Ärtzemangel
Es gibt zu wenige Ärzte in Deutschland. Zwar ist die Zahl der Ärzte in Deutschland von 92.000 im Jahr 1990 auf 144.000 heute gestiegen, und der Reinertrag pro Praxis liegt heute bei 166.000 Euro, doch zugleich ist es vor allem auf dem Land immer schwieriger, einen Arzt zu finden. Die jungen Ärzte leben halt viel lieber in der Stadt, und auf dem Land muss man auch noch so oft Hausbesuche machen, die nur mit lächerlichen Beträgen entlohnt werden.

Was soll man tun? Die Politik ist gefordert.

Genau genommen ist es nicht die Politik. In Deutschland haben die niedergelassenen Ärzte ein Monopol auf die Patientenversorgung. Die Krankenhäuser dürfen nur die Patienten in Krankenhäusern behandelt werden, die akut krank sind oder von den Ärzten überwiesen wurden. Im Gegenzug haben sich die Ärzte verpflichtet, landesweit eine ausreichende Versorgung sicherzustellen. Diese Verantwortung liegt bei den kassenärztlichen Vereinigungen.

Aber was sollen die machen? Die Bezahlung auf dem Land ist eben zu unattraktiv, kein Arzt will deshalb aufs Land ziehen.

Gute Frage. Wer ist denn für die Bezahlung der Ärzte zuständig? Man wundert sich: Ebenso die kassenärztliche Vereinigung. Diese bekommt das Budget von den Krankenkassen überwiesen und darf es dann nach eigenen Regeln an die Ärzte verteilen. Wenn die Bezahlung der Ärzte auf dem Land ungerecht ist, dann kann die kassenärztliche Vereinigung das ganz einfach ändern. Aber sie verlangt lieber mehr Geld, damit das Durchschnittseinkommen der Ärzte weiter steigt - wovon vor allem die Ärzte in der Stadt profitieren.

Jetzt wird es aber besonders bizarr: In den Städten gibt es schon viel zu viele Ärzte. In manchen Stadtteilen Münchens gibt es, wie ein Kabarettist mal meinte, sogar mehr Kardiologen als Menschen mit Herz. Aber haben Sie mal versucht, einen Termin bei einem Facharzt zu bekommen? Sie müssen Monate warten. Sogar in den Städten. Obwohl es hier mehr Fachärzte gibt also sonst wo in Europa.

Das ARD-Magazin "Kontraste" hat dieses Rätsel gelöst: Da Ärzte pro besuchtem Patient pro Quartal entlohnt werden, lassen die Fachärzte viele ihrer Patienten eben quartalsweise zu "Nachuntersuchungen" antanzen. Die Untersuchungen sind schnell erledigt, aber die Ärzte bekommen wieder Geld, als hätten sie den Patienten tatsächlich behandelt. Bei Urologen sind fast ein Drittel aller Patienten Dauerpatienten, die einmal im Quartal vorbeischauen, bei denen man nichts feststellt, aber schon mal einen Termin für eine Untersuchung im nächsten Quartal ausmacht.

So füllt man sich den Terminkalender mit "Patienten", die kerngesund sind, aber für die die Kassen und die Versicherten trotzdem zahlen. Und wer wirklich krank ist, muss dann wochenlang auf einen Termin beim Facharzt warten.

Und was macht die kassenärztliche Vereinigung? Sie fordert mehr Ärzte in den Städten.

Ein Arzt war früher einmal eine angesehene Person, die sich um das Wohl ihrer Patienten und weniger um das Wohl ihres Geldbeutels gekümmert hat. In diesem Sinne fordern auch wir mehr Ärzte für Deutschland.
K.M.