Zur Aktienkultur
Aktien, so lehren uns die Finanzgurus, sind ein wichtiger Bestandteil des Geldanlage-Portfolios - zumindest für die, die Geld haben, das sie anlegen können. Denn mit Aktien kauft man sich einen Anteil an einem Unternehmen. Sie sind damit fast so sicher wie eine Immobilie - aber nicht so teuer und viel leichter zu handeln. Statt Miete kassiert man die Dividende, und natürlich die fantastischen Wertsteigerungen der Aktien. Egal welchen Anlageberater man fragt: Nichts schlägt die Aktie an Wertsteigerung. Man muss nur den richtigen Zeitraum finden. Sonst käme man eventuell darauf, dass auch nichts die Aktie schlägt, wenn es um Wertvernichtung geht...

Die Anleger der Telekom-Aktie hofften auch auf eine saftige Wertsteigerung. Anfangs trat sie auch ein. Wir erinnern uns an die goldenen Zeiten des ausgehenden 20. Jahrhunderts, als jede Technologie-Aktie förmlich in den Himmel schoss, die Manager mussten das Vermögen der Firma nur
schnell genug verbrennen, davon, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen sollte, war gar nicht mehr die Rede. In dieser Zeit begeisterten sich Millionen Deutsche für die Telekom-Aktie - und wurden bitter enttäuscht. Nach einem fulminanten Höhenflug ist sie heute weniger wert als am Ausgabetag. Deshalb klagten zahlreiche Anleger, weil sie sich vom Management betrogen fühlten. Doch nun verloren sie vor Gericht.

Das Trauerspiel um die T-Aktie hat der Aktienkultur in Deutschland geschadet, wie die Experten finden. Nun trauen sich immer weniger Deutsche, diese großartigen Wertpapiere zu kaufen. Aber sind das wirklich noch Wertpapiere, so wie die Theoretiker sich das gedacht haben? Man kauft sich einen Anteil am Unternehmen und profitiert von der Unternehmensentwicklung?

Heute dominieren nicht Anleger das Geschäft an den Börsen, sondern Spekulanten. Besonders die Hochgeschwindigkeitshändler kaufen und verkaufen riesige Aktienpakete in Sekundenbruchteilen. Der Wert der Aktien hat nichts mehr mit dem Wert des Unternehmens zu tun, sondern nur noch mit den Erwartungen der Spekulanten. Und seinen Höchststand vom 7. März 2009 hat der DAX-Kursindex bis heute nicht mehr erreicht. Die Aktien sind keine Geldanlage mehr, sondern reines Spekulationsobjekt. Wenn die Tragödie um die T-Aktie erreicht hat, dass die Deutschen dies verstehen, dann hatte sie doch ihr Gutes.
J.E.