, dass die EU sich nicht bewege. Dabei hatte die EU schon vorher klargemacht, welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen. Doch Großbritannien hat das nicht gestört.

Mays Kommentare klingen erst einmal beleidigt, weil die EU nicht nach ihren Regeln spielen will, obwohl seit Thatcher das als fair gilt, was den Briten zum Vorteil gereicht. Damit waren sie den USA um Jahrzehnte voraus, wo Trump erst heute tönt, dass die Welt sich fair verhalten solle – und damit zum Vorteil der USA.

Doch tatsächlich scheint May dem Irrtum erlegen, Hegels Dialektik sei mehr als nur ziemlich dummes Geschwätz. Hegels Meinung nach bildet jede These ihre Antithese aus, die zusammen in eine neue Synthese fließen. Hegel schlug vor, dass dies der Weg der Erkenntnis sei – schließlich beschäftigte er sich mit der Metaphysik, die prinzipiell nicht der Erfahrung zugänglich ist. In einem solchen Bereich können These und Antithese ruhig zugleich gelten.

Doch selbst wenn dies möglich wäre, dass eine Aussage und ihr Gegenteil zugleich „richtig“ oder „wahr“ sein könnten, dieser Weg wird nie zur endgültigen Wahrheit führen, denn die Synthese wird zur neuen These, die wieder eine Antithese generiert, um immer so weiter. Dieser Prozess der Dialektik wird nie ein Ende erreichen. Doch May hat nicht unendlich viel Zeit.

Vielleicht sollte May, nachdem sie über ein Jahr gebraucht hat, um überhaupt einen Vorschlag zu unterbreiten, endlich pragmatisch an die Lösung des Problems gehen, statt dialektische Spielchen zu treiben. Für ihren Pragmatismus waren die Briten schließlich mal berühmt.

Für Fairness, die allen zugleich zum Vorteil gereicht, jedoch auch.
P.H.