Deutschlands Erfolg: Ausbeutung
Kaum ein Land steht in Europa besser da als Deutschland. Hier brummt die Wirtschaft, die Export eilen von
Rekord zu Rekord und die Arbeitslosigkeit befindet sich auf einem historischen
Tiefstand.
Eigentlich sollten doch alle froh sein, dass Deutschland ein rettender Anker im zerrütteten Europa ist und den schwächelnden Euro mit seiner wirtschaftlichen Stärke am Leben hält. Doch was passiert? Alle sind sauer auf Deutschland, und die Investmentlegende George Soros fordert sogar, dass Deutschland den
Euro aufgeben solle, wenn das Land keinen Euro-Bonds zustimmt.
Doch gerade dies will die Bundesregierung nicht. Wieso sollen wir mit unserer starken Wirtschaft die faulen Südeuropäer unterstützen, die weit über ihre Verhältnisse gelebt haben?
Vielleicht sollten wir das nicht. Vielleicht brauchen wir das nicht. Was stört uns Europa? Aber wäre es nicht schön, wenn wir wenigstens innerhalb Deutschlands für ein bisschen mehr Gerechtigkeit sorgen würden?
In Deutschland stiegen die
Einkommen weniger stark als die Einnahmen aus Vermögen. Inflationsbereinigt verdient ein Arbeitnehmer heute weniger als im Jahr 2000. Diese Entwicklung ist einmalig in Europa. In allen anderen Ländern stiegen die Einkommen der Arbeitnehmer an - und damit auch die
Lohnstückkosten.
Zugleich kennen fast alle EU-Staaten
Mindestlöhne - wobei das reichste EU-Land, Luxemburg, mit 10.83 Euro auch den höchsten Mindestlohn hat. In Deutschland hingegen werden auch schon mal nur drei oder vier Euro in der Stunde gezahlt.
In Deutschland wird der Niedriglohnsektor ausgebaut, immer mehr Leute rutschen in die Armut. Die Schere zwischen reich und arm ist in Deutschland stark auseinander gegangen. Erhöhte man hier die Einkommen der Arbeitnehmer und verringerte den Reichtumszuwachs der Reichen, dann ginge die Schere wieder zusammen, dann hätte man mehr Gerechtigkeit in Deutschland - und Europas Probleme würden sich entschärfen.
Weil in Deutschland der Niedriglohnsektor wächst, wird Deutschland zum
China Europas, wie ein Bericht des ARD-Magazin "Monitor" von diesem Donnerstag gezeigt hat. So haben sich in Frankreich die Anbauflächen für Spargel und Erdbeeren fast halbiert, weil man dort den Arbeitern einen Mindestlohn zahlen muss (etwa 1500 Euro brutto im Monat), während die Flächen in Deutschland um 70% zunahmen, weil man hier die Arbeiter aus Osteuropa mit einem Hungerlohn abspeisen kann. Gussteile werden zur Weiterbearbeitung aus Belgien nach Deutschland gebracht, weil der deutsche Subunternehmer mit Werksverträgen und anderen Möglichkeiten der Lohnkostenreduzierung deutlich billiger sein kann als seine Konkurrenz aus Belgien.
Deutschland boomt, weil es einen Preiskampf auf dem europäischen Arbeitsmarkt entfacht hat. Doch davon haben auch die deutschen Arbeitnehmer nichts, deren Einkommen beständig sinken. Profiteure dieses Booms sind nur die oberen Zehntausend. Und damit es ihnen gut geht, geht Europa vor die Hunde.
Stellen wir uns so Europas Zukunft vor?
K.M.
red horse am 13. April 13
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Da war die Empörung groß
Am Donnerstag traten mehrere Medien, unter anderem die Süddeutsche Zeitung, mit einem Coup an die Öffentlichkeit: Man hatte Beweise, wie mehr als 130.000 Reiche weltweit ihr Geld
am Fiskus vorbei in Steueroasen geparkt hatten. Geahnt hatte man das ja schon immer - doch nun konnte man nachweisen, mit welch komplizierten Firmenkonstrukten die Reichen ihr Geld vor dem Staat verstecken. Die Empörung auf diesen Bericht war entsprechend groß.
Aber wenn man es doch gewusst hat: Wieso dann die große Empörung? Wieso
fordert das Finanzministerium jetzt ein "Steuer-FBI"? Ist man eingeschnappt, weil sich die Reichen haben erwischen lassen? Oder wollte man die Gerüchte, dass die Reichen ihren Reichtum einfach außer Landes haben, einfach nicht wahrhaben?
Rekapitulieren wir doch mal: Die Politik weltweit hatte in den letzten Jahren nur ein Ziel: Die Steuerlast für die Superreichen zu reduzieren. In Deutschland senkte man den Spitzensteuersatz von 53% auf 45% (für Einkommen ab 250.000 Euro). Doch für die ganz Reichen, diejenigen, die gar nicht mehr arbeiten, sondern ihr Geld für sich arbeiten lassen, reduzierte man den Steuersatz der Kapitalertragsteuer sogar auf 25% - auf weniger als die Hälfte.
Hatte man wirklich gehofft, dass die Reichen das Geschenk annehmen und ihr Geld nicht mehr ins Ausland schaffen, sondern nun im Inland zum Discount-Tarif versteuern?
Stattdessen fehlte den Staaten nun das Geld, und sie mussten Schulden machen, sollte der Staat weiterhin seine Aufgaben erfüllen und nicht zu einer Farce verkommen. Und woher kam das Geld, das sich die Staaten liehen?
Woher wohl. Die Staaten hatten es ja gerade erst den Reichen überlassen. Und so hatten die, die ihr Geld zumindest teilweise in Inland versteuert hatten, nun das Geld, um es großzügig dem Staat zu leihen. Gegen entsprechende Zinsen, versteht sich. Und so half der Staat auch noch, dass sich der Reichtum derjenigen, die man mit der Steuerreduzierung schon beschenkt hatte, weiter mehren konnte.
Da ist Empörung sicher angebracht. Doch nicht gegen die skrupellosen Reichen. Die verhalten sich heute so wie schon vor Jahren. Sondern wir sollten uns über die Politiker empören, die es den Reichen noch einfacher machten, ihren Reichtum zu behalten, zu mehren und sich aus der Solidargemeinschaft unseres Staates davonzustehlen.
J.E.
red horse am 05. April 13
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Wir retten die Falschen!
Nun also
Zypern. Wie zuvor schon Irland oder Griechenland, befindet sich nun Zypern am Rande eines Staatsbankrotts und muss von den anderen EU-Ländern gerettet werden. Schließlich will man den Euro retten. Doch wie auch schon bei den anderen Rettungsaktionen vorher geht es weniger um den Euro oder die Menschen der Ländern, sondern alleine darum, die Banken zu retten.
Mit unverantwortlichen Spekulationen und verantwortungslosem Management haben sich auch in Zypern die Banken an den Rand des Konkurses manövriert. Der Staat war mit Bürgschaften eingesprungen, um sie vor dem Bankrott zu bewahren. Gingen die Banken nun Pleite, dann wäre auch der Staat erledigt. Also tut der Staat alles, um die Banken am Leben zu halten. Wenn man seinem Gegenüber ein Messer an die Gurgel halten kann, verhandelt es sich halt leichter.
Doch warum mussten die Banken überhaupt gerettet werden? Kann man sie nicht einfach Pleite gehen lassen?
Die Frage scheint absurd. Schließlich haben wir im Fall der
Lehman-Pleite erlebt, was passiert, wenn eine große Bank Pleite geht: Auf einmel vermutet man bei jeder Bank große Risiken im Portfolio, also verleiht keiner Bank einer anderen mehr Geld. Der Interbankenmarkt trocknet aus, und in der Folge stehen auch der Realwirtschaft keine Kredite mehr zur Verfügung. Die Wirtschaft landet in der Rezession.
Also versucht man alles, um zu verhindern, dass sich Banken misstrauen könnten, und hält sie am Leben, wie groß ihre Verfehlungen auch sein mögen. Zusätzlich springt die Zentralbank ein, und stellt den Banken als "Lender of Last Resort", als "Kreditgeber der letzten Zuflucht" unbegrenzte Liquidität zur Verfügung, damit nur die Realwirtschaft nicht austrockne.
Die Idee einer Zentralbank als "Lender of Last Resort" geht auf den englischen Geschäftsmann
Walter Bagehot zurück, der sie 1873 in seinem Buch "Lombard Street: A Description of the Money Market" veröffentlichte. Allerdings sah
Bagehot vor, dass die Zentralbank im Fall einer Krise die Zinsen anheben solle, damit sich nur diejenigen Geld besorgen, die es wirklich brauchen, und dass die Zentralbank das Geld direkt an die produzierenden Unternehmen ausschütten sollte, damit diese weiterarbeiten können.
Heute reduziert die Zentralbank die Zinsen und schüttet das Geld an die Banken aus - die das billige Geld prompt nutzen, um weiter zu spekulieren und die Risiken ihrer Geschäfte noch weiter zu erhöhen. Anstatt den Opfern des Missmanagements der Banken zu helfen, stellt man den Tätern noch billiges Geld zur Verfügung, damit sie ihr Unwesen weiterhin profitabel betreiben können.
Es lohnt sich eben, wenn man die Regierungen der Welt mit seinem Geld und seinen Leuten unterwandert hat...
J.E.
red horse am 23. März 13
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Der Heilsbringer kommt
War das nicht eine aufregende Woche? Mit Spannung hatte man die Vorstellung erwartet, konnte nicht genug detaillierte Informationen bekommen, hatte schon Tage vorher spekuliert, was einen erwarten würde. Und dann endlich war das Geheimnis gelüftet wurden. Das neue
Samsung Galaxy S4 ist da, und selbst intellektuelle Blätter wie "Die Zeit" beschäftigen sich ausführlich mit diesem Spielzeug.
Einen größeren Hype hätte nur noch das neue iPhone erzeugen können.
Oder die Wahl eines neuen Papstes.
Stimmt ja: Da war noch etwas in dieser Woche. Nachdem Papst Benedikt XVI. wie jeder normale Arbeitnehmer seine Rente angetreten hatte, musste die katholische Kirche ja einen neuen Papst wählen. Getroffen hat es den Argentinier
Jose Bergoglio, der sich den Namen Franziskus gab. Und ebenso wie bei den High-End-Smartphones hatte es in den Tagen vorher große Spekulationen gegeben, wer der neue Papst denn sein könnte - und wofür er stehen würde.
Als Jesuit steht er für Armut, was einen merkwürdigen Gegensatz zum Reichtum der Kirche bildet. Aber zumindest ist er konservativ. Da weiß man, was ihn antreibt. Ebenso wie bei den Smartphones von Apple und Samsung.
Warum nur machen wir so einen Hype um einige Dinge? Keiner wundert sich tagelang, wie der neue Fernseher von Sony aussehen könnte, und keiner verfolgt die Wahl eines neuen Regierungschefs mit einer solchen Hingabe.
Ist es das Geheimnisvolle? Die Rituale, mit denen das Neue langsam angekündigt wird - eine Spekulation hier, ein unscharfes Foto dort, bis endlich weißer Rauch aufsteigt und alle Fragen beantwortet sind?
Zieht uns die Macht an? Die Marktmacht der Giganten Apple und Samsung - und die Macht der katholischen Kirche, die vorgibt, über 1,3 Milliarden Menschen zu herrschen, auch wenn die meisten Katholiken sich wundern, wieso sie diesem Verein, der eine Zufluchtsburg von Pädophilen zu sein scheint, überhaupt noch angehören?
Oder erhoffen wir uns wirklich eine bessere Welt? Eine Welt, in der die Technik für uns arbeitet, eine Welt, in der die christlichen Gebote wirklich gelten?
Wenn wir dabei nur nicht enttäuscht werden.
P.H.
red horse am 15. März 13
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Auch eine Art von Self-Service...
Es war eine Revolution auf dem Lebensmittelmarkt, als nach dem zweiten Weltkrieg das in den USA erfundene System der Selbstbedienung mit Läden wie Aldi auch in Deutschland Einzug hielt. Nun wurden die Kunden nicht mehr bedient, fleißige Hände wogen den Zucker ab oder füllten die Milch in mitgebrachte Behältnisse, sondern die Waren lagen fein säuberlich abgepackt in Regalen, und die Kunden brauchten sie nur noch in den Einkaufswagen zu legen. Der Einkauf wurde zeitlich optimiert, die Geschäfte brauchten weniger Personal - und die Waren wurden billiger.
Wie schaffen wir mit dieser Einleitung die Überleitung zu einer
Volksabstimmung, die an diesem Sonntag in der Schweiz stattfinden wird? Der Ausgangspunkt für diese Abstimmung sind exorbitant hohe Gehälter oder Abfindungen von Managern, wie der Bonus von 71 Millionen Schweizer Franken, die der Chef der Credit Suisse einstrich, oder die Abfindung von 72 Millionen Schweizer Franken, die der ehemalige Chef von Novartis bekam. Dagegen geht die Initiative "gegen die Abzockerei" mit ihrer Volksabstimmung vor. Und nun der Clou: Die Volksabstimmung will erreichen, dass die Gehälter und anderen Vergütungen der Top-Manager in der Hauptversammlung von den Aktionären beschlossen werden! Das muss man sich mal vorstellen: Die Eigentümer wollen doch tatsächlich darüber entscheiden, was ihre Angestellten verdienen sollen!
Kein Wunder, dass sich die Manager darüber aufregen; und so haben wir die Kurve zur Einleitung geschafft: Bisher konnten die Manager ihre Gehälter praktisch selber festlegen. Ein Job im Vorstand bedeutete Selbstbedienung an den Geldtrögen der Konzerne. Nur führte diese Art der Selbstbedienung erstaunlicherweise nicht zu einer Senkung der Kosten...
Natürlich war es nicht so, dass die Vorstände ihr Gehälter wirklich selber festlegen konnten. Sie müssen ihr Gehalt mit dem Aufsichtsrat aushandeln. In dem allerdings auch wieder Top-Manager sitzen, die mit ihrem Aufsichtsrat (wieder Top-Manager) ihre Gehälter aushandeln. Und damit verhandeln die Top-Manager mit sich selber - und sind dabei gar nicht so hart, als wenn sie mit Gewerkschaften verhandeln.
Etwas mehr Gerechtigkeit und etwas weniger Egoismus bei den Gehältern unserer Top-Manager, die ihre Firmen offensichtlich als Selbstbedienungsläden à la Aldi verstehen, schaden der Firma sicherlich nicht. Es hilft aber der Gesellschaft, die unter der aufgehenden Schere zwischen arm und reich zu zerbrechen droht. Hoffen wir also, dass die Schweizer sich richtig entscheiden - und der Rest der Welt seine Lehren daraus zieht.
J.E.
red horse am 02. März 13
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Mein Königreich für ein Pferd
Das waren noch Zeiten, als man bereit war, sein ganzes Königreich für ein Pferd einzutauschen, so wie König Richard III. von England dies im gleichnamigen Drama von William Shakespeare gesagt hat. Heutzutage ist zumindest das Fleisch geschlachteter Pferde so billig, dass man es statt Rindfleisch in Lasagnen oder Bolognesen einsetzt - natürlich, ohne dies auf den Verpackungen der Fertigprodukte zu deklarieren, der Kunde könnte ja sonst verunsichert sein. Und schon hat Europa einen Pferdefleischskandal. Allein in Deutschland wurde bis heute Pferdefleisch in
67 Fertigprodukten nachgewiesen.
Als Konsumenten fühlen wir uns natürlich verarscht. Gut, wir wollen offensichtlich unsere Lebensmittel möglichst billig haben, aber wir wollen auch nicht, dass man uns vorlügt, wir würden eine Ware erhalten, die wir dann gar nicht bekommen. Das kann uns aufregen!
Wirklich?
Seit Jahren schon können wir zahlreiche mit Käse überbackene Lebensmittel kaufen, die eigentlich gar nicht mit Käse überbacken sind. Denn diese käseähnliche Masse auf den Lebensmitteln wurde nicht aus Milch hergestellt, sondern dieser Analogkäse ist eine Pampe aus Pflanzenfetten, Emulgatoren, Aromen und Farbstoffen, die nur wie Käse aussieht - aber deutlich billiger hergestellt werden kann. Das ist schon
seit Jahren bekannt, war damals ein kleiner Aufreger, aber heute stört das niemanden mehr.
Und kennen Sie Surimi? Beim Tengelmann um die Ecke finden sie Surimi-Produkte sogar in der Feinkostabteilung. Doch tatsächlich handelt es sich um kleingeschreddertes
Fischfleisch, das mit Farb- und Geschmacksstoffen bearbeitet wird, bis es wie Krebsfleisch oder Shrimps aussieht. So kann man die Reste zumindest hochpreislich verkaufen, und der Kunde hat den Eindruck, er würde was für sein Geld bekommen - und nicht nur als Mülltonne für ansonsten unverkäufliches Fischfleisch dienen.
Wir wollen's billig, deshalb bekommen wir Müll. Über das Pferdefleisch regen wir uns heute auf, doch schon bald ist das vergessen, und wir essen weiter den Müll, als wäre nichts gewesen, so wie wir auch Analogkäse und Surimi in uns hineinstopfen. Wir scheinen eine lebensmüde Gesellschaft zu sein.
Aber schließlich hat auch Richard III. sein Leben selber ein Ende gesetzt.
K.M.
red horse am 23. Februar 13
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Die neue Inquisition
Früher war die Welt so einfach: Was die katholische Kirche sagte, wurde ohne Widerspruch hingenommen. Immerhin ist der Papst Nachfolger des Apostels Petrus, von dem es im
Matthäus-Evagelium heißt: "Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein."
Stellte sich früher jemand gegen die Ansichten der katholischen Kirche, dann war sein Leben verwirkt. Die Inquisition rückte aus, und mit der päpstlich abgesegneten Folter hatte sie keine Probleme, alle gewünschten Geständnisse zu erreichen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute ist die Kirche nur noch ein Schatten ihrer selbst, die Gesellschaft wurde demokratisch, und den Menschen wurden die Menschenrechte zugesichert. Die Kirche besitzt nicht mehr die absolute Macht, die sie noch im Mittelalter innehatte, wo sie sogar Könige zum Kreuzgang nach Canossa zwingen konnte.
Doch die Situation scheint sich noch verschlimmert zu haben. Vom Täter scheint die Kirche zum Opfer mutiert zu sein. Immerhin
beklagt Erzbischof Müller eine "Pogromstimmung" gegen die katholische Kirche, und Kardinal Meisner will gar eine "Katholikenphobie" entdeckt haben. Und warum? Nur weil die Kirche sich nicht an Gesetze hält und einer vergewaltigten Frau in
zwei katholischen Krankenhäusern die Behandlung verweigert wurde, weil man ihr nicht die "Pille danach" verschreiben wollte? Nur weil die Kirche ihre Einrichtungen großzügig
vom Staat finanzieren lässt - um dann dort Lohndumping und religiöse Diskriminierung zu betreiben, die mit den Gesetzen einer demokratischen Gesellschaft nicht zu vereinen sind?
Ein totalitäres System, das weder demokratisch noch moralisch ist, fühlt sich verfolgt, weil ihre Praktiken kritisch hinterfragt werden - und immer größere Teile der Bevölkerung nicht bereit sind, dies länger zu akzeptieren. Man könnte nun Mitleid mit einer Kirche haben, die es gewohnt war, ihre Ansichten und ihren Machtanspruch über Jahrhunderte brutal und skrupellos durchzusetzen. Doch ein bisschen Demut täte der Kirche nicht schlecht. Und das Eingeständnis, dass die eigenen Ansichten vielleicht doch nicht so menschlich und moralisch sind, wie sie von sich selber gerne behauptet.
Doch wie kann man Fehler eingestehen - wie kann man sie gar machen - wenn man glaubt, das eigene Handeln sei von Gott inspiriert?
P.H.
red horse am 09. Februar 13
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Wasser marsch!
Die EU ist mal wieder tätig geworden. Diesmal hat der
EU-Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz eine Richtlinie verabschiedet, bei der sich die Verbraucher in Europa nicht wirklich geschützt fühlen. Diese Richtlinie legt fest, wie bei der Privatisierung der Wasserversorgung zu verfahren ist. Zwar wird keine Kommune gezwungen, ihre Wasserversorgung zu privatisieren - das gilt allerdings nur, wenn die kommunalen Betriebe auch mehr als 80% des Umsatzes mit Wasser machen. In München beispielsweise bieten die Stadtwerke aber auch Strom und Gas an und wären deshalb doch gezwungen, die Wasserversorgung europaweit auszuschreiben und zu privatisieren. Man kann dieser Vorgabe nur mit dem Trick entkommen, dass ein eigener Betrieb gegründet wird, der sich nur um die Wasserversorgung kümmert. Der läge dann mit Sicherheit über der 80%-Grenze der EU.
Aber wäre eine privatisierte Wasserversorgung nicht besser? Immerhin kümmern sich dann nicht mehr irgendwelche sesselfurzenden Beamten um das Wasser, sondern unternehmerisch denkende Betriebe. Die Qualität der Wasserversorgung sollte steigen, die Preise sollten sinken.
In
Portugal hat man dies schon in einigen Kommunen getestet, hier sollen mit den Erlösen aus der Privatisierung die Schulden bezahlt werden - und die Preise für das Wasser stiegen deutlich an. Der Markt ist also doch ineffektiver als der Staat?
Das muss nicht sein. Das Problem ist nur, dass die Privatisierung von Staatsbetrieben noch lange keinen Markt schafft. In einem Markt sind alle Marktteilnehmer Preisnehmer, niemand hat die Macht, den anderen den Preis vorzuschreiben. Gibt es in einer Branche ein Monopol, dann existiert kein Markt. Die Wasserversorgung ist jedoch ein Monopol. Nur weil man es privatisiert, schafft man noch lange keinen Markt. Man legt nur die Monopolmacht in private Hände - die dann versuchen, den maximalen Gewinn daraus zu pressen. So wird die Infrastruktur vernachlässigt und die Preise steigen, um die Renditen für die Investoren zu erhöhen. Der Staat hat sich noch mit einer schwarzen Null zufriedengegeben, schließlich sind die Wasserkonsumenten auch Wähler, die darf man nicht verschrecken. Ein Unternehmen braucht diese Rücksicht nicht mehr zu nehmen, und kann seine Monopolstellung gnadenlos ausnutzen.
Der fast schon zwanghafte Trieb einiger neoliberaler Politiker, alles privatisieren zu wollen, kann für den Verbraucher nur Vorteile bringen, wenn dabei ein Markt entsteht. Entsteht jedoch nur ein privates Monopol, dann leidet der Verbraucher auf jeden Fall. Und dann sollte der Staat zum Schutze seiner Bürger derartige Privatisierung nicht erlauben, sondern im Gegenteil verbieten.
J.E.
red horse am 02. Februar 13
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Passt es?
Wie heißt es doch in einem Sprichwort: Was nicht passt, wird passend gemacht. Man könnte manchmal meinen, dass sich dieses Sprichwort auf die Europäische Union bezieht. Aber hier geht es nicht um die "Eurokrise", sondern um das Verhältnis vom Kontinent zum Vereinigten Königreich. Unvergessen die
Schlagzeile der Times vom 22.10.1957: "Dichter Nebel im Ärmelkanal - Kontinent abgeschnitten." Großbritannien und der Kontinent gehören nur formal zum selben Erdteil. Und letztlich ist die Insel der Dreh- und Angelpunkt.
So meldete sich auch der britische Premierminister
James Cameron in dieser Woche zu Wort. Er wünscht sich weniger eine Europäische Union als ein "Netzwerk" von Staaten und will seine Landsleute über den Verbleibt Großbritanniens in der EU abstimmen lassen.
Man kann diese Rede als ein wahltaktisches Manöver verstehen. Gerade in Camerons konservativer Partei wird immer wieder gefordert, die EU doch zu verlassen. Mit der Aussicht, in einigen Jahren ein Referendum über den Verbleib der Insel in der EU zu haben, sind diese Kritiker erst einmal beruhigt, und Cameron erhöhte seine Chancen auf eine Wiederwahl.
Doch Cameron's Rede liegt ein tiefer Riss zugrunde, der zwischen dem Königreich und Kontinentaleuropa geht. Der Riss geht um das Verständnis von Freiheit.
Für die angelsächsischen Länder bedeutet Freiheit vor allem persönliche Unabhängigkeit. Der Staat soll sich gefälligst nicht in das Leben seiner Bürger einmischen, jeder soll das machen können, was er will. Niemand soll auf seinem Weg behindert werden, ganz besonders nicht auf seinem Weg zu unvorstellbarem Reichtum.
An diesem Punkt haken die Kontinentaleuropäer ein und merken an, dass es doch nicht gerecht sein kann, wenn einige wenige viel und viele nichts haben. Die Vorstellung von Freiheit des Kontinents ist geprägt von der französischen Revolution: Liberté, égalité, fraternité. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit stehen gleichberechtigt nebeneinander, Freiheit auf dem Kontinent bedeutet vor allem politische Gleichheit. Die Freiheit des Einzelnen steht nicht über dem Wohl der Gemeinschaft.
Die Angelsachsen betonen das Individuum, die Kontinentaleuropäer die Gemeinschaft. Das passt nicht zusammen. Dennoch soll es passend gemacht werden?
Vielleicht wäre es für Europa wirklich besser, wenn Großbritannien austräte.
K.M.
red horse am 26. Januar 13
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Die Partei der Reichen
Morgen wird in Niedersachsen der
Landtag neu gewählt, und die Wahl wird zur Schicksalswahl zweier Politiker: Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler muss um seinen Posten bangen, wenn die FDP zu schlecht abschneidet und gar nicht in den Landtag kommt. Und Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD, wird starken Gegenwind spüren, sollte die SPD nicht den Regierungswechsel in Niedersachsen herbeiführen können.
FDP- und SPD-Granden plagt die Angst vor der Zukunft. FDP und SPD selig vereint - wer hätte das gedacht, scheine FDP und SPD doch sozial- und wirtschaftspolitische Extreme zu vertreten? Auf der einen Seite die FDP, die Partei der Ärzte, Apotheker, Hoteliers und all der Reichen, die gar nicht wissen, wohin mit ihrem Geld, auf der anderen Seite die SPD, die Partei der Arbeiterbewegung, die sich um den kleinen Mann kümmert, der jeden Tag ums Überleben kämpfen muss.
Doch auch die FDP war mal mehr als die Partei neoliberaler Wirtschaftspolitik. Sie war eine Partei, die für mehr Freiheit in unserer Gesellschaft eingetreten ist, die Willy Brandt und seinen legendären
Aufruf "Mehr Demokratie wagen" voll und ganz unterstützt hat. Doch nun wagt die FDP nur noch weniger Steuern für Reiche und den
Schutz von Steuerbetrügern. Doch wer nur Politik für die oberen Zehntausend betreibt, muss sich nicht wundern, dass die Wählergruppe entsprechend schrumpft - und die Fünf-Prozent-Hürde bald so unüberwindlich erscheint wie der Himalaya.
Ganz anders die SPD: Ihr Wählerpotential könnte ihr leicht die absolute Mehrheit verschaffen. Und dennoch hechelt sie von einem Umfragetief zum nächsten. Verkehrte Welt?
Was hat uns die letzte SPD-Regierung auf Bundesebene denn gegeben? Eine Reduzierung des Spitzensteuersatzes um 11 Prozentpunkte - so stark wie noch nie in der Geschichte Deutschlands; die Etablierung des Niedriglohnsektors; die Streichung der Arbeitslosenhilfe; die Zulassung von Hedgefonds und die steuerliche Bevorteilung von Private Equity. Man reibe sich noch einmal kurz die Augen und bestätige dann: Die SPD unter Schröder hat eine Politik betrieben, bei der die FDP vor Neid erblassen musste.
Und nun bangen FDP und SPD gemeinsam um die Macht. Aber so ist das eben in einer Demokratie: Wer eine Politik für Minderheiten betreibt und das Volk verarscht, den wählt man nicht. Recht geschieht ihnen.
K.M.
red horse am 19. Januar 13
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