Samstag, 7. Juni 2014
Systemversagen
Diese Woche war Weihnachten - zumindest für die Spekulanten. Die Europäische Zentralbank senkte den Leitzins auf 0,15% - ein historisches Tief. So billig kamen Banken noch nie an Kredite, um sich zu finanzieren. Das Ziel ist klar: Noch immer leidet vor allem die Wirtschaft in Südeuropa unter den Folgen der Finanzkrise des Jahres 2008. Noch immer kommt bei den Firmen in diesen Ländern kaum Geld an, welches sie dringend für Investitionen brauchen. Und das, obwohl die Zinsen in Europa schon seit Jahren historisch niedrig sind.

Die Logik scheint klar: Die Zentralbank vergibt billige Kredite, damit die Banken das Geld an die Privatwirtschaft weitergeben, die mit dem Geld investiert und damit die Wirtschaft wieder antreibt. Nur die Banken geben das Geld nicht weiter. Sie horten es selber, nutzen es, um zu spekulieren (die Aktienstände erreichen neue Höchststände), und das, was sie nicht im Casino anlegen, bringen sie zurück zur EZB und kassieren dafür auch noch Zinsen. Die sind zwar gering, aber immer noch besser, als das Geld kriselnden Privatunternehmen zu geben.

Das will die EZB nun verhindern. Wird Geld bei der EZB geparkt, dann sollen die Banken nun darauf einen Strafzins von -0,1 Prozent zahlen. Außerdem stellt die EZB 400 Milliarden Euro verbilligtes Geld für die Banken in Aussicht, die die Privatwirtschaft unterstützen. Wobei "unterstützen" schon bedeutet, dass sie in den nächsten Jahren ihr Kreditvolumen an die Privatwirtschaft weniger stark verringern als in den letzten Jahren.

Das System der Zentralbanken geht unter anderem auf eine Idee des englischen Geschäftsmanns Walter Bagehot zurück, der im 19. Jahrhundert lebte. Er stellte sich vor, dass es eine Zentralbank geben sollte, die bei Wirtschaftskrisen, in denen die Privatbanken keine Kredite mehr geben, als "Lender of Last Resort", als Verleiher der letzten Zuflucht, tätig sein solle. Diese Zentralbank sollte die Kredite direkt an die Privatwirtschaft geben, die sie ja brauchte. Doch stattdessen geben unsere Zentralbanken das Geld den Privatbanken - die ja gar keine Lust haben, das Geld an die Wirtschaft weiterzuleiten, wie die EZB nun auch - nach knapp sechs Jahren - festgestellt hat, sondern es lieber nutzen, um auf eigene Kosten zu spekulieren.

Unser Zentralbanksystem gleicht einem Arzt, der seinen Patienten helfen will. Doch anstatt die Medikamente direkt dem Patienten auszuhändigen, überreicht er diese Drogenabhängigen, in dem Vertrauen, dass die all die Schmerzmittel und anderen Stoffe schon in vollem Maße an die Kranken weiterreichen werden.

Dass dies nicht funktioniert, hat die EZB nun endlich verstanden. Doch einen tiefgreifenden Systemwechsel wird es nicht geben. Immerhin sind die Banker diejenigen, die die Politik beraten, wenn es um Geldangelegenheiten geht.

Und welcher Junkie wird schon freiwillig auf seinen Stoff verzichten?
J.E.



Samstag, 24. Mai 2014
Kampf dem Monster
Morgen können wir wieder wählen. Gut, in den letzten Jahren hatten die Wahlen besonders in Bayern eher etwas symbolisch: Egal welche Skandale aufgedeckt werden, in denen die Granden der CSU verstrickt sind, die CSU bleibt an der Macht, da hilft auch keine Wahl. Und an der Macht sorgt sie weiter für Skandale. Warum sollte sie auch ihr Verhalten ändern, wenn es eh keine Konsequenzen hat?

Doch diesmal ist es anders. Diesmal ist der Wahlkampf spannend, schließlich geht es um ein Monster, dass uns alle zu versklaven sucht: Es geht um Europa. Also, gegen Europa. Zumindest weisen uns alle Politiker, von rechts bis links, darauf hin, dass Europa etwas ganz Schlechtes ist. So will sich Europa in jedes Detail unseres Lebens einmischen, man denke nur an die berühmte Gurkenverordnung, in der Europa vorgeschrieben hat, wie krumm Gurken sein dürfen. Oder die Zulassung von Genmais, durch die EU, die doch keiner wollte. Oder die Zuwanderung von Armen aus ganz Europa, der sich die CSU mit ihrem Slogan "Wer betrügt, fliegt" entgegenstellt.

Es ist schon ein Kampf mit Europa, dem sich die nationalen Politiker unerschrocken stellen. Fast bekäme man den Eindruck, uns allen würde es besser gehen, gäbe es Europa nicht.

Doch tatsächlich würde es uns besser gehen, gäbe es die verlogenen Politiker nicht. Alle Entscheidungen in Europa werden von den nationalen Politikern mitgetragen oder gar getroffen. Sich nachher hinzustellen und sich darüber zu beschweren, ist einfach nur Heuchelei. Die Gurkenverordnung beruhte auf Interessen der Industrie, die mehr Gurken in eine Kiste packen wollte, weshalb sie möglichst gerade sein mussten, der Genmais wurde mit Zustimmung der Bundesregierung zugelassen - und nun will sie ihn in einem heroischen Kampf gegen die EU im Inland verbieten lassen. Und Europa ist kein Hort von Armutszuwanderern, sondern profitiert von den vielen Arbeitssuchenden, die die offenen Stellen in Deutschland besetzen und das Wachstum der deutschen Wirtschaft ermöglichen. Unter diesen Zuwanderern mag es auch Betrüger geben, die den Staat ausnehmen. Doch wollte man alle Betrüger aus Deutschland herausschmeißen, dann hätte die CSU arge Probleme, noch Kandidaten für die Wahlen in Bayern aufzustellen.

Europa ist kein Monster, und wenn, dann ein Monster, dass für die Interessen der Verbraucher eintritt. Denn die EU hat verfügt, dass die überteuerten Roaming-Gebühren für Handygespräche sinken müssen, bald sollen sie ganz abgeschafft werden. Und in Europa gilt das Vorsorgeprinzip. Während in den USA neue Produkte und Chemikalien einfach auf den Markt gebracht werden dürfen, und man dann schaut, was sie anrichten, müssen Firmen in Europa erst einmal zeigen, dass die Chemikalien und Produkte ungefährlich sind. Das schränkt die Freiheiten der Unternehmen natürlich ein, die sonst aus Scheiße Gold machen konnten.

Und vielleicht ist das der eigentliche Grund, warum unsere von den Firmen gesponserten Parteien so gegen Europa stänkern.
P.H.



Samstag, 10. Mai 2014
Mach meinen Kumpel nicht an
Es war in den 1980er Jahren, als die Gewerkschaften in Deutschland eine Initiative gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gründeten. Logo der Initiative war eine gelbe Hand und der Spruch: "Mach meinen Kumpel nicht an!"

Zwar gibt es immer noch Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland, aber die fremdenfeindlichen Parteien sind in Deutschland nicht so erfolgreich wie in manch anderen Ländern Europas. Ein Grund mag auch Franz Josef Strauß Diktum sein, dass es rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, weshalb die CSU sich selber aufopferungsvoll um die Rechtsradikalen kümmert.

Allerdings hat der Wahlspruch "Mach meinen Kumpel nicht an" in manchen Gesellschaftsschichten einen überragenden Erfolg verbuchen können, wie man gerade einmal wieder in Augsburg sehen konnte. Ermittler hatten jahrelang gegen Tausende Ärzte ermittelt, die die Krankenkassen und Beitragszahler um Millionen betrogen hatten. Um schnell Rechtssicherheit zu haben und nicht Tausende von Verfahren parallel führen zu müssen, war die Staatsanwaltschaft auf die Idee gekommen, erst nur einen Arzt zu verklagen und das Verfahren bis zum Bundesgerichtshof zu führen, damit der Präzedenzfall für alle anderen Ärzte geschaffen wäre. Doch kaum hatte man diesen Arzt angeklagt, da stellte die Staatsanwaltschaft Augsburg still und leise die Verfahren gegen die anderen Ärzte ein. Und als das Bundesgerichtshof die Verurteilung nun bestätigte, da waren die anderen Fälle verjährt - und die Ärzte können unbescholten ihr erschwindeltes Geld behalten.

Aber natürlich blieb es nicht dabei. Ermittelnde Beamten, die von der Einstellung der Verfahren schockiert waren, erhoben Beschwerde - und wurden mit Disziplinarverfahren kaltgestellt.

Das erinnert fatal an die Fälle der hessischen Steuerfahnder, die so erfolgreich Geld eintrieben, dass man versuchte, sie mit Gutachten, in denen sie für verrückt erklärt wurden, aus dem Weg zu räumen.

Aber war das nicht genau das, was man wollte? Mach meinen Kumpel nicht an. Das schließt natürlich auch den Kumpel aus dem Golfclub mit ein.
J.E.



Samstag, 26. April 2014
Die Arbeiterpartei
Seit Ende 2013 regiert in Deutschland die große Koalition, die von Kabarettisten als "Groko" bezeichnet wurde, was dann auch prompt von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2013 gekürt wurde. Sie SPD, mit ihren 25,7%, und die Unionsparteien mit zusammen 41,5% der Stimmen bilden eine Koalition, deren Größe die verbliebende Opposition zu erdrücken droht.

Und die Koalition machte sich auf, Deutschland zu verändern: Nach der Rente mit 67, die die letzte große Koalition unter Angela Merkel noch eingeführt hatte, kommt nun die Rente mit 63. Außerdem bekommen die Mütter, die schon in Rente sind oder bald gehen, etwas mehr Geld - schließlich ist gerade die heutige Rentnergeneration von Armut betroffen. Dann wird noch eine Mietpreisbremse eingeführt, und vor allem: Endlich wird Deutschland einen Mindestlohn einführen, auch wenn sich die Teile der Union dabei noch wehren. Und der Justizminister Maas, der Wirtschaftsminister Gabriel und der Außenminister Steinmeier sind neben Merkel dauerpräsent in den Medien. Vielleicht hört man noch etwas von der Verteidigungsministerien Ursula von der Leyen, der einzigen Unionsangehörigen neben dem Finanzminister, die es hin und wieder in die Nachrichten schafft - wohl vor allem deshalb weil sie als Frau die Männerdomäne Militär beherrscht.

Schaut man sich die große Koalition an, dann hat man fast den Eindruck, dass der Juniorpartner die Politik der Regierung bestimmt. Die Union mit ihren Vertretern und Themen ist oft nur eine Randnotiz wert. Man lästerte schon, dass diese Arbeitsverteilung ganz in Ordnung sei - schließlich sei die SPD ja die klassische Arbeiterpartei, da müsse sie auch die ganze Arbeit machen.

Doch seit ein paar Tagen weiß man: Die Unionsabgeordneten kommen gar nicht dazu, sich um die Politik zu kümmern; sie sind zu sehr mit ihren Nebenjobs beschäftigt. Jede vierte Abgeordnete des deutschen Bundestages geht einer Nebenbeschäftigung nach, bei der Unionsfraktion ist es sogar jeder Dritte. Wer sich so sehr um seinen eigentlichen Job kümmern muss, der hat natürlich nicht auch noch Zeit, sich um die Politik in Berlin zu kümmern. Die Stadt ist ja auch so schlecht zu erreichen: Ein neuer Eröffnungstermin für den Flughafen Berlin-Brandenburg soll erst zum Jahresende genannt werden.

So lässt man die SPD die ganze Arbeit machen - und auch die Kritik auf sich ziehen; denn wer nichts tut, der kann auch nichts falsch machen. Und wer nichts falsch macht, der wird von den Wählern geliebt: Bei Umfragen hält die Union ihr Ergebnis der Bundestagswahl, während die SPD einfach nicht aus ihrem Tief kommt.

Denn wie heißt es schon in der Bibel? Wer hat, dem wird gegeben. Es ist nicht davon die Rede, dass man sich dafür auch anstrengen muss.
K.M.



Donnerstag, 10. April 2014
Alles für die Sicherheit
Europa wird immer sicherer. Ab 2015 sollen alle Neuwagen in Europa mit einem eCall-System ausgerüstet werden. Das System ist immer aktiv, und ruft im Fall eines Unfalls (etwa wenn der Airbag auslöst) sofort den Notruf und übermittelt Informationen wie die Position und den Wagentyp. Dafür sind ein GPS und eine Handyverbindung eingebaut. So sollen die Einsatzkräfte schneller vor Ort sein. 2500 Menschenleben sollen so pro Jahr in der Europäischen Union gerettet werden könne, wie der Verkehrskommissar Siim Kallas behauptet. Jedes Jahr kommen in Europa 28.000 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben - diese Zahl will man mit eCall also um fast zehn Prozent reduzieren.

Zwar gibt es keine Statistik, die aussagt, wie viele Menschen überlebt haben könnten, wenn der Rettungswagen einige Minuten früher gekommen wäre - aber 2500 Überlebende ist zumindest eine Zahl, die uns beeindruckt. Und der Preis dafür ist hoch: Das eCall-System ist immer aktiv. Natürlich soll es nur für den Notfall genutzt werden, und nicht, um Bewegungsprofile zu erstellen. Doch es soll auch benutzt werden, um zum Beispiel gestohlene Autos zu orten. Die Technik zur Erstellung von Bewegungsprofilen ist also da. Und wenn etwas prinzipiell zur Verfügung steht, dann wird es auch genutzt.

So wird das Mautsystem auf deutschen Autobahnen allein zur Abrechnung der Maut benutzt. Aber die Daten, wo die LKWs überall waren, sind nun einmal verfügbar - und wecken deshalb Begehrlichkeiten. Erst vor wenigen Monaten dachte der deutsche Innenminister laut darüber nach, diese Daten auch der Polizei zur Verfügung zu stellen.

Unsere Kontodaten sind auch nicht länger geheim. Seit einigen Jahren können zahlreiche Ämter völlig unbehindert unsere Kontodaten einsehen. Und gerade wenn man in die USA reist, dann muss man sich geradezu entblättern und Daten liefern, die bisher niemanden etwas angingen. Man wird behandelt wie ein potentieller Verbrecher, nicht wie ein Gast.

Doch dies geschieht, wie auch eCall allein für unsere Sicherheit. Die Welt ist brutal und grausam, gerade Terroristen können uns überall auflauern - da muss der Staat doch eingreifen und uns beschützen. Gut, wir geben unsere Freiheitsrechte auf, wir werden zu einem gläsernen Bürger, den der Staat besser überwachen kann als die Stasi es sich dies je zu erträumen wagte. Aber müssen wir diesen Preis nicht zahlen?

Doch wofür zahlen wir den Preis? Sicher nicht für unsere Freiheit und unsere Demokratie. Die verschwindet in einem Staat der gläsernen Bürger wie eine Seifenblase.
J.E.



Samstag, 29. März 2014
Die Zurückgebliebenen
Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Kriege. Zwei Weltkriege und eine Jahrzehnte andauernde Konfrontation zwischen dem Westen und dem Osten, der kalte Krieg, prägten das Jahrhundert. Die Alliierten rechneten immer mit einem Überfall der Sowjetarmee auf Deutschland - und ganz offensichtlich waren sie nicht sonderlich davon überzeugt, dass die Deutschen den Sowjets lange standhalten würden. Zumindest kümmerte sich die CIA schon um die Zeit nach einem eventuellen Einmarsch der Sowjets in Deutschland und formierte direkt nach dem Krieg eine geheime Partisanen-Armee unter dem Decknamen "Stay Behind", die hinter den feindlichen Linien gegen die Sowjets kämpfen sollte - Ende der 1950er Jahre übernahm dann der Bundesnachrichtendienst die Kontrolle dieser Organisation (die dann Anfang der 1990er Jahre aufgelöst wurde). Hunderte von Waffenlager wurden in Wäldern versteckt, Tausende von Freiwilligen wurden ausgebildet.

Aber diese Freiwilligen musste man ja erst einmal finden. Sie mussten kräftig sein, kampferprobt und außerdem überzeugte Antikommunisten. Und wer waren die überzeugtesten Antikommunisten in Deutschland? Die Nazis. Natürlich.

Und so wimmelte es in der deutschen Stay-Behind-Organisation von Nazis. Ausgerechnet die Faschisten sollten die deutsche Demokratie beschützen. Ein Treppenwitz der Geschichte.

Doch so begann schon zur Gründung der Bundesrepublik eine enge Zusammenarbeit zwischen Nazis und den Sicherheitsorganisationen des deutschen Staates. Und langsam versteht man, wieso gerade diese Sicherheitsorganisationen so oft auf dem rechten Auge blind sind (man denke nur daran, dass mit dem NSU, dem nationalsozialistischen Untergrund, eine rechtsradikale Terrorgruppe jahrelang in Deutschland morden konnte, und dem Staat kam gar nicht in den Sinn, dass es eine Terrorgruppe sein könnte, die die Morde verursacht).

Genau genommen sind die Sicherheitsorgane nicht auf dem rechten Auge blind - sondern das rechte Auge ist Teil der Sicherheitsorgane. Und so, wie ein Polizist auch seine Kumpel von der Wache nicht verrät, so verrät man auch nicht seine Kumpel aus der rechten Szene. Schließlich arbeitet man mit ihnen ja an der Rettung des deutschen Staates vor Asozialen, Ausländern, Punks und anderem Gesocks.

Man dient damit einem höheren Zweck, während Gesetze ja nur von Menschen gemacht sind.
P.H.



Samstag, 15. März 2014
Die Wahl fällt auf Hoeneß
Morgen sind Kommunalwahlen in Bayern. Aber abgesehen von einigen störend im Wege herumstehenden Plakaten bekommt man wenig davon mit. Christian Ude, seit 21 Jahren Oberbürgermeister in München, wird am Sonntag nicht mehr gewählt werden. Er kann aus Altersgründen nicht mehr antreten. Deswegen hatte er sich ja Ende 2013 als Ministerpräsident beworben - den Job kann man auch noch im Greisenalter ausüben.

Die neuen Bewerber für den Posten des Oberbürgermeisters kennt man kaum. Aber es interessiert auch nicht wirklich. Denn diese Woche hatte München ein wirkliches Spektakel zu bieten: Die Gerichtsverhandlung um die Steuerhinterziehungen von Uli Hoeneß. Laut Anklage sollte er 3,5 Millionen Euro hinterzogen haben. Am ersten Verhandlungstag diese Woche Montag ließ Hoeneß die Bombe platzen: Er gesteht Steuerhinterziehungen von 18,5 Millionen Euro ein.

Einen Tag später berichtet eine Steuerfahnderin, dass sie gar auf 27,2 Millionen Euro kommt. Am Donnerstag dann das Urteil: 3 Jahre und 6 Monate Haft, mittlerweile spricht man von 28,5 Millionen Euro hinterzogenen Steuern. Und am Freitag teilt Hoeneß mit, dass er alle seine Ämter beim FC Bayern München aufgibt, auf eine Revision verzichtet und ins Gefängnis gehen will. Man zollt ihm dafür Respekt.

Ob man einem Mann, der fast 30 Millionen Euro an Steuern hinterzogen hat, der dies damit zu entschuldigen suchte, dass er fünf Millionen Euro für die gute Sache gespendet hatte (das Geld war ja hinterzogen - und gehörte ihm deshalb gar nicht), der sich nur deshalb - und ganz offensichtlich überhastet - selber angezeigt hat, weil der Stern im schon auf den Fersen war, ob man einem solchen Mann Respekt zeugen sollte, mag die Geschichte zeigen.

Doch was der Fal Hoeneß zeigt, ist die Verlogenheit unserer Politik. Seit Jahren baut sie die Steuerfahndung konsequent ab. Kritische Steuerfahnder werden konsequent kaltgestellt. Die Folge ist, dass viele Betriebe nur alle paar Jahrzehnte genauer geprüft werden - manche nur einmal in einhundert Jahren. Das ganze wird dann auch noch als "Standortvorteil" verkauft, frei nach dem Motto: Lasst Euch in unserem Ländle nieder, ob Ihr auch Steuern zahlt, interessiert uns eigentlich nicht. Damit schafft es Deutschland auf einem internationalen Ranking der Steueroasen immerhin auf Rang acht - und steht damit noch vor klassischen Steuerparadiesen wie Jersey, den Marshall-Inseln oder den Bahamas.

Wenn dann aber einige Personen wie Uli Hoeneß dieses Angebot wahrnehmen, dann ist das Geschrei groß: Wie kann er nur?!

Die Politik sollte aufhören, ein Paradies für Steuerkriminelle zu errichten - um sich dann scheinheilig darüber aufzuregen, dass manche doch tatsächlich ihre Steuern hinterziehen.

Damit wieder zur Wahl am morgigen Tag: Wen sollte man wählen? Ob links oder rechts - alle Parteien tragen ihre Schuld daran, dass Deutschland in Sachen Steuern ein Unrechtsstaat ist. Eigentlich sollte die Wahl deshalb am morgigen Sonntag auf den Biergarten fallen.

Aber wahrscheinlich wird's regnen.
J.E.



Samstag, 1. März 2014
Ärtzemangel
Es gibt zu wenige Ärzte in Deutschland. Zwar ist die Zahl der Ärzte in Deutschland von 92.000 im Jahr 1990 auf 144.000 heute gestiegen, und der Reinertrag pro Praxis liegt heute bei 166.000 Euro, doch zugleich ist es vor allem auf dem Land immer schwieriger, einen Arzt zu finden. Die jungen Ärzte leben halt viel lieber in der Stadt, und auf dem Land muss man auch noch so oft Hausbesuche machen, die nur mit lächerlichen Beträgen entlohnt werden.

Was soll man tun? Die Politik ist gefordert.

Genau genommen ist es nicht die Politik. In Deutschland haben die niedergelassenen Ärzte ein Monopol auf die Patientenversorgung. Die Krankenhäuser dürfen nur die Patienten in Krankenhäusern behandelt werden, die akut krank sind oder von den Ärzten überwiesen wurden. Im Gegenzug haben sich die Ärzte verpflichtet, landesweit eine ausreichende Versorgung sicherzustellen. Diese Verantwortung liegt bei den kassenärztlichen Vereinigungen.

Aber was sollen die machen? Die Bezahlung auf dem Land ist eben zu unattraktiv, kein Arzt will deshalb aufs Land ziehen.

Gute Frage. Wer ist denn für die Bezahlung der Ärzte zuständig? Man wundert sich: Ebenso die kassenärztliche Vereinigung. Diese bekommt das Budget von den Krankenkassen überwiesen und darf es dann nach eigenen Regeln an die Ärzte verteilen. Wenn die Bezahlung der Ärzte auf dem Land ungerecht ist, dann kann die kassenärztliche Vereinigung das ganz einfach ändern. Aber sie verlangt lieber mehr Geld, damit das Durchschnittseinkommen der Ärzte weiter steigt - wovon vor allem die Ärzte in der Stadt profitieren.

Jetzt wird es aber besonders bizarr: In den Städten gibt es schon viel zu viele Ärzte. In manchen Stadtteilen Münchens gibt es, wie ein Kabarettist mal meinte, sogar mehr Kardiologen als Menschen mit Herz. Aber haben Sie mal versucht, einen Termin bei einem Facharzt zu bekommen? Sie müssen Monate warten. Sogar in den Städten. Obwohl es hier mehr Fachärzte gibt also sonst wo in Europa.

Das ARD-Magazin "Kontraste" hat dieses Rätsel gelöst: Da Ärzte pro besuchtem Patient pro Quartal entlohnt werden, lassen die Fachärzte viele ihrer Patienten eben quartalsweise zu "Nachuntersuchungen" antanzen. Die Untersuchungen sind schnell erledigt, aber die Ärzte bekommen wieder Geld, als hätten sie den Patienten tatsächlich behandelt. Bei Urologen sind fast ein Drittel aller Patienten Dauerpatienten, die einmal im Quartal vorbeischauen, bei denen man nichts feststellt, aber schon mal einen Termin für eine Untersuchung im nächsten Quartal ausmacht.

So füllt man sich den Terminkalender mit "Patienten", die kerngesund sind, aber für die die Kassen und die Versicherten trotzdem zahlen. Und wer wirklich krank ist, muss dann wochenlang auf einen Termin beim Facharzt warten.

Und was macht die kassenärztliche Vereinigung? Sie fordert mehr Ärzte in den Städten.

Ein Arzt war früher einmal eine angesehene Person, die sich um das Wohl ihrer Patienten und weniger um das Wohl ihres Geldbeutels gekümmert hat. In diesem Sinne fordern auch wir mehr Ärzte für Deutschland.
K.M.



Freitag, 14. Februar 2014
Gentechnik ist sicher! Irgendwie...
Sollte man bisher gedacht haben, dass in einer Demokratie Dinge nur geschehen, wenn die Mehrheit dafür ist, so hat uns die EU diese Woche eines Besseren belehrt. Der Genmais 1507 der Firma Pioneer Dupont wird wohl in der EU zugelassen, weil sich keine Mehrheit fand, die gegen die Zulassung votierte (Deutschland, als eines der Länder mit den meisten Stimmen, wusste nicht so recht, wie es sich verhalten sollte - die Unionsparteien waren nicht so richtig dagegen - also enthielt man sich - und stimmte so de facto für die Zulassung).

Die Umweltverbände kritisieren dies. Gentechnik wird von ihnen als Frankenfood bezeichnet, nach dem Doktor Frankenstein, der einen Menschen schuf, indem er verschiedene Teile von Leichen zusammen nähte. Und ähnlich funktioniert auch Gentechnik: Man bringt unterschiedliche Gene zusammen und schaut, was passiert.

Es passiert schon nichts, sagen die Befürworter der Gentechnik. Diese Genmaissorte zum Beispiel produziert ein Insektengift mit dem Namen Bt, das von dem Bakterium Bacillus thuringiensis produziert wird. Da der Genmais sein eigenes Insektengift produziert, braucht man weniger Chemie. Und hat nicht Rachel Carson, die mit ihrem Buch "Silent Spring" die Welt vor den Giften der Landwirtschaft warnte, selber angeregt, Bt-Toxine als umweltfreundlichen Toxine einzusetzen?

Doch, das hat sie. Aber es war nie die Rede davon, die Gifte rund ums Jahr zu produzieren, sondern nur punktuell einzusetzen, wenn die Pflanzen von Schädlingen bedroht sind. Dank der Gentechnik tötet das Gift nun dauerhaft die Insekten unserer Umwelt. Aber man darf das nicht zu eng sehen: Es gibt doch genug von ihnen.

Dann haben die Gegner der Gentechnik Angst davor, dass die fremden Gene auf andere Pflanzen überspringen können. Sprechen Sie mal einen Biologen darauf an, wie wahrscheinlich das ist. Der wird Ihnen sagen, dass es Quatsch sei. Und dann vielleicht noch beruhigend hinzufügen, dass dies in der Natur doch etwas ganz normales sei. Und tatsächlich hat man veränderte Gene schon in zahlreichen wildlebenden Pflanzen gefunden. Aber, Sie ahnen es, auch von denen gibt es ja genug.

Was ein Gen macht, wenn es irgendwo in der DNA eingebaut wird, weiß keiner so genau. Die Biologen erzählen uns, dass das Gen an genau der richtigen Stelle eingebaut wird und dort nur das Protein erzeugt, was es erzeugen soll. Aber leider klappt das nur bei einer von mehreren Tausend Pflanzen so chirurgisch präzise, was auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass die Gene an kleine Metallkügelchen befestigt und dann mit einer "Gen-Kanone" in den Zellkern geschossen werden - wo sie eben irgendwo eingebaut werden. Und zumeist an den falschen Stellen.

Und nun fällt den Biologen auf, dass die Gentechnik, die Wissenschaft der DNA, vielleicht doch nicht alles über die Vererbung zu erzählen weiß, und man die Epigenetik benötigt; denn man hat gesehen, dass nicht alle vererbten Merkmale durch weitervererbte DNA erklärt werden können. Aber nichts Genaues weiß man nicht, es ist halt noch ein weites, unerschlossenen Land.

Man weiß halt nur, dass die Gentechnik ganz sicher, also hundetprozentig, nicht schädlich für den Menschen und unsere Umwelt ist.

Schließlich weiß man ja auch, dass ein Schlachtfeld nichts gesundheitsschädlich ist. Man darf sich eben nur nicht dort aufhalten, wo die Bomben explodieren...
P.H.



Samstag, 1. Februar 2014
Wir geben nichts!
War das nicht ein erfreulicher Auftakt für die große Koalition? Kaum im Amt, schon wird eine große Rentenreform beschlossen. So steigt für Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben, die sogenannte Mütterrente. Und man kann nun doch schon mit 63 Jahren in Rente gehen - allerdings nur für ältere Jahrgänge. Wer nach 1964 geboren wurde, darf erst mit 65 in den Ruhestand. Mit einigen weiteren Geschenken an die Rentner summieren sich die Kosten für das Paket bis 2020 auf 60 Milliarden Euro. Doch die Finanzierung ist erst einmal sicher: Eigentlich hätten zum Jahreswechsel die Beiträge von 18,9 auf 18,3 Prozent des Bruttolohns sinken müssen, doch mit dem Blick auf die Geschenke für die Rentner hat die Große Koalition dies vor Weihnachten noch mit einem Eilgesetz verhindert. Die Steuern werden nicht erhöht, das ist dieser Regierung wichtig. Beiträge und Abgaben hingegen schon.

Zugleich geistern eigenartige Meldungen durch den Blätterwald. So hat der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle gerade erst verkündet, dass ab dem nächsten Schuljahr in Bayern 830 Lehrerstellen wegfallen sollen. Aber da folgen diese nur dem guten Beispiel des Unterrichts: Der fällt wegen Lehrermangels immer noch häufig in Bayern aus.

Und manch einer Uni wird geraten, wegen Geldmangel doch einfach ein paar Studienfächer abzuschaffen. So soll nach einem Vorschlag des Wissenschaftsrats die Universität des Saarlandes keine "akademische Grundversorgung" mehr bereitstellen, stattdessen sollen sich Studenten sich irgendwo in der "Großregion" (sprich: Rheinland-Pfalz) ausbilden lassen. Und diese Vorschläge wurden nicht nur der Universität des Saarlandes gemacht, sondern auch anderen Universitäten in Deutschland. Schließlich muss man sparen.

Fällt Ihnen hier auch ein Muster auf? Die Renten werden erhöht, hierfür ist genug Geld da, bei der Ausbildung der Jugend hingegen spart man. Wie die Jugend dann später einmal die Beiträge für die Rentenversicherung bezahlen soll, wenn sie schlecht ausgebildet wurde und deshalb nur Hilfsarbeiterjobs ausüben kann, scheint niemanden zu interessieren. Warum auch? Die Wahlen werden beim nächsten Wahlgang entschieden, und der ist garantiert irgendwo in den nächsten Monaten. Und entschieden wird er von den Alten: Sie stellen die größte Gruppe - und sind auch die aktivsten Wähler. Die jungen Generationen kann man mit seiner Politik ruhig verschrecken, solange es den Alten gut geht.

Und schließlich wählt man ja, um seine eigenen Interessen vertreten zu wissen. Wir sind doch keine Samariter.
J.E.