Samstag, 20. Oktober 2018
Wenn jeder an sich denkt…
Unser Arbeitsminister Olaf Scholz musste sich diese Woche einige Kritik anhören für seinen Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung . Die Deutschen müssten dann für die Arbeitslosen in anderen Ländern zahlen, hieß es. Und es schwang der Unterton mit, der uns seit einiger Zeit in Europa immer beliebter werden ließ: Wir Deutschen sollen für das faule Pack in anderen Ländern blechen.

Nun, erst einmal sollte man tief Luft holen und Scholz Vorschlag einmal durchlesen, anstatt seine Kritik am Begriff „europäische Arbeitslosenversicherung“ festzumachen. Denn tatsächlich will Scholz das gar nicht. Ihm schwebt eine Rückversicherung für europäische Arbeitslosenversicherungen vor. Aber schon vier Wort sind zwei zu viel, als dass Populisten diese Informationsflut noch verarbeiten könnten.

Die Rückversicherung soll nur in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eingreifen, sie soll dann Kredite an eine nationale Arbeitsversicherung geben, damit diese ihre Leistung aufrechterhalten kann ohne die Beiträge erhöhen zu müssen, was die Wirtschaft ja noch zusätzlich belasten würde. Geht es der Wirtschaft dann wieder besser, müssen die Kredite zurückbezahlt werden. Wir Deutschen zahlen also für die „europäische Arbeitslosenversicherung“ so, wie wir für Griechenland zahlen: Wir geben Kredite und verdienen uns mit dem Zinsen dumm und dämlich. Ist das nicht eine schöne Solidarität? Nein, einigen ist selbst dies zu viel.

Dabei gilt der eiserne Grundsatz der Diplomatie: Man sollte nie eine Politik aus einer momentanen Situation der Stärke betreiben. Momentan floriert die Wirtschaft, doch Ende der 1990er Jahre, zum Ende der Ära Kohl, galt Deutschland als „kranker Mann Europas“. Und wenn US-Präsident Trump Zölle auf Autos erhebt, dann trifft das vor allem Deutschland – und wir sind dann auf die Solidarität der anderen EU-Mitglieder angewiesen.

Es könnte also nicht schaden, wenn wir uns auch ein bisschen solidarisch zeigen würden, und nicht eine Politik betreiben nach dem Motto: Wenn jeder an sich denkt, dann ist an alle gedacht.
K.M.