Sonntag, 14. Oktober 2012
Der Friedensnobelpreis und die Hoffnung
Damit hatte nun wirklich keiner gerechnet. Eher, so dachte man, bekommen Menschenrechtsgruppen aus Russland oder gar Helmut Kohl den Friedensnobelpreis, doch dann gab es am Freitag Vormittag die große Überraschung: Der Friedensnobelpreis im Jahr 2012 wird an die Europäische Union verliehen.

Sicherlich hat die EU, haben die Mitgliedsländer der EU und ihre Bürger großes geleistet. Über 60 Jahre kein Krieg mehr in Mitteleuropa - dass hätte sich vor einiger Zeit niemand vorstellen können. Doch die Europäer haben das Unmögliche mögliche gemacht. Das egoistische Gegeneinander der Nationalstaaten wich einem Miteinander, verwurzelt in der grundlegenden Idee, dass alle Menschen gleich sind, und wenn schon nicht alle Menschen, dann doch zumindest die Europäer, die in ihrer Geschichte soviel Leid erfahren haben.

Zumindest schien dies die grundlegende Idee der EU zu sein. In den Zeiten der aktuellen Krise fragt man sich verwundert, was aus dem Miteinander der Europäer geworden ist. Vielleicht waren die heeren Ideen einer Union doch nicht mehr als leere Worte?

Allzusehr erinnert die Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an die Verleihung des Friedensnobelpreises an den damals frisch gewählten amerikanischen Präsidenten Barack Obama im Jahr 2009. Dieser war angetreten, die unmoralische und aggressive Politik seines Amtsvorgängers George W. Bush zu beenden. Er wollte auf den Iran und Nord-Korea zugehen und das unsägliche, sich jenseits aller Gesetze befindliche Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba schließen. Alles schöne Wünsche, doch umgesetzt wurde kaum etwas.

Obama war als Tiger gestartet und ist als Bettvorleger gelandet. Hoffentlich ist dies kein Omen für die weiteren Leistungen der EU.
P.H.



Samstag, 6. Oktober 2012
Gesetze auf eBay
Manchmal hat man den Eindruck, dass der Unterschied zwischen einer Bananenrepublik und der Bundesrepublik Deutschland nur darin besteht, dass eine Bananenrepublik in der Regel besseres Wetter hat. Wie sonst sollte man die immer wieder auftretenden, heimlichen Einflussnahmen von Unternehmen und Lobbyorganisationen auf die Gesetzgebung der Bunderegierung verstehen, die so gar nicht zum Verständnis einer Demokratie passen?

Der letzte bekanntgewordene Fall ist die kurzfristige Änderung des Geldwäschegesetzes. Dieses hatte im Paragraf 16a vorgesehen, dass auch die Spielhallen besser überwacht werden sollten. Eine bessere Überwachung der Spielhallen mit ihren - wie man vermutet - teilweise im Graubereich liegenden Handlungen war jedoch nicht im Sinn der Automatenlobby, vor allem nicht des größten Herstellers von Spielautomaten, der Firmengruppe Gauselmann. Also schrieb diese kurz einen Beschwerdebrief, und von heute auf morgen wurde der kritische Paragraf 16a einfach ersatzlos gestrichen - ganz im Sinne des Automatenkonzerns, der schon seit längerer Zeit auf zahlreichen, dubiosen Wegen Geld in die Kassen der FDP leitete, welche zum Glück gerade den Wirtschaftsminister stellt.

Vor Jahren war bekannt geworden, dass Mitarbeiter von Unternehmen und ihren Verbänden in den Ministerien sitzen - das Programm war von der damaligen Bundesregierung unter Gerhard Schröder unter dem Titel "Seitenwechsel" sogar ganz offiziell gestartet worden - dort aber nicht nur, wie ursprünglich angedacht, die Arbeitswelt der Ministerialen kennenlernen, sondern ganz ungeniert an Gesetzesentwürfen mitschreiben, die ihre eigene Branche betreffen. So haben Vertreter der Deutschen Börse AG und des Bundesverbandes der Deutschen Investmentgesellschaft am Investmentmodernisierungsgesetz mitgeschrieben, mit dem letztlich Hedge Fonds in Deutschland legalisiert wurden.

Nun gut, niemanden wundert es, dass die Reichen und Mächtigen sich den Staat so einrichten, wie es ihnen gefällt. Schließlich glaubt ja niemand ernsthaft an diese alberne "Demokratie" und den Spruch "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus", wie es im Artikel 20 des Grundgesetzes steht. Das Dreiklassenwahlrecht, bei dem die Bürger je nach Steueraufkommen mehr oder weniger Stimmen hatten, ist zwar offiziell abgeschafft, aber niemand stellt ernsthaft in Frage, dass es in den Hinternzimmern der Macht noch gelebt wird.

Warum dann diese Heimlichtuerei? Warum steht man nicht dazu, dass Geld die Welt regiert, und anderslautende Gesetze nur als "Opium fürs Volk" dienen? Warum versteigert man dann nicht ganz öffentlich Gesetzesvorlagen auf eBay und setzt die um, die das meiste Geld einbringt?

Dann könnte man sich wenigstens diese Heimlichtuerei und die peinliche Berührtheit im Fall der Entdeckung sparen.
K.M.



Samstag, 29. September 2012
Die Rente ist sicher
Dies hatte uns der langjährige Arbeits- und Sozialminister der Regierung Kohl, Norbert Blüm, dereinst versprochen. Doch heute klingt diese Aussage wie Hohn. Zwar sind momentan nur etwa 2,5% der Bevölkerung von Altersarmut betroffen, doch im Jahr 2030 werden nach aktuellen Prognosen ein Drittel der Menschen von Altersarmut betroffen sein. Deshalb widmen wir uns dem Thema Rente nun schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen.

Weshalb ist die Rente nicht mehr sicher? Ökonomen sagen uns, das liege an der demographischen Entwicklung. Die Bevölkerung in Deutschland werde immer älter, also müsse sie mit immer weniger Geld auskommen. Diese Rechnung würde stimmen, wenn der Reichtum des Staates über die letzten Jahre und auch in die absehbare Zukunft nicht größer wird; denn bleibt der Kuchen gleich groß, doch mehr Menschen wollen essen, dann müssen die einzelnen Stücke kleiner werden.

Dies ist jedoch nicht der Fall. Tatsächlich hat sich der Reichtum Deutschlands, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, in den letzten Jahren vervielfacht, und es ist davon auszugehen, dass er auch in den nächsten Jahren weiter wächst. Der Kuchen wird also beständg größer. Und trotzdem sollen die Stücke, die jeder einzelne bekommt, kleiner werden?

Sie werden es. Nicht als Folge irgendwelcher Natur- oder Marktgesetze, sondern als Folge gewollte politischer Entscheidungen. Besonders zwei Entscheidungen erhöhen das Risiko für die Altersarmut drastisch.

Das ist zum einen die Entscheidung, dass das Rentenniveau von heute 51% auf 43% im Jahr 2030 sinken soll. So reduziert man den Kuchen, den man an die Hungrigen verteilen muss, deutlich.

Zum anderen wurde gerade in Deutschland der Niedriglohnsektor immens ausgebaut. Der Prozentsatz der Beschäftigten, die in Deutschland in diesem Sektor arbeiten, stieg von 17,7 Prozent im Jahr 1995 auf 23,1 Prozent im Jahr 2010. Wer in diesem Sektor arbeitet, hat jedoch kaum genug Geld, um etwas für die Rente anzusparen. Der Kuchen schrumpft weiter.

Als Gegenmaßnahme entschied sich die Bundesregierung, die sogenannte Riester-Rente einzuführen. Mit ihr können die Leute, die ohnehin schon zu wenig haben, selber Geld für ihr Alter ansparen. Außerdem kann man so der Senkung des Rentenniveaus entgegen wirken - auch denn die private Versicherungswirtschaft für die immensen Aufwände, die sie mit den Riester-Renten hat, natürlich viel höhere Verwaltungsgebühren abziehen muss, als dies bei der staatlichen Rente nötig ist. Wären diese Entscheidungen nicht wirklich so getroffen worden, man könnte sie für die wirren Ideen eines durchgedrehten Kabarettisten halten.

Blüm hatte Recht: Die Rente ist sicher. Wir müssen nur aufhören, sie selber zu beschädigen.
K.M.



Samstag, 22. September 2012
Sieg der Radikalen?
Es ist schon erstaunlich, wie wenig es heute braucht, um die Welt in Aufruhr zu versetzen. Ein dilettantisch hergestellter und auf Youtube verbreiteter Film unter dem Titel "Innocence of Muslims" erhitzt momentan die Gemüter zahlreicher Moslems, weil sie ihre Religion und ihren Religionsfüher Mohammed darin verunglimpft sehen. Der Film wird von radikalen Evangelikalen wie dem Pfarrer und Islamhasser Terry Jones beworben und scheint seinen Ursprung in diesem radikal-religiösen Umfeld zu haben.

Wie soll die Gesellschaft nun auf diese gezielte Provokation einer ganzen Religionsgemeinschaft reagieren? Moslems protestieren weltweit gegen dieses Video - und nicht selten eskalieren die Proteste. Diesen Freitag starben bei solchen Protesten über 10 Menschen in Pakistan, hunderte wurden verletzt. Vor zehn Tagen war der US-Botschafter in Libyen von Demonstranten getötet worden.

Sollte man also den Film verbieten, damit nicht weiter Menschenleben gefährdet werden? Doch was wäre dann mit unserem Recht zur freien Meinungsäußerung? Das gilt auch dann, wenn die geäußerte Meinung ausgesprochen dämlich ist - so wie im Fall dieses Videos. Und es hat viele Jahrhunderte gedauert, bis die Menschen in der westlichen Welt die Menschenrechte wie ihr Recht zur freien Meinungsäußerung erkämpft hatten. Soll man diese mit einem Male aufgeben, so wie man schon zum Schutze der Menschen die Freiheit der Menschen nach den Anschlägen vom 9. September 2001 eingeschränkt hat? Sobald ein Radikaler hustet, zuckt der Staat zusammen und gibt die Menschenrechte Preis, die er doch bewahren soll?

Nein, das kann nicht die Lösung sein. Denn damit würden wir die unfreie Gesellschaft schaffen, die die radikalen Fanatiker sich wünschen, eine Gesellschaft, in der nur ihre Meinung gilt und alles andere ihrer Inquisition zum Opfer fällt.

Das mag nun pathetisch klingen, vielleicht sogar menschenverachtend eingedenkt des Leides, das die Opfer ertragen müssen: Aber beim Kampf für die Freiheit gab es immer Opfer und wird es immer Opfer geben. Und wenn wir diesen Kampf aufgeben, dann sind wir alle Opfer.

Die Radikalen müssen die Menschenrechte akzeptieren - und nicht wir ihre religiösen Dogmen, die Menschen zu Göttern erheben und andere Meinungen verdammen.
P.H.



Samstag, 15. September 2012
Monetäres Methadon
Schon seit geraumer Zeit können Drogensüchtige vom Staat Methadon bekommen. Ihre Sucht verlieren sie dadurch nicht, allerdings reduziert das Programm die Schäden, die mit gewöhnlicher Drogensucht verbunden sind, wie Beschaffungskriminalität oder die Übertragung von ansteckenden Krankheiten bei der gleichzeitigen Benutzung von Spritzen. Gerade bei Heroinabhängigen haben die staatlichen Methadon-Programme große Erfolge zu verzeichnen. Die Abhängigen können ihre Sucht leben, ohne der Gesellschaft zu schaden.

Seit einigen Jahren gibt es auf den Weltmärkten jedoch eine weitere Drogen, die die immense Schäden anrichtet: Billiges Geld. Das Monster hat seinerzeit der FED-Guru Alan Greenspan in die Welt gesetzt, der blind den Märkten vertraute und offensichtlich der Ansicht war, dass es nicht genug billiges Geld geben könnte - immerhin erreichten die FED-Zinsen unter seiner Ägide ungeahnte Minimalrekorde.

Der Ausgang der Geschichte ist bekannt: Dank des billigen Geldes des Drogenbarons Greenspan bildeten sich mehrere Blasen in der Wirtschaft wie der Internethype und die Hypothekenblase in den USA. Letztere wird allgemein für die aktuelle Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht, obwohl ihr Grund eher in den endlosen Spekulationen zu suchen ist, die die weltweiten Banken mit den Hypotheken ihrer Kunden anzettelten.

Wie auch immer, die Junkies des leichten Geldes wurden von den meisten Staaten als systemrelevant eingestuft, die Staaten verschuldeten sich, damit diese ihre Geschäfte weiterführen konnten und um die von ihnen in den Abgrund getriebene Wirtschaft am Leben zu halten. Aus der Hypothekenkrise wurde die Schuldenkrise der Staaten - und die Junkies und Drogenhändler waren wieder einmal aus dem Schneider und taten so, als ginge sie diese besondere Art der Beschaffungskriminalität nichts an.

Als Rettung gegen die Überflutung der Märkte mit leichtem Geld sehen die Politik und die Notenbanken ausgerechnet die Überflutung der Märkte mit leichtem Geld. So als würde der Drogensumpf austrocknen, wenn man ihn immer neu flutet. Anfangs waren vor allem die Notenbanken der USA und Großbritanniens hier aktiv, seit neustem mischt auch die EZB bei der Drogenausgabe kräftig mit. Der deutsche Bundesbankpräsident Weidmann warnt zwar davor, "dass Notenbank-Finanzierung süchtig machen kann wie eine Droge" (so in einem Spiegel-Interview), doch welcher Süchtiger ist schon rationalen Argumenten zugänglich?

Viel lieber beschafft man immer mehr Drogen - und freut sich dann auch, als das Bundesverfassungsgericht die Drogenbeschaffung über den europäischen Stabilitätspakt nicht behinderte. Der Drogen und Aktienindex DAX schoß nach der positiven Entscheidung des Gerichts zumindest deutlich in die Höhe.

Die Finanzwirtschaft lebt auf Droge. Und schadet damit der Realwirtschaft und unserer Gesellschaft.

Da können wir nur hoffen, dass wir bald ein monetäres Methadon finden, um die Schäden für unsere Gesellschaft zu reduzieren.
J.E.



Sonntag, 9. September 2012
Unsere demente Regierung
Bei einer Demenz, so lehrt uns Wikipedia, ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Demente Personen können sich nicht mehr an das erinnern, was sie in den letzten Wochen, Monaten oder Jahren getan oder erlebt haben, obwohl ihnen Erinnerungen aus ihrer Jugend noch gut präsent sind.

Nun hat unsere Sozial- und Arbeitsministerin, Ursula von der Leyen, eine Entdeckung gemacht, die an der intellektuellen Leistungsfähigkeit unserer Regierung zweifeln lässt. Dass Bundearbeitsministerium hat nämlich berechnet, dass selbst Normalverdiener mit einem Gehalt von 2500 Euro im Monat mit Altersarmut rechnen müssen, weil die staatliche Rente im Jahr 2030 viel zu gering sei. Große Verwunderung bei der Politik. Sollte die staatliche verordnete Rentenkürzung tatsächlich dazu führen, dass die Rentner weniger Geld im Portemonnaie haben?

Kleine Rückblende: In selten gesehener Eintracht haben die rotgrüne Bundesregierung in einer großen Koalition mit der schwarzgelben Opposition Anfang der 2000er Jahre das Rentensystem umgestellt. Das staatliche Rentenniveau soll von heute etwa 51% des Nettolohns auf 43% des Nettolohns im Jahr 2030 sinken. Begründet wurde dies damit, dass man der jungen Generation nicht zumuten könne, im Umlageverfahren immer größere Anteile ihres Einkommens in die Rentenkasse einzahlen zu müssen. Stattdessen sollten sich die Menschen, und auch die jüngere Generation, lieber privat versichern und ihr eigenes Vermögen ansparen.

Das klingt ja erste einmal vernünftig. Nur: Die Armen haben kaum genug zum Leben - und sicher nicht genug, um ein Vermögen fürs Alter anzusparen. Bei ihnen wird nur gekürzt. Auch teilten sich früher Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Kosten für die Rente - nun zahlt der Arbeitnehmer allein. Die Rentenreform stürzte die Armen in bittere Armut und hatte nur für Arbeitgeber und Versicherungen Vorteile. Mit dieser Reform hat die rotgrüne Koalition die Konservativen rechts überholt - weshalb diese der Reform wohl auch so problemlos zugestimmt haben. Und nun wundern sie sich, was sie da beschlossen haben.

Gibt es irgendwo ein nettes Pflegeheim, wo man unsere dementen Politiker pflegen lassen kann - bevor sie weiteren Schaden anrichten können?
J.E.



Samstag, 25. August 2012
Wir retten die Wirtschaft
Waren das nicht hehre Worte nach der Bankenkrise? Mit riesigen Geldmengen im im Milliardenbereich sollte die Wirtschaft der von der Finanzkrise betroffenen Länder gerettet werden. Der damalige US-Finanzminister Paulson machte damals zur Rettung der amerikanischen Wirtschaft im ersten Schritt sogar sagenhaft 700 Milliarden US-Dollar flüssig.

Damit die Wirtschaft wieder in Schwung kam, brauchte es Geld von den Banken, also wurden die Hilfsmittel im wesentlichen den Banken zur Verfügung gestellt, die sonst aufgrund ihrer grenzenlosen Zockerei der Reihe nach insolvent gegangen wären. Die einzelnen Hypothekennehmer, die die Krise ebenfalls in die Privatinsolvenz und Armut stieß, wurden mit ihrem Schicksal allein gelassen. Denen wollte der US-Finanzminister nicht helfen. Und so, wie die USA es vormachten, taten es alle Länder der Welt.

Alle Länder der Welt? Nein, ein besonders hart von der Finanzkrise getroffenes Land im nördlichen Atlantik verfolgte die genau entgegengesetzte Taktik . In Island ließ der Staat die Banken pleite gehen oder übernahm sie, damit die Geldversorgung der Bevölkerung gesichert war. Gleichzeitig wurde die Staatsanwaltschaft gegen die Banker aktiv, mehr als hundert Verfahren laufen in dem kleinen Land, das selber kaum mehr als 300.000 Einwohner hat - und man half den Hypothekennehmern, damit diese ihre Kredite weiter bezahlen konnten.

Und was sind die Folgen, dieses unerhörten Vorgehens? Während die US-Wirtschaft wohl nur mit mageren 1,5 Prozent in diesem Jahr wachsen und die Eurozone sogar nur stagnieren wird, wächst die Wirtschaft in Island um satte 4 Prozent.

Wie kann das sein, wo doch die USA und die Länder der Eurozone so viel Geld in die Wirtschaft investiert hat? Vielleicht, weil die Wirtschaft einfach nichts produziert, wenn es keine Kunden gibt, die die Waren erwerben könnten?

Und so steckt die Wirtschaft, und hier im konkreten die Finanzwirtschaft, das Geld lieber in Spekulationen mit Rohstoffen und Aktien - während die Wirtschaft real weiter vor sich hin siecht. Vielleicht hatte Keynes doch nicht so ganz unrecht, als er meinte, man kann eine Wirtschaft nur dann wieder in Schwung bringen, wenn man die Nachfrage in Schwung bringt.

Aber Keynes ist für unsere neoliberalen Politikern, die sich fast nur von den Wölfen der Finanzwelt beraten lassen, natürlich ein rotes Tuch. Und so retten wir weniger die Wirtschaft - als vielmehr die Konte der Spekulaten.
J.E.



Freitag, 3. August 2012
Die Kirche ist nicht von dieser Welt
Die Satirezeitschrift "Titanic" hatte im Juli ein durchaus fragwürdiges Cover zum sogenannten "Vatileaks"-Skandal, bei dem immer wieder vertrauliche Informationen aus der näheren Umgebung des Papstes an die Öffentlichkeit gelangt waren. Unter dem Titel "Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden" hatte die Titanic ein Bild vom Papst mit einem gelben Fleck im Schritt gezeigt. Das Landgericht Hamburg sah eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Papstes und verbot die Verbreitung der Zeitschrift.

Zeitnah forderte nun der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ein Blasphemie-Verbot in Deutschland. "Wer die Seele der Gläubigen mit Spott und Hohn verletzt, der muss in die Schranken gewiesen und gegebenenfalls auch bestraft werden", sagte der Bischof. Ein Sprecher des Bischofs teilte zwar mit, dass dies nichts mit dem Titanic-Cover zu tun habe - obwohl es doch so gut zu diesem Thema passt...

Jede öffentliche Person, jeder Star und jeder Politiker muss sich Kritik an seiner Person gefallen lassen. Nur die Kirche beruft sich auf die "Seele der Gläubigen" und möchte von diesen demokratischen Rechten der freien Meinungsäußerung verschont bleiben und will sich außerhalb einer demokratischen Rechtsordnung stellen.

Es ist, wir erinnern uns, dieselbe Kirche, die mit Hexenverfolgung und Inquisition auch nicht mit den Menschenrechten belästigt werden wollte; es ist dieselbe Kirche, die sich gut mit Diktaturen wie die Pinochets oder Hitlers arrangiert hat; es ist dieselbe Kirche, die soziale Gerechtigkeit predigt und zugleich Niedriglöhne bezahlt, die "schlimmer als Lidl" sind; es ist dieselbe Kirche, die von ihren Mitarbeitern die Einhaltung religiöser Gesetze fordert, obwohl der Staat ihnen mehr Freiheiten zugesteht - und sich die Freiheit nimmt, die Mitarbeiter zu feuern, sollten diese sich mehr Freiheiten herausnehmen; es ist dieselbe Kirche, die mit dem Vatikan den letzten noch verbliebenen abolutistisch regierten Staat in Europa betreibt. Kurz, es ist dieselbe Kirche, die in ihrer langen Geschichte gezeigt hat, dass sie mit demokratischen Errungenschaften auf dem Kriegsfuß lebt.

Wie Welt hat sich geändert, doch die Kirche lebt noch immer im Mittelalter. Da ist es nur folgerichtig, dass sie auch nicht mit einer derartigen Lappalie wie dem Recht auf freie Meinungsäußerung belästigt werden will.

Die Kirche ist eben nicht von dieser Welt.
P.H.



Samstag, 21. Juli 2012
Die Volkskammer der BRD
In dieser Woche hat die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete der CDU Vera Lengsfeld für einen kleinen Eklat gesorgt, als sie den deutschen Bundestag mit der Volkskammer der DDR verglichen hat, die ja nur pro Forma existierte, um die Vorlagen des Politbüros abzunicken. Besonders kritisch sah sie die Abstimmungen zum Rettungsschirm und der Bankenrettung in Spanien. Gerade im letzten Fall waren die Abgeordneten aus dem Urlaub zurückgeholt worden, um die Hilfe zu genehmigen. Wer glaubt wirklich, dass sich ein Abgeordneter am Strand die dazugehörigen Vereinbarungen genau durchgelesen hat, damit er nun im Bundestag an der richtigen Stelle die Hand heben konnte?

Ähnlich verwunderlich registriert man als Bürger die Posse um das neue Meldegesetz, das mit einer rekordverdächtig langen Aussprache von 57 Sekunden verabschiedet wurde - und den Meldeämter die Möglichkeit gibt, die Adressen der Bürger zu verkaufen, falls diese nicht explizit Widerspruch dagegen einlegen. Später erst merkte man, dass man damit den Staat zum Adresshändler machte, und der größte Kritiker der christlich-liberalen Union, der bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer, ließ verlautbaren, dass hier ein "dicker Fehler" passiert sei und man das Gesetz im Bundesrat stoppen werde.

Es scheint, als wüssten unsere Abgeordneten nur selten, worüber sie da eigentlich abstimmen, wenn sie doch mal im Parlament auftauchen. Das musste auch das ARD-Magazin Panorama feststellen, als es im September 2011 nach der Entscheidung des Bundestages über die Aufstockung des europäischen Rettungsschirms eine Umfrage unter den Abgeordneten durchführte, und sich erkundigte, wie groß denn der Anteil Deutschlands an diesem Rettungsschirms sei. Nur wenige konnten diese Frage tatsächlich beantworten.

Aber kann man deshalb sagen, der Bundestag sei wie die Volkskammer der verblichenen DDR? Immerhin gibt es einen wichtigen Unterschied: Wir dürfen die Deppen, die uns vertreten, frei wählen.

Wenn die dann mal nicht eine würdige Vertretung für uns sind...
K.M.



Samstag, 7. Juli 2012
Pflege für die Versicherungswirtschaft
Ende Juni konnte die FDP einen kleinen Sieg im Bundestag feiern. Ihr Gesundheitsminister Daniel Bahr brachte seine Pflegereform durch den Bundestag. Und man kann wirklich sagen, dass es eine Pflegereform der FDP ist.

Die Reform sieht zahlreiche Verbesserungen für Leistungsempfänger vor, so soll die ambulante Versorgung und Betreuung von Demenzkranken verbessert werden und die Angehörigen erhalten mehr Geld, wenn sie demente Verwandte zu Hause pflegen. Zwar steigt wegen der höheren Kosten der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,1%, aber die Steuersenkungspartei FDP konnte damit ganz gut leben, denn die Reform sieht noch eine weitere wichtige Änderung vor.

Diese Änderung hatte die FDP der Union in einem harten Streit um die Einführung des Betreuungsgeldes abgerungen. Die FDP hatte sich nur bereit erklärt, das Betreuungsgeld zu unterstützen, wenn die Union im Gegenzug dem Aufbau einer privaten Pflegeversicherung nach dem Vorbild der Riester-Rente zustimmt. Und so sieht das Gesetz nur Pflegeversicherung nun vor, dass private Versicherungen mit fünf Euro pro Monat bezusschusst werden. Viel ist das nicht, aber nun wurde nach der Rente auch die Pflege um eine neue, private Säule erweitert.

Rufen wir uns noch einmal die Erfolge der Riester-Rente ins Gedächtnis: Der Staat hatte die Leistungen der staatlichen Rentenversicherung gekürzt, und dann die Bürger aufgefordert, eine private Rente abzuschließen. Um dies zu fördern, so die Idee des damaligen Arbeits- und Sozialministers Walter Riester, bezuschusste der Staat diese private Rente. Die Rechnung sieht nun so aus, dass der Staat in den ersten zehn Jahren etwa 8,2 Milliarden Euro an Zuschuss ausgeschüttet hat - und die Versicherungswirtschaft gut 6 Milliarden Euro an Provisionen und Verwaltungsgebühren kassiert hat. Der staatliche Zuschuss für die Riester-Rente ist nichts weiter als eine Subvention die Versicherungswirtschaft. Nur wird sie über den Bürger umgeleitet.

Nun gibt es also auch eine Riester-Pflege. Es besteht wohl kein Zweifel daran, wem diese Einrichtung letztlich dienen soll. Schließlich rekrutiert die FDP hier ihre Wähler. Und der privaten Krankenversicherung geht es schon lange nicht mehr so gut, wie noch vor Jahren. Da kommt ihr eine Riester-Pflege sicher gerade recht.

Aber dem Bürger kann man das auch noch als Wohltat in seinem Sinne verkaufen...
P.H.