Samstag, 3. September 2022
Angriff!
Donald Trump, das große Vorbild rechter Gruppierungen weltweit, hat angekündigt, dass er die Kapitolstürmer finanziell unterstützen werde. Sollte er noch einmal Präsident werden, dann werde er eine Begnadigung prüfen, denn es sei eine Schande, was man ihnen antut. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Wenn jemand das Recht mit Füßen tritt, Gewalt gegen Dritte ausübt und dann dafür bestraft wird, dann wird mit diesem Menschen schändlich umgegangen. Das stellt alle demokratischen Werte auf den Kopf ? aber gerade dafür lieben viele Amerikaner Trump. Eine Demokratie scheint ihnen nicht mehr wichtig. Die Rechtsextremen hoffen natürlich, dass so etwas auch in Deutschland geschehen wird. Sie suchen nach Gründen, um gegen den Staat zu hetzten. Im Jahr 2015 war es die ?Flüchtlingskrise?, dann die ?Corona-Diktatur?, bei der Kämpfer für die Freiheit keine Probleme damit hatten, Journalisten anzugreifen, und nun könnten es die hohen Energiepreise sein. Die Extremisten hoffen auf einen ?Wutwinter? , der endlich den ersehnten Umsturz des ?Regimes? bringt.

Aber was kommt dann? Die Rechtsextremisten sind gut darin, Wut zu schüren und gegen die Regierung zu hetzen ? doch was soll dann kommen? Wie sieht ein Staat aus, der von den Rechten regiert wird? Dazu schweigen sie. Es soll ?der Wille des Volkes? herrschen. Schon allein mit dieser Formulierung offenbaren die Rechten, dass sie eine Diktatur anstreben; denn den einen Willen des Volkes gibt es in einem Volk mit rund achtzig Millionen Bürgern nicht. Allerdings wird die ?neue? Regierung schon dafür sorgen, dass es dann nur noch einen Willen gibt; denn alle anderen werde als Volksverräter weggesperrt. Angegriffen werden sie ja heute schon von einem Mob, der Freiheit fordert und dennoch andere Meinungen nicht dulden will.

Kritik an Handlungen der Regierung sind zulässig und auch notwendig. Doch die Kritiker müssen aufpassen, dass sie sich nicht von Feinden der Demokratie missbrauchen lassen, die diese Kritik nutzen, um Hass zu schüren und den Staat zu zerstören ? der auch die Meinungsfreiheit der Kritiker schützt. Der Angriff der Rechten hat nur Zerstörung im Sinn, er will nichts erschaffen.
P.H.



Samstag, 20. August 2022
Schieflage
Die Energiekosten steigen, und die Regierung legt immer neue Pläne vor, wie man die Bürger vor den hohen Kosten schützen kann. Dabei sollten vor allem ärmere Bürger geschützt werden, reichere haben kein Problem, die höheren Kosten zu zahlen.

Deshalb geriet auch die Steuersenkung auf Treibstoff in die Kritik: Hier wurde der Treibstoff für alle billiger, auch für die Reichen. Und weil diese eher größere Autos fahren, die mehr Treibstoff benötigen, haben diese auch überproportional von der Steuersenkung profitiert.

Nun hat man im Gasbereich das Problem, dass die Gaspreise steigen, die Lieferanten aber Festverträge mit ihren Kunden geschlossen haben, die niedrige Preise garantieren. Die Lieferanten geraten so in eine wirtschaftliche Schieflage. Wenn es gut läuft, dann legt gerade die FDP viel Wert darauf, dass der Staat sich in den Markt nicht einmischen soll. Läuft es für die Unternehmen schlecht, dann soll er sich sofort einmischen. Schließlich soll der Reiche mit seinen Investitionen Gewinne machen und keine Verluste.

So kam man auf die Gasumlage. Die Kunden zahlen einen Aufschlag auf den Gaspreis, um die Insolvenz der Gaslieferanten zu verhindern. Allerdings bringt dieser Aufschlag gerade arme Bürger in die Bredouille, weshalb Forderungen nach Entlastungen für Ärmere erhoben wurden. Und was macht die Regierung? Sie reduziert die Steuern ? und entlastet so vor allem die Großverbraucher, die Reichen. Steuersenkungen sind natürlich ein einfaches und schnelles Mittel, um etwas zu bewirken. Doch wenn davon vor allem die profitieren, die gar kein Problem haben, dann stellt sich die Frage, wie lange diese soziale Schieflage von den Bürgern noch erduldet wird. Letztlich spielt dies in die Hände der Extremisten ? und wenn die erst einmal an der Macht sind, dann wird nur noch eine viel kleinere Elite profitiere und die Masse leiden.
P.H.



Sonntag, 7. August 2022
Sie sind zurück
Die FDP hat im Laufe der deutschen Geschichte viele Zwecke erfüllt. Zuerst war sie als nationalliberale Partei ein Sammelbecken für Altnazis. Ende der 1960er Jahre verband sie liberale mit sozialen Ideen und wurde zu einer Säule der sozialliberalen Koalition. Anfang der 1980er Jahre schien sie dann ihre wahre Erfüllung gefunden zu haben: Eine Politik für die Reichen machen; die FDP wurde neoliberal. Und dieser Politik blieb sie bis heute treu.

Die SPD und die Grünen machen sich in der Ampel Gedanken, wie man die ärmeren Teile der Bevölkerung bei den steigenden Preisen unterstützen kann. Die FDP macht sich vor allem Gedanken, wie man die reicheren Teile der Bevölkerung unterstützen kann. Wenn dann auch was für die Armen abfällt, dann ist das auch okay. Dann steht man wenigstens nicht als völlig unsozial da.

So hat die FDP die Steuersenkungen für Diesel und Benzin durchgesetzt, von der vor allem die reichen mit ihren spritschluckenden Autos profitieren ? aber auch etwas die Armen, die kleinere und sparsamere Autos fahren. So will die FDP die kalte Progression abschaffen, unter der auch mittleren Einkommen leiden. Doch vor allem werden davon die höheren Einkommen profitieren. Und die FDP möchte den Steuerfreibetrag für Kapitaleinkünfte erhöhen, damit auch der kleine Sparer nicht schon Steuern zahlen muss, wenn er mal mehr als 801 Euro Zinsen im Jahr verdient. Allerdings ist ein Sparer, der so hohe Zinseinnahmen hat, dann kein kleiner Sparer mehr? Dafür möchte die FDP auf keinen Fall eine Extrasteuer auf die horrenden Gewinne einführen, die einige Konzerne in der aktuellen Energiekrise einfahren. Das würde der Wirtschaft schaden. Andere Länder können das schon, aber bei denen sitzt ja auch keine Partei in der Regierung, die nur das Wohl der Reichen im Blick hat.

Auch wenn die FDP nur eine Politik für eine kleine Minderheit macht, kommt sie doch über die Fünf-Prozent-Hürde. Und so kann sie als Klientelpartei ein besseres Leben für die arme Mehrheit verhindern.
K.M.



Sonntag, 24. Juli 2022
Irren ist unmöglich
In Deutschland wird im Rahmen des ?Synodalen Wegs? diskutiert, wie man die katholische Kirche reformieren kann. Unter anderem geht es um die Rechte der Frauen in der Kirche. Die Bewegung ?Maria 2.0? fordert beispielsweise mehr Rechte für Frauen in der katholischen Kirche. Vor einigen Tagen sprach sich der Vatikan gegen den Synodalen Weg aus. Die beteiligten Organisationen wie ?Maria 2.0? reagierten darauf mit Unverständnis.

Aber warum? Glaubt ?Maria 2.0? wirklich, dass sie die katholische Kirche ändern kann? Sind die Beteiligten wirklich so naiv?

Die katholische Kirche vertritt seit fast 2000 Jahre ihre Meinungen. Nein, es sind keine Meinungen, es sind göttliche Wahrheiten, Regeln und Gesetze, die von Gott gegeben sind und weit über denen des Menschen stehen. Und nun erwartet man, dass die katholische Kirche sich hinstellt und sagt: ?Tut uns leid, wir haben uns geirrt?? Damit würde sie doch ihre Glaubwürdigkeit verlieren; denn wenn sie sich hier geirrt hat ? wo denn dann noch überall? Was kann man der katholischen Kirche dann noch glauben?

Will die katholische Kirche weiterhin als von Gott inspirierte Religion gelten, dann darf sie sich nicht irren. Irren ist menschlich. Die Kirche jedoch ist nicht menschlich.
P.H.



Dienstag, 12. Juli 2022
Atomkraft ? alles nur Ideologie
Wird die Energie reichen, oder wird Russland das Gas wegen des Ukraine-Krieges abdrehen? Momentan befürchtet jeder, dass Deutschland die Energie ausgeht. Deswegen fordern vor allem die bürgerlichen Parteien (FDP und CDU/CSU), dass man die Atomkraftwerke länger am Netz halten soll. Sie jetzt abzuschalten sei eine rein ideologische Entscheidung.

Das klingt erst einmal wie ein vernünftiger Vorschlag ? auch wenn die Atomkraft nur ein Prozent zur Energie (sechs Prozent zum Strom) in Deutschland beisteuert und nun ? ganz unideologisch ? von den Grünen entschieden wurde, wieder mehrere Kohlekraftwerke eingeschaltet werden sollen. Allerdings sollen die Atomkraftwerke nicht nur über den Winter am Netz bleiben, sondern bis Ende 2025. Warum bis Ende 2025? Könnte es etwas damit zu tun haben, dass im Herbst 2025 Bundestagswahl ist ? und man hofft dann die Atomkraft wieder zum Leben zu erwecken?

Kernkraft, man sollte es nicht vergessen, hat einige Probleme: Es ist die teuerste Art, Energie zu erzeugen, teurer als Kohle und Gas und viel teurer als Sonne und Wind. Bis heute gibt es kein Endlager für den Atommüll, der deshalb nur mäßig gesichert auf dem Gelände der Atomkraftwerke liegen bleibt. Wenn ein Kraftwerk ein Problem hat, dann beeinträchtigt das massiv die Umwelt. Und eine sichere Energieversorgung bieten sie auch nicht: Frankreich kauft gerade massiv Strom in Deutschland, weil viele Atomkraftwerke wegen Reparaturarbeiten und fehlendem Kühlwasser aufgrund der Hitzewelle abgeschaltet sind oder nur bei kleiner Leistung laufen. Strom ist in Frankreich nicht billiger als in Deutschland, weil Atomstrom billig ist, sondern weil der Strom vom Staat massiv subventioniert wird, um die Mär des billigen Atomstroms aufrecht zu erhalten.

Gegen die Atomkraft spricht vieles, dafür wenig. Dennoch wollen Union und FDP daran festhalten (und natürlich auch die AfD, die alles unterstützt, was umweltschädlich ist). Rational ist das nicht zu erklären. Ist dann nicht etwa das Festhalten an der Atomkraft trotz ihrer Nachteile eine ideologische Entscheidung?

Aber das kann es nicht sein. Denn ideologisch sind ja nur die Linken.
K.M.



Montag, 20. Juni 2022
Wessen Patrioten?
Auf dem Parteitag der AfD am letzten Wochenende konnte der rechte Flügel große Erfolge verbuchen. Doch ganz kam er mit seiner Politik nicht durch: Er wollte beschließen lassen, dass Deutschland aus der EU austritt, dass man der Ukraine keine Waffen mehr liefert und alle Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden. Um letztlich einen Beschluss zu verhindern, stimmte der Parteitag dafür, sich sofort aufzulösen, ohne diese Themen zu diskutieren.

Der rechte Rand der AfD sieht sich als wahre Patrioten dar, die nur Deutschlands Vorteile im Blick haben. Einmal abgesehen davon, dass eine rein egoistische Politik auf lange Sicht auch gegen den Egoisten umschlägt: Welche Vorteile hätte Deutschland davon, aus der EU auszutreten ? immerhin der wichtigste Handelspartner deutscher Firmen ? und den Krieg Russlands gegen ein freies Land zu tolerieren? Könnte man sich sicherer fühlen, wenn alles nach dem Willen des autoritär regierten Russlands läuft?

Sicher nicht. Die Forderung, die EU zu verlassen, ist vor allem eine Forderung, die Russland nützt, da dadurch die EU geschwächt wird ? und Russland automatisch gestärkt. Und Russland seinen Willen zu lassen, nützt ohnehin nur Russland.

Wenn man genau darüber nachdenkt, dann erkannt man, dass der rechte Flügel der AfD tatsächlich aus Patrioten besteht. Allerdings sind es Patrioten Russlands.
P.H.



Samstag, 11. Juni 2022
Die FDP ist wieder da
Die Energiekosten steigen, und die Koalition hatte sich vor einigen Wochen auf verschiedenen Maßnahmen geeinigt, um die Bürger zu entlasten. Dazu gehörte das 9-Euro-Ticket für den deutschlandweiten Nahverkehr, eine Energiepreispauschale von 300 Euro und eine Senkung der Spritsteuer, die vor allem von der FDP gefordert worden war.

Die Pauschale muss noch versteuert werden, so dass bei den Armen mehr hängen bleibt als bei den Reichen. Das billige Ticket für den Nahverkehr kommt allen gleichermaßen zugute ? allerdings werden gerade die Reichen nicht auf den Naheverkehr umsteigen, so dass wieder vor allem die Armen profitieren. Bisher hatte das Gesetz also eine gefährliche soziale Schieflage, da es vor allem ärmere Bürger stärker entlastet. Doch zum Glück konnte sich die FDP mit ihrer Senkung der Spritsteuer durchsetzen. Da größere Autos mehr Sprit verbrauchen, und größere Autos vor allem von Reichen gefahren werden, würden dadurch vor allem die Reichen profitieren.

Dummerweise hat die Mineralölindustrie gar kein Interesse, die Steuersenkung in vollem Umfang an die Verbraucher weiterzugeben. Wer hätte das vorher gedacht, vor allem, da die Mineralölkonzerne schon seit Jahren im Verdacht stehen, die Spritpreise zu ihrem Vorteil zu manipulieren? Eigentlich sollte das die FDP nicht stören, denn auch die Manager der Ölkonzerne sind potentielles FDP-Wählerklientel. Aber auch die Fahrer großer Autos. Und sogar bei Ärmeren, denen die FDP ein paar Brocken zuwirft, während sie den Reichen das Geld in den Hintern schiebt, findet die FDP Wähler. All diese Wähler braucht sie, um die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Allein mit ihrem Klientel wäre das nicht möglich. Also schreit nun auch die FDP, dass dies ungerecht ist ? und versucht, dem grünen Wirtschaftsminister den schwarzen Peter unterzuschieben. Der solle sich doch bitte darum kümmern, dass die Steuersenkung auch bei den Reichen ankommt. Ach ja, und auch bei den Armen.

Man hätte sich viel Ärger sparen können, wenn man gar nicht erst versucht hätte, vor allem die Reichen durch diese unsinnige Steuersenkung zu entlasten. Aber das hätte die FDP dann doch nicht mit ihren Idealen vereinbaren können.
K.M.



Donnerstag, 26. Mai 2022
Besser nicht geboren werden
Schon wieder gab es in den USA einen Amoklauf an einer Schule. Schon wieder starben mehrere Menschen, weil der Amokläufer mehrere Waffen dabeihatte, mit denen er hunderte Schüsse abgeben konnte, bevor er selber von Sicherheitskräften erschossen wurde. Schon wieder fordern viele Menschen härtere Waffengesetze in den USA ? und schon wieder verweigern sich die Republikaner diesen Forderungen. Das persönliche Recht auf den Besitz irgendeiner Waffe steht für sie höher als das Recht auf Leben.

Es sind auch die Republikaner, die sich gegen Sozialleistungen für ärmere Amerikaner stellen. Es sind auch die Republikaner, die sich gegen die Erhöhung des Mindestlohns aussprechen. Es sind die Republikaner, die gegen alles sind, was das Leben ärmerer Menschen lebenswerter machen könnte. Das Recht auf persönliche Bereicherung steht für sie höher als eine lebenswerte Welt für ihre Mitmenschen.

Aber die Republikaner sind dennoch keine Unmenschen. Denn in einem Punkt ist ihnen das Leben heiliger als alles andere: Im Uterus der Frau. Solange ein Mensch noch nicht geboren ist, soll er um jeden Preis leben. Die Republikaner stellen sich gegen Abtreibung und wollen das ungeborene Leben um jeden Preis schützen. Wurde es dann geboren, ist ihnen das menschliche Leben jedoch völlig gleichgültig.

In den USA der Republikaner ist es deshalb besser, nicht geboren zu werden.
P.H.



Samstag, 14. Mai 2022
Früher war alles besser
Gerade konservative Menschen hängen der Sehnsucht nach, dass früher alles besser gewesen sei. Die Progressiven, so werfen sie denen immer gerne vor, wollen alles verbieten, was uns Spaß macht: Mit 200 km/h über die Autobahn rasen, Tiere unter grausamen Bedingungen halten, damit wir billiges Fleisch haben, und das Recht darauf, uns nicht darum scheren zu müssen, was wir mit unserem Verhalten eigentlich anrichten. Die Linken können nur verbieten.

Die Rechten hingegen geben uns alle Freiheiten. So wie es früher einmal war. Denn da war alles besser.

In den USA will der Supreme Court nun das Recht auf Abtreibungen wieder beschneiden. In der US-Verfassung sei dieses Recht schließlich nicht garantiert, und die Männer, die sie unterschrieben haben, werden schon gewusst haben, warum. In Deutschland wurde von der unionsgeführten Bundesregierung der Ausbau der erneuerbaren Energien über Jahre verschleppt, weil man sie früher ja auch nicht gebraucht hat. Und im konservativen Bayern diskutiert man schon seit Jahren darüber, wie man die Stromtrassen vom Norden in den Süden verlegen soll und wie man den neuen Brenner-Basistunnel ans Zugnetz anbinden soll. In dieser Zeit wurden Stromtrassen vom Norden Deutschlands nach Norwegen verlegt und die Italiener haben schon den Tunnel durch den Brenner gebohrt.

Aber die Konservativen verbieten glücklicherweise nichts. Sie blockieren nur. Früher war es schließlich besser. Und nur weil die Zeiten sich ändern, muss man sich selber ja nicht auch noch ändern. Sonst müsste man als alter weißer Mann noch seine Macht mit anderen teilen. Aber dann gelte ganz sicher: Früher war alles besser.
J.E.



Samstag, 30. April 2022
Umverteilung durch Privatisierung
In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Politik es als ihre Aufgab angesehen, den wachsenden Reichtum des Landes allen zukommen zu lassen. Reiche wurden besteuert, um soziale Leistungen für Arme zu bezahlen. Das war eine Umverteilung von oben nach unten.

Doch seit den 1980er Jahren hat sich der Wind gedreht. Unter dem Deckmantel, dass die private Wirtschaft effizienter sei als der Staat, verbirgt man eine Umverteilung von unten nach oben: Man nimmt den Armen, um den Reichen zu geben. Da die wirklich armen Menschen kaum Geld haben, bedeutet dies meistens, dass man dem Mittelstand der Gesellschaft zur Beute macht.

Ein Beispiel haben vor kurzem Panorama und BR öffentlich gemacht: Private Investoren kaufen immer mehr Arztpraxen und drängen die Ärzte dann dazu, überteuerte und unnötige Behandlungen durchzuführen, damit die Rendite stimmt. Man nimmt das Geld der Armen, um es den Reichen zu geben, die ihr Geld diesen Investoren anvertraut haben. Und gerade im Gesundheitssystem ist das besonders pervers: Hier wird jeder Euro für die Gesundheit der Menschen gebraucht, doch skrupellos Investoren erhöhen durch fragwürdige Methoden ihre Rendite, um dieses Geld in die eigene Tasche zu stecken. Das gilt wahrscheinlich nur deshalb nicht als Diebstahl, weil die Investoren Nadelstreifen tragen.

So hilft die Privatisierung bei der Umverteilung. Der Staat hatte noch die Versorgung der Menschen im Auge und achtete nicht so auf die Rendite, Investoren kümmern sich nur um die Rendite. Im Bereich der Telekommunikation führt dies zu der absurden Situation, dass der Staat den Internet- und Mobilfunk-Ausbau auf dem Land bezahlt, und die Konzerne weiter fleißig Dividenden an die Aktionäre ausschütten. Privatisierung ist letztlich nur Diebstahl an der Gesellschaft. Aber so wird dafür gesorgt, dass die Reichen immer reicher und die Armen ärmer werden. Wieso das zum Wohl der Gesellschaft sein soll, erschließt sich wohl nur strenggläubigen Neoliberalen.
P.H.