Glasnost bei der katholischen Kirche
Was waren das für Zeiten, als Mitte der 1980er Jahre mit Michail Gorbatschow ein Chef in den Kreml einzog, der praktisch von einen Tag auf den anderen mit alten Traditionen brach und ansprach, was die Bewohner des sowjetischen Riesenreichs trotz aller Propaganda schon längst wussten: Dass im kommunistischen Arbeiter- und Bauernparadies eben nicht alles so paradiesisch war, wie man sich das gerne gewünscht hätte. Doch den Mut zu haben, dies auch auszusprechen und für mehr Offenheit (Glasnost) und einen Umbau der Gesellschaft (Perestroika) einzutreten, brauchte in den verkrusteten Strukturen der Sowjetunion eine gehörige Portion Mut.
Diesen Mut braucht man im Westen eigentlich nicht. Hier leben wir in einer Demokratie, und es gilt die Meinungsfreiheit. Im ganzen Westen? Nein. Denn der Westen ist auf allen Ebenen von einer absolutistischen Diktatur durchwandert, die heute noch so agiert, wie vor Hunderten von Jahren, so als hätte es die Zeit der Aufklärung und der Demokratisierung nie gegeben.
Diese Diktatur, die katholische Kirche, fiel vor einigen Jahren vor allem dadurch auf, dass weltweit fast täglich Fälle bekannt wurden, in denen
kirchliche Amtsträger Kinder missbraucht hatten - und die Kirchenführung schaute weg oder half sogar mit, die Verbrechen zu vertuschen. Zwischenzeitlich gewann man den Eindruck, dass katholische Priester vor allem deshalb kein Problem mit dem Zölibat haben, weil sie sich ohnehin viel lieber mit kleinen Jungen vergnügen. Allein im
Bistum München Freising ergab eine Untersuchung Hinweise darauf, dass 159 Priester und 96 Religionslehrer Schutzbefohlene missbraucht hatten - und viele Personalakten waren inzwischen aus dem Archiv verschwunden oder lagen nur noch unvollständig vor.
Eine wissenschaftliche Studie sollte nun die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche untersuchen. Doch die Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachen wurde diese Woche
mit einem großen Knall beendet. Die Kirche spricht von einem zerrütteten Vertrauensverhältnis, der Institutsleiter, Christian Pfeiffer, wirft der Kirche vor, dass sie die Forschungsergebnisse zensieren wollte.
Vielleicht wird die Kirche noch eine neue Studie starten, die dann jedoch den Beigeschmack eines Gefälligkeitsgutachten haben wird; vielleicht wird das niedersächsische Institut das Gutachten ohne Unterstützung der Kirche weiterführen - doch wie tiefgehend kann es dann sein? Eine umfassende Aufklärung ist nun nicht mehr möglich. Aber das, so wird gemutmaßt, sei genau im
Sinne konservativer Kräfte.
Die Kirche ist eben noch nicht bereit für ein Glasnost. Vielleicht liegt dies ja auch daran, dass die Sowjets wussten, dass ihr Handeln auf menschlichen Regeln beruht, weshalb es fehlerhaft sein konnte, während die Kirche sich ja in all ihrem Tun auf ein allmächtiges Wesen beruft. Wie soll man sich da irren können?
P.H.
red horse am 12. Januar 13
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Schlussverkauf
Das Jahr geht zu Ende, und nachdem man vor den Feiertagen noch versucht hatte, möglichst viel an den kaufwilligen Kunden zu verdienen, gehen nun auch die Preise nach unten. Die Geschäfte möchten die Läger leerräumen, alles, was selbst verzweifelte Letzte-Minute-Geschenkekäufer nicht mitgenommen haben, soll nun verramscht werden.
In dieser besinnlichen Zeit meldet sich auch unser Bundeswirtschaftsminister, Philipp Rösler, mit einem
Positionspapier zu Wort. In diesem schlägt Herr Rösler vor, dass der Bund seine Beteiligungen an Unternehmen wie der Bahn, der KfW-Förderbank, der Telekom oder der Deutschen Post verkaufen solle. Ziel dieser Verkaufsaktion soll sein, den ausgeglichenen Bundeshaushalt nicht erst 2016, sondern schon früher zu erreichen.
Nur: Wenn der Bund heute seine Beteiligung an Unternehmen verkauft, dann fehlen ihm in Zukunft die Einnahmen aus den Gewinnen dieser Unternehmen. Auch wenn man dank der Verkaufserlöse in einem Jahr einen ausgeglichenen Haushalt erreichen kann - in den folgenden Jahren wird dieses Ziel nur umso schwerer zu erreichen sein.
Nach der aktuellen Gesetzeslage ist das aber auch kein Problem: Der Staat darf keine Schulden mehr machen, und wenn er weniger Geld einnimmt, dann soll er halt weniger ausgeben, kurz: Er soll sich zurückziehen. Röslers Plan, die Bundesbeteiligungen zu verkaufen, ist nur ein weiteres Mosaiksteinchen in dem Plan der FDP, den Staat zu entmachten. Er soll sich aus dem Leben der Menschen und ganz besonders aus der Wirtschaft zurückziehen. Der Markt werde schon alles richten, schließlich lenkt ihn eine "unsichtbare Hand", wie Adam Smith dies beschrieb. Der Markt ist unerreichbar effektiv.
Das dies nur
ein Mythos ist, wissen alle, die sich mit dem "effektiven" Markt beschäftigt haben. Sich selbst überlassen muss ein Markt versagen, da er in Anarchie versinkt. Die Privatisierung von Staatsunternehmen mag wie ein Königsweg erscheinen, um die Versorgung der Bürger zu verbessern, doch er endet in einem Durcheinander, in der die meisten mehr zahlen, und nur einige wenige kassieren. Deshalb kauft auch
Neuseeland, das bis in die 1990er Jahre fleißiger als alle anderen Länder der Erde seine Staatsbetriebe privatisiert hat, diese nun nach und nach wieder zurück. Denn überlässt der Staat der Privatwirtschaft das Feld, dann stirbt die Gemeinschaft.
Die FDP hängt jedoch immer noch dem Märchen vom effektiven Markt an, schließlich profitiert von den Privatisierungen ihre Klientel, die richtig Reichen; denn ist der Staat erst einmal geschwächt, dann hindert niemand sie daran, immense Reichtümer anzuhäufen. Was mit dem Rest der Bevölkerung geschieht, ist dieser Klientelpartei völlig schnuppe. Sie bietet den Staat im Schlussverkauf an und verramscht ihn wie kalten Kaffee.
Da kann man nur hoffen, dass die nächste Bundestagswahl eher das Aus für die FDP als für unseren Staat bedeutet.
J.E.
red horse am 28. Dezember 12
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Selbstmordgefährdet
Nun war es doch nichts mit dem Weltuntergang, den einige für den 21.12.2012 vorhergesagt hatten - nur weil ein uralter
Maya-Kalender an diesem Tag endete. Dabei schien der
Amoklauf von Newtown mit seinen 27 Opfern vor einer Woche doch so ein schöner Auftakt für das Armageddon.
Der Mensch scheint eine Sucht nach dem Ende zu haben. Titel, die uns vor einem neuen Kometenschauer und dem Ende der Welt warnen, verkaufen sich wunderbar. Und wenn schon nicht die Welt untergeht, so schien man in diesem Jahr zumindest darauf zu warten, dass der Euro aufgibt und Europa ins Chaos fällt. Doch nun werten die ersten Rating-Agenturen sogar
Griechenland wieder auf, das uns doch so ein vielversprechender Kandidat dafür war, dem Euro den Todesstoß zu versetzen.
Man kann sich auf nichts mehr verlassen; alles muss man selber machen. Und so schafft es der Mensch, zu jederzeit irgendwo auf der Welt einen Krieg zu führen. Zwar ging die Zahl der
Kriege 2012 auf 34 zurück (von 37 im Jahr 2011), doch vielleicht auch nur deshalb, weil der Mensch glaubte, die Welt würde es Ende 2012 sowieso nicht mehr geben, da brauche er sich selber nicht mehr so anzustrengen. Allerdings motivierte ihn das nahe Ende auch nicht so stark, dass er wirklich überzeugende Entschlüsse gegen den Klimawandel traf. Die
Klimakonferenz in Doha jedenfalls verkam zur Tragödie.
Doch jetzt beginnt die Weihnachtszeit, da sollten wir solche trüben Gedanken vergessen. Nun feiern wir die Geburt des Heilands, der der Welt Friede, Brüderlichkeit und Toleranz bringen wollte.
Vielleicht haben ihn die Menschen auch gerade deswegen umgebracht.
P.H.
red horse am 22. Dezember 12
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Zieh, Django!
Eine Kleinstadt in Amerika - und nicht nur sie - steht unter Schock. Ein Amokschütze hat insgesamt
27 Menschen umgebracht, 20 von ihnen waren Kinder. Noch ist es unfassbar, wie so etwas geschehen konnte, noch fragt man sich, was im Gehirn eines Menschen vorgehen muss, der zu so einer Grausamkeit fähig ist. Dabei vergisst man eines: Die Opferzahl mag ungewöhnlich hoch sein, doch die zugrunde liegende menschliche Brutalität scheint zumindest in den USA etwas ganz normales zu sein.
In Europa wundern wir uns immer, dass die Amerikaner so einfach an Schusswaffen kommen. Diese gibt es dort ganz offen im Supermarkt, und werden nicht wie bei uns in kleinen Läden versteckt, so als handele es sich um pornographisches Material. Selbst kleinste Kinder werden in den USA schon an Waffen trainiert. Und so wundert es nicht, dass allein in den USA jährlich
30.000 Menschen an Schussverletzungen sterben. In Deutschland waren es gerade einmal
1.200 Tote. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung sterben in Deutschland nur 1/8 so viele Menschen durch Schussverletzungen wie in den USA.
Doch die Zahl der Waffen allein kann dies nicht erklären. Im Jahr 2010 wurden
814 Menschen in Deutschland ermordet. Fast so viele Menschen wurden im selben Jahr in
jeder amerikanischen Großstadt ermordet: In New York gab es 471 Morde, in Los Angeles 458 und in Chicago 312. Wobei sich das FBI über diese Zahlen freute - vor zwanzig Jahren waren die Mordraten noch etwa doppelt so hoch.
So verwundert es nicht, dass die amerikanischen Gefängnisse überfüllt sind. In den USA sitzt knapp
ein Prozent der Erwachsenen im Gefängnis. In Deutschland sitzen nur etwa
ein Promille der Erwachsenen im Gefängnis.
Das Problem der USA sind weniger die vielen Waffen, an die man ohne größere Probleme kommen kann, als eine tendenziell größere Brutalität der Bürger. Vielleicht muss man so werden, wenn man als Einzelkämpfer seines Glückes Schmied ist und ohne staatliche Solidarität mit dem Leben kämpft. Was auch immer der Grund ist: Auch wenn die USA die Waffengesetze verschärfen sollten, wird es erst dann weniger Tote geben, wenn das Land auch zu einem menschlicheren Miteinander findet.
P.H.
red horse am 16. Dezember 12
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Heiße Luft
Blickt man gerade in München aus dem Fenster, dann mag man es nicht glauben: Doch die aktuelle Kältewelle und der zuckerweiße Schnee, die die Stadt im Griff hatben, können nicht verbergen, dass die Erde immer wärmer wird. Aus diesem Grunde hatten die Industrieländer sich auf dem
Umweltgipfel von Kyoto im Jahr 1997 auch darauf geeinigt, den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren. Gut, die USA als damals größter CO2-Emittent waren dem Protokoll nie beigetreten, aber viele andere Länder wollten mitmachen.
Doch von diesen Ländern haben sich viele nicht an die ausgemachten Ziele gehalten. Allein Deutschland, Großbritannien, Rumänien, Tschechien und Belgien
erreichten oder übertrafen ihre Ziele, andere Länder wie Russland oder die Ukraine profitierten von einer zusammengebrochenen Wirtschaft, um ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, doch unter dem Strich wuchs der weltweite CO2-Ausstoß, als hätte es das Kyoto-Protokoll nie gegeben. Und ebenso wuchs die d
durchschnittliche Erdtemperatur, als hätte die Menschheit rein gar nichts unternommen, sondern sich nur unbeteiligt im Sessel zurückgelehnt.
Und nun sitzt die Menschheit in Doha zusammen, und versucht, sich neue Ziele für die CO2-Reduktion zu geben. Doch der Gipfel steht
vor dem Scheitern, vor allem, weil die reichen Länder den armen Ländern nicht beim bei der Umstellung auf eine ökologische Wirtschaft helfen wollen.
Sollte er scheitern: Wäre das wirklich so schlimm? Gut, man wird sich von den nachfolgenden Generationen vorhalten lassen müssen, man hätte nichts unternommen, als zumindest noch etwas Zeit gewesen sei. Aber werden uns die nachfolgenden Generationen wirklich Vorwürfe machen? Vielleicht gefällt es ihnen, dass in Berlin und Boston das Klima wärmer geworden ist und Texas zur Wüste wurde. Denn mal ehrlich: Was kam schon Gutes aus Texas?
Und sollte die Konferenz doch zu einem Ergebnis kommen und die Länder der Erde sich auf Ziele einigen: Wäre der Kampf gegen die Erderwärmung dann gewonnen? Das Kyoto-Protokoll hat uns gezeigt, dass solche Vereinbarungen nicht das Papier wert sind, auf dem sie niedergeschrieben wurden.
Die Konferenzteilnehmer, so scheint es, erzeugen auf ihren Tagungen mehr heiße Luft, als sie nachher zu verhindern suchen. Sollen sie doch zu Hause bleiben und sollen die Dinge doch ihren Lauf nehmen. Wer sagt denn, dass der Mensch das nächste Jahrtausend erleben muss? Die Erde wird es dann auch ohne uns noch geben.
K.M.
red horse am 08. Dezember 12
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Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt
In diesen Tagen gehen zwei Meldungen durch die Presse, die uns mal wieder zweifeln lassen, ob wir in einem fortschrittlichen und aufgeklärten Land leben - oder doch eher in einer Bananenrepublik, wo Recht und Gesetz ganz im Auge des Betrachters liegen.
Da gab es vor einigen Monaten einen Entwurf zum neuen Armutsbericht der Bundesregierung, der sich recht kritisch mit der Tatsache auseinandersetzte, dass die Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind und die Einkommen zwischen den Reichen und dem Rest der Bevölkerung immer weiter auseinander gehen - vor allem deshalb, weil die Reichen immer reicher werden, während die Einkommen der anderen Arbeitnehmer stagnieren. Dieser Entwurf wurde nun unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums (Philipp Rösler, FDP) überarbeitet, und diese
kritischen Passagen wurden entfernt. Nun ist von einer aufgehenden Schere zwischen arm und reich nicht länger die Rede. Nachher käme noch jemand darauf, dass die Reichen etwas von ihrem Reichtum abgeben sollen, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Das kann die FDP natürlich unmöglich zulassen.
Doch diese Streichungen waren keine Willkürentscheidung, wie der Bundeswirtschaftsminister in einem
Interview mit dem ARD/ZDF-Morgenmagazin erklärte. Sondern vielmehr sei es so, dass es heute viel mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftige gibt als noch vor Jahren, die Aussage des Berichts sei deshalb nicht korrekt gewesen.
Das stimmt auch. Nur verdienen die meisten einen Hungerlohn, weil der Niedriglohnsektor konsequent ausgebaut wurde. Die Tatsache, dass heute mehr Leute beschäftigt sind, ist kein Widerspruch zur Behauptung, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander geht. Aber das scheint Herrn Rösler und den Rest unserer Bundesregierung nicht zu stören. Sie leben halt nach dem Pipi Langstrumpf-Motto: "Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt."
Ähnlich ging die Politik und Justiz wohl auch im Fall Gustl Mollath vor. In einem schmutzigen Scheidungskrieg mit seiner früheren Frau hat Herr Mollath Anzeige gegen sie und ihren damaligen Arbeitgeber, die Hypo-Vereinsbank, wegen Schwarzgeldgeschäften gestellt. Dies erschien dem zuständigen Richter und einem Gutachter so absurd, dass Herr Mollath wegen
paranoider Wahnvorstellungen um einen Schwarzgeldkomplex vor sieben Jahren in die Psychatrie eingewiesen wurde. Und weil sich der Wahn nicht besserte, sitzt er da heute noch.
Erst als die Presse sich der Sache annahm und ein interner Revisionsbericht der Bank publik wurde, der Mollaths Behauptungen bestätigte, wurde der Druck auf die auch schon damals tätige Justizministerin Beate Merk (CSU) so groß, dass sie nun die
Staatsanwaltschaft Nürnberg anwies, den Fall neu aufzurollen. Zwar waren Frau Merk die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Fall Mollath und der interne Bericht der Bank schon seit geraumer Zeit bekannt. Doch erst der massive öffentliche Druck hatte sie dazu bringen können, ihre ganz eigene Weltsicht der Realität anzupassen.
So unterhaltsam Pippi Langstrumpf mit ihrem Versuch ist, sich die Welt nach ihrer Vorstellung einzurichten - vielleicht sollte man angehende Politiker davon abhalten, diese Sendung zu sehen. Offensichtlich richtet sie bei diesen charakterlich nicht sonderlich gefestigten Menschen viel Schaden an.
K.M.
red horse am 30. November 12
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Der Selbstmord der privaten Altersvorsorge
Es ist ein Dauerbrenner: Die Rente in Deutschland. Konnte Norbert Blüm noch verkünden: "Die Rente ist sicher", so glaubt dies heute keiner mehr. Doch dies liegt weniger daran, dass Norbert Blüm in den 1980er Jahren Unsinn erzählt hat, sondern vielmehr daran, dass die Politik sich in den letzten zwei Jahrzehnten große Mühe gegeben hat, die Rente zu zerstören.
Einen Meilenstein dazu hat die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder gelegt, als sie beschloss, das Rentenniveau auf unter 50% des durchschnittlichen Nettoverdienstes zu senken. Ziel war es, einen Anstieg des Rentenbeitrags zu verhindern, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen. Stattdessen sollten die Arbeitnehmer sich privat absichern - denn daran müssen sich die Arbeitgeber ja nicht beteiligen. Die
Riester-Rente war geboren - und Lebensversicherungen wurden wieder attraktiver.
Doch die Umwandlung des umlagefinanzierten Rentensystems, bei dem die Beiträge der Arbeitnehmer direkt in den Taschen der Rentner wandern, die davon ihren Lebensunterhalt bestreiten, in ein kapitalgedecktes Rentensystem brachte neue Probleme mit sich: Auf einmal wurde das von den Arbeitnehmern angesparte Geld nicht mehr von den Rentnern für den Konsum ausgegeben, sondern es verschwand in riesigen Pensionsfonds, die weltweit nach Anlagemöglichkeiten suchen. Doch so, wie eine Ware, die es im Überfluss gibt, billiger wird, so wird auch Geld, das es im Überfluss gibt, billiger. Der Preis des Geldes sind die Zinsen. Und diese sanken in den letzten Jahren ins Bodenlose. Dieser Effekt wurde durch die Finanzkrise (auch hier suchten riesige Geldmengen nach Anlagemöglichkeiten und fanden sie in wertlosen Hypothekenderivaten) noch verstärkt.
Nur: Was erwirtschaftet eine Rentenversicherung, wenn die Zinsen ins Bodenlose stürzen? Richtig: Kaum noch Überschüsse. Und so sanken die
Garantiezinsen der Lebensversicherungen von 4% im Jahre 1994 auf heute 1,75%. Doch auch wenn der Garantiezins heute schon niedriger ist als die Inflationsrate (auch bei der Riester-Rente wird ja nur garantiert, dass das eingezahlte Geld wieder ausgezahlt wird - der Garantiezins beträgt also 0%) - und das angesparte Geld somit jedes Jahr weniger wert wird - besteht immer noch die Gefahr, dass viele Rentenversicherungen, die heute die hohen Garantiezinsen der Vergangenheit erwirtschaften müssen, in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen. Deshalb hat
der Staat den Versicherungsunternehmen erst erlaubt, eine Zinszusatzreserve zu bilden - und nun erlaubt er den Versicherern auch noch, die Bewertungsreserven nicht an an die Versicherten ausschütten zu müssen. Unter dem Strich bedeutet das weniger Geld für die Versicherten.
Mit diesen Maßnahmen kann die private Altersvorsorge zwar noch etwas länger überleben. Doch am Ergebnis führt kein Weg vorbei: Eine erfolgreiche private Altersvorsorge schaufelt so viel Geld in den Kapitalmarkt, dass die Renditen unter die Inflationsrate sinken. Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge sorgt nur dafür, dass das angesparte Kapital langsam wegschmilzt.
Die private Altersversorgung begeht Selbstmord auf Raten. Da bis zu ihrem Tod einige Konzerne jedoch einen großen Reibach machen, wird die Politik wohl weiterhin die private Altersvorsorge bewerben. Denn wer Geld hat, bestimmt die Regeln - und die Bürger sind die Dummen.
J.E.
red horse am 17. November 12
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Die Scharia in Deutschland
Der Islam ist das schwarze Schaf der monotheistischen Religionen - zumindest wenn man vielen Konservativen glauben kann. Er ist eine Brutstätte von Terror und Gewalt, und ganz besonders muss man das islamische Recht, die Scharia, fürchten, schließlich hat dieses Recht rein gar nichts mit dem Recht zu tun, wie es eine demokratische Gesellschaft lebt.
Bei dieser Kritik an dem Islam vergisst man nur allzu gerne, dass es in Deutschland weite Bereiche der Gesellschaft gibt, in denen das staatliche, demokratische Recht ausgeklammert ist, und allein das Recht der Kirche gilt. Nämlich immer dort, wo auch nur im Entferntesten eine kirchliche Organisation als Arbeitgeber auftritt. Hier gilt plötzlich nicht mehr das Rechtssystem des Staates, sondern allein die Rechtsordnung der Kirche.
Dabei beruft sich die Kirche auf den
Artikel 140 des Grundgesetzes, der aus der Weimarer Verfassung übernommen wurde. Darin heißt es: "Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde." Diese Selbstverwaltung sieht zwar vor, dass die Kirche sich im Rahmen des demokratischen Rechts bewegen soll, doch oft genug ignoriert sie dies einfach mal und beruft sich allein darauf, dass sie ihre Angelegenheiten selbständig verwalten kann. Und der Staat lässt sie gewähren.
So gibt es zwar eine Antidiskriminierungsregelung in der EU, nach der kein Bürger wegen seiner religiösen und politischen Ansichten diskriminiert werden darf, doch
die Kirche hält sich nicht daran und stellt keine Menschen ein, die nicht ihrem Glauben anhängen, oder feuert sogar Menschen, die einen Lebenswandel führen, der den strengen Augen der kirchlichen Sittenwächter nicht genügt. Die Kirche macht sich ihr eigenes Recht - und pfeift auf das geltende staatliche Recht.
Unterstützung findet sie hierbei vor allem bei Politikern der Union, wie ein Beitrag des
ARD-Magazins Panorama zeigte. Wie sagte doch die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion, Maria Flachsbarth: "Kirchen und Religionsgemeinschaften bestimmen selber darüber, selbstverantwortlich darüber, wie sie mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen." Deutlicher kann man nicht eingestehen, dass der Staat den Kirchen einen rechtsfreien Raum zugesteht.
Und hier schließt sich der Kreis und erklärt sich, wieso die Konservativen eine so große Angst vor dem Islam haben. Denn wenn die christlichen Kirchen ihr eigenes Recht, ihre eigene "Scharia" leben können, wieso dann nicht auch der Islam? Aber das ginge dann wohl doch etwas zu weit - und kann auch nicht gestattet werden, da ja nur die christliche Kirche die einzige Wahrheit verkündet.
Vielleicht sollten sich auch konservative, christliche Kreise endlich daran gewöhnen, dass wir in Deutschland in einem Rechtsstaat leben - und nicht in einem Kirchenstaat.
P.H.
red horse am 10. November 12
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Stiefkind Islamismus
Die Auer Dult im Herzen von München bot auch dieses Mal ein breites Angebot an Antiquitäten, Kurzwaren, Schmankerln und weiteren interessanten Dingen. Doch dieses Jahr gab eines eine weitere Attraktion: Die Besucher der Auer Dult wurden von Mitgliedern der Partei "Die Freiheit" aufgefordert, eine
Petition gegen ein geplantes Zentrum für Islam in Europa (Ziem) zu unterschreiben, das doch tatsächlich im Zentrum Münchens errichtet werden soll. Damit befände es sich in guter Nachbarschaft mit der christlichen Frauenkirche und des jüdischen Zentrums am Jakobsplatz. Doch während man keine Vorbehalte gegen diese beiden Religionen hat (oder es sich nicht traut, diese auszusprechen...) wird die Bevölkerung gegen das Ziem in Stellung gebracht.
Gegenüber dem Islam herrscht eine feindliche Stimmung, die man sonst nur dem Antichristen gegenüber zeigt. Dabei sind sich Christentum, Judentum und Islam mit ihrem Glauben an einen allmächtigen Gott ähnlicher als sonst zwei Religionen auf dieser Welt. Wie Lessing in seiner berühmten Ringparabel aus
Nathan der Weise beschrieb, sind sie so ähnlich, dass sie praktisch nicht voneinander zu unterscheiden sind. Dennoch scheint der Islam das schwarze Schaf dieses Drillingsgespanns zu sein.
Sicherlich machen gerade Moslems mit Gewalt von sich reden und scheinen nicht immer in der Moderne angekommen zu sein. Doch betrifft dies alle Moslems? Haben Christen und Juden etwa eine weiße Weste? Warum grenzt man den Islam dann aus?
Der Islam gehört zu Deutschland und Europa wie das Christentum und das Judentum. Hier hatte der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff
ausnahmsweise recht. Es war der Islam, der das
Wissen der Antike bewahrte und weiterentwickelte, während Europa im "Dunklen Mittelalter" versank. Dank des Islams konnte Europa zur Renaissance wieder erwachen und eine führende Rolle in Kultur und Technik übernehmen. Man möchte gar nicht nachdenken, wo Europa heute ohne den Islam wäre.
Und sucht man heute religiöse Fanatiker, die kulturelle und geistig im Mittelalter hängen geblieben sind, dann braucht man nicht erst zu den Moslems gehen. Die erzkonservativen amerikanischen Evangelikalen, die allein den Worten der Bibel glauben, haben schon
längst in Europa Fuß gefasst.
Doch der Islam bleibt das Stiefkind der monotheistischen Drillinge. Dabei wäre es doch gerade christlich, ihn endlich aufzunehmen. Aber leider hat's in Deutschland nur Katholiken und Protestanten...
P.H.
red horse am 03. November 12
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Bananenrepublik
Anfang Oktober hatten wir einen kleinen Beitrag darüber geschrieben, wie Firmen offensichtlich Gesetze zu ihrem Nutzen
bei der Bundesregierung bestellen können. Dachten wir damals noch, damit habe die Demokratie in Deutschland einen Tiefpunkt erreicht, dann wurden wir jetzt eines besseren belehrt.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete
am Mittwoch, dass der CSU-Sprecher Hans Michael Strepp in der heute-Redaktion des ZDF angerufen hatte, um einen Beitrag über den SPD-Landesparteitag zu verhindern, auf dem die SPD ihren Kandidaten für die Landtagswahl in Bayern nominierte. Erst soll das ganz nur ein Missverständnis gewesen sein, doch dann trat
Herr Strepp von seinem Posten zurück - und niemand in der CSU will geahnt haben, dass der Pressesprecher der CSU derart mit den freien Medien reden würde.
Heute sieht es aber nicht so aus, als sei das Vorgehen des CSU-Pressesprechers wirklich so einmalig gewesen. So wurde nun publik, dass der Bayerische Rundfunk einen für Herrn Söder (damals Umweltminister in Bayern) kritischen Bericht nach
einem Anruf seiner Sprecherin zurückgezogen hatte.
Wir wussten ja, dass unsere Presse nicht so frei ist, wie wir sie gerne hätten. Private Medien stehen unter der Vormundschaft großer Konzerne, deren Lenker gerne mal Politik machen - wenn sie denn nicht ganz darauf verzichten und die Bürger durch endlose Unterhaltungsshows gänzlich von der Politik entfremden. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt regelmäßig unter Druck, auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Scharfmacher der Parteien regelmäßig zurückpfeift und daran erinnert, dass wir in Deutschland eben kein Staatsfernsehen haben, so wie dies noch in der DDR der Fall war. Doch diese Versuche der direkten Einflussnahme auf das Programm - und offensichtlich teilweise sogar erfolgreich - hätten wir wohl doch nicht für möglich gehalten.
Wer einen Wagen fahren will, braucht einen Führerschein, wer Stromkabelverlegen will, muss eine Ausbildung zum Elektriker absolvieren. Doch wer politisch in unserem Lande tätig werden will, braucht wohl nur eine große Klappe. Vielleicht sollte man bei unseren Politikern einen Gesinnungstest machen, und sie daraufhin testen, ob sie die Grundregeln demokratischen Handelns überhaupt verstehen.
Aber vielleicht reicht es ja auch nur, wenn in Bayern die CSU mal eine Pause von der Macht nimmt. Sie scheint den Eindruck zu haben, ihr gehöre das Land und sie könnten sich alles erlauben - als sei Bayern eine Bananenrepublik. Warum sonst fallen gerade CSU-Granden mit einem derart demokratiefeindlichen Verhalten auf?
K.M.
red horse am 27. Oktober 12
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