Mittwoch, 13. November 2019
Wissenschaftsnutten
Wissenschaftsnutten? Was soll das sein? Nun, dabei handelt es sich um einige Wissenschaftler, die einen Doktor- oder sogar Professorentitel erhalten haben, diesen jedoch nicht dafür einsetzen, um wissenschaftlich zu arbeiten, sondern um mit Hilfe dieser „Adelung“ Propaganda für die Industrie zu machen.

Nehmen wir ein Beispiel: Die Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM), eine neoliberale Lobby-Plattform, die von einer Werbeagentur im Auftrag von Arbeitgeberverbänden betrieben wird, wettert gegen alles, was irgendwie sozial sein könnte. Neue soziale Marktwirtschaft bedeutet in ihrer Lesart vor allen, dass sie asozial sein sollte und nur gut für die Reichen.

Im Moment wettert die INSM gegen die Grundrente. Diese sei einfach nur ungerecht. Und sie bekommt Unterstützung von einem bekannten Rentenexperten: Professor Bernd Raffelhüschen. Man kennt ihn schon von der großen Rentendiskussion zum Beginn des 21. Jahrhunderts, als rot-grün dann das Rentenniveau senkte und die Riester-Rente einführte. Die Idee war, dass man an ansteigenden der Rentenzahlung in einigen Jahren um bis zu vier Prozent verhindern wollte – indem die Leute heute schon vier Prozent ihres Einkommens zur Seite legen sollten.

Dass dies sinnvoll ist, hat er Raffelhüschen immer wieder bestätigt. Es hat vor allem zwei Vorteile: Die vier Prozent der Riester-Rente werden vom Arbeitnehmer alleine gezahlt und müssen nicht zur Hälfte vom Arbeitgeber übernommen werden wie bei er gesetzlichen Rente. Und die Riester-Rente ist privatwirtschaftlich organisiert, was „Experten“ wie Herrn Raffelhüschen sehr wichtig war. Denn nur so kann die Versicherungswirtschaft riesige Gewinne damit einfahren. Natürlich wurden diese beiden enormen Vorteile für die Unternehmen nicht thematisiert. Man sprach lieber von „demographischer Gerechtigkeit“ als Grund für die teilweise Umstellung des Rentensystems.

Mit ihren seriösen Titeln als Professor können Wissenschaftsnutten, die sich in den Dienst der Reichen stellen und Propaganda für sie betreiben, somit einen größeren Schaden anrichten als manch ein Terrorist.
J.E.



Samstag, 2. November 2019
Nicht abstumpfen!
Die Älteren unter uns werden sich noch an eine Zeit erinnern können, als es in Deutschland noch kein Privatfernsehen gab. Damals gab es drei öffentlich-rechtliche Sender, deren Programm mittags erst anfing – und in der Nacht endete. Zwischendurch gab es ein Testbild mit einem pfeifenden Geräusch. Man musste tatsächlich mehrere Stunden des Tages überbrücken, ohne Fernsehen schauen zu können.

Aber nicht deshalb waren wir unzufrieden mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Wir waren unzufrieden, weil wir einige Unterhaltungssendungen als zu seicht empfanden, weil wir es für eine Unverschämtheit hielten, dass die Sender alle paar Jahre beliebte Serien wiederholten. Das Programm, so schien uns, bestand fast nur aus Wiederholungen!

Und dann kam das Privatfernsehen. Mit dem Privatfernsehen kamen Reality-Shows, die das schon niedrige Niveau mancher Unterhaltungssendung spielend unterboten; es kam die Dauerrotation von Serien, die ohne unterlassen über Jahre gezeigt werden. Hat man die letzte Folge der letzten Staffel gesendet, dann fängt man eben wieder von vorne an. Nun sind wir abgestumpft, und beschweren und nicht mehr über das Niveau und die ewigen Wiederholungen.

In der Politik kann man gerade etwas ähnliches beobachten. Wie haben wir uns über Politiker beschwert. Sie würde ja ohnehin nicht die Wahrheit sagen, weil sie hin und wieder Wahlversprechen nicht gehalten haben. Sie seien nicht vertrauenswürdig, sie würden nur auf die hören, die das große Geld haben. Wir wollten sie loswerden.

Nun sind wir in einigen Ländern die klassischen Politiker losgeworden. Wir haben sie durch Populisten vom Schlage eines Orban, Erdogan oder Trump ersetzt. Nun regt man sich nicht mehr über gelegentliche Lügen auf, weil diese Politiker permanent lügen. Man weiß, dass sie nicht vertrauenswürdig sind und nur mit dem Großkapital zusammenarbeiten. Das Volk ist ein Lieblingsthema ihrer Reden, doch in ihrer Politik bekommt es nur eine Statistenrolle als Zuschauer, die ihnen zujubeln sollen. Kritik ist nicht mehr erwünscht und wird mit allen Mitteln bekämpft.

Diese Politiker töten die Demokratie. Wollten wir sie wirklich? Oder ist es wie beim Brexit: Man wollte etwas ändern, weil es nicht gefiel, doch niemand erklärte die Alternative. Und die ist schlimmer als das Original.

Doch diesmal dürfen wir nicht abstumpfen!
P.H.



Donnerstag, 17. Oktober 2019
Hass auf Menschen
Am 9. Oktober 2019 war es wieder so weit: Ein Mensch, Stephan B., wollte auf Juden schießen, einfach nur deshalb, weil es Juden waren. Doch das Attentat ging schief. Er konnte die Tür zur Synagoge nicht öffnen. Also schoss er zwei unschuldige Passanten nieder und verletzte dann noch ein paar weitere. Keiner von ihnen war Jude.

Der Mörder mag sich eingeredet haben, dass es ihm darum ging, Juden zu ermorden. Schließlich drängt der rechte Abschaum immer mehr aus seinen Löchern und macht sich erst im Internet und nun auf unseren Straßen breit. Und zur Ideologie der Rechtsradikalen gehört der Hass auf alle Fremde und insbesondere die Juden. Sie wollen ein „reines Volk“ haben, schließlich glauben sie, das Volk zu vertreten.

Doch Stephan B. zeigte, worum es den Rechtsradikalen wirklich geht: Sie trennen nicht zwischen Freund und Feind, wobei der Feind eine andere Hautfarbe, Religion oder was auch immer hat. Sie trennen zwischen sich und den anderen. Sie werden von einem unglaublichen Hass auf Menschen angetrieben. Vordergründig richtet der sich gegen Juden, Moslems oder „Volksverräter“, doch tatsächlich gilt ihr Hass jedem Menschen. Nur Menschen, die ebenso wie sie hassen, werden für einen Moment als gleichwertig und „Freunde“ betrachtet. Alle anderen sind Feinde.

So zögerte Stephan B. keinen Moment, unschuldige Passanten zu ermorden, als sein tatsächliches Ziel nicht zu erreichen war. Es ging ihm darum, Menschen zu töten, denn das ist letztlich das Ziel der Rechtsradikalen. Alle Menschen sind für sie Feinde.

An den Juden zeigt sich dieser Menschenhass zuerst. Doch wenn Juden in einem Land nicht mehr unbesorgt leben können, dann dauert es nicht mehr lange, bis alle Menschen zu Opfern werden.
J.E.



Sonntag, 22. September 2019
Homo sapiens?
Wir bezeichnen uns selbst ganz unbescheiden als homo sapiens, als weiser Mensch; denn schließlich haben wir Kultur und Technik entwickelt, wir haben das Bild der Welt verändert wie keine Spezies vor ihr. Bisher bezeichnete man Erdzeitalter nach geologischen Phänomenen, weil nur diese die Kraft hatten, das Bild der Erde zu verändern, nun denkt man darüber nah, das aktuelle Erdzeitalter nach dem Menschen als Anthropozän zu bezeichnen.

Dies haben wir nur dank unserer überragenden Intelligenz geschafft. Wir sind das weiseste der weisen Lebewesen, weshalb man den modernen Menschen auch schon mal als homo sapiens sapiens bezeichnet.

Doch sind wir wirklich so weise? Wir wissen, dass die Nutzung fossiler Rohstoffe zur Klimakatastrophe führt, weltweit protestieren Tausende dafür, etwas gegen die Klimakatastrophe zu unternehmen – und die meisten folgen diesem Aufruf, indem sie den einfachen PKW durch ein SUV ersetzen. Wir wissen, dass Rauchen schädlich ist, dass auch Passivrauchen gesundheitsschädlich ist – dennoch denkt der Bundesrat gerade über eine Gesetzesinitiative nach, die es Menschen verbietet im Auto zu rauchen, wenn auch Kinder anwesend sind, weil die Raucher selber nicht zu dieser Erkenntnis kommen.

Wir wissen, dass übermäßiger Fleischkonsum gesundheitsschädlich ist, zu tierquälenden Massentierhaltungen führt und der Umwelt schadet – dennoch verfluchen wir die, die uns vorschlagen, doch einen Tag in der Woche ohne Fleisch auszukommen

Viele Probleme, mit denen wir heute zu kämpfen haben, haben wir selber geschaffen, frei nach dem Motto: Fortschritt ist nur das Ersetzen eines Problems durch ein anderes Problem.

Zeigt sich der Mensch hier wirklich als weise?
P.H.



Freitag, 6. September 2019
Wissen statt Glauben
In Zeiten, in denen ein Trump in den USA, ein Johnson in Großbritannien und AfDler in Deutschland Lügen über Lügen verbreiten und die, die die Lügen aufdecken, als Lügner und „Fake News“ beschimpfen, in solchen Zeiten, so möchte man glauben, kann einen nicht mehr überraschen. Aber es geht immer noch schlimmer.

Im US-Staat Tennessee hat eine Schule nun die „Harry Potter“-Romane verboten . Grund: Die Flüche und Zaubersprüche in den Büchern könnten böse Geister heraufbeschwören. Wie war man zu dieser Erkenntnis gelangt? Nun, man hatte Teufelsaustreiber gefragt, und die hätten dies bestätigt…

Manchmal hat man den Eindruck, die Wahrheit liege im Auge des Betrachters; und die Betrachter sind Blinde, die sich über Farben unterhalten. So glaubt Trump, er sein ein großartiger Politiker und Johnson behauptet, die Gespräche mit der EU über den Brexit laufen gut, obwohl gar keine stattfinden. Die Wahrheit wird in den Zeiten solcher Populisten zur Beliebigkeit.

Doch wenn Lügen genauso gut sind wie Wahrheiten, dann ist alles erlaubt. Verbrechen werden zu Wohltaten, Grausamkeiten zu Notwendigkeiten. Es muss Maßstäbe geben, wie man Wahrheit und Lüge unterscheiden kann. Und ein Kriterium ist die Nachprüfbarkeit: Lügen sind Behauptungen, die der Realität widersprechen, wahre Aussagen stimmen mit ihr überein.

Die Sprüche in den „Harry Potter“-Romanen beschwören böse Geister? Wo sind die Belege? Der einzige Beleg sind Behauptungen von Teufelsaustreibern – die einer Profession nachgehen, für deren Sinnhaftigkeit es auch keinen Beleg gibt. Blinde unterhalten sich über Farben.

Der Glaube akzeptiert, was mit seiner Weltanschauung übereinstimmt, das Wissen sucht die Wahrheit. Wollen wir nicht alle Zivilisation aufgeben, dann müssen wir wissen, wir dürfen nicht nur glauben. Glauben können schon Kinder, die noch nichts von der Welt verstehen.

Und ein bisschen weiser als ein Kleinkind sollten Erwachsene doch schon sein…
K.M.



Freitag, 23. August 2019
Der Staat bin ich
Dieser Ausspruch des französischen Königs Ludwig XIV. ist legendär: L’état, c’est moi, der Staat bin ich. Er konnte dies auch mit voller Überzeugung sagen, als absolutistischer Herrscher bestimmte er alles: Die Finanzen, die Politik, die Justiz – was er wollte, war Gesetz – und er selber stand über dem Gesetz.

Dies galt für alle absolutistischen Herrscher. Charles I. von England wurde von Adeligen verklagt, weil er gegen das Gesetz verstoßen habe – der Richter wies die Klage ab, da sie unsinnig sei – schließlich sei der König das Gesetz, und könne deshalb nicht dagegen verstoßen.

Heutige Demokratie erlauben nicht mehr, dass Menschen sich außerhalb des Gesetzes platzieren – zumindest nicht auf Dauer. Doch die neuen Populisten wollen das nicht akzeptieren. Sie wollen das Recht so handhaben, wie es ihnen passt. Allgemeingültige Regeln interessieren sie nicht. Sie verstehen sich als neue, absolutistische Herrscher.

Der italienische Innenminister Salvini von der Lega entscheidet eigenmächtig, wer ins Land darf – und wann man auch schon mal Hilfe unterlassen kann. Der britische Premier Johnson scheint zu planen, dass Parlament zu umgehen, um den Brexit endlich durchzuziehen. Die polnische PiS-Partei macht sich die Richter und die Medien gefügig, wie auch Erdogan in der Türkei oder Orban in Ungarn. Und der amerikanische Präsident Trump – der übt Druck auf die Zentralbank aus, damit sie eine Geldpolitik nach seinem Sinn macht, lässt Kinder an der Grenze von ihren Eltern trennen oder behindert die Justiz.

Was bei den Fans dieser Populisten als starke Politik ankommt, ist eine eklatante Missachtung demokratischer Spielregeln – und der klare Hinweis, dass der nächste Schritt die Diktatur sein wird. Doch in einer Diktatur gewinnen nur wenige – die meisten verlieren.
J.E.



Samstag, 27. Juli 2019
Verabreicht die Medizin, bis der Patient stirbt
Seit dem großen Crash 2008 gab es keine größere Rezession mehr. Die Wirtschaft wächst weltweit, in dem einen Land etwas stärker, in dem anderen etwas schwächer. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hatten die Notenbanken weltweit die Zinsen gesenkt. In den USA und Europa sogar bis auf null Prozent. Dieser Stimulus sollte so lange weitergehen, wie die Inflation auf niedrigem Niveau war.

In den USA hatte man vor einigen Quartalen wieder angefangen, die Zinsen anzuheben. Dort liegt man nun bei knapp 2,5 Prozent. In Europa hat man sich das noch nicht getraut. Der große Boom blieb vor allem in den Südländern aus, also ließ man die Zinsen bei Null – und für die Einlagen der Banken bei der Zentralbank verlangt man sogar einen Strafzins von 0,4 Prozent. Man konnte es sich leisten. Die Inflation blieb niedrig.

Doch nun schwächelt die Wirtschaft wieder – und die Zentralbanken wollen die Wirtschaft ankurbeln, in dem sie die Zinsen senken. Auch die Europäische Zentralbank will die Zinsen senken – selbst, wenn diese immer noch bei null Prozent sind. Man wird wohl die Strafzinsen weiter erhöhen und so jeden bestrafen, der Geld spart.

Die Idee ist immer noch dieselbe: Mit billigem Geld kurbelt man die Wirtschaft an. Dass dann die Inflation steigt, muss man für eine gewisse Zeit in Kauf nehmen.

Frustrierend ist nur: Selbst Zinsen von Null Prozent haben nicht zu einem Wirtschaftsboom geführt, und die Inflation bleibt niedrig. Könnte es sein, dass das Rezept nicht funktioniert? Könnte es sein – man wagt es kaum auszusprechen – dass die Ökonomen sich irren und billiges Geld nicht zu einem Wirtschaftswachstum führt?

Nein, das kann nicht sein. Ökonomen können sich nicht irren. Wenn die Maßnahmen keine Effekte zeigen, dass kann das nur heißen, dass die Maßnahmen nicht weit genug gingen. So dachten auch die Ärzte des Mittelalters: Wenn trotz Aderlass der Patient nicht gesund wurde, dann ließ man eben noch mehr Blut ab.

Der Patient starb zwar, aber zumindest hatte man alles getan, was man konnte.
P.H.



Freitag, 12. Juli 2019
Rettet mich bloß nicht
Es ist ein Trauerspiel, was sich im Mittelmeer ereignet. Tausende sind auf der Flucht und versuchen über das Mittelmeer Europa zu erreichen. Tausende sterben bei diesem Versuch. 2018 waren es über 2000 Menschen , die dabei ums Leben kamen. Soll man sie verrecken lassen? Wenn es nach einigen „Menschenfreunden“ geht, offensichtlich schon.

Als die Sea Watch unter ihrer Kapitänin Carola Rackete Menschen aus Seenot gerettet hatte und in Italien anlegen wollte, wurde ihr das von Innenminister Matteo Salvini verwehrt. Zwar ist jedes Land verpflichtet, aus Seenot gerettet aufzunehmen, aber Salvini versteht sich als Vertreter des Volkes – mit Menschlichkeit hat er nichts am Hut.

Rackete legte trotzdem an – und Salvini beschimpfte sie über die „sozialen“ Medien als „Kriminelle“ und als „Gesetzlose“. Seine Follower fühlten sich dann ermutigt, weitere Beschimpfungen hinzuzufügen wie „verdorbene Nutte“ oder die Forderung: „Betoniert sie ein.“ Angestachelt von Salvini brach eine Hetzkampagne gegen Rackete los. Ihr Verbrechen? Sie hatte Menschenleben gerettet.

Was für eine Moral leben diese Menschen eigentlich? Die Goldene Regel verlangt: „Was Du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Das eigene Verhalten soll so sein, als ob es ein allgemeines Gesetz wäre, wie Kant dies in seinem kategorischen Imperativ formulierte.

Was also wollen diese Menschen, was will Salvini? Wenn er in Seenot gerät – möchte er dann auf keinen Fall gerettet werden? Möchte er lieber ersaufen und elendig verreckten? Wohl kaum.

Aber Salvini macht eben einen feinen Unterschied zwischen Herrenrasse und Untermenschen. Dass dies nicht nur die Hölle für die Untermenschen bedeutet, hat Herr Salvini wohl nicht verstanden. Wer sich dem Hass ergibt, hört eben auf zu denken und verliert jede Menschlichkeit.
J.E.



Freitag, 21. Juni 2019
Hass auf die EU
Die EU, so sagen uns vor allem rechte politische Kräfte immer wieder, ist unser großer Feind. Alles böse unter der Sonne komme von der EU – sei es eine Steuerpolitik, die die Reichen bevorzugt, eine Sozialpolitik, die die Armen benachteiligt, oder andere Entscheidungen, die gegen das Volk sind. Die EU, so das Credo der Rechten, muss weg.

Und diese Woche bekamen sie wieder Wasser auf die Mühlen. Da hat doch der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Ausländermaut – also die PKW-Maut, die nur die Ausländer belastet – gegen EU-Recht verstößt, weil dieses vorschreibt, dass EU-Bürger nicht diskriminiert werden dürfen. Dabei hatte sich die CSU für ihr Lieblings-Ausländer-Hass-Projekt doch solche Mühe gegeben. Sie hat die Ausländermaut in Infrastrukturabgabe umbenannt, damit der wahre Zweck nicht so offensichtlich war, und sie hat ein kompliziertes System von Tarifen aufgestellt, die letztlich jedoch nur verbergen sollten, dass die Deutschen de facto keine Maut zahlen, die Ausländer schon.

Und mit seiner Entscheidung, die von der CSU als „unverständlich“ kommentiert wurde, schadet der EuGH nun den Deutschen. Doch: Wenn man genauer darüber nachdenkt, dann hat wohl eher die CSU Deutschland geschadet, indem sie so unverfroren eine Maut zu lasten der Ausländer einführen wollte – die eigentlich unsere Freunde und Partner sein sollten. Den Krieg gegen unsere Freunde hat die CSU begonnen. Der EuGH hat sie nur gestoppt.

Und so stoppt Europa viele unsinnige Entscheidungen nationaler Politiker, auch in Deutschland. Die Gülle-Verordnung, die nicht verhindert, dass unser Grundwasser vergiftet wird, ist nur ein weiteres Beispiel. Die EU, so könnte man meinen, schützt uns vor selbstsüchtigen Politikern im eigenen Land.

Und was ist mit der unsozialen Politik? Nun, die wird gar nicht von der EU verantwortet, sondern von nationalen Politikern. Vielleicht sollte die EU auch hier mehr Mitspracherecht habe, um zu verhindern, dass rechte Politiker weiterhin eine unsoziale Politik betreiben.

Dann würde der Hass der Rechten auf die EU, die ihnen verbietet, eine gemeingefährliche Politik zu betreiben, allerdings weiter steigen.
P.H.



Samstag, 8. Juni 2019
Warum wir ARD und ZDF brauchen
Es gibt ja einige, die die Abschaffung oder Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sender fordern. Niemand soll verpflichtet sein eine „Zwangsabgabe“ zahlen, nur um unabhängigen Journalismus zu ermöglichen. Und so unabhängig sei der ja gar nicht, auch wenn viele Beiträge die Regierung kritisieren. Journalistische Beiträge können aber auch genauso gut von privaten Medienunternehmen bereitgestellt werden.

Schauen wir uns doch mal an, was private Medienunternehme unter Journalismus verstehen. Der Sender n-tv hat eine Serie mit dem Titel „Mega Brands“, in der Dokumentationen über großen Marke gesendet werden. Am 04. Juni 2019 gab es zum Beispiel eine Folge über die Münchener Firma Osram. Die journalistische Arbeit hielt sich jedoch in Grenzen: Die Sendung bestand zu 90 Prozent aus Werbeclips, die Osram vorher schon in sozialen Medien veröffentlicht hatte. Dazwischen gab es einige Anmerkungen von drei Top-Managern der Firma, darunter auch dem aktuellen CEO, Dr. Olaf Berlien, der sich allen immer mit „Ich heiße Ber-lien und komme aus Berlin“ vorstellt. Die Recherche der Macher war jedoch so oberflächlich, dass der Sprecher seinen Namen permanent als „Ber-li-en“ aussprach.

Kurz: Die Sendung war eine reine Werbesendung für Osram, kritische Bemerkungen über die Firma, die gerade eine schwere Transformation durchmacht, waren nicht zu hören. Dafür hätten die Macher aber wahrscheinlich auch recherchieren müssen, was mit dem knappen Budget wohl nicht möglich war. Lieber ließ man sich von Osram mit Werbeclips beliefern und ordnete diese hübsch an.

Für beide Seiten war es eine Win-Win-Situation: Osram bekam 45 Minuten kostenlose Werbung, n-tv durfte für 45 Minuten so tun, als wären sie journalistisch aktiv – und konnte das Programm füllen. Auf der Strecke blieb der Zuschauer, für den diese Werbesendung nicht als Werbung zu erkennen war, da sie als „Dokumentation“ angepriesen wurde.

Aber wo werden Dokumentationen in Zukunft aussehen, wenn der Journalismus allein ökonomischen Werten unterworfen ist.
J.E.