Lasst uns christlich sein!
Es sind die Tage vor Weihnachten, der Geburt Jesus Christus. Was könnte da passender sein, als der Aufruf, dass wir wieder christlich sein sollen. Es ist ja nicht nur zur Weihnachtszeit, dass wir aufgefordert werden, wieder christliche Werte zu leben. Besonders die Rechtspopulisten machen sich ja Sorgen um das christliche Abendland, dessen Ende sie schon gekommen sehen.
Es sind aber auch die Rechtspopulisten, die gegen Ausländer hetzen, sich als Antisemiten erweisen und ihre Gegner am Liebsten ausschalten wollen – oder zumindest mundtot machen wollen. Es sind gerade die Rechtspopulisten, die doch so gar keine Menschlichkeit und Nächstenliebe zeigen – also die eigentlich typischen christlichen Werte.
Allerdings ist dies nur ein scheinbarer Widerspruch. Die Rechtspopulisten fordern nicht, dass wir die theoretischen christlichen Werte leben sollen, sondern die gelebten christlichen Werte. Und die lassen sich einfach mit den Begriffen Hass und Intoleranz umschreiben.
Als die christliche Religion in Europa herrschte, da wurden Andersdenkenden gnadenlos als Ketzer und Hexen verfolgt, gefoltert und getötet. Andersgläubige wurden mit heiligen Kriegen überzogen, um sie zu auszurotten. Die Christen mögen von Nächstenliebe reden, doch gelebt haben sie Hass und Intoleranz.
Und das sind auch die Werte, die nach dem Willen der Rechtspopulisten wieder gelebt werden sollen. Andere – ob sie nun einen anderen Glauben, eine andere Hautfarbe oder andere Ansichten haben – sollen ausgeschaltet werden; sie sind unwerte Lebensformen.
In diesem Sinn des Hasses und der Intoleranz ist der Aufruf der Rechtspopulisten wie der AfD in Deutschland zu verstehen, dass die christlichen Werte wieder gelebt werden sollen.
J.E.
red horse am 22. Dezember 19
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3 mal 3 ist 6
… das wird man doch wohl noch sagen dürfen. Natürlich darf man das sagen. Es gibt Meinungsfreiheit in unserem Land, auch wenn manch ein Populist bevorzugt aus dem rechten Lager dies in Frage stellt.
Was diesen Populisten dann nicht gefällt, ist der Gegenwind, der ihnen begegnet, wenn sie einige Äußerungen machen, die der Mehrheit, die sie zu vertreten glauben, nicht gefallen. Aber das gehört eben auch zur Meinungsfreiheit.
Wir sollten jedoch aufpassen, dass wir nicht alles als Meinung verstehen. 3 mal 3 ist 6 ist keine Meinungsäußerung, sondern eine mathematische Aussage. Und als solche ist sie schlicht falsch. Diese Aussage ist eine Lüge.
Andere Aussagen, die Menschen aufgrund ihrer Rasse oder ihrer Sexualität herabsetzen, sind auch keine Meinungen, sondern Beleidigungen – wenn nicht sogar Drohungen.
Jeder kann sagen, was er will. Doch wenn er lügt oder beleidigt, dann muss er mit Gegenwind rechnen. Das wird man doch wohl noch mal sagen dürfen.
Schlimm ist nur, dass die Medien sich von den rechten Populisten bedrängen lassen und immer öfter jede Aussage als Meinung betrachten. Dann versuchen sie, wirren Ideen, glatten Lügen und harschen Beleidigungen genauso viel Platz einzuräumen wie echten Meinungen. Wenn jemand aber behauptet, „das Blut der Deutschen“ sei anders als das der Afrikaner, dann vertritt er keine Meinung, sondern ist ein Idiot. Wenn jemand behauptet, es gäbe keinen Klimawandel, dann lügt er. Man kann sich über die Auswirkungen streiten, die liegen schließlich in der Zukunft. Doch wenn dem einen Prozent Außenseiter in der Diskussion dieselbe Breite eingeräumt wird wie den 99 Prozent, die in ihrer Ansicht übereinstimmen, dann werden die Gewichte falsch gelegt. Es entsteht der Eindruck, als sei die Meinung geteilt, dabei trifft eine Mehrheit auf einen Außenseiter.
Den darf man nicht unterdrücken, man darf ihm seine Meinung nicht verbieten. Man darf aber auch nicht den Eindruck erwecken, als würde diese Meinung von einer großen Masse vertreten. Dann werden Lügen als wahr angesehen und Beleidigungen zur Norm.
Man darf die Meinungsfreiheit nicht missbrauchen, wenn man sie behalten will.
P.H.
red horse am 14. Dezember 19
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Der Aberglaube stirbt nicht aus
Am 07.11.2019 traf der bayerische Landtag eine bemerkenswerte Entscheidung: Es sollten Alternativen zu Antibiotika untersucht werden. Das war noch nicht bemerkenswert, schließlich werden durch exzessive Nutzung viele Antibiotika mittlerweile nutzlos. Bemerkenswert war, dass man Explizit auch
homöopathische Mittel untersuchen will.
Die Homöopathie ist eine Pseudo-Wissenschaft. Es gibt keine Belege, dass homöopathische Mittel besser wirken als Placebos. Niemand kann überhaupt erklären, wieso Mittel, die so stark verdünnt sind, dass sie letztlich kein einziges Molekül der „Medizin“ enthalten, überhaupt wirken können. Dennoch gehen viele davon aus, dass es sich bei der Homöopathie um eine ernstzunehmende Medizinrichtung handelt.
Nur um zu zeigen, wie unsinnig der Vorgang des Potenzierens ist: Nach dem Glauben der Homöopathen wird ein Medikament umso stärker, je stärker es verdünnt ist. Deshalb wird es zum Beispiel immer stärker in Wasser verdünnt, bis man in einer Probe des Wassers kein Molekül des eigentlichen Medikaments mehr nachweisen kann. Wenn man also ein bisschen Alkohol nach dieser Methode verdünnt, dann enthält man nicht einfach nur Wasser, sondern ein so hochprozentiges Wasser, dass der kleinste Schluck schon dazu führt, dass man besoffen ist. Jedem ist offensichtlich, wie unsinnig das sein muss.
Ein paar Tage später gab es in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel, der sich kritisch mit dieser Entscheidung des Landtages auseinandersetzte und dabei vor allem den Homöopathie-Kritiker Edzard Ernst zitierte. Am 19.11. fanden sich Leserbriefe zu diesem Artikel, in denen Anhänger der Homöopathie Herrn Ernst widersprechen. Und sie tun dies auf einer Weise, die typisch ist für Pseudo-Wissenschaften.
Anhänger der Homöopathie könnten ja einfach wissenschaftliche Studien zitieren, um zu zeigen, dass die Homöopathie wirkt. Doch die gibt es nicht. Also muss man Kritikern anders begegnen: Man greift sie persönlich an (Was treibt Sie eigentlich wirklich an, …einen derart erbitterten Kampf gegen eine altbewahrte Heilmethode wie die Homöopathie zu führen? Profilierungssucht? Geltungsbedürfnis? Rechthaberei? Oder vielleicht Neid auf eine ärztliche Kunst, die Sie nicht beherrschen?). Man beruft sich darauf, dass die Homöopathie „altbewährt“ sei (wie der Aderlass und andere medizinische Methoden, die auch über Jahrhunderte praktiziert wurden). Man greift die Standard-Medizin an (als „goldenes Kalb“, nach dem man sich richten solle). Man zieht die wissenschaftlichen Kriterien in Zweifel („realitätsferne Wissenschaftsargumente“). Man beruft sich auf Einzelfälle („Wer schon einmal erlebt hat“), die keine generelle Regel rechtfertigen.
Die Leserbriefe in der Süddeutschen zeigen schön, wie Pseudo-Wissenschaftler den größten Humbug verbreiten und das auch noch als „wissenschaftliche“ verkaufen. Übrigens, die zitierten Leserbriefe wurden nicht von irgendwelchen Lesern verfasst, sondern von Ärzten mit einem „Dr. med.“.
Dies belegt aber wieder einmal, wieso die Entscheidung der EU, den deutschen Dr. med. nicht als wissenschaftlichen Titel anzuerkennen, gerechtfertigt war.
K.M.
red horse am 19. November 19
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Wissenschaftsnutten
Wissenschaftsnutten? Was soll das sein? Nun, dabei handelt es sich um einige Wissenschaftler, die einen Doktor- oder sogar Professorentitel erhalten haben, diesen jedoch nicht dafür einsetzen, um wissenschaftlich zu arbeiten, sondern um mit Hilfe dieser „Adelung“ Propaganda für die Industrie zu machen.
Nehmen wir ein Beispiel: Die Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM), eine neoliberale Lobby-Plattform, die von einer Werbeagentur im Auftrag von Arbeitgeberverbänden betrieben wird, wettert gegen alles, was irgendwie sozial sein könnte. Neue soziale Marktwirtschaft bedeutet in ihrer Lesart vor allen, dass sie asozial sein sollte und nur gut für die Reichen.
Im Moment
wettert die INSM gegen die Grundrente. Diese sei einfach nur ungerecht. Und sie bekommt
Unterstützung von einem bekannten Rentenexperten: Professor Bernd Raffelhüschen. Man kennt ihn schon von der großen Rentendiskussion zum Beginn des 21. Jahrhunderts, als rot-grün dann das Rentenniveau senkte und die Riester-Rente einführte. Die Idee war, dass man an ansteigenden der Rentenzahlung in einigen Jahren um bis zu vier Prozent verhindern wollte – indem die Leute heute schon vier Prozent ihres Einkommens zur Seite legen sollten.
Dass dies sinnvoll ist, hat er Raffelhüschen immer wieder bestätigt. Es hat vor allem zwei Vorteile: Die vier Prozent der Riester-Rente werden vom Arbeitnehmer alleine gezahlt und müssen nicht zur Hälfte vom Arbeitgeber übernommen werden wie bei er gesetzlichen Rente. Und die Riester-Rente ist privatwirtschaftlich organisiert, was „Experten“ wie Herrn Raffelhüschen sehr wichtig war. Denn nur so kann die Versicherungswirtschaft riesige Gewinne damit einfahren. Natürlich wurden diese beiden enormen Vorteile für die Unternehmen nicht thematisiert. Man sprach lieber von „demographischer Gerechtigkeit“ als Grund für die teilweise Umstellung des Rentensystems.
Mit ihren seriösen Titeln als Professor können Wissenschaftsnutten, die sich in den Dienst der Reichen stellen und Propaganda für sie betreiben, somit einen größeren Schaden anrichten als manch ein Terrorist.
J.E.
red horse am 13. November 19
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Nicht abstumpfen!
Die Älteren unter uns werden sich noch an eine Zeit erinnern können, als es in Deutschland noch kein Privatfernsehen gab. Damals gab es drei öffentlich-rechtliche Sender, deren Programm mittags erst anfing – und in der Nacht endete. Zwischendurch gab es ein Testbild mit einem pfeifenden Geräusch. Man musste tatsächlich mehrere Stunden des Tages überbrücken, ohne Fernsehen schauen zu können.
Aber nicht deshalb waren wir unzufrieden mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Wir waren unzufrieden, weil wir einige Unterhaltungssendungen als zu seicht empfanden, weil wir es für eine Unverschämtheit hielten, dass die Sender alle paar Jahre beliebte Serien wiederholten. Das Programm, so schien uns, bestand fast nur aus Wiederholungen!
Und dann kam das Privatfernsehen. Mit dem Privatfernsehen kamen Reality-Shows, die das schon niedrige Niveau mancher Unterhaltungssendung spielend unterboten; es kam die Dauerrotation von Serien, die ohne unterlassen über Jahre gezeigt werden. Hat man die letzte Folge der letzten Staffel gesendet, dann fängt man eben wieder von vorne an. Nun sind wir abgestumpft, und beschweren und nicht mehr über das Niveau und die ewigen Wiederholungen.
In der Politik kann man gerade etwas ähnliches beobachten. Wie haben wir uns über Politiker beschwert. Sie würde ja ohnehin nicht die Wahrheit sagen, weil sie hin und wieder Wahlversprechen nicht gehalten haben. Sie seien nicht vertrauenswürdig, sie würden nur auf die hören, die das große Geld haben. Wir wollten sie loswerden.
Nun sind wir in einigen Ländern die klassischen Politiker losgeworden. Wir haben sie durch Populisten vom Schlage eines Orban, Erdogan oder Trump ersetzt. Nun regt man sich nicht mehr über gelegentliche Lügen auf, weil diese Politiker permanent lügen. Man weiß, dass sie nicht vertrauenswürdig sind und nur mit dem Großkapital zusammenarbeiten. Das Volk ist ein Lieblingsthema ihrer Reden, doch in ihrer Politik bekommt es nur eine Statistenrolle als Zuschauer, die ihnen zujubeln sollen. Kritik ist nicht mehr erwünscht und wird mit allen Mitteln bekämpft.
Diese Politiker töten die Demokratie. Wollten wir sie wirklich? Oder ist es wie beim Brexit: Man wollte etwas ändern, weil es nicht gefiel, doch niemand erklärte die Alternative. Und die ist schlimmer als das Original.
Doch diesmal dürfen wir nicht abstumpfen!
P.H.
red horse am 02. November 19
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Hass auf Menschen
Am 9. Oktober 2019 war es wieder so weit: Ein Mensch, Stephan B., wollte auf Juden schießen, einfach nur deshalb, weil es Juden waren. Doch das
Attentat ging schief. Er konnte die Tür zur Synagoge nicht öffnen. Also schoss er zwei unschuldige Passanten nieder und verletzte dann noch ein paar weitere. Keiner von ihnen war Jude.
Der Mörder mag sich eingeredet haben, dass es ihm darum ging, Juden zu ermorden. Schließlich drängt der rechte Abschaum immer mehr aus seinen Löchern und macht sich erst im Internet und nun auf unseren Straßen breit. Und zur Ideologie der Rechtsradikalen gehört der Hass auf alle Fremde und insbesondere die Juden. Sie wollen ein „reines Volk“ haben, schließlich glauben sie, das Volk zu vertreten.
Doch Stephan B. zeigte, worum es den Rechtsradikalen wirklich geht: Sie trennen nicht zwischen Freund und Feind, wobei der Feind eine andere Hautfarbe, Religion oder was auch immer hat. Sie trennen zwischen sich und den anderen. Sie werden von einem unglaublichen Hass auf Menschen angetrieben. Vordergründig richtet der sich gegen Juden, Moslems oder „Volksverräter“, doch tatsächlich gilt ihr Hass jedem Menschen. Nur Menschen, die ebenso wie sie hassen, werden für einen Moment als gleichwertig und „Freunde“ betrachtet. Alle anderen sind Feinde.
So zögerte Stephan B. keinen Moment, unschuldige Passanten zu ermorden, als sein tatsächliches Ziel nicht zu erreichen war. Es ging ihm darum, Menschen zu töten, denn das ist letztlich das Ziel der Rechtsradikalen. Alle Menschen sind für sie Feinde.
An den Juden zeigt sich dieser Menschenhass zuerst. Doch wenn Juden in einem Land nicht mehr unbesorgt leben können, dann dauert es nicht mehr lange, bis alle Menschen zu Opfern werden.
J.E.
red horse am 17. Oktober 19
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Homo sapiens?
Wir bezeichnen uns selbst ganz unbescheiden als homo sapiens, als weiser Mensch; denn schließlich haben wir Kultur und Technik entwickelt, wir haben das Bild der Welt verändert wie keine Spezies vor ihr. Bisher bezeichnete man Erdzeitalter nach geologischen Phänomenen, weil nur diese die Kraft hatten, das Bild der Erde zu verändern, nun denkt man darüber nah, das aktuelle Erdzeitalter nach dem Menschen als Anthropozän zu bezeichnen.
Dies haben wir nur dank unserer überragenden Intelligenz geschafft. Wir sind das weiseste der weisen Lebewesen, weshalb man den modernen Menschen auch schon mal als homo sapiens sapiens bezeichnet.
Doch sind wir wirklich so weise? Wir wissen, dass die Nutzung fossiler Rohstoffe zur Klimakatastrophe führt, weltweit protestieren
Tausende dafür, etwas gegen die Klimakatastrophe zu unternehmen – und die meisten folgen diesem Aufruf, indem sie den einfachen PKW durch ein SUV ersetzen.
Wir wissen, dass Rauchen schädlich ist, dass auch Passivrauchen gesundheitsschädlich ist – dennoch denkt der
Bundesrat gerade über eine Gesetzesinitiative nach, die es Menschen verbietet im Auto zu rauchen, wenn auch Kinder anwesend sind, weil die Raucher selber nicht zu dieser Erkenntnis kommen.
Wir wissen, dass übermäßiger Fleischkonsum gesundheitsschädlich ist, zu tierquälenden Massentierhaltungen führt und der Umwelt schadet – dennoch verfluchen wir die, die uns vorschlagen, doch einen Tag in der Woche ohne Fleisch auszukommen
Viele Probleme, mit denen wir heute zu kämpfen haben, haben wir selber geschaffen, frei nach dem Motto: Fortschritt ist nur das Ersetzen eines Problems durch ein anderes Problem.
Zeigt sich der Mensch hier wirklich als weise?
P.H.
red horse am 22. September 19
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Wissen statt Glauben
In Zeiten, in denen ein Trump in den USA, ein Johnson in Großbritannien und AfDler in Deutschland Lügen über Lügen verbreiten und die, die die Lügen aufdecken, als Lügner und „Fake News“ beschimpfen, in solchen Zeiten, so möchte man glauben, kann einen nicht mehr überraschen. Aber es geht immer noch schlimmer.
Im US-Staat Tennessee hat eine Schule nun die „Harry Potter“-Romane
verboten . Grund: Die Flüche und Zaubersprüche in den Büchern könnten böse Geister heraufbeschwören. Wie war man zu dieser Erkenntnis gelangt? Nun, man hatte Teufelsaustreiber gefragt, und die hätten dies bestätigt…
Manchmal hat man den Eindruck, die Wahrheit liege im Auge des Betrachters; und die Betrachter sind Blinde, die sich über Farben unterhalten. So glaubt Trump, er sein ein großartiger Politiker und Johnson behauptet, die Gespräche mit der EU über den Brexit laufen gut, obwohl gar keine stattfinden. Die Wahrheit wird in den Zeiten solcher Populisten zur Beliebigkeit.
Doch wenn Lügen genauso gut sind wie Wahrheiten, dann ist alles erlaubt. Verbrechen werden zu Wohltaten, Grausamkeiten zu Notwendigkeiten. Es muss Maßstäbe geben, wie man Wahrheit und Lüge unterscheiden kann. Und ein Kriterium ist die Nachprüfbarkeit: Lügen sind Behauptungen, die der Realität widersprechen, wahre Aussagen stimmen mit ihr überein.
Die Sprüche in den „Harry Potter“-Romanen beschwören böse Geister? Wo sind die Belege? Der einzige Beleg sind Behauptungen von Teufelsaustreibern – die einer Profession nachgehen, für deren Sinnhaftigkeit es auch keinen Beleg gibt. Blinde unterhalten sich über Farben.
Der Glaube akzeptiert, was mit seiner Weltanschauung übereinstimmt, das Wissen sucht die Wahrheit. Wollen wir nicht alle Zivilisation aufgeben, dann müssen wir wissen, wir dürfen nicht nur glauben. Glauben können schon Kinder, die noch nichts von der Welt verstehen.
Und ein bisschen weiser als ein Kleinkind sollten Erwachsene doch schon sein…
K.M.
red horse am 06. September 19
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Der Staat bin ich
Dieser Ausspruch des französischen Königs Ludwig XIV. ist legendär: L’état, c’est moi, der Staat bin ich. Er konnte dies auch mit voller Überzeugung sagen, als absolutistischer Herrscher bestimmte er alles: Die Finanzen, die Politik, die Justiz – was er wollte, war Gesetz – und er selber stand über dem Gesetz.
Dies galt für alle absolutistischen Herrscher. Charles I. von England wurde von Adeligen verklagt, weil er gegen das Gesetz verstoßen habe – der Richter wies die Klage ab, da sie unsinnig sei – schließlich sei der König das Gesetz, und könne deshalb nicht dagegen verstoßen.
Heutige Demokratie erlauben nicht mehr, dass Menschen sich außerhalb des Gesetzes platzieren – zumindest nicht auf Dauer. Doch die neuen Populisten wollen das nicht akzeptieren. Sie wollen das Recht so handhaben, wie es ihnen passt. Allgemeingültige Regeln interessieren sie nicht. Sie verstehen sich als neue, absolutistische Herrscher.
Der italienische Innenminister Salvini von der Lega entscheidet eigenmächtig, wer ins Land darf – und wann man auch schon mal Hilfe unterlassen kann. Der britische Premier Johnson scheint zu planen, dass Parlament zu umgehen, um den Brexit endlich durchzuziehen. Die polnische PiS-Partei macht sich die Richter und die Medien gefügig, wie auch Erdogan in der Türkei oder Orban in Ungarn. Und der amerikanische Präsident Trump – der übt Druck auf die Zentralbank aus, damit sie eine Geldpolitik nach seinem Sinn macht, lässt Kinder an der Grenze von ihren Eltern trennen oder behindert die Justiz.
Was bei den Fans dieser Populisten als starke Politik ankommt, ist eine eklatante Missachtung demokratischer Spielregeln – und der klare Hinweis, dass der nächste Schritt die Diktatur sein wird. Doch in einer Diktatur gewinnen nur wenige – die meisten verlieren.
J.E.
red horse am 23. August 19
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Verabreicht die Medizin, bis der Patient stirbt
Seit dem großen Crash 2008 gab es keine größere Rezession mehr. Die Wirtschaft wächst weltweit, in dem einen Land etwas stärker, in dem anderen etwas schwächer. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hatten die Notenbanken weltweit die Zinsen gesenkt. In den USA und Europa sogar bis auf null Prozent. Dieser Stimulus sollte so lange weitergehen, wie die Inflation auf niedrigem Niveau war.
In den USA hatte man vor einigen Quartalen wieder angefangen, die Zinsen anzuheben. Dort liegt man nun bei knapp 2,5 Prozent. In Europa hat man sich das noch nicht getraut. Der große Boom blieb vor allem in den Südländern aus, also ließ man die Zinsen bei Null – und für die Einlagen der Banken bei der Zentralbank verlangt man sogar einen Strafzins von 0,4 Prozent. Man konnte es sich leisten. Die Inflation blieb niedrig.
Doch nun schwächelt die Wirtschaft wieder – und die Zentralbanken wollen die Wirtschaft ankurbeln, in dem sie die Zinsen senken. Auch die Europäische Zentralbank will die
Zinsen senken – selbst, wenn diese immer noch bei null Prozent sind. Man wird wohl die Strafzinsen weiter erhöhen und so jeden bestrafen, der Geld spart.
Die Idee ist immer noch dieselbe: Mit billigem Geld kurbelt man die Wirtschaft an. Dass dann die Inflation steigt, muss man für eine gewisse Zeit in Kauf nehmen.
Frustrierend ist nur: Selbst Zinsen von Null Prozent haben nicht zu einem Wirtschaftsboom geführt, und die Inflation bleibt niedrig. Könnte es sein, dass das Rezept nicht funktioniert? Könnte es sein – man wagt es kaum auszusprechen – dass die Ökonomen sich irren und billiges Geld nicht zu einem Wirtschaftswachstum führt?
Nein, das kann nicht sein. Ökonomen können sich nicht irren. Wenn die Maßnahmen keine Effekte zeigen, dass kann das nur heißen, dass die Maßnahmen nicht weit genug gingen. So dachten auch die Ärzte des Mittelalters: Wenn trotz Aderlass der Patient nicht gesund wurde, dann ließ man eben noch mehr Blut ab.
Der Patient starb zwar, aber zumindest hatte man alles getan, was man konnte.
P.H.
red horse am 27. Juli 19
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