Der verflixte Überschuss
Da hat sich das Europaparlament ja was Schönes geleistet: Es hat ein Gesetz gegen die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa verabschiedet. Dass eine negative Leistungsbilanz als Zeichen schlechten Wirtschaftens bestraft werden soll, versteht ja noch jeder. Aber das Europaparlament will jetzt auch, dass Länder, die zu viel Überschuss erwirtschaften mit Sanktionen rechnen müssen! Da war die Aufregung vor allem in Deutschland groß, und Finanzminister Schäuble hat mit seinen Kollegen der EU abgesprochen, dass diese Sanktionen zwar im Gesetz stehen würden, es aber praktisch nicht zu Sanktionen kommen würde.

Das kennt man ja schon vom Stabilitätspakt: Auch hier durfte die Neuverschuldungsgrenze von 3% des Bruttoinlandsproduktes nicht überschritten werden - doch als das Südland und der Stabilitätsanker Deutschland dies vor einigen Jahren mehrere Male tat, drückte die EU-Kommission beide Augen zu. Wer im Glashaus sitzt...

Aber zurück zur Forderung des Europaparlaments, dass man auch zu große Handelsbilanzüberschüsse verhindern will. Auf den ersten Blick hört sich das ziemlich unsinnig an. Da will man ein Land dafür bestrafen, dass es erfolgreich wirtschaftet und arbeitet. Auf so eine schwachsinnige Idee können auch nur politisierende, weltfremde Sesselpupser kommen.

Hm, leider kamen nicht nur politisierende, weltfremde Sesselpupser auf eine derart komisch Idee. Diese wurde auch zum Ende des Zweiten Weltkrieges von einem der einflussreichsten Ökonomen aller Zeiten, John Maynard Keynes, auf der Konferenz von Bretton Woods vertreten, auf der die wirtschaftliche Nachkriegsordnung geregelt wurde. Er forderte schon damals einen Ausgleich der Leistungsbilanzen. Damals waren die USA die führende Wirtschaftsmacht mit einem riesigen Überschuss - und sie reagierten genauso verständnislos auf diesen Vorschlag wie heute Deutschland.

Doch was steckt hinter dem Vorschlag? Nun, die einfache Feststellung, dass die weltweite Handelsbilanz ausgeglichen sein muss. Wenn einige Länder einen Überschuss erzielen, dann müssen andere Länder Defizite machen. Und wenn man nun einigen Ländern verbieten will, Defizite zu machen - können dann die anderen Länder ihre Überschüsse halten? Natürlich nicht, diese Vorstellung ist völliger Unsinn. Wenn man also Defizite verbieten will, dann muss man zwangsläufig auch Überschüsse verbieten, anders geht es nur, wenn man Mathematik im Taka-Tuka-Land gelernt hat.

Aber man setzt eine verhängnisvolle Spirale in Gang, wenn man sich einredet, man könne in einem Land Überschüsse steigern und zugleich in einem anderen Land Defizite reduzieren. Denn die Länder, die Defizite reduzieren sollen, können dies erst einmal nur, wenn sie deutlich billiger anbieten als die Länder, die heute Überschüsse produzieren. Billiger anbieten heißt fast immer niedrigere Löhne, heißt also ein niedrigerer Lebensstandard. Zugleich will das starke Land aber seine Überschüsse halten. Nun wächst ihm jedoch ein Konkurrent heran, der billiger ist. Also muss das starke Land ebenfalls die Löhne senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gewinner gibt es in diesem Kampf keine.

Vielleicht ist die Idee des Europaparlaments, auch Länder mit einem zu großen Leistungsbilanzüberschuss zu bestrafen, also doch keine so blöde Idee.
J.E.