Sonntag, 13. August 2017
Ablenkung
Alle Jahre wieder kommt es vor, dass ein amerikanischer Präsident in seinem Land politische Hindernisse vorfindet. Dies können wirtschaftliche Probleme sein oder auch eine Sexaffäre. Wie geht ein amerikanischer Präsident am besten mit innenpolitischen Schwächen um? Nun, er lenkt von ihnen ab. Bill Clinton feuerte bei der Lewinsky-Affäre auf den Sudan und Afghanistan, Bush überfiel den Irak, weil er innenpolitisch unter Druck geriet.

Aber niemand hatte einen derartigen Druck zu ertragen wie Donald Trump. „The Donald“, wie er sich manchmal selber bezeichnet, soll mit den Russen konspiriert haben, um die Wahl um amerikanischen Präsidenten zu gewinnen. Ausgerechnet mit den Russen, dem Erzfeind der Amerikaner!

Und die Einschläge kommen immer näher. Der Sonderermittler Mueller hat eine Grand Jury eingesetzt, die nun das Verfahren führt. Die Räume von Trumps Wahlkampfmanager Manafort wurden vom FBI durchsucht. Sein Sohn hatte sich mit einer russischen Anwältin getroffen, um negatives über Hillary Clinton zu erfahren. Immer mehr Menschen aus Trumps Umfeld hatten zweifelhafte Kontakte zu den Russen. Ist Trump ein Präsident von Putins Gnaden?

Die Fragen werden lauter und drängender, und Trump macht das, was viele Präsidenten vor ihm taten: Er lenkt ab. Noch ist es kein Krieg, aber er bereitet ihn vor. Erst wird Nord-Korea bedroht, nun auch Venezuela . Noch kam es zu keinen kriegerischen Handlungen, aber die Szene wurde vorbereitet. Wenn Trump weiter unter Druck bleibt, wird er einen Krieg anzetteln.

Denn Menschen sind für richtige Manager eben nur Zahlen in einem Business Case.
K.M.



Freitag, 14. Juli 2017
Arrogant und heuchlerisch – ist das die deutsche Leitkultur?
Einige Meldungen der letzten Tage, für die maßgeblich Unionspolitiker verantwortlich sind, zeichnen ein nicht gerade freundliches Bild dieser Partei, die sich christlich und manchmal sogar sozial gibt. All dies begann vor einigen Tagen, als der CDU-Generalsekretär Peter Tauber einen Tweet beantwortete. Die CDU hatte gerade ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl vorgestellt, in dem sie Vollbeschäftigung für 2025 verspricht, da fragte jemand, ob das für ihn bedeutete, er habe dann drei Minijobs. Tauber antwortete darauf: „Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.“

Einmal abgesehen, dass Tauber Minijobber für Menschen zweiter Klasse hält (weshalb seine christliche Partei diese auf wie den letzten Dreck behandelt), er hat auch noch nicht verstanden, was die jahrelange, asoziale Politik der CDU im Land angerichtet hat. Es ist bei weitem nicht so, dass jeder, der etwas gelernt hat, in diesem Land der niedrigen Arbeitslosigkeit auch einen guten Job bekommt. Wie eine Studie schon 2015 zeigt, hat nur jeder fünfte Minijobber keine Ausbildung. 71 Prozent haben dagegen einen Beruf gelernt, weitere 9 Prozent haben sogar einen Hochschulabschluss. Doch selbst gut ausgebildeten Menschen gibt die Politik in diesem Land keine Chance mehr.

Diese arrogante Haltung haben wir auch den Griechen gegenüber. Eigentlich sind sie faul, chaotisch und unzuverlässig, dennoch helfen wir ihnen in ihrer Notlage großzügig. Wie großzügig, zeigte eine Meldung in dieser Woche: Insgesamt verdiente Deutschland an den Griechenland-Krediten bisher 1, 34 Milliarden Euro. Wenn doch alle nur so selbstlos wären, wie wir Deutschen…

Doch wenn es um wirklich selbstloses Verhalten geht, dann schießt Bayern mal wieder den Vogel ab. Wie jedes Bundesland, so hat auch Bayern zahllose Flüchtlinge aufgenommen. Einige dieser Flüchtlinge haben mittlerweile eine Arbeit gefunden, leben aber noch in der Flüchtlingsunterkunft. Deshalb müssen sie für die Kosten der Unterkunft nun zahlen, was ja erst einmal gerecht ist. Doch kein Land verlangt so viel wie Bayern: 278 Euro kalt pro Monat für ein Mehrbettzimmer mit Gemeinschaftsbad und Gemeinschaftsküche. Auf den Quadratmeter umgelegt sind das mehr als 40 Euro im Monat. So eine hohe Miete zahlt man noch nicht einmal für eine Luxuswohnung in München-Bogenhausen.

Die Rechten, die so gerne eine deutsche Leitkultur fordern, zeigen, wie diese tatsächlich aussähe: Ungerecht und asozial, getrieben von Arroganz und Heuchlerei.

Da bleiben wir doch lieber ohne Leitkultur.
J.E.



Freitag, 30. Juni 2017
Wider den Populisten
Populisten behaupten, sie würden im Namen des Volkes sprechen, doch sie verwechseln ihre eigene Meinung mit der des Volkes. Konservative behaupten, sie würden im Namen des Volkes sprechen, doch sie sind so davon überzeugt, es besser zu wissen, dass sie sich gar keine Mühe machen, den Willen des Volkes zu eruieren.

Die Mehrheit des Volkes hat nichts gegen eine Ehe für alle – die Konservativen haben dennoch ewig versucht, sie zu verhindern, bis die linken Parteien sie nun doch durchgesetzt haben.

Die Mehrheit des Volkes wünscht sich Informationen über die Qualität ihrer Luft , besonders über die Stickoxide, die von den Dieselfahrzeugen ausgestoßen wurden. In Bayern gab es dazu eine großangelegte Untersuchung, doch die Staatsregierung hält diese Informationen trotz eines Gerichtsurteils, dass sie zur Veröffentlichung verpflichtet, zurück – und akzeptiert lieber, auf Steuergeldern eine Strafe zu zahlen.

Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich bessere Möglichkeiten, gegen Unternehmen vorzugehen, die sie um kleinere Beträge betrügen. Helfen könnte hier eine Musterklage , bei der ein Unternehmen exemplarisch verurteilt wird – und dieses Urteil gilt dann für alle Betroffenen, von denen nicht jeder einzeln gegen das Unternehmen vorgehen muss. Doch die Union blockiert das Gesetz zur Musterklage.

Die SPD stellt ein neues Steuerkonzept vor, bei kleinere Einkommen entlastet, höhere hingegen stärker belastet werden (wobei ein kleines Einkommen für einen Single ohne Kinder unter 100.000 Euro liegt – also schon recht hoch). Die Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM), die für mehr soziale Marktwirtschaft wirbt, aber die Union dabei unterstützt, eine Politik für eine asoziale Marktwirtschaft zu machen, denunziert das Konzept mit der Behauptung, dass der Reichensteuersatz von 42% nun schon bei 62.000 Euro anfange. Das kleine Detail, dass man heute schon ab 54.000 Euro 42% Steuern zahlen muss, wird von der INSM doch glatt übersehen.

Auch wenn die Konservativen vorgeben, im Namen des Volkes zu sprechen, obwohl sie nur ihre eigene Agenda verfolgen, gelten sie doch nicht als Populisten, sondern als ernstzunehmende Demokraten.

Wenn sie nicht gerade wieder „Kinder statt Inder“ fordern oder eine Maut auf Autobahnen, weil die bösen Osterreicher diese ja auch haben.
J.E.



Freitag, 19. Mai 2017
Mia san mia
Aus bayerischer Sicht ist die Welt einfach: Es gibt uns – und den Rest der Welt. Und der ist potentiell feindlich, weshalb man es zwar erträgt, wenn er für ein paar Tage zum Urlaubmachen vorbeikommt, aber, bittschön, länger soll er dann auf keinen Fall bleiben.

Und so greifen die bayerischen Behörden rigoros durch. Ausländer, die die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen wollen, werden in keinem Bundesland so schikaniert wie in Bayern. Flüchtlinge, die vor Krieg und Elend fliehen, werden in Bayern so systematisch behindert wie in keinem anderen Bundesland. Und sie werden in Bayern auch so konsequent abgeschoben, wie in keinem anderen Bundesland.

Allerdings fokussiert sich Bayern bei der Abschiebung nicht so sehr auf potentielle Unruhestifter und Kriminelle, sondern Bayern schiebt mit Vorliebe die wirklich Hilfsbedürftigen ab, wie kleine Kinder oder schwangere Frauen, oder Menschen, die sich gut integriert und schon eine Ausbildung absolviert haben.

Dass man dies am Rande der Legalität tut, stört die bayerischen Behörden nicht. Man will schließlich ein Exempel statuieren. Man will den Menschen zeigen, dass sie in Bayern nicht willkommen sind. Christliche Wert gelten in Bayern nur sonntags während des Gottesdienstes, ansonsten stören sie nur.

Zurück bleiben die Ausländer, vor denen man uns immer gewarnt hat. Wahrscheinlich mit voller Absicht: Sie sollen uns daran erinnern, dass Ausländer nicht zu uns gehören. Mia san mia.

Und alle anderen sind Fremde – und damit Feinde.
K.M.



Samstag, 13. Mai 2017
Die neue Gerechtigkeit
Die neue Steuerschätzung erscheint wie ein Geschenk: Der Staat erwartet Mehreinnahmen in Milliardenhöhe. Und schon wieder werden Forderungen laut, was man mit all dem Geld machen könnte: Brücken und Straßen renovieren, und die immer maroder werdende Infrastruktur reparieren?

Nein, da bevorzugen viele Politiker und Journalisten doch die Steuersenkung. Jeder Bürger will doch jeden Monat mehr von seinem Geld im Geldbeutel haben. Und wenn er reich ist, dann erhält ja auch mehr als ein Armer. Was ja nur gerecht ist: Schließlich sagt schon die Bibel: Wer hat, dem wird gegeben.

Und wer will der Bibel widersprechen?

Das löst dann aber nicht das Problem, dass die Infrastruktur in Deutschland dringend erneuert werden muss. Die Straßen und Brücken sind alt, die Wasserleitungen oft ein halbes Jahrhundert alt und undicht. Mögliche Baustellen gäbe es genug. Doch fehlen die Steuereinnahmen, dann könnte man nur neue Schulden machen. Und das will man ja nicht. Wir haben in Deutschland einen neuen Götzen: Die schwarze Null.

Und damit ist mal kein Unionspolitiker gemeint.

Der Staat darf keine Schulden machen. Auf gar keinen Fall, nie und nimmer. Aber irgendwie muss er die Infrastruktur reparieren. Aber das könnte ja auch Privatunternehmen machen, in diesen ominösen Privaten-Öffentlichen-Partnerschaften, die der Bundesrechnungshof wegen ihrer hohen Kosten gerügt hat.

Doch die Kosten sind egal. Finanziert die Privatwirtschaft die Reparatur der Infrastruktur, dann laufen die Kosten zumindest nicht in öffentlichen Haushalten auf, und man muss dafür keine neuen Schulden machen. Dass die Privatwirtschaft sich dies mit fürstlichen Renditen belohnen lässt, ist dann ja nur gerecht.

Und das Geld kommt letztlich doch vom Bürger. Allerdings nicht aus den Steuern, sondern aus Abgaben, die jeder zahlen muss, der die Infrastruktur benutzen will. Das ist dann auch gerechter: So werden auch die ganz Armen, die noch nicht einmal Steuern zahlen und von Steuersenkungen nichts haben, nicht vergessen.
P.H.



Samstag, 25. März 2017
Schützt uns vor den Populisten
Nun hat die CSU sich durchgesetzt: Die PKW-Maut wurde vom Bundestag verabschiedet . Die Ausländermaut der CSU, die nun Infrastrukturabgabe heißt, weil ja wirklich und wahrhaftig niemand Ausländer diskriminieren will, wird nun Realität in Deutschland.

Und warum? Weil sie gerecht ist, wie Verkehrsminister Dobrindt immer wieder betont.

Sie ist gerecht, weil Deutsche und Ausländer diese Maut bezahlen müssen. Auch wenn nur Deutsche dafür die Kfz-Steuer reduziert bekommen.

Und sie ist gerecht, weil Ausländer die Maut für die Autobahn bezahlen müssen, Deutsche hingegen für Autobahnen und die Bundesstraßen. Man möchte ja nicht, dass irgendein Deutscher, der die Autobahnen vielleicht gar nicht nutzt, plötzlich weniger Geld zahlt.

Und vielleicht wird er bald viel, viel mehr Geld zahlen, wenn die Autobahnen privatisiert werden und die Maut dann dazu dient, die Renditen der privaten Autobahngesellschaft zu finanzieren.

Aber erst einmal wurde das für die CSU wichtigste Ziel erreicht: Erst einmal werden die Ausländer gepiesackt, und die fremdenfeindlichen Wähler im Lande können bei der CSU bleiben und müssen nicht zur AfD wechseln.

Hass ist immer noch ein wichtiges Argument im Wahlkampf. Und da jeder Ausländer potentiell kriminell ist, müssen wir vor ihm geschützt werden – oder dürfen ihn ärgern, ohne Strafe befürchten zu müssen.

Doch wer schützt uns vor den Populisten?
J.E.



Samstag, 11. März 2017
Käfighaltung für Gefährder
Die Bewahrerin des deutschen Rechtssystems, die CSU aus Bayern, hat wieder einmal einen Vorschlag eingebracht, der ernsthaft an der Demokratiefähigkeit dieser Partei zweifeln lässt. Allerdings darf man nicht vergessen: Bayern hat damals dem deutschen Grundgesetz nicht zugestimmt. Bayern erduldet es nur.

Bei dem Vorschlag der CSU ging es eigentlich um ein hehres Zielt: Man will die Bevölkerung schützen, und zwar vor islamistischen Gefährdern, die hier einen Terroranschlag verüben könnten. Sie sollen deshalb unbefristet weggesperrt werden können.

Wohlgemerkt: Die Menschen müssen noch nicht einmal ein Verbrechen verübt haben, man vermutet nur, dass sie es vielleicht vorhaben. Die Unschuldsvermutung, ein wichtiger Bestandteil eines demokratischen Rechtsstaats, wird außer Kraft gesetzt.

Natürlich hat die CSU dafür harsche Kritik erfahren. Obwohl diese unberechtigt ist: Wenn wir den Rechtsstaat demontieren und ihn durch eine Diktatur ersetzen, dann haben die Terroristen ja ihr Ziel erreicht und lassen uns in Zukunft in Ruhe. Deutschland wird keine Terroranschläge mehr zu befürchten haben.

Deshalb ist dieser Vorschlag auch zu kurz gegriffen. Wir sollten nicht nur islamistische Gefährder für den Rest ihres Lebens einsperren, sondern auch rechtsradikale Gefährder. Es gibt Dörfer in Ostdeutschland, wo niemand mehr wagt, seine Meinung zu sagen, weil er damit rechnen muss, dass ihm von einem Rechtsradikalen die Schnauze eingeschlagen wird.

Rechtsradikale verüben viel mehr Gewalttaten als Linksradikale oder gar Islamisten, und sie bedrohen Menschen, die etwas tun, was ihnen nicht passt, zum Beispiel nett zu anderen Menschen sein, unverhohlen mit dem Tode. Die Beschimpfung des rechten Packs in den sozialen Medien würden ausgedruckt tausende Bände füllen. Sie erzeugen eine Atmosphäre der Angst, die jede demokratische Aktivität im Keim ersticken soll.

Auch Rechtsradikale sollten als Gefährder gelten und bis zum Rest des Lebens eingesperrt werden.

Allerdings wird dieser Vorschlag bei der CSU nicht auf Gegenliebe stoßen. Man kann ja nicht die eigenen Wähler wegsperren.
J.E.



Samstag, 25. Februar 2017
Eine neue Hoffnung?
Man hätte es kaum noch geglaubt: Die SPD kommt aus ihrem ewigen Umfragetief und die AfD verliert an Zustimmung. Und das nur wegen eines Mannes: Martin Schulz, dem designierten Kanzlerkandidaten.

Was macht den Mann so beliebt? Es scheint die Abkehr vom Sündenfall zu sein, die Schulz propagiert. Die SPD unter dem Genossen der Bosse Gerhard Schröder hatte eine neoliberale Politik betrieben, wie sie sich die Union nie getraut hätte und wie sie bei der FDP für reihenweise Orgasmen sorgte. Plötzlich standen die Arbeiter und Armen in diesem Land ohne politische Stimme dar – und die SPD verlor massenhaft Wählerstimmen.

Die SPD hat mit der Agenda 2010 eine Todsünde begangen: Sie hat ihre Wähler im Stich gelassen. Politik für die Unternehmen und Reichen machen Union und FDP. Als sich die SPD in diese Reihe eingliederte, machte sie sich überflüssig.

Schulz hat nun das Potential, das verlorene Vertrauen in die SPD zurückzugewinnen. Er war, anders als Steinbrück, Steinmeier und Gabriel, nicht in der Bundespolitik aktiv, als der Sündenfall begangen wurde. Er ist ein neues, unverbrauchtes Gesicht, und seine nicht gradlinige Biografie aus ärmlichen Verhältnissen macht ihn umso glaubwürdiger.

Schröder ließ sich von der Propaganda der Rechten beirren, die behauptet, dass eine Wirtschaft floriert, wenn die Steuern niedrig und die Arbeiter rechtlos sind. Schulz sollte daran denken, dass die Wirtschaft gerade dann florierte, wenn die Steuern für die Reichen hoch und die Rechte der Arbeiter geschützt waren; denn dann besaß das Volk eine hohe Kaufkraft und schuf Nachfrage.

Heute besitzen nur wenige viel Geld, und ihre Nachfrage nach kurzfristigen Investments schadet der Wirtschaft mehr, als dass es ihr nützt. Der Bankencrash 2008, unter dessen Folgen wir heute immer noch leiden, ist ein beredtes Beispiel dafür.

Wir sollten die Wirtschaft den Luftikussen aus den Händen nehmen und wieder auf den Boden der Realität stellen.
P.H.



Freitag, 10. Februar 2017
Neue Zeiten
Amerika ist ein Land der Extreme. Es gibt dort Atheisten genauso wie erzkonservative Evangelikale, die die Bibel wörtlich nehmen; es ist dort Linksliberale und Wertkonservative, Menschen, die den Staat unterstützen, und solche, die ihn ablehnen. Und diese Gruppen, die sich teilweise unversöhnlich an den entgegengesetzten Enden des politischen Spektrums gegenüberstehen, schenken sich nichts. Sie gehen so hart gegeneinander vor, als befänden sie sich in einem Krieg. Doch sie hatten eins gemeinsam: Sie hielten sich an die Spielregeln.

Natürlich versuchten sie, die Spielregeln zu ihren Gunsten auszulegen. Sie versuchten die Bevölkerung, die Politik, die Medien oder die Justiz in ihrem Sinne zu beeinflussen, vielleicht sogar, sie zu manipulieren. Doch niemand stellte die demokratischen Spielregeln an sich in Frage. Wenn die Medien etwas veröffentlichten, mit dem man nicht einverstanden war, dann wetterte man gegen die Medien, doch man achtete das Gut der freien Meinungsäußerung. Wenn Richter eine Entscheidung trafen, die einem nicht gefiel, dann beachtete man sie zähneknirschend. Man hielt sich an die Spielregeln der Demokratie.

Doch nun fallen diese Regeln. Die amerikanische Regierung unter Donald J. Trump, die großartigste Regierung, die dieses Land je hatte, ist dabei, die Demokratie auszuhöhlen. Die Presse soll nicht mehr frei sein; sie wird gegängelt, und nun veröffentlichte die Regierung auch noch eine Liste von Attentaten, über die aus ihrer Sicht nicht genug berichtet wurde. Ob das stimmt oder nicht, sei dahingestellt. Doch keine Regierung der Welt sollte einer Presse vorschreiben, worüber sie wie zu berichten hat. Länder, die das tun, sind die Länder, aus denen die Menschen in die USA flohen.

Und auch die Justiz wird nicht mehr geachtet. Den Gerichten, die eine Anordnung des Präsidenten für ungültig erklären, wird die Verantwortung abgesprochen, ein Richter, der dies wagt, wird als „sogenannter Richter“ beschimpft. Niemand soll es wagen, dem heiligen Präsidenten zu sagen, was er zu tun hat.

Doch nur so funktioniert eine Demokratie: Alle Menschen unterliegen dem Gesetz. Sobald ein Mensch sich über das Gesetz erhebt, stirbt die Demokratie.

Doch Trump will die USA wohl in diese neuen Zeiten führen
K.M.



Freitag, 27. Januar 2017
Zeit für Utopien
Warum stimmten die Briten für den Brexit? Weil sie wirklich mehrheitlich die EU verlassen wollten? Warum wählen so viele in Deutschland die AfD? Weil man sich von ihr wirklich eine Lösung der Probleme erwartet? Warum wählten die Amerikaner Donald Trump zum Präsidenten? Weil man sich erhoffte, dass dieser egozentrische Lügner, für dessen Lügen das Wort alternative Fakten erfunden wurde, wirklich Probleme löst?

Die Antworten sind in allen Fällen „Nein“. Man wählt die Rechtspopulisten nicht, weil man etwas von ihnen erhofft, sondern weil man an der Alternativlosigkeit der etablierten Parteien verzweifelt. Zu Zeiten von Strauß und Wehner waren die Lager noch ordentlich getrennt, auf der einen Seite die unmoralischen Konservativen, auf der anderen Seite die verträumten Spinner. Heute erkennt man keine Unterschiede mehr, die Parteien rückten in die Mitte, die SPD nach rechts, die Union nach links, weil man sich dort das größte Wählerpotential erhofft. Dabei will man niemandem wehtun, und erkennt nicht, dass man alle langweilt. Weil das klare Profil fehlt, fühlt man sich von den Parteien nicht mehr verstanden – und schon gar nicht mehr vertreten.

In diese Lücke stoßen nun die Rechtspopulisten. Sie bieten eine Alternative, auch wenn diese darin besteht, die Demokratie zu zerstören. Aber eingedenk des Frustes gegenüber den formlosen Massen der etablierten Parteien scheint das viele nicht mehr abzuschrecken.

Nur wäre das dann keine Utopie mehr, sondern eine Dystopie.
K.M.