Samstag, 4. Mai 2019
Das Gesetz bin ich
In der Nacht vom 15. auf den 16. April 2019 brannte der Dachstuhl von Notre-Dame in Paris komplett aus. Das Wahrzeichen der Stadt, des ganzen Landes gar, ist nur noch eine Ruine. Der Wiederaufbau wird Jahre dauern und sehr viel Geld kosten. Doch um Geld muss man sich keine Sorgen machen: Kaum war das Feuer gelöscht, da hatten Frankreichs Milliardäre schon hunderte Millionen zugesagt, um Notre-Dame wiederaufzubauen.

Diese Spendenbereitschaft stieß jedoch nicht nur auf Zuspruch: Kritiker wiesen darauf hin, dass diese Milliardäre einen Großteil ihres Vermögens durch Steuervermeidungstricks angehäuft haben. Während die Ärmsten des Landes deswegen nicht genug zum Überleben haben und der Staat sich verschulden muss, spielen die Milliardäre nun die großzügigen und selbstlosen Spender.

Doch so ist das Selbstverständnis vieler Eliten: Sie verstehen sich nicht als Teil der Gesellschaft, zu der gegenüber sie Rechte aber auch Pflichten haben, sondern sie verstehen sich als etwas Besseres; für sie haben eigene Regeln zu gelten. Während alle Steuern zahlen sollen, empfinden sie es als Raubzug des Staates, wenn sie Steuern zahlen sollen. Deswegen ist ihnen auch kein Trick zu gewagt, um Steuern zu vermeiden.

Die Eliten, die Leistungsträger, wollen sich nicht vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben, sie wollen nach ihren eigenen Regeln leben. Und Solidarität mit anderen zeigen sie nur, wenn sie es für angebracht halten. Alle Menschen mögen vor dem Gesetz gleich sein, doch sie sind gleicher und können ihre eigenen Regeln machen.

Und der Staat wehrt sich nicht. Gerade konservative Parteien – in Deutschland die FDP, die Union und auch die AfD – tun alles, um den Eliten noch mehr Geld zu geben. Schlägt man vor, den Ärmsten eine Mindestrente auszuzahlen, dann fordern sie eine Bedürftigkeitsprüfung. Doch den Solidarzuschlag für Reiche wollen sie auch ohne Bedürftigkeitsprüfung aufgeben.

Der britische Monarch Charles I. wurde von den Adeligen angeklagt, weil er sich nicht an die Gesetze hielt. Der Richter sah dies anders: Da der König das Gesetz sei, sei es doch unsinnig zu behaupten, er halte sich nicht an die Gesetze.

Dieses Urteil löste dann den britischen Bürgerkrieg aus und führte 1649 zur zeitweisen Abschaffung der Monarchie in England. Aber aus der Geschichte lernen wir ja nichts.
K.M.