Tschüss, Europa!
Ende Mai hat man es nun beschlossen, einen weiteren Sargnagel für das, was für uns mal Europa war: Das Schengenabkommen, welches uns grenzenlose Reisefreiheit zwischen den Unterzeichnerstaaten garantierte, wurde eingeschränkt. Nun können Länder ihre Grenzen wieder kontrollieren, etwa wenn zu viele Flüchtlinge ins Land kommen. Und ausgerechnet Deutschland war die treibende Kraft hinter der Reform.

Deutschland, das war einmal eins der Gründungsmitglieder der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, aus der sich die EU entwickelte. Nachdem es Deutschland geschafft hatte, in zwei verheerenden Kriegen praktisch alle seine Nachbarn zu überfallen, wollte sich dieses Land endlich in Europa integrieren. Es gab seine Grenzen auf, es gab seine Währung auf. Und als Deutscher freute man sich, dass man ohne Probleme nach Frankreich oder Spanien konnte und dort noch nicht einmal Geld umtauschen musste. Europa war nicht länger ein Fleckenteppich, Europa war Wirklichkeit geworden.

Doch nun erscheint Europa der deutschen Politik immer lästiger zu werden. So hat man die Drittstaatenregelung eingeführt, nach der Asylbewerber in dem Land Asyl beantragen sollen, das sie als erstes nach der Flucht aus der Heimat betreten haben - und sich dann gefreut, dass Deutschlands nur eine EU-Außengrenze zur Schweiz hat, aus der wenig Asylbewerber zu erwarten sich. Doch Italien wollte mit dem afrikanischen Flüchtlingsproblem nicht alleine gelassen werden. Also schickte es die Asylanten nach Deutschland. Und das will nun wieder die Grenzen dicht machen können. Was sollen wir schließlich mit den italienischen Asylanten?

Deutschland hat eine starke Wirtschaft - und profitiert von seinem Hinterland, Ländern wie Polen, Ungarn und der Tschechei, in denen es billig vorproduzieren lassen kann, um dann im Inland Fertigprodukte für den billigen Export herzustellen. Da Deutschland auch keine Kolonien hatte, hat es schon früher als andere Länder auf eine starke Exportwirtschaft gesetzt. Nun hilft diese lange Erfahrung und die billige Produktion in Osteuropa Deutschlands Wirtschaft und macht sie noch stärker. Historische und geographische Zufälle haben Deutschland in eine Sonderposition in Europa gebracht. Doch statt dankbar darüber zu sein, schauen wir auf die faulen Südländer herab, die diese positiven Randbedingungen nicht hatten.

Mit seiner starken Wirtschaft hat Deutschland Ungleichgewichte in Europa verschärft. Doch statt nun auf Ausgleich zu setzen, setzt es auf Konfrontation. Sollen die Südländer doch zusehen, wie sie alleine fertig werden! Geld bekommen sie von uns nicht! Lieber sollen sie sparen, dann wird schon alles gut!

Und das behauptet Deutschland, obwohl es selber mit Kurzarbeit während der Krise die Staatsausgaben massiv erhöht hat - und in den1930er Jahren mit der Sparpolitik während der Depression die Wirtschaftskrise noch verstärkt hat.

Doch Deutschland sieht sich nicht mehr als Teil Europas. Wurde Deutschland nicht in die EWG gezwungen, weil die Franzosen die erstarkende deutsche Wirtschaft kontrollieren wollten? Was haben wir denn schon von Europa?

Unsere Exporte können wir auch in andere Länder verkaufen. Und auf Freunde, die nur schnorren, kann man getrost verzichten.

Nur: Deutschland wird auch immer älter - und damit schwächer. Man sollte seine politische Richtung nicht aus der augenblicklichen Stärke definieren. Doch das scheint unserer Regierung nicht bewusst zu sein. Und so sagen wir Europa leise Servus.

Schade, es war schön, solange es gedauert hat.
K.M.