Freitag, 24. April 2015
Christliche Werte
Wir in Europa sind stolz auf unsere christlichen Werte wie Menschenrechte, Toleranz, Nächstenliebe und Freiheit. Und wir betonen sie auch immer wieder, stehen sie doch in einem eklatanten Widerspruch zu den Werten, die in anderen Teilen der Welt gelebt werden - ganz besonders im Islam.

Nur: Die Welt ist leider nicht so einfach. Die Werte des Islams unterscheiden sich kaum von denen, die der christliche Westen hochhält - auch wenn man momentan nur von den verdrehten Werten einiger islamistischer Spinner hört. Und die Werte, die wir im Westen so gerne hochhalten, leben wir genau genommen gar nicht. Das Sein ist eben anders als der Schein.

In Afrika und im Nahen Osten sind wegen zahlloser Kriege Millionen Menschen auf der Flucht. Die Mehrzahl findet Zuflucht in völlig überforderten Nachbarländern. Doch einige wagen die Flucht nach Europa, die Flucht über das Mittelmeer.

Nur sind die Schiffe, mit denen sie flüchten, alte, kaum seetaugliche Kähne. Italien hatte deshalb das Programm "Mare Nostrum" (Unser Meer) gestartet, um die Schiffe möglichst schnell aufzuspüren und die Menschen zu retten. Doch dieses Programm kostete Geld, zu viel Geld für Italien, welches deshalb die europäische Wertgemeinschaft um Hilfe angerufen hatte. Und das christliche Europa half. Es übernahm das Programm von Italien und änderte den Namen in "Triton".

Und es setzt sich nun nicht mehr zum Ziel, Menschen aus Seenot zu retten, sondern nur dafür zu sorgen, dass sie nicht europäische Küsten erreichten, weshalb die europäischen Schiffe nicht mehr vor der afrikanischen Küste kreuzen wie noch die italienischen, sondern nur noch vor der europäischen. Man muss es mit der Nächstenliebe ja auch nicht übertreiben.

Nun starben letztes Wochenende etwa 700 Flüchtlinge, als ihr Schiff im Mittelmeer sank. 700 Tote, die vermeidbar gewesen wären, wenn Europa ein kleines bisschen weniger egoistisch wäre.

Der Aufschrei war groß. Die Medien berichteten täglich von diesem Unglück, die Politiker sahen sich genötigt, aktiv zu werden, und nun will Europa nicht nur die Grenzen schützen, sondern den Flüchtlingen auch ein bisschen helfen. Man musste eben erst sehen, dass wirklich etwas passiert, wenn man nichts tut.

Wie sollte man auch vor dem Schuss wissen, dass eine Waffe wirklich tötet, wenn man sie abfeuert?
J.E.



Samstag, 31. Januar 2015
Griechische Traditionen
Wenn wir in der westlichen Welt von christlichen Traditionen und Werten reden, dann meinen wir eigentlich griechische Traditionen und Werte. Die Demokratie entstand in Griechenland, unsere ganze Art des Philosophierens und Denkens kommt aus Griechenland. Griechenland war der Vorreiter der westlichen Welt - und ist es auch heute noch.

Im Westen macht sich die Denkweise des Neoliberalismus immer mehr breit. Dieser fordert einen schwachen Staat, der sich aus dem Leben heraushält, und keine Steuern, besonders nicht für Leistungsträger aka Reiche. Wohin das führt, können wir in Griechenland beobachtet; denn Griechenland ist das Paradies des Neoliberalismus.

Reiche schaffen es dort seit Jahren, keine Steuern mehr zu zahlen, und der Staat ist viel zu schwach, als dass er die Reichen zur Rechenschafft ziehen könnte. Legendär sind die Bilder aus griechischen Finanzämtern, wo sich die Akten am Boden stapeln, weil diese Ämter zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch nicht einmal mit Computern ausgestattet waren. Die Funktion des Staates war nicht mehr gegeben. Stattdessen herrschten Willkür, Vetternwirtschaft und Korruption.

Und wenn man Milliarden nach Griechenland transferierte, um den Griechen zu helfen, dann landete das Geld zumeist auf den Konten der Banken und Reichen, derjenigen, die Griechenland abgewirtschaftet hatten. Die griechische Bevölkerung erhielt nichts davon.

Nun haben die Griechen die Vertreter dieses vorbildhaften Griechenlands abgewählt. Die Partei Syriza bekam die deutliche Mehrheit der Stimmen. Und der Westen heult auf: Was soll aus Griechenland werden?

Werden die Griechen nun vom Sparkurs abweichen, so wie dies auch die Deutschen in der Krise 2008/2009 taten, um mit staatlichen Investitionen den Fall aufzufangen? Werden die Griechen ihre Schulden nicht mehr abbezahlen, die in den Zeiten der "Hilfe" noch stärker wuchsen als davor? Werden ihnen andere Länder folgen?

Zu wünschen wäre es. Doch die Aufgabe, vor der Syriza steht, ist immens. Es muss eine funktionierende Verwaltung aufgebaut werden, die dem Staat zu seinem Recht verhilft. Und das schafft man nicht nur, indem man mehr Beamte einstellt, sondern vor allem, indem man ihnen die Mittel an die Hand gibt, damit sie ihre Arbeit machen können.

Nach Jahrzehnten der neoliberalen Misswirtschaft ist das eine Herkules-Aufgabe. Wir sollten den Griechen dabei helfen, anstatt ein Wehklagen darüber anzustimmen, dass die Griechen sich von den neoliberalen Wirtschaftszielen abwenden.

Denn das sollte uns wieder einmal als Vorbild dienen.
J.E.



Freitag, 5. Dezember 2014
Ein Abgesang
Eigentlich hätte es ein Anlass zur Feier sein können: Vor 125 Jahren, im Jahr 1889, war unter Reichskanzler Bismarck in Deutschland die gesetzliche Rentenversicherung eingeführt worden, die erste ihrer Art weltweit, die erstmals auch den Armen der Gesellschaft eine gewisse Grundsicherung im Alter garantierte.

Doch die Situation ist nicht feierlich. Anstatt eine finanzielle Sicherheit im Alter zu bieten, müssen immer mehr Menschen in Deutschland mit Altersarmut rechnen. Die gesetzliche Rente allein, auf die sich viele verlassen, bietet kein sanftes Ruhekissen nach einem Leben voller Arbeit.

"Daher bin ich überzeugt, dass sich künftig nur durch eine Mischung gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge eine angemessene Absicherung im Alter aufbauen lässt", sagte Merkel in Berlin, anlässlich der 125-Jahr-Feier zur Rente. Die gesetzliche Rente vermag nicht mehr zu leisten, was sie einmal leisten sollte.

Doch war der Sinn der Rente wirklich, den Bürgern eine finanzielle Absicherung im Alter zu geben? Als Bismarck die Sozialversicherungen in Deutschland einführte, da lag ihm das Wohl der Arbeiter nicht sonderlich am Herzen. Vielmehr wollte er der immer stärker werdenden Arbeiterbewegung die Mitglieder abspenstig machen, indem er den Staat als soziales Organ etablierte. Das funktionierte zwar nicht, bescherte den Deutschen aber die Kranken- und Rentenversicherung.

Wie schon zu Bismarcks Zeiten, so war es lange die Regel, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber anteilig an den Sozialkosten beteiligten. Doch in der Krankenversicherung ist der Anteil der Arbeitgeber und eingefroren, zukünftige Steigerungen fallen alleine zu Lasten der Arbeitnehmer. Und in der Rentenversicherung senkt man das Rentenniveau immer weiter ab, damit die Beiträge nicht steigen. So wurde das Erfolgsmodell gesetzliche Rente, die die große Depression in den 1920er Jahren und zwei Weltkriege überstanden hat, zu einer kraftlosen Hülle, die selbst in Zeiten des Wirtschaftswachstums nicht mehr stark genug ist, Armut zu verhindern. Die Rente war sicher, bis die Politik sie verstümmelte.

Bismarck wollte mit der Rente die Arbeiter gewinnen. Das scheint heute nicht mehr nötig zu sein. Die Arbeiterbewegung ist schwach und machtlos. Und so fährt man die Errungenschaften des Sozialstaates, die den Arbeiter an die Gerechtigkeit des Staates glauben lassen sollten, immer weiter zurück.

Auf die Schwachen nimmt man keine Rücksicht.
J.E.



Freitag, 24. Oktober 2014
Ruhe bewahren
Man kennt die US-Amerikaner als wehrhaftes Volk. Bis an die Zähne bewaffnet trotzen sie den Feinden, die mal die Briten sind, die ihre Kolonie wiederhaben wollen, mal die Regierung, die ihr Leben einschränken will, und seit einigen Jahren die Moslems, die radikalen Islamisten, die "das Land der Freien", wie es in der Nationalhymne heißt, als den Teufel identifiziert haben, der ihren totalitären Ideologien im Wege steht.

Von den Kanadiern, den kleinen Nachbarn der US-Amerikaner, hat man verhältniswenig mitbekommen. Auch sie engagieren sich im Krieg gegen Ungerechtigkeiten, doch sie treten weniger martialisch auf als ihre südlichen Nachbarn. Manchmal scheinen die Kanadier die entspannten Nachbarn eines cholerischen Hausbesitzers zu sein.

Doch nun könnte diese Ruhe und Entspanntheit in Gefahr sein. Am 23.10. drang ein Bewaffneter in das Parlamentsgebäude in Ottawa ein und schoss um sich. Ein Soldat starb, bevor der Täter selber erschossen werden konnte.

Bisher war das Parlamentsgebäude kaum bewacht. Das Volk konnte relativ ungehindert zu seinen Vertretern vordringen. Doch nun werden Fragen gestellt, ob man das Gebäude in Zukunft nicht besser bewachen sollte. Nun werden Fragen gestellt, ob man sich in Kanada, ähnlich wie dies die USA schon tun, nicht auf einen permanenten Kampf gegen einen terroristischen Feind im Inneren einstellen sollte.

Doch täte man dies, dann hätten die Terroristen gewonnen; denn der Kampf gegen den Terrorismus, so wie ihn die USA führen, setzt Mittel ein, die man sonst nur aus totalitären Staaten kennt. Anstatt die Freiheit zu preisen und mehren, wird die Freiheit eingeschränkt, um sie zu verteidigen. Der Kriegszustand wird permanent, und die Demokratie verliert.

Als der Terrorist Anders Behring Breivik im Juli 2011 in Norwegen 77 Menschen tötete, war das Land geschockt. Doch es hat sich sein Verhalten nicht von einem radikalen Irren vorschreiben lassen. Die Norweger haben ihr friedliches Land nicht in eine militärische Festung verwandelt, in dem Glauben, damit die Freiheit zu bewahren. Das Leben ging weiter, denn das ist die größte Niederlage der Terroristen.

Hoffentlich sehen das auch die Kanadier so.
P.H.



Freitag, 10. Oktober 2014
Die Festung Europa unter Beschuss
Wenn man an eine Festung denkt, dann stellt man sich so etwas wie die Stadt Carcassonne in Südfrankreich vor, eine Burg mit massiven Mauern, weit oben auf einem Hügel, über dem Elend der Welt gelegen.

So ähnlich stellen sich auch viele Europäer Europa vor. Eine Festung, umgeben von Nordsee, Atlantik, Mittelmeer und den slawischen Steppen, die sich von den Problemen der Welt abnabeln und ihre Reichtum für sich genießen kann. Doch diese Festung Europa merkt nun, dass sie in einer globalisierten Welt nicht nur ihre Produkte gut verkaufen kann, sondern auch mit den Problemen der Welt konfrontiert wird.

So kommen immer mehr Flüchtlinge vor allem aus Afrika nach Europa. Italien wird von den Flüchtlingsmassen geradezu überschwemmt und lässt die Flüchtlinge ohne ordentliche Registrierung einfach weiterreisen, weil Italien mit den Mengen überfordert ist – und es der europäischen Maxime folgt, dass die Probleme kleiner werden, wenn man sie nicht mehr sieht.

Seit Monaten schon wütet die meist tödlich verlaufende Krankheit Ebola in Westafrika. Tausende Menschen starben an der Krankheit, aber Europa und die USA störte das Ganze nicht so sehr. Westafrika ist weit weg, und auch wenn dort Tausende sterben, so sah sich die WHO erst nach Monaten genötigt, den Notstand auszurufen. Nun ist eine Krankenschwester in Madrid erkrankt – und mit einem Male macht man sich richtig Sorgen.

Und dann steht auch noch die extremistische IS-Organisation vor den Grenzen der Türkei. Die grenznahe, kurdische Staat Kobane befindet sich fast in den Händen der IS. Sollten die IS-Kämpfer weitermarschieren, wären sie in kurzer Zeit in der Türkei. Nun gehört die Türkei zwar nicht zu Europa, weil die religiöse Moral nicht mit der Europas vereinbar ist (gute Moslems steinigen unliebsame Frauen als Ehebrecherin, während gute Christen unliebsame Frauen als Hexen verbrennen). Allerdings gehört die Türkei zur NATO, und damit ist ihr Schicksal an das Europas gebunden. Wird die Türkei in einen Krieg verwickelt, dann wird auch Europa mit hineingezogen. Damit steht die IS-Armee aber vor den Toren Europas.

Eine globalisierte Welt könnte so schön sein, wenn man nur seine Produkte und Waffen verkaufen könnte und sich sonst um nichts kümmern müsste. Aber die Welt ist eben etwas komplizierter und nicht für Egoisten gemacht.
K.M.



Samstag, 30. August 2014
Der Geburtstag
Dieser Tage begehen wir einen Geburtstag. Genau genommen sind es sogar zwei Geburtstage: Der Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren und der Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren.

Sicherlich gibt es schönere Gründe für eine Feier. Doch uns Menschen scheint dies zu genügen - und so feiern wir diesen "Geburtstag" entsprechen.

Die Ukraine versucht, sich aus dem Machtbereich Russlands zu entfernen - und bezahlt dafür. Separatisten im Osten der Ukraine bekämpfen die Regierung in Kiew. Erst vermutete man nur, dass Russland die Separatisten mit Waffen belieferte, nun scheinen russische Truppen direkt in den Konflikt einzugreifen. Es häufen sich die Berichte, dass russische Soldaten in die Ukraine einmarschiert sind. Die Ostukraine wird sogar schon als Neurussland bezeichnet. Geschichte wiederholt sich.

Gleichzeitig kämpft die islamistische Terrorgruppe ISIS weiter für ihren Traum eines Kalifats im Nahen Osten. Millionen Menschen sind im Irak und Syrien auf der Flucht vor einer Miliz, die sich gottesfürchtig und religiös gibt und damit zeigt, dass Religion nichts mit Menschlichkeit zu tun hat. Um das höhere Ziel eines reinen Gottesstaates zu erreichen, werden die Rechte der Menschen mit Füßen getreten. Das Leben eines Menschen ist weniger wert als das eines streunenden Hundes. Für Gott scheint der Mensch nichts anders als eine Kakerlake zu sein. Das Leid der Schützengräben und der Terror der "Übermenschen" waren nicht nur eine schreckliche Episode in der menschlichen Geschichte.

Zugleich beschossen sich für Wochen die Truppen Israels und der Hamas im Gaza-Streifen. Seit einigen Tagen gibt es einen Waffenstillstand, der tatsächlich noch hält. Doch wir können schon jetzt prophezeien, dass es wieder zur kriegerischen Auseinandersetzungen kommen wird.

Geburtstage feiert man schließlich regelmäßig.
P.H.



Freitag, 1. August 2014
Der Kreuzzug der Konservativen
Es herrscht Krieg. Nicht nur im Nahen Osten, an den Grenzen des Russischen Reiches oder irgendwo in Afrika - da erwartet man ja geradezu, dass Krieg herrscht, nein es herrscht Krieg in den westlichen Demokratien.

Erst diese Woche haben die Republikaner in den USA eine neue Waffe aus dem Köcher geholt: Sie haben im Repräsentantenhaus mit ihrer Mehrheit entschieden, den demokratischen Präsidenten Obama zu verklagen. Er habe bei der Gesundheitsreform seine Befugnisse überschritten.

Schon Jahre läuft der Krieg der Rechten gegen die Gesundheitsreform in den USA, die den Amerikaner einer Gesundheitsversorgung näher bringen soll, wie man sie in Europa seit Jahren kennt. Erst zogen sie vor das Oberste Gericht. Als dieses nichts an der Reform auszusetzen hatte, bekämpfen sie nun den Präsidenten direkt. Denn wenn die Welt nicht so ist, wie sie sich die Konservativen vorstellen, dann muss die bekämpft werden. Mit allen Mitteln.

Man kannte das schon von Clinton. Ihn wollte man wegen eines Seitensprungs seines Amtes entheben. Das Verfahren wurde eingeleitet, war dann aber nicht erfolgreich. George W. Bush, der in seinem Kampf gegen Terror sogar die Menschrechte mit Füßen trat, hatte nie so einen starken Gegenwind zu ertragen. Denn die Stärke des Gegenwindes hängt nicht von dem ab, der im Wind steht, sondern vom dem, der bläst.

Die Konservativen leiden offenbar nicht unter einen zu geringen Selbstbewusstsein. Ihre Sache muss richtig sein - sonst würde sie sie ja nicht vertreten. Alle anderen müssen Unrecht haben. Und mit der Macht des rechten Glaubens schlagen sie alle in die Flucht, die anderen Glaubens sind. Ein Kreuzzug gegen Andersgläubige.

Ähnlich geht auch die CSU in Deutschland vor - auch wenn sie, was die Schärfe des Vorgehens angeht, noch etwas von ihrer großen Schwestern jenseits des Atlantiks lernen kann. Wegen der dusseligen Autobahnmaut für Ausländer stellt sie nun die Koalition in Frage. Die Maut muss kommen, sonst wird die Koalition beendet. So stehe das schließlich im Koalitionsvertrag.

Dabei steht im Koalitionsvertrag "Deutschlands Zukunft gestalten" zur Maut:
"Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute. Die Ausgestaltung wird EU-rechtskonform erfolgen."

Im Koalitionsvertrag geht es um eine Autobahnmaut, nicht um eine Infrastrukturabgabe, die Verkehrsminister Dobrindt vorgestellt hat. Diese betrifft nämlich alle Straßen, was weit über die Anforderung des Koalitionsvertrages hinaus geht. Aber was sollte er machen: Nachher hätten sich die Deutschen, die praktisch nie Autobahn fahren, beschwert, dass sie eine Maut bezahlen sollen. Und das hätte Ärger gegeben...

Dass Dobrindts Vorschlag überhaupt EU-rechtskonform ist, muss sich noch zeigen. Aber der bayerische Löwe brüllt schon mal, dass die Koalition scheitert, wenn sie nicht kommt.

Aber vielleicht will er ja auch nur von eigenen Fehlern ablenken. Dafür waren Kreuzzüge ja schon immer gut.
P.H.



Samstag, 19. Juli 2014
Unser Team verliert
Die Überschrift scheint nicht richtig zu sein. Hat das deutsche Team nicht gerade die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien gewonnen? Als erste europäische Mannschaft auf dem südamerikanischen Kontinent überhaupt?

Aber dieses Team ist gar nicht gemeint. Im Taumel der langen Party haben wir die vielen Konflikte auf unserer Erde für einige Tage vergessen - und diese Woche sind sie mit großer Macht in unser Bewusstsein zurückgekommen. Der nie enden wollende Krieg in Palästina ist wieder entbrannt. Die Hamas schoss Raketen auf Israel, die Israelis haben nun Bodentruppen nach Gaza geschickt.

In der Ostukraine kämpfen die Separatisten weiter gegen die ukrainische Armee - und diese Woche fiel ein Flieger der Malaysia Airline vom Himmel, wahrscheinlich abgeschossen. Welche Kriegsseite auch immer den Flieger traf - 298 Menschen bezahlten dies mit ihrem Leben.

In diesem Jahr gedenken wir den 100. Jahrestag des Beginns des ersten Weltkriegs und 75. Jahrestag des Beginns des zweiten Weltkriegs. Krieg kann nur zerstören, er kennt keine Gewinner. Dies sollten eigentlich die Lehren der Geschichte sein. Doch die Geschichte scheint uns nichts zu lehren.

Der Mensch, so unken viele, wird sich wohl irgendwann selber umbringen. Entweder durch Kriege, in denen er sich wie Vieh über den Haufen schießt, oder durch die Verschmutzung der Umwelt, bei der er mit unbeschreiblicher Naivität Gifte freisetzt, die ihm letztlich selber schaden.

Die Natur wird das nicht weiter stören. Sie wird auch ohne den Menschen weiter machen. Objektiv gesehen mag es sogar ein Vorteil für die Erde sein, wenn der Mensch nicht mehr existiert.

Doch subjektiv bedauert man dies. Man ist schließlich ungern ein Teil des verlierenden Teams.
J.E.



Samstag, 5. Juli 2014
Wer lebt, ist schon verdächtig
Der Feind lauert überall. Und das Schlimme ist: Man sieht einem Verbrecher selten an, dass er ein Verbrecher ist. Nur wenige haben einen kalten Blick und ihr Gesicht ist von Narben zahlreicher Kämpfe entstellt. Die meisten kleiden sich in teuren Anzügen wie Banker. Und viele von ihnen sind Banker.

Aber was ist mit dem ganzen Rest, den man nicht identifizieren kann? Man muss ihn überwachen. Den ganzen Rest. Die ganze Bevölkerung. Das war schon der Stasi bewusst.

Die NSA tut gerade alles, um der Stasi als totalitäres Überwachungsorgan den Rang abzulaufen. Diese Woche wurde bekannt, dass die NSA neben der Bundeskanzlerin auch einen deutschen Programmierer gezielt ausspäht, der sich mit Verschlüsselungssoftware beschäftigt. Denn wer etwas verbergen will, muss doch auch etwas zu verbergen haben. Wehret den Anfängen!

Und zugleich weiß nun jeder, dass man sich gar nicht erst verdächtig verhalten soll, wenn man nicht auf die Liste der potentiellen Staatsfeinde kommen will. Die Demokratie wird nicht abgeschafft. Man setzt nur die unter Druck, die doch tatsächlich die von der Demokratie versprochenen Freiheiten ausleben wollen.

Und manchmal geht selbst der Staat in die Irre. Statt der NSA zu danken, dass sie uns vor der Demokratie und denen beschützt, die diese schamlos ausnützen, setzt der deutsche Staat auch noch einen Untersuchungsausschuss ein, der das Verhalten der NSA untersuchen soll. Als wenn die Polizei des Planeten eine Überwachung bräuchte!

Deshalb hat die NSA gleich mal dafür gesorgt, dass diese Fehlgeleiteten überwacht werden. Sie hat sich mit Hilfe eines BND-Mitarbeiters über die geheime Arbeit des Ausschusses informieren lassen. Schließlich kann man nicht zulassen, dass ein paar fehlinformierte Politiker allein aus Publicity-Gründen die gute Arbeit der NSA beschädigen.

Der demokratische Staat ist das Beste, was uns passieren konnte. Und wir verteidigen dieses Paradies, selbst wenn wir es mit einem Bombenteppich belegen müssen.

Wie hieß es schon bei Dante? Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.
P.H.



Samstag, 24. Mai 2014
Kampf dem Monster
Morgen können wir wieder wählen. Gut, in den letzten Jahren hatten die Wahlen besonders in Bayern eher etwas symbolisch: Egal welche Skandale aufgedeckt werden, in denen die Granden der CSU verstrickt sind, die CSU bleibt an der Macht, da hilft auch keine Wahl. Und an der Macht sorgt sie weiter für Skandale. Warum sollte sie auch ihr Verhalten ändern, wenn es eh keine Konsequenzen hat?

Doch diesmal ist es anders. Diesmal ist der Wahlkampf spannend, schließlich geht es um ein Monster, dass uns alle zu versklaven sucht: Es geht um Europa. Also, gegen Europa. Zumindest weisen uns alle Politiker, von rechts bis links, darauf hin, dass Europa etwas ganz Schlechtes ist. So will sich Europa in jedes Detail unseres Lebens einmischen, man denke nur an die berühmte Gurkenverordnung, in der Europa vorgeschrieben hat, wie krumm Gurken sein dürfen. Oder die Zulassung von Genmais, durch die EU, die doch keiner wollte. Oder die Zuwanderung von Armen aus ganz Europa, der sich die CSU mit ihrem Slogan "Wer betrügt, fliegt" entgegenstellt.

Es ist schon ein Kampf mit Europa, dem sich die nationalen Politiker unerschrocken stellen. Fast bekäme man den Eindruck, uns allen würde es besser gehen, gäbe es Europa nicht.

Doch tatsächlich würde es uns besser gehen, gäbe es die verlogenen Politiker nicht. Alle Entscheidungen in Europa werden von den nationalen Politikern mitgetragen oder gar getroffen. Sich nachher hinzustellen und sich darüber zu beschweren, ist einfach nur Heuchelei. Die Gurkenverordnung beruhte auf Interessen der Industrie, die mehr Gurken in eine Kiste packen wollte, weshalb sie möglichst gerade sein mussten, der Genmais wurde mit Zustimmung der Bundesregierung zugelassen - und nun will sie ihn in einem heroischen Kampf gegen die EU im Inland verbieten lassen. Und Europa ist kein Hort von Armutszuwanderern, sondern profitiert von den vielen Arbeitssuchenden, die die offenen Stellen in Deutschland besetzen und das Wachstum der deutschen Wirtschaft ermöglichen. Unter diesen Zuwanderern mag es auch Betrüger geben, die den Staat ausnehmen. Doch wollte man alle Betrüger aus Deutschland herausschmeißen, dann hätte die CSU arge Probleme, noch Kandidaten für die Wahlen in Bayern aufzustellen.

Europa ist kein Monster, und wenn, dann ein Monster, dass für die Interessen der Verbraucher eintritt. Denn die EU hat verfügt, dass die überteuerten Roaming-Gebühren für Handygespräche sinken müssen, bald sollen sie ganz abgeschafft werden. Und in Europa gilt das Vorsorgeprinzip. Während in den USA neue Produkte und Chemikalien einfach auf den Markt gebracht werden dürfen, und man dann schaut, was sie anrichten, müssen Firmen in Europa erst einmal zeigen, dass die Chemikalien und Produkte ungefährlich sind. Das schränkt die Freiheiten der Unternehmen natürlich ein, die sonst aus Scheiße Gold machen konnten.

Und vielleicht ist das der eigentliche Grund, warum unsere von den Firmen gesponserten Parteien so gegen Europa stänkern.
P.H.