Wer kann sich noch an den Beginn der 2000er erinnern? Damals war Deutschland der kranke Mann Europas, was Schröder bewog, seine unsägliche, neo-liberale Agenda 2010 anzukündigen, weil er auf Ökonomen hörte, die ihm sagten, dass die Wirtschaft dann am stärksten wächst, wenn die Steuern niedrig sind und die Arbeitnehmerrechte gering. So wie auch in den 1950er und 1960er Jahren, als der Spitzensteuersatz viel höher lag und die Arbeitnehmer als gleichberechtigte Partner angesehen wurden. Ne, das ist ein schlechtes Beispiel. Genau genommen gibt es kein Beispiel, dass steigende Ungleichheit mit einer wachsenden Wirtschaft verbindet, so wie es die Agenda 2010 realisieren wollte. Das Gegenteil ist richtig: Denn die Arbeitnehmer sind die Konsumenten. Geht es ihnen schlecht, dann kann eine Wirtschaft nicht stabil florieren.
Aber der Hauptpunkt der Kritik an Deutschland damals war, dass Deutschland noch ein überholtes Wirtschaftsmodell fuhr: Man produzierte im eigenen Land! Andere, fortschrittliche Länder wie die USA und Großbritannien hatten die Produktion schon überwiegend ins Ausland verlegt und konzentrierten sich auf die margenstarke Finanzwirtschaft. Deutschland hinkte dem hinterher. Die Trägheit der deutschen Wirtschaft, die die Arbeitnehmer in die Entscheidungen einbinden wollte, war unfassbar groß.
Dann kam die Krise 2008 – und Deutschland überstand sie halbwegs unbeschadet, weil das Land nicht so stark von der Finanzwirtschaft anhing. Derivate konnte man nicht essen, wie man damals feststellte. Und nun haben wir die Corona-Krise – und wären froh, wenn wir noch mehr im Land produzieren würden.
Aber die Ökonomen wussten es ja besser. Sie haben uns ja auch geraten, die Krankenhausbetten abzubauen, damit die Krankenhäuser effizienter sind. Deutschland war auch hier wieder etwas langsam, weil es immer noch starke Kräfte gibt, die sich jedem Fortschritt in den Weg stellen – und profitiert derzeit davon. Hohe Effizienz würde heute Knappheit bedeuten. Länder wie Italien, Spanien und die USA waren da deutlich effizienter. Und irgendwie scheinen sie es nun zu bedauern.
Was lernen wir daraus? Am besten macht man genau das Gegenteil von dem, was einem die Ökonomen empfehlen.
Oder anders: Es würde den Ökonomen nicht schlecht zu Gesicht stehen, sich auch einmal mit der Realität zu befassen.
P.H.
red horse am 04. April 20
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