Sonntag, 18. August 2013
Wenn einer eine Reise tut...
...dann kann er was erzählen. Was kann man auf Reisen nicht alles erleben: Wunderliche Mitreisende, einzigartige Sehenswürdigkeiten - oder Reisemitteln, die eher dann fahren, wann sie wollen, aber nicht dann, wann sie sollen.

Die Bahn hat sich nun dafür entschieden, lieber gar nicht mehr zu fahren. Zumindest in Mainz. Seit Tagen verkehren hier kaum noch Züge, weil Fahrdienstleiter im Urlaub und krank sind. Und die anderen schieben so viele Überstunden vor sich her, dass sie es wohl auch nicht mehr lange machen.

Dabei sollte die Bahn doch privatisiert werden. Alles sollte besser werden. Zumindest die Bilanz, weshalb die Bahn anfing zu sparen. Tausende Mitarbeiter wurden entlassen, durch Alter ausgeschiedene Mitarbeiter wurden nicht mehr ersetzt, und die Bilanz der Bahn machte wahre Freudensprünge: Allein im ersten Halbjahr 2013 stand ein Gewinn von einer Milliarde Euro in den Büchern. Was die staatliche Bahn nie geschafft hatte, der praktisch privatisierten Bahn war dies gelungen.

Gut, in Mainz kann man jetzt gerade nicht mit der Bahn fahren und in Berlin hat man 2009 erfahren müssen, dass die Bahn zwar viel Geld sparen kann, wenn sie den regemäßigen Check der S-Bahn in längeren Intervallen ablaufen lässt, allerdings werden die Züge dann so unsicher, dass das Eisenbahn-Bundesamt diese lieber stilllegt, weshalb hunderttausende Berliner monatelang zusehen mussten, wie sie zur Arbeit kamen. Aber zumindest hat man das was zum Erzählen.

Dabei sollte die Privatisierung doch alles besser machen: Bessere Qualität und geringere Preise für die Kunden. Stattdessen stiegen die Preise und die Qualität nahm ab. Und das ist nicht nur bei der Bahn zu beobachten.

Wie kam man überhaupt zu der Annahme, dass ein privatisierter Betrieb, der auch noch Gewinne machen muss, bei geringeren Preisen eine bessere Qualität bereitstellen kann? Weil in den Staatsbetrieben nur faule Sesselfurzer arbeiten, die durchaus das Doppelte leisten können ohne dabei wesentlich aus ihrem Dämmerzustand aufzuwachen?

Die Überprüfung dieser Hypothese hat gezeigt, dass diese nicht ganz korrekt war. Die privatisierten Betriebe schaffen es nur, Gewinne zu erwirtschaften, weil sie die Kosten senken: Sie schmeißen Mitarbeiter heraus, die sie für ein reibungsloses Funktionieren eigentlich bräuchte, sie reduzieren die Löhne und schieben Investitionen in die Infrastruktur auf die lange Bank. Wer nichts ausgibt, kann schließlich mehr einnehmen. Zumindest für einige Zeit.

Und wenn das Unternehmen dann richtig schön gegen die Wand gefahren wurden, dann kann ja wieder der Staat einspringen, um das systemrelevante Unternehmen am Leben zu halten.

Und schon wieder hat man was zum Erzählen.
P.H.



Freitag, 2. August 2013
Gelddrucken für Fortgeschrittene
Die Zentralbanken haben ein beneidenswertes Privileg: Sie dürfen Geld drucken. Wollten Sie das zu Hause ebenfalls machen und mit ihren Kunstwerken beim Bäcker bezahlten, dann stände recht bald die Polizei bei ihnen vor der Tür. Und nicht nur, weil sie Sie mit dem selber gedruckten Geld den Urheberschutz der Zentralbanken verletzt haben.

Niemand außer den Zentralbanken hat das Recht, Geld zu drucken, und das aus gutem Grund: Je mehr Geld in einer Wirtschaft zur Verfügung stände, desto weniger wäre es wert. Druckte man nach Belieben Geld, dann stiege die Inflation - und die hübschen Scheine wären nichts mehr wert. Deshalb nimmt man Geldfälschern ihre Arbeit so übel.

Doch nicht nur die Geldmenge bestimmt den Wert des Geldes, auch die Umlaufgeschwindigkeit. Wenn man hundert Euro besitzt, und diese zum Ende des Monats ausgibt, und der neue Besitzer sie ebenfalls erst zum Ende des nächsten Monats ausgibt, dann wechseln über das Jahr gesehen 1200 Euro den Besitzer. Geben die Besitzer das Geld jedoch schon am Ende der nächsten Woche aus, dann sind es 5200 Euro. Je größer die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, desto mehr Geld sitzt im System.

Ein wichtiger Beschleuniger im System des Geldes sind die Banken. Leider dürfen sie Geld nicht drucken. Sie dürfen es sich jedoch leihen und wieder verleihen - und mit den Zinsgewinnen Geld verdienen. Die Banken bringen in erster Linie kein Geld in Umlauf, sondern Schulden. Je mehr Schulden Kreditnehmer bei einer Bank jedoch machen können, desto mehr Geld kommt in Umlauf. Deshalb hat der Gesetzgeber festgelegt, dass eine Bank nur ungefähr das Zehnfache des Eigenkapitals als Kredite vergeben darf. Das schränkt die Aktivitäten einer Bank natürlich ein.

Deshalb erfand man vor einigen Jahren die Kreditderivate. Nun konnten die Banken die von ihnen vergebenen Kredite als Wertpapiere verkaufen, womit die Kredite nicht mehr in den eigenen Büchern standen, und man wieder Luft hatte, weitere Kredite zu vergeben. Das Spiel ließ sich endlos weiterdrehen. Plötzlich schufen die Banken mit ihren Krediten nicht die zehnfache Geldmenge, sondern ein Vielfaches davon. Dank der Kreditderivate konnten sie endlich ihr eigenes Geld drucken.

Bis dann die Wirtschaft unter dem vielen Geld zusammenbrach.

Nun schwor die Politik, dass sie die Banken härter an die Leine nehmen wolle, und solche Aktivitäten zukünftig nicht mehr möglich sein. Gut, bisher ist nicht viel geschehen, aber "Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste" und so suchten sich die Geldhäuser andere Geldquellen, die beinahe so sicher waren wie Gelddrucken. Besonders kreativ war hier Goldman Sachs, die auch schon bei den Kreditderivaten eine unrühmliche Rolle gespielt hatten.

Goldman Sachs kaufte in den USA riesige Läger für Aluminium auf; denn die Ökonomie sagt, dass die Preise steigen, wenn ein Produkt knapp wird. Nun kann Goldman Sachs das Aluminium nicht einfach zurückhalten und den Preis künstlich in die Höhe treiben. Damit würde es seine Quasi-Monopolstellung ausnutzen, und dass könnte die Politik auf den Markt rufen, weil es wieder mal der Wirtschaft schadet. Und tatsächlich gibt es in den USA eine Vorschrift, dass die Aluminiumläger 3000 Tonnen Aluminium täglich ausliefern müssen, damit kein künstlicher Engpass entsteht. Und das macht Goldman Sachs, von denen man manchmal den Eindruck haben könnte, es handele sich um eine kriminelle Vereinigung mit Banklizenz, auch: Sie liefern 3000 Tonnen Aluminium täglich aus. Und lassen sie von LKWs in andere Aluminiumläger fahren, wo sie dann einige Tage später wieder zurück ins ursprüngliche Lager gekarrt werden. Warteten die Kunden bisher einige Tage auf ihre Aluminiumlieferung, beträgt die Lieferzeit heute bis zu 16 Monate. Und die Preise für das Metall steigen, was Goldman Sachs doppelt freut: Denn raten Sie mal, wer auf steigende Aluminium-Preise gewettet hat...

Schöner kann es auch nicht sein, sein eigenes Geld zu drucken.
J.E.



Samstag, 20. Juli 2013
Rückzug...?
Schon vor einigen Wochen hatte Monsanto die Öffentlichkeit mit der Mitteilung überrascht, dass sie den Kampf um den europäischen Gentechnik-Markt aufgeben wollen. Der Widerstand in Europa sei einfach zu groß. Nun hat Monsanto mehrere Anträge auf Zulassung in Europa zurückgezogen, und scheint die Ankündigung wahrzumachen.

Wir erinnern uns: Monsanto wurde 1901 als Chemiekonzern in Missouri gegründet. Berüchtigt wurde das Unternehmen vor allem deshalb, weil Monsanto es geschafft hatte, mit dreckigen Chemikalien gut Geld zu verdienen: War es nun das mittlerweile verbotene PCB, dessen Gefährlichkeit Monsanto jahrzehntelang verschwieg, war es der Süßstoff Aspartam, dessen Gefährlichkeit von Monsanto immer heruntergespielt wurde, oder war es als Lieferant von "Agent Orange", dem Entlaubungsmittel, das die US-Armee in Vietnam einsetzte - und mit dem darin enthaltenen Dioxin gleich Hunderttausende Menschen vergiftete.

Wahrhaft legendär wurde Monsanto jedoch, als sich das Unternehmen der Gentechnik zuwandte, und sein Chemiegeschäft weitestgehend aufgab. Das erste Produkt, welches Monsanto auf den Markt brachte, war ein gentechnisch gewonnenes Rinderwachstumshormon, das die Kühe dazu brachte, mehr Milch zu produzieren. In Zeiten der Überproduktion brauchte das eigentlich niemand, aber es kam in den USA trotzdem auf den Markt. Dieses Hormon produziert einen Wachstumsfaktor im Tierkörper, der auch beim Menschen Krebs erzeugt. In Europa wollte man von dem Zeug deshalb nichts wissen. Aber die Amerikaner sind ja nicht solche Waschlappen.

Als nächstes wandte sich Monsanto den Nutzpflanzen zu. Eine Soja-Pflanze, die gegen ein Monsanto Herbizid resistent ist, wurde der zweite Kassenschlager für den Konzern. Wieder gehen die Amerikaner davon aus, dass diese transgene Sojapflanze nicht gesundheitsschädlich ist. Dabei zeigen Fütterungsversuche, dass diese künstlichen Pflanzen Krebs verursachen. In Europa will man den Anbau deshalb auch nicht zulassen, obwohl dieses Zeug als Tierfutter importiert werden darf.

Nun hat Monsanto dem großen Widerstand aus Europa also nachgegeben und zieht sich zurück.

Nur: Zugleich treten die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA in eine heiße Phase. Einer der Punkte ist, dass die Standards und Regulierungen aneinander angepasst werden, wobei für die USA-Regierung gerade das Thema Biotechnologie eine große Bedeutung hat.

Zieht sich Monsanto also nur zurück, um jemand anderen für seine Interessen kämpfen zu lassen?

Wir müssen wachsam bleiben.
K.M.



Freitag, 5. Juli 2013
Liebe Geheimdienste
viel hatte man an Euch in den letzten Tagen zu kritisieren. Zuerst wurde bekannt, dass die Amerikaner mit dem Programm Prism unzählige Emails überwachen, dann hörte man, dass die Engländer mit dem Programm Tempora dasselbetun - passenderweise befindet sich ein Internetknoten, der Europa mit den USA befindet, auf ihrem Gebiet. Schließlich mussten auch die Franzosen die Hosen runterlassen, und ebenfalls zugeben, dass ihr Auslandsnachrichtendienst DGSE die Kommunikation im Internet überwacht. Und als wärt Ihr Geheimdienste mit der ganzen elektronischen Information nicht schon mehr als ausgelastet, fotografiert die US-Post für die Geheimdienste den Empfänger und Sender jedes mit ihr verschickten Briefes - 160 Milliarden Sendungen allein im Jahr 2012.

All das natürlich nicht aus Willkür. Und deshalb sollt Ihr hier auch nicht kritisiert werden, sondern auch mal gelobt. Die Arbeit, das Geld, die Ressourcen, die Ihr in die lückenlose Überwachung der Bürger investiert, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. All das nur, um uns vor Terroristen zu schützen, damit nicht wieder ein 9/11 passiert, bei dem 3000 Menschen an einem Tag das Leben verloren. Gut, auf amerikanischen Straßen kommen jeden Monat mehr Menschen ums Leben, aber das ist ja nicht von einem durchgeknallten Irren so gewollt! Das sind einfach Kollateralschäden unseres Lebensstils.

Wie viele 9/11 Ihr mit Eurer lückenlosen Überwachung schon verhindert habt, kann man gar nicht abschätzen. Dafür Danke! Unser Leben ist sicherer geworden - und wird mit jedem Tag sicherer. Der wer traut sich noch, kritische Gedanken zu veröffentlichen, wenn diese jahrelang gespeichert und eines Tages gegen ihn verwendet werden können? Die Menschen werden endlich ruhig und gefolgsam sein, und man muss ihnen die Freiheit noch nicht einmal nehmen. Aus Vorsicht, werden sie auf sie verzichten.

Gleichgeschaltet und unkritisch wird die Welt endlich so sicher sein, wie sie nur selten war. In Deutschland war es wahrscheinlich das letzte Mal unter Hitler so sicher. Bald wird die ganze Welt diese Sicherheit kennenlernen - und bis auf ein paar unverbesserliche Querdenker auch schätzen lernen.

Dafür gebührt Euch Dank, liebe Geheimdienste.

P.S.: Nur um ganz sicher zu gehen, wird es am Ende dieses Post kein Namenskürzel geben. Man weiß ja nie...



Freitag, 21. Juni 2013
Als Tiger gestartet...
War das 2009 eine Sensation: Kaum ein Jahr im Amt, schon hatte man dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama den Friedensnobelpreis verliehen. Und er hatte ja auch so viel vor: Er wollte die Atomwaffen abrüsten, er wollte dem Nahen Osten die Hand zum Frieden reichen, er wollte den Schandfleck Guantanamo schließen, er wollte mehr Demokratie wagen in einem Land, das nach 9/11 die Demokratie schamhaft versteckt hatte.

Und diese Woche war er in Deutschland. Endlich durfte er seine große Rede vor dem Brandenburger Tor halten, vor dem auch schon J.F. Kennedy und Ronald Reagan standen. Doch statt einer großartigen Rede, gab es nur einen schalen Aufguss seines schon 2009 gegebenen Versprechens, die Atomwaffen abrüsten zu wollen. Über die Schließung von Guantanamo verlor er kein Wort mehr. Vielleicht ist es ihm peinlich, wie wenig er hier erreicht hat.

Und dann wurde auch noch aufgedeckt, dass die USA mit dem Programm PRISM elektronische Medien der ganzen Welt überwachen - und von den Freunden gerade Deutschland im Fokus steht. Obwohl mit dem Überwachungsprogramm keine Amerikaner ausspioniert werden sollen, gehen sie dem enggestrickten Netz der Spione auch in die Falle - und verharren dann dort. Warum sollte man auch wieder hergeben, was man einmal bekommen hat?

Wo ist nun der Präsident, der mehr Demokratie wagen wollte, der mit den selbstherrlichen und unredlichen Handlungsweisen der Bush-Administration brechen wollte? Als Tiger gestartet...

Vielleicht war die Rede am Brandenburger Tor, auch wenn sie keinen bleibenden Eidnruck hinterließ, dennoch symbolhaft: Obama trat dort hinter zentimeterdickem Glas auf. So nah scheint er den Menschen überall auf der Welt zu sein.
P.H.



Freitag, 14. Juni 2013
Tschüss, Europa!
Ende Mai hat man es nun beschlossen, einen weiteren Sargnagel für das, was für uns mal Europa war: Das Schengenabkommen, welches uns grenzenlose Reisefreiheit zwischen den Unterzeichnerstaaten garantierte, wurde eingeschränkt. Nun können Länder ihre Grenzen wieder kontrollieren, etwa wenn zu viele Flüchtlinge ins Land kommen. Und ausgerechnet Deutschland war die treibende Kraft hinter der Reform.

Deutschland, das war einmal eins der Gründungsmitglieder der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, aus der sich die EU entwickelte. Nachdem es Deutschland geschafft hatte, in zwei verheerenden Kriegen praktisch alle seine Nachbarn zu überfallen, wollte sich dieses Land endlich in Europa integrieren. Es gab seine Grenzen auf, es gab seine Währung auf. Und als Deutscher freute man sich, dass man ohne Probleme nach Frankreich oder Spanien konnte und dort noch nicht einmal Geld umtauschen musste. Europa war nicht länger ein Fleckenteppich, Europa war Wirklichkeit geworden.

Doch nun erscheint Europa der deutschen Politik immer lästiger zu werden. So hat man die Drittstaatenregelung eingeführt, nach der Asylbewerber in dem Land Asyl beantragen sollen, das sie als erstes nach der Flucht aus der Heimat betreten haben - und sich dann gefreut, dass Deutschlands nur eine EU-Außengrenze zur Schweiz hat, aus der wenig Asylbewerber zu erwarten sich. Doch Italien wollte mit dem afrikanischen Flüchtlingsproblem nicht alleine gelassen werden. Also schickte es die Asylanten nach Deutschland. Und das will nun wieder die Grenzen dicht machen können. Was sollen wir schließlich mit den italienischen Asylanten?

Deutschland hat eine starke Wirtschaft - und profitiert von seinem Hinterland, Ländern wie Polen, Ungarn und der Tschechei, in denen es billig vorproduzieren lassen kann, um dann im Inland Fertigprodukte für den billigen Export herzustellen. Da Deutschland auch keine Kolonien hatte, hat es schon früher als andere Länder auf eine starke Exportwirtschaft gesetzt. Nun hilft diese lange Erfahrung und die billige Produktion in Osteuropa Deutschlands Wirtschaft und macht sie noch stärker. Historische und geographische Zufälle haben Deutschland in eine Sonderposition in Europa gebracht. Doch statt dankbar darüber zu sein, schauen wir auf die faulen Südländer herab, die diese positiven Randbedingungen nicht hatten.

Mit seiner starken Wirtschaft hat Deutschland Ungleichgewichte in Europa verschärft. Doch statt nun auf Ausgleich zu setzen, setzt es auf Konfrontation. Sollen die Südländer doch zusehen, wie sie alleine fertig werden! Geld bekommen sie von uns nicht! Lieber sollen sie sparen, dann wird schon alles gut!

Und das behauptet Deutschland, obwohl es selber mit Kurzarbeit während der Krise die Staatsausgaben massiv erhöht hat - und in den1930er Jahren mit der Sparpolitik während der Depression die Wirtschaftskrise noch verstärkt hat.

Doch Deutschland sieht sich nicht mehr als Teil Europas. Wurde Deutschland nicht in die EWG gezwungen, weil die Franzosen die erstarkende deutsche Wirtschaft kontrollieren wollten? Was haben wir denn schon von Europa?

Unsere Exporte können wir auch in andere Länder verkaufen. Und auf Freunde, die nur schnorren, kann man getrost verzichten.

Nur: Deutschland wird auch immer älter - und damit schwächer. Man sollte seine politische Richtung nicht aus der augenblicklichen Stärke definieren. Doch das scheint unserer Regierung nicht bewusst zu sein. Und so sagen wir Europa leise Servus.

Schade, es war schön, solange es gedauert hat.
K.M.



Samstag, 1. Juni 2013
Drohnendes Unheil
Da wollte Deutschland mal ganz groß mitspielen, und hat Millionen in die Entwicklung einer Drohne mit Namen "Euro Hawk" investiert, eines Flugkörpers, der ferngesteuert durch die Gegend fliegt, den Feind ausspioniert - und ihn gegebenenfalls umbringt. Es braucht keinen Soldaten mehr, um den Feind zu töten - und es braucht kein Gericht mehr, um jemanden zu verurteilen.

Die Amerikaner haben es vorgemacht. Und wie man diese Woche erfahren durfte, leiten sie diese Aktionen von Deutschland aus - kein Wunder, dass der kleine Bruder dasselbe Spielzeug haben wollte. Von Stuttgart und Ramstein aus leiten die US-Militärs ihre Drohnen, die vor allem in Afrika fliegen und dort gezielt Terroristen töten. Wie die Amerikaner jemanden als Terrorist identifizieren? Das ist ganz einfach. Allerdings können Zivilisten dies nicht verstehen. Weshalb man auch keine Gerichte damit belästigt, den potentiellen Terroristen zu verurteilen.

Nach dem Angriff auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 haben die Amerikaner das Rechtssystem umgeschrieben. Vorher gab es Feinde in einem Krieg, für die die Genfer Konventionen galten, und es gab Verbrecher, die von einem ordentlichen Gericht abgeurteil wurden. Die Amerikaner schufen danach die Gruppe der "feindlichen Kämpfer", die weder als Verbrecher noch als Kriegsgegner gelten, und bei denen man auch ungestraft "alternative Verhörtechniken" anwenden kann, die der Rest der Welt als Folter bezeichnet. Eingekerkert wurden diese feindlichen Kämpfer in dem Militärcamp Guantanamo auf Kuba - einer amerikanischen Festung in einem kommunistischen Land. Welcher Ort wäre besser geeignet, um internationales Recht außer Kraft zu setzen?

Zwar hat der amerikanische Präsident Obama versprochen, diesen Ort der Schande, an dem die Amerikaner alle ihre demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien über Bord geworfen haben, zu schließen. Doch die Mehrheit der Amerikaner scheint mit Demokratie nicht mehr viel am Hut zu haben - und ist vehement dagegen.

Wogegen wendet sich noch einmal der Krieg der islamistischen Terroristen? Gegen die Freiheit in der westlichen Welt, gegen die Demokratie, die Menschenrechte.

Es sieht ganz so aus, als hätten sie gewonnen.
K.M.



Samstag, 18. Mai 2013
Steueroase Deutschland
Der Kampf gegen Steuersünder scheint eine der größten Aufgaben der deutschen Politik zu sein. Vor allem die Schweizer fallen immer wieder unangenehm auf, weil sie es deutschen Reichen erlauben, ihr Geld ungestraft vor dem deutschen Fiskus zu verbergen. Allerdings bröckelt der Widerstand der Schweizer, die nun bereit sind, immer mehr mit dem deutschen Fiskus zu kooperieren. Die Hartnäckigkeit Deutschlands im Kampf um Steuergerechtigkeit hat sich, so scheint es, gelohnt.

Und ist ziemlich heuchlerisch.

Nach einem Bericht der OECD nimmt Deutschland den Kampf gegen Geldwäsche nicht sonderlich ernst. Von 49 untersuchten Kriterien erfüllt Deutschland nur 29 - und ist damit nur knapp an der Aufnahme auf die Schwarze Liste der Geldwäscheländer vorbeigeschrammt.

Und wenn Steuerfahnder bei uns in Deutschland mal zu aggressiv werden - besonders in unionsregierten Ländern - dann werden die Beamten auch schon einmal als psychisch krank eingestuft und aus dem Dienst entfernt, so wie dies vier Steuerfahndern Hessen passiert ist. Seitdem können die Manager der Großbanken Frankfurts wieder etwas ruhiger schlafen.

Ähnlich unternimmt auch Bayern bei der Steuerfahndung keine großen Anstrengungen. Und wenn mal jemand auf illegale Vorgehensweisen hinweist, dann dient das allenfalls dazu, ihn ebenfalls als psychisch krank zu diagnostizieren und für Jahre in eine geschlossene Anstalt einzuweisen, so wie dies Gustl Mollath passiert ist.

Die Bösen sind immer die Anderen. Aber vielleicht stinkt es im eigenen Nest mittlerweile auch so stark, dass niemand sich mehr traut, hier mal aufzuräumen.
P.H.



Samstag, 4. Mai 2013
Ein kleiner Rechenfehler
Die harte Sparpolitik in Europa ist nötig, dies hört man immer wieder. Als Beleg dafür dient eine wissenschaftliche Arbeit, die Kenneth Rogoff und Carmen Reinhard im Jahr 2010 vorgelegt haben. Kenneth Rogoff ist nicht irgendwer: Der Harvard-Professor war immerhin zwischen 2001 und 2003 Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, mithin eine Koryphäe auf seinem Gebiet.

Was sagt nun dieses Paper? Es belegt, dass eine hohe Verschuldung mit einem geringen wirtschaftlichen Wachstum einhergeht. Die Analyse zeigt, dass ab einem Verschuldungsgrad von 90% die Wirtschaft gar nicht mehr wächst, sondern vielmehr schrumpft. Also, so die Folgerung, darf man nicht zu viele Schulden machen, sonst gefährdet man das Wachstum. Oder umgekehrt: Macht keine Schulden mehr, dann wächst die Wirtschaft.

Diese Aussage widerspricht jeder Erfahrung, die man bisher hatte. So macht man die Sparpolitik des Reichskanzler Heinrich Brüning für die lange Rezession in den 1930er Jahren in Deutschland verantwortlich. Aber Rogoffs und Reinhards Aussage wurde willig von den Politikern aufgegriffen, die Südeuropa zum Sparen verpflichten wollten. Schließlich, so die Annahme, muss man dann weniger Geld zahlen.

Doch nun hat man die Arbeit der beiden Koryphäen noch einmal untersucht und kam zu dem Ergebnis: Die beiden können nicht mit Excel umgehen. Mit diesem komplizierten Werkzeug hatten sie nämlich ihre Daten analysiert. Dabei sind ihnen wohl einige Fehler unterlaufen. Abgesehen davon, dass sie die Daten von Ländern, die nicht in ihre Aussage passten, gar nicht erst in die Analyse mit aufgenommen hatten.

Unter dem Strich gibt es keine Korrelation zwischen einem hohen Schuldenstand und einem geringen Wachstum. Die schöne 90%-Regel ist zum Teufel. Was aber unsere Politiker nicht daran hindern sollte, dennoch weiter die Krisenländer zum Sparen aufzufordern.

Denn auch ohne diese Aufdeckung der Rechenfehler war Rogoffs und Reinhards Arbeit nicht das Papier wert, auf dem sie veröffentlicht wurde. Was hatten die beiden Ökonomen getan? Sie hatten Wirtschaftsdaten von verschiedenen Ländern genommen und sie analysiert. Das ist erst einmal ein guter Ansatz, vor allem in der Ökonomie, wirft man dieser Wissenschaft doch vor, sie beschäftige sich mehr mit mathematischen Beweisen als mit der Wirklichkeit.

Bei dieser Analyse kam nun heraus, dass eine Verschuldung von 90% mit Phasen geringen Wachstums bzw. einer Rezession verbunden sind. Daraus zu schließen, dass eine hohe Verschuldung eine Rezession versursacht, ist jedoch nicht gerechtfertigt. Im Sommer ist es ja auch so, dass viele Männer mit kurzen Hosen herumlaufen. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass wir einen warmen Tag haben, weil Männer mit kurzen Hosen herumlaufen. Die Kausalkette dürfte eher andersherum lauten.

Ähnlich dürfte es in diesem Fall sein: Die Wirtschaft lahmt nicht, weil die Verschuldung hoch ist, sondern die Verschuldung steigt, weil die Wirtschaft lahmt und der Staat neue Schulden machen muss. Sparen hingegen schafft kein Wachstum. Und genau das beobachten wir auch in den Südländern: Die Länder sparen - und die Wirtschaft schrumpft in einem nie gekannten Tempo, während die Arbeitslosigkeit auf neue Rekordstände steigt. Letztlich wird man ihnen mit mehr Geld helfen müssen, als man ursprünglich wollte. Wo hatten wir das schon einmal gesehen? Stimmt, in Deutschland, unter Brüning. Doch "history will teach us nothing", wie Sting einmal sang. Und so fordern wir weitere Sparkurse. Schließlich unterstützen uns die Ökonomen dabei, die doch so gerne Wissenschaftler sein wollen.

Vielleicht sollten Ökonomen doch besser davon Abstand nehmen, sich in die Realität einzumischen...
J.E.



Samstag, 20. April 2013
Wer hat, dem wird gegeben
Billiger Wohnraum ist knapp in Deutschland - und in Bayern wird er jetzt noch knapper. Die Bayerische Landesbank, die im Zuge der Finanzkrise an den Rand des Konkurs getrieben war und mit zehn Milliarden Euro vom Staat gerettet werden musste, hat Anfang April ihre Beteiligung an der Wohnungsbaugesellschaft GBW an den Wohnungsbauinvestor Patrizia verkauft. Sie hat bei diesem Deal knapp 2,5 Milliarden Euro eingenommen.

Das klingt erst einmal nach einer stolzen Summe. Allerdings wurden dabei 32.000 Wohnungen verkauft, also knapp 76.600 Euro pro Wohnung, oder 1350 Euro pro Quadratmeter. So günstig ist der Quadratmeter in bayerischen Städten sonst nicht zu haben, ganz besonders nicht in München, wo gut ein Drittel der Wohnungen liegen. Für die Patrizia war der Kauf der GBW ein Schnäppchen. Mehr noch: Formal hat die Patrizia ja nicht die Wohnungen gekauft hat, sondern die Anteile der Landesbank an der GBW. Dazu gehören zwar die Wohnungen, da aber formal keine Wohnungen verkauft wurden, sondern nur Firmenanteile, bezahlt die Patrizia bei diesem Deal noch nicht einmal Grunderwerbsteuer, obwohl ihr nun 32.000 Wohnungen gehören. Wenn ein privater Investor schon Staatseigentum bekommt, dann soll es eben auch richtig billig sein.

Aber warum, so fragt man sich, hat die GBW ihre Wohnungen zu diesem Schnäppchenpreis nicht einfach den Mietern angeboten? So billig wären die doch nie an eigenen Wohnraum gekommen, bei heutigen Zinssätzen hätten Zinsen und Tilgung für einen Kredit weniger gekostet als die Miete!

Der Grund ist einfach: Bei diesem Verkauf hätte sich der Vorstand der GBW strafbar gemacht.

Nun ist man völlig verwirrt. Doch in unserem Rechtsstaat, der den Reichen gibt und den Armen nimmt, ist der Verkauf an die Patrizia legal, der Verkauf der Wohnungen an die Mieter zu denselben finanziellen Konditionen wäre jedoch illegal.

Wäre die GBW hingegangen und hätte die Wohnungen zu einem Preis an ihre Mieter verkauft, der deutlich unter dem Marktwert liegt, dann hätte die Firma Vermögenswerte vernichtet. Jeder Firmenvorstand, der dies tut, macht sich strafbar. Der Verkauf der Wohnungen unter Marktwert wäre damit illegal.

Die Patrizia hingegen hat ja nicht die Wohnungen gekauft, sondern die Anteile der Landesbank an die GBW. Unter dem Strich erhält sie so auch Wohnungen, formal hat sie jedoch eine Firma unternommen. Und wie der Wert der Firma bestimmt wird, das bleibt den beteiligten Parteien überlassen. Wenn der Verkäufer deutlich zu wenig fordert, dann hat der Käufer halt Glück gehabt.

Denn wie es heißt es schon in der Bibel: Wer hat, dem wird gegeben.
J.E.