Deutschlands Erfolg: Ausbeutung
Kaum ein Land steht in Europa besser da als Deutschland. Hier brummt die Wirtschaft, die Export eilen von Rekord zu Rekord und die Arbeitslosigkeit befindet sich auf einem historischen Tiefstand.

Eigentlich sollten doch alle froh sein, dass Deutschland ein rettender Anker im zerrütteten Europa ist und den schwächelnden Euro mit seiner wirtschaftlichen Stärke am Leben hält. Doch was passiert? Alle sind sauer auf Deutschland, und die Investmentlegende George Soros fordert sogar, dass Deutschland den Euro aufgeben solle, wenn das Land keinen Euro-Bonds zustimmt.

Doch gerade dies will die Bundesregierung nicht. Wieso sollen wir mit unserer starken Wirtschaft die faulen Südeuropäer unterstützen, die weit über ihre Verhältnisse gelebt haben?

Vielleicht sollten wir das nicht. Vielleicht brauchen wir das nicht. Was stört uns Europa? Aber wäre es nicht schön, wenn wir wenigstens innerhalb Deutschlands für ein bisschen mehr Gerechtigkeit sorgen würden?

In Deutschland stiegen die Einkommen weniger stark als die Einnahmen aus Vermögen. Inflationsbereinigt verdient ein Arbeitnehmer heute weniger als im Jahr 2000. Diese Entwicklung ist einmalig in Europa. In allen anderen Ländern stiegen die Einkommen der Arbeitnehmer an - und damit auch die Lohnstückkosten.

Zugleich kennen fast alle EU-Staaten Mindestlöhne - wobei das reichste EU-Land, Luxemburg, mit 10.83 Euro auch den höchsten Mindestlohn hat. In Deutschland hingegen werden auch schon mal nur drei oder vier Euro in der Stunde gezahlt.

In Deutschland wird der Niedriglohnsektor ausgebaut, immer mehr Leute rutschen in die Armut. Die Schere zwischen reich und arm ist in Deutschland stark auseinander gegangen. Erhöhte man hier die Einkommen der Arbeitnehmer und verringerte den Reichtumszuwachs der Reichen, dann ginge die Schere wieder zusammen, dann hätte man mehr Gerechtigkeit in Deutschland - und Europas Probleme würden sich entschärfen.

Weil in Deutschland der Niedriglohnsektor wächst, wird Deutschland zum China Europas, wie ein Bericht des ARD-Magazin "Monitor" von diesem Donnerstag gezeigt hat. So haben sich in Frankreich die Anbauflächen für Spargel und Erdbeeren fast halbiert, weil man dort den Arbeitern einen Mindestlohn zahlen muss (etwa 1500 Euro brutto im Monat), während die Flächen in Deutschland um 70% zunahmen, weil man hier die Arbeiter aus Osteuropa mit einem Hungerlohn abspeisen kann. Gussteile werden zur Weiterbearbeitung aus Belgien nach Deutschland gebracht, weil der deutsche Subunternehmer mit Werksverträgen und anderen Möglichkeiten der Lohnkostenreduzierung deutlich billiger sein kann als seine Konkurrenz aus Belgien.

Deutschland boomt, weil es einen Preiskampf auf dem europäischen Arbeitsmarkt entfacht hat. Doch davon haben auch die deutschen Arbeitnehmer nichts, deren Einkommen beständig sinken. Profiteure dieses Booms sind nur die oberen Zehntausend. Und damit es ihnen gut geht, geht Europa vor die Hunde.

Stellen wir uns so Europas Zukunft vor?
K.M.