Geheuchelte Solidarität
In diesen Tagen gelangen die Diskussionen um die Zukunft Griechenlands in eine heiße Phase. Bis Ende Juni, so hört man immer wieder, muss eine Entscheidung her. Entweder halten sich die Griechen an den Sparkurs, und die Gläubiger gewähren weitere Kredite, oder das Land muss Konkurs anmelden.

Was aber vielleicht noch schlimmer ist als die Pleite Griechenlands: Geht Griechenland Pleite, dann wird Deutschland weniger von der Krise profitieren.

Denn Deutschland ist einer der größten Profiteure der Krise in Griechenland und anderen Ländern Europas. Dank dieser Krise sind die Zinsen auf einem historischen Tiefstand, und die deutsche Bundesregierung musste für ihren Schuldendienst seit 2008 etwa 94 Milliarden Euro weniger aufbringen, als ohne die Krise fällig geworden wären. Außerdem wurden Griechenland bisher nur Kredite gegeben. Dafür muss Griechenland auch Zinsen zahlen - unter anderem an Deutschland.

Hilfen für Griechenland in der Art eines Marshall-Plans, der den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg half, gab es bis heute nicht. Statt den Griechen in der Krise zu helfen, das Leid zu lindern in einem Land, in dem nun fast ein Drittel der Menschen keine Krankenversicherung mehr haben, fordert man sie auf, immer mehr zu sparen und die Gehälter und Renten weiter zu senken. Dass eine solche Politik völliger Unsinn ist, weiß kein Land besser als Deutschland: Während der großen Weltwirtschaftskrise ab 1929 hat der deutsche Kanzler Brüning ein großes Sparpaket aufgelegt - und damit die Krise nur verschärft. Wenn niemand mehr konsumiert, dann wächst die Wirtschaft auch nicht. Deshalb gab es in Deutschland nach 2008 ja die Abwrackprämie und beinahe ewig laufende Kurzarbeitsgelder.

Doch für Griechenland gilt die Regel, dass man in einer Krise Nachfrage schaffen soll, nicht. Hier soll die Nachfrage weiter gekürzt werden. Denn wollte man Nachfrage schaffen, dann müsste man den Griechen wirklich helfen, anstatt ihre Kredite bei den Banken immer weiter durch Kredite bei staatlichen Institutionen zu ersetzen. Wirklich helfen will aber niemand.

Zu angenehm sind die Vorteile, die wir hier in Deutschland aus dem Leid der Griechen ziehen.

Und dann reden wir von der Solidargemeinschaft Europa!
K.M.