Neoliberal ist nicht liberal
Die Koalitionsverhandlungen laufen nach der Bundestagswahl vom letzten Sonntag gerade an. Die FDP hat eine Schlüsselrolle in diesen Verhandlungen, ohne sie kann es wieder nur eine große Koalition geben. Da die FDP liberal ist, sollte es doch keine Probleme geben, eine sogenannte Ampel-Koalition mit SPD und Grünen aufzustellen, sollte man meinen. Doch das Problem ist, dass die FDP weniger liberal als mehr neoliberal ist. Und das hat mit gesellschaftlicher Liberalität nichts zu tun.

Liberale Politiker wollen, dass alle Menschen möglichst große Freiheiten haben. Die FDP der 1970er Jahre war eine liberale Partei, die genau dieses Ziel hatte. Doch in den 1980er Jahren übernahmen die Neoliberalen die Partei. Diese haben nur die Wirtschaft im Blick und gehen davon aus, dass die Wirtschaft floriert, wenn es den Reichen gut geht. Die Freiheiten der Reichen sollen deswegen gestärkt werden.

Doch wenn man den Reichen mehr Freiheiten gibt, wenn man ihre Steuern senkt, wenn man für sie Gesetze erleichtert, dann leiden darunter die Bürger; denn dann steht weniger Geld zur Verfügung, damit auch Arme an der Gesellschaft teilnehmen und frei sein können; dann gibt es weniger Regularien, die die Freiheiten der Bürger schützen, die die Rechte der Arbeiter sichern und den Schutz der Umwelt sicherstellen. Freiheit lässt sich nicht maximieren. Wenn man die Freiheiten einer gesellschaftlichen Gruppe ausbaut, dann schränkt dies die Freiheiten anderer Gruppen ein.

Die FDP gewinnt Stimmen, weil sie sich als liberal präsentiert, dabei hat sie nur das Wohlergehen der Reichen im Blick. Sie ist neoliberal und eben nicht liberal. Das ist keine gute Voraussetzung für eine Koalition mit SPD und Grünen, die gerade nicht neoliberal sind, dafür aber liberal.
J.E.