Samstag, 30. Mai 2020
Freiheit oder Anarchie
Wir Menschen lieben unsere Freiheit, besonders wir Menschen, die wir mit den westlichen Werten aufgewachsen sind. Wir wollen sagen und tun können, was wir wollen, und wenn man versucht, diese Freiheiten einzuschränken, dann begehren wir zu Recht dagegen auf. Unsere Freiheit soll grenzenlos sein.

Aber kann Freiheit grenzenlos sein?

Kann ich tun, was ich will – egal welche Auswirkungen dies auf andere hat? Natürlich nicht. Meine Freiheit hört dort auf, wo die Freiheit eines anderen anfängt. Grenzenlose Freiheit wäre Anarchie. Freiheit braucht, so paradox es klingen mag, Grenzen.

Gerade politisch rechts stehende Menschen beschweren sich, dass es in unserem Land keine Meinungsfreiheit mehr geben würde. Sie könnte nicht mehr sagen, was sie wollten. Prominentestes Beispiel ist der US-Präsident Donald Trump. Nachdem er schon jahrelang Lügen über Twitter verbreitete, hat Twitter bei einer diese Woche veröffentlichten Lüge über Briefwahlen in Kalifornien einen Faktencheck angehängt, der Trumps Behauptung der Lüge entlarvt. Sofort beschwerte er sich über die „Zensur“; seine Meinungsfreiheit werde unterdrückt.

Wohlgemerkt: Twitter wies nur darauf hin, dass die Behauptung nicht stimmte. Twitter löschte sie nicht. Doch auch andere Republikaner und Rechte unterstützten Trump und wetterten gegen die Zensur. Die Meinungsfreiheit werde von Twitter beschädigt.

Wieso? Trump kann doch sagen, was er will. Die Meinungsfreiheit wird nicht beschädigt. Aber nun weist Twitter darauf hin, dass seine Meinungen lügen sind – so wie auch andere, die sich über das Ende der Meinungsfreiheit beschweren, immer noch sagen dürfen, was sie wollen, aber damit rechnen müssen, dass man sie darauf hinweist, dass sie Unsinn reden.

Aber das wollen sie nicht. Die Rechten wollen unwidersprochen ihre Lügen verbreiten. Sie wollen keine Meinungsfreiheit, sie wollen Meinungsanarchie.

Aber die darf es in einem Rechtsstaat nicht geben.
P.H.