Mein Königreich für ein Pferd
Das waren noch Zeiten, als man bereit war, sein ganzes Königreich für ein Pferd einzutauschen, so wie König Richard III. von England dies im gleichnamigen Drama von William Shakespeare gesagt hat. Heutzutage ist zumindest das Fleisch geschlachteter Pferde so billig, dass man es statt Rindfleisch in Lasagnen oder Bolognesen einsetzt - natürlich, ohne dies auf den Verpackungen der Fertigprodukte zu deklarieren, der Kunde könnte ja sonst verunsichert sein. Und schon hat Europa einen Pferdefleischskandal. Allein in Deutschland wurde bis heute Pferdefleisch in 67 Fertigprodukten nachgewiesen.

Als Konsumenten fühlen wir uns natürlich verarscht. Gut, wir wollen offensichtlich unsere Lebensmittel möglichst billig haben, aber wir wollen auch nicht, dass man uns vorlügt, wir würden eine Ware erhalten, die wir dann gar nicht bekommen. Das kann uns aufregen!

Wirklich?

Seit Jahren schon können wir zahlreiche mit Käse überbackene Lebensmittel kaufen, die eigentlich gar nicht mit Käse überbacken sind. Denn diese käseähnliche Masse auf den Lebensmitteln wurde nicht aus Milch hergestellt, sondern dieser Analogkäse ist eine Pampe aus Pflanzenfetten, Emulgatoren, Aromen und Farbstoffen, die nur wie Käse aussieht - aber deutlich billiger hergestellt werden kann. Das ist schon seit Jahren bekannt, war damals ein kleiner Aufreger, aber heute stört das niemanden mehr.

Und kennen Sie Surimi? Beim Tengelmann um die Ecke finden sie Surimi-Produkte sogar in der Feinkostabteilung. Doch tatsächlich handelt es sich um kleingeschreddertes Fischfleisch, das mit Farb- und Geschmacksstoffen bearbeitet wird, bis es wie Krebsfleisch oder Shrimps aussieht. So kann man die Reste zumindest hochpreislich verkaufen, und der Kunde hat den Eindruck, er würde was für sein Geld bekommen - und nicht nur als Mülltonne für ansonsten unverkäufliches Fischfleisch dienen.

Wir wollen's billig, deshalb bekommen wir Müll. Über das Pferdefleisch regen wir uns heute auf, doch schon bald ist das vergessen, und wir essen weiter den Müll, als wäre nichts gewesen, so wie wir auch Analogkäse und Surimi in uns hineinstopfen. Wir scheinen eine lebensmüde Gesellschaft zu sein.

Aber schließlich hat auch Richard III. sein Leben selber ein Ende gesetzt.
K.M.