Patentiertes Leben
Patente, so hören wir immer wieder, sind wichtig für Industrienationen. Ohne Patente gäbe es keine Erfindungen und keinen Fortschritt - denn wer investiere schon in Erfindungen, wenn er seine Erfindung nicht schützen kann? Also wurden Patent erfunden, die es dem Inhaber erlauben, anderen die Nutzung seiner Erfindung zu verbieten.
Allerdings kostet die Durchsetzung des Verbots Geld, manchmal viel Geld. Geld, das nur die großen Konzerne haben. Für die bietet das Patent deshalb tatsächlich einen Schutz - für alle anderen ist es ein Papiertiger. Aber gerade große Konzerne gelten nicht als besonders innovativ, obwohl sie viele Patente einreichen...
Man kann sich also schon fragen, ob Patente wirklich sinnvoll sind, oder nicht eher nur den Wettbewerb behindern; ob sie also sinnvoll sind. Ganz besonders laut wird diese Frage bei Patenten auf Pflanzen gestellt. Nach
Artikel 53 des Europäischen Patentübereinkommens sind Patente auf "Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren" eigentlich verboten, so dass sich diese Frage gar nicht stellen sollte. Dumm ist nur, dass sich das Patentamt nicht an seine eigenen Regeln hält.
So erhielt Monsanto im Jahr 2013 ein Patent auf einen
schnellwachsenden Brokkoli. Dieser Brokkoli wurde durch herkömmliche Züchtung erhalten, er unterscheidet sich von dem bekannten Brokkoli durch einen langen Stiel, der es einfacher machen soll, ihn automatisch zu ernten. Natürlich gab es Beschwerden gegen das Patent, welches so offensichtlich illegal ist. Doch nun hat die
Große Beschwerdekammer entschieden, dass das Patent bestehen bleibt. Zwar seien konventionelle Züchtungsverfahren nicht patentierbar, die damit hergestellten Pflanzen aber schon,
so die Kammer. Das liest sich im Gesetz zwar anders, aber mit der Zulassung von Patenten auf gentechnisch veränderte Pflanzen brach das Patentamt den Deich schon vor Jahren, nun lässt es eben auch Patente auf konventionell gezüchtete Lebewesen zu. Es kann eben alles patentiert werden, was irgendwie neu ist. Zum Wohl der Großkonzerne.
Und dies ist auch nur zu ihrem Wohl. Kleine Firmen haben kaum die finanziellen Mittel, um Patentverletzer anzugehen. Und Großkonzerne haben auch die Macht, ihre Patente durchzusetzen. "Dann kauft doch herkömmlichen Brokkoli!" könnte man rufen. Nur kontrollieren die Großkonzerne wie Monsanto den Saatgutmarkt. Bald schon wird es keinen anderen Brokkoli als den Monsanto-Brokkoli geben. Und mit jedem Bissen wird Monsanto reicher und mächtiger.
Und bald gilt dies auch für Tomaten, Gurken, Zucchini... Man muss zum Vampir werden, will man verhindern, dass die Großkonzerne uns das letzte Geld aus der Tasche ziehen. Denn Patente auf den Menschen sind noch nicht erlaubt.
Noch nicht.
P.H.
red horse am 10. April 15
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Schizophrenes Europa
Am Montag dieser Woche hat die Europäische Zentralbank die letzten Schleusen geöffnet. Weil die Inflation noch niedrig ist, schmeißt die EZB so viel Geld auf den Markt, wie noch nie vorher. Die Zinsen sind schon seit Jahren historisch niedrig, seit Mitte 2014 müssen Banken, die Geld bei der EZB parken, sogar
Strafzinsen zahlen, dennoch erholt sich die Wirtschaft in den Krisenländern der EU kaum, weil dort kein Geld ankommt, um zu investieren oder zu konsumieren.
Also kauft die EZB nun monatlich für 40 Milliarden Euro
Staatsanleihen von den Banken auf, um ihnen mehr Geld zur Verfügung zu stellen, Geld, welches dann dazu dienen soll, die Konjunktur anzukurbeln.
Doch Geld scheint nicht das Problem zu sein. Geld hatten die Banken schon vorher genug, sie wurden mit den Strafzinsen ja sogar gezwungen, es an die Kunden weiter zu reichen - und haben es dennoch nicht getan, sondern lieber die Strafzinsen der EZB in Kauf genommen. Und so sorgt die zusätzliche Geldschwemmen nur dafür, dass die
Aktienkurse steigen und der DAX von Rekord zu Rekord eilt. Das zusätzliche Geld landet nicht in der Wirtschaft und bei den Armen, deren Konsum angekurbelt werden soll, sondern in den Taschen der Reichen, die dadurch noch reicher werden.
Denn gleichzeitig verfolgt die Politik ein ganz anderes Ziel. Anstatt die Wirtschaft durch Investitionen anzukurbeln, will sie die Staatshaushalte durch
Sparen in den Griff bekommen.
Die EZB stellt mehr Geld zur Verfügung, und Politik nimmt es sofort wieder weg.
Mal schaun, wie lange Europa diesen Spagat überlebt.
J.E.
red horse am 14. März 15
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Schöne neue Welt
Ist sie nicht wunderbar, die schöne neue Technikwelt? Die Geräte werden immer kleiner und leistungsfähiger. Die ersten Handys waren klobige Teile mit externen Batterien, mit denen man trotzdem nur wenige Minuten telefonieren konnte. Moderne Smartphones passen in die Hosentasche und erlauben es uns, Filme zu sehen, Musik zu hören, im Internet zu surfen - und, ach ja, natürlich auch zu telefonieren.
Und gerade das Internet ist doch ein Segen. Mussten wir früher Tausende ausgeben, um ein Lexikon zu erwerben, so liefert uns das Internet alle Informationen kostenlos. Es ist nicht mehr nötig, eine Zeitung zu abonnieren, wenn uns das Internet dieselben Informationen mit einem Klick zur Verfügung stellt.
Wenn man genau hinschaut, ist das Internet allerdings nur so kostenlos, wie das Privatfernsehen. Während wir für das öffentlich-rechtliche Fernsehen monatliche Gebühren zahlen müssen, lebt das Privatfernsehen von Werbeeinnahmen. Die Kosten dafür werden auf die Produkte aufgeschlagen, und so zahlen am Ende doch wir die Kosten dafür. Doch während wir bei den öffentlich-rechtlichen eine Rechnung bekommen können und transparent sehen können, wie viel uns das Programm kostet, verbergen sich die Kosten für das Privatfernsehen, und wir haben keine Ahnung, wer wie viel für das Programm zahlt.
Ähnlich geht das Internet vor. Google macht uns glauben, dass seine Dienste völlig kostenlos seien. Dabei erwirtschaftet es
Milliarden mit Werbung, für die letztlich wir zahlen. Unter dem Strich kommt uns Google ziemlich teuer.
Aber es schickt uns keine Rechnung, weshalb wir glauben, Google sei umsonst. Ebenso glauben wir, alles andere im Netz sei umsonst. Und wir genießen es. Dass wir mit Geld und privaten Daten zahlen (die Informationen, die Google über uns hat, hätten jeden Stasi-Offizier vor Neid erblassen lassen), wird uns nicht bewusst. Wir entblößen uns vor den Konzernen und glauben auch noch, dass dies für uns vorteilshaft wäre.
Dieses Google-Konzept der scheinbaren Kostenlosigkeit breitet sich nun in der gesamten IT-Branche aus. Samsung wurde erwischt, wie sie in ihre Fernseher eine Software eingebaut haben, die von Samsung aufgespielte
Werbung einblendet. Der Computerhersteller
Lenovo hat auf seine Rechner eine Software vorinstalliert, die auf Webseiten gezielt Werbung einblendet. Ganz allgemein packen uns die Gerätehersteller immer mehr Werbung auf die Geräte, die Speicher fressen, das Gerät verlangsamen - und eigentlich ohne Nutzen für uns sind. Doch sie helfen den Herstellern, die Preise zu senken, denn sie verdienen an der Werbung.
Dass uns diese Software dann auch noch ausspioniert, muss uns nicht stören. Wir zahlen doch weniger. Und wer hat schon was zu verbergen?
So werden wir von der Industrie unserer Bürgerrechte beraubt und zu dem degradiert, was wir in der modernen Wirtschaft sein sollen: Konsumenten, die stumpfsinnig ihr Geld ausgeben.
P.H.
red horse am 27. Februar 15
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Die Wirtschaft ... wächst?
Als eines der letzten Industrieländer hat Deutschland Anfang 2015 einen Mindestlohn eingeführt. Ende 2014 war der Aufschrei noch groß. Die Wirtschaftsweisen warnten davor, dass die Wirtschaft wegen des Mindestlohns schrumpfen werde und die Beschäftigungszahlen abnehmen würden. Sie glaubten dafür sogar schon Ende 2014
Anzeichen zu erkennen, obwohl der Mindestlohn zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht eingeführt war. Aber ein Mindestlohn muss schlecht sein.
Das ist er auch. Allerdings nur für die Gewinne der Unternehmer.
Und nun kommt die Katastrophe: Die Wirtschaft wächst rasant und Deutschland ist die
Wirtschaftslokomotive Europas. Die Gründe dafür sind klar:
Der niedrige Ölpreis und der billige Euro schieben die Wirtschaft an. Der Mindestlohn kann nichts dafür, obwohl auch die Nachfrage im Inland steigen soll. Aber Gutes kann ein Mindestlohn ja nicht bringen. Eigentlich fehlt noch ein Wirtschaftswissenschaftler, der uns darauf hinweist, dass das Wachstum bei diesen tollen Randbedingungen noch viel größer ausfallen könnte - wenn wir nur den bösen, bösen Mindestlohn nicht haben.
Aber das klingt dann wohl doch zu albern. Doch der Mindestlohn ist den Neo-liberalen nun einmal ein Dorn im Auge. Er muss weg. Und wenn das Argument Wirtschaftswachstum dummerweise doch nicht zieht, dann muss man eben ein anderes finden. Und die Union hat es gefunden:
Bürokratiemonster.
Das Gesetz zum Mindestlohn verpflichtet die Unternehmen doch tatsächlich, die geleisteten Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu notieren, damit man auch überprüfen könnte, ob der Mindestlohn eingehalten wird. Die Union findet das Quatsch: Die Arbeitszeiten sind doch im Arbeitsvertrag geregelt, wozu muss man die da noch überprüfen?
Erstaunlich ist, dass die Arbeitgeber sich sicher zu sein scheinen, dass die Arbeitszeiten auch wie vereinbart eingehalten werden - und es aus eigenem Interesse bisher nicht nötig hielten, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter zu kontrollieren. Könnte es nicht sein, dass diese zu wenig arbeiten?
Wohl eher nicht. Deshalb möchte man es wohl auch nicht wissen, und nennt das ganze "Bürokratiemonster".
Denn ein Monster kann nie etwas Gutes sein.
J.E.
red horse am 14. Februar 15
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Griechische Traditionen
Wenn wir in der westlichen Welt von christlichen Traditionen und Werten reden, dann meinen wir eigentlich griechische Traditionen und Werte. Die Demokratie entstand in Griechenland, unsere ganze Art des Philosophierens und Denkens kommt aus Griechenland. Griechenland war der Vorreiter der westlichen Welt - und ist es auch heute noch.
Im Westen macht sich die Denkweise des Neoliberalismus immer mehr breit. Dieser fordert einen schwachen Staat, der sich aus dem Leben heraushält, und keine Steuern, besonders nicht für Leistungsträger aka Reiche. Wohin das führt, können wir in Griechenland beobachtet; denn Griechenland ist das Paradies des Neoliberalismus.
Reiche schaffen es dort seit Jahren, keine Steuern mehr zu zahlen, und der Staat ist viel zu schwach, als dass er die Reichen zur Rechenschafft ziehen könnte. Legendär sind die Bilder aus griechischen Finanzämtern, wo sich die Akten am Boden stapeln, weil diese Ämter zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch nicht einmal mit Computern ausgestattet waren. Die Funktion des Staates war nicht mehr gegeben. Stattdessen herrschten Willkür, Vetternwirtschaft und Korruption.
Und wenn man Milliarden nach Griechenland transferierte, um den Griechen zu helfen, dann landete das Geld zumeist auf den Konten der Banken und Reichen, derjenigen, die Griechenland abgewirtschaftet hatten. Die griechische Bevölkerung erhielt nichts davon.
Nun haben die Griechen die Vertreter dieses vorbildhaften Griechenlands abgewählt. Die Partei Syriza bekam die deutliche
Mehrheit der Stimmen. Und der Westen heult auf: Was soll aus Griechenland werden?
Werden die Griechen nun vom Sparkurs abweichen, so wie dies auch die Deutschen in der Krise 2008/2009 taten, um mit staatlichen Investitionen den Fall aufzufangen? Werden die Griechen ihre Schulden nicht mehr abbezahlen, die in den Zeiten der "Hilfe" noch stärker wuchsen als davor? Werden ihnen andere Länder folgen?
Zu wünschen wäre es. Doch die Aufgabe, vor der Syriza steht, ist immens. Es muss eine funktionierende Verwaltung aufgebaut werden, die dem Staat zu seinem Recht verhilft. Und das schafft man nicht nur, indem man mehr Beamte einstellt, sondern vor allem, indem man ihnen die Mittel an die Hand gibt, damit sie ihre Arbeit machen können.
Nach Jahrzehnten der neoliberalen Misswirtschaft ist das eine Herkules-Aufgabe. Wir sollten den Griechen dabei helfen, anstatt ein Wehklagen darüber anzustimmen, dass die Griechen sich von den neoliberalen Wirtschaftszielen abwenden.
Denn das sollte uns wieder einmal als Vorbild dienen.
J.E.
red horse am 31. Januar 15
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Nous sommes Tartuffe
Es war ein Anschlag auf die Freiheit. Zwölf Menschen waren bei einem
Anschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" am 07.01.2015 getötet worden. Charlie Hebdo war vor allem für seinen kritischen Umgang mit Religionen bekannt. Die Attentäter hatten Charlie Hebdo ausgewählt, weil er sich auch kritisch mit dem Islam auseinandersetzte. Als Zeichen der Solidarität mit den Mitarbeitern der Zeitung trugen Menschen weltweit das Schild "Je suis Charlie", ich bin Charlie, bei Demonstrationen gegen diesen Akt der Intoleranz und Brutalität.
Freiheit mag unangenehm sein, und sie endet auch dort, wo die Freiheit anderer beschnitten wird. Aber die Freiheit anderer wird nicht schon dort beschnitten, wenn man der Ansicht ist, dass mir die Ausübung der Freiheit eines anderen nicht gefällt. Kritik und Satire müssen in einer Demokratie immer möglich sein. Nähme man bei seinen Meinungsäußerungen Rücksicht auf die Befindlichkeiten aller, dann gäbe es keine freie Meinungsäußerung mehr - und die Demokratie wäre tot.
Doch wir wollen weiter in einer Demokratie leben. Wir sind Charlie.
Und wie wollen wir die Freiheit und unsere Demokratie verteidigen?
Es waren noch nicht einmal 24 Stunden vergangen, da fordert die CSU die
Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, die unter anderem deshalb gestoppt worden war, weil sie die freie Arbeit der Journalisten behindert. In Frankreich gibt es sie schon - und sie hat das Attentat trotzdem nicht verhindert. Sie kann nur die Freiheit einschränken, jedoch keine Verbrechen verhindern.
Und die christlichen Kirchen in Deutschland tun sich ohnehin schwer mit der Demokratie. Sie besitzen zahlreiche Sonderrechte, die ihnen auch erlauben, Menschen zu feuern, wenn sie sich das zweite Mal verheiraten. Die Regeln der Demokratie gelten für sie nicht. Und das Blasphemie-Verbot umhüllt sie zusätzliche mit einem Schutzkokon, den keine andere gesellschaftliche Gruppe besitzt. Wenn sich gerade die Kirchen für Freiheit und Demokratie einsetzen, dann klingt das heuchlerisch.
Im Französischen wird ein religiöser Heuchler nach eienr Figur des Autors Molière als "Tartuffe" bezeichnet. Sind wir also alle Charlie?
Non, nous sommes Tartuffe.
P.H.
red horse am 17. Januar 15
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Die gespaltene Münze
Der Kapitalismus, so lehrt uns schon
Adam Smith im 18. Jahrhundert, ist vor allem so erfolgreich, weil er Arbeitsteilung nutzt. Es ist nicht mehr ein Handwerker, der ein ganzes Produkt herstellt, sondern unterschiedliche Arbeiter führen unterschiedliche Produktionsschritte durch, die dann in einem Produkt münden. So kann man viel mehr Güter herstellen, als wenn jeder das gesamte Produkt herstellen würde.
Diese Arbeitsteilung, die Produktion genormter Produkte am Fließband, war sicherlich ein Erfolgspfeiler der modernen Wirtschaft. Ohne sie wären die Produkte, die wir benutzen, viel teurer und viele von uns könnten sich nur einen Bruchteil von ihnen überhaupt leisten.
Aber wie es so oft der Fall ist, wenn eine Idee auf einem Gebiet erfolgreich war, versucht man diese Idee auf anderen Gebieten anzuwenden, wo sie eigentlich mehr schaden als nutzen. Nachdem der Kapitalismus die Arbeitsteilung eingeführt hatte, teilten die Volkswirtschaften ab dem Zeitalter der Globalisierung, welches um 1980 Fahrt aufnahm, die Wirtschaft in Konsumenten und Produzenten. Bisher hatte die Bevölkerung eines Landes die Produkte, die sie herstellte, auch weitestgehend selber konsumiert, finanziert aus den Einkünften, die sie bei der Produktion erhielt. Nun kam man auf die Idee, die Produktion in ferne, billige Länder zu verlagern, und diese Produkte dann nur noch vor Ort konsumieren zu lassen. Wie ein Konsument, der nicht produziert, Geld für den Konsum erhalten sollte, blieb ein Rätsel. Die steigenden Arbeitslosenzahlen und sinkenden Einkommen zeigten, dass dieses Rätsel nicht wirklich gelöst wurde.
Das Internet, welches um das Jahr 2000 anfing, unsere Welt zu dominieren, machte eine weitere Spaltung alltäglich: Die Aufspaltung zwischen Kunde und Nutzer.
Wenn man ein Auto kaufte, dann war man zugleich der Kunde des Herstellers wie auch der Nutzer des Produkts. Doch schon das Privatfernsehen verdiente sein Geld nicht durch die Zuschauer, sondern durch die werbetreibende Industrie. Die Zuschauer sind die Nutzer, die Industrie die Kunden. An den Kunden richtet man das Programm aus, was deshalb seicht und kritiklos ist - man könnte ja sonst die werbetreibende Industrie vergraulen.
Dieses Prinzip hat das Internet nun zum Lebensprinzip erhoben: Alles ist "umsonst". Schließlich leben die Internetfirmen ja von der Werbung (die letztlich auch der Bürger zahlt, aber das läuft eher indirekt und wird deshalb nicht wahrgenommen). Die Nutzer des Internets sind die Bürger, die Kunden sind die werbetreibende Industrie. An ihren Bedürfnissen richtet sich das Internet aus. Und ob das wirklich immer im Sinne der Nutzer ist, kann man bezweifeln.
Denn wenn man die zwei Seiten einer Münze trennt, erhält man nur wertlosen Schrott.
J.E.
red horse am 19. Dezember 14
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Ein Abgesang
Eigentlich hätte es ein Anlass zur Feier sein können: Vor 125 Jahren, im Jahr 1889, war unter Reichskanzler Bismarck in Deutschland die gesetzliche Rentenversicherung eingeführt worden, die erste ihrer Art weltweit, die erstmals auch den Armen der Gesellschaft eine gewisse Grundsicherung im Alter garantierte.
Doch die Situation ist nicht feierlich. Anstatt eine finanzielle Sicherheit im Alter zu bieten, müssen immer mehr Menschen in Deutschland mit
Altersarmut rechnen. Die gesetzliche Rente allein, auf die sich viele verlassen, bietet kein sanftes Ruhekissen nach einem Leben voller Arbeit.
"Daher bin ich überzeugt, dass sich künftig nur durch eine Mischung gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge eine angemessene Absicherung im Alter aufbauen lässt",
sagte Merkel in Berlin, anlässlich der 125-Jahr-Feier zur Rente. Die gesetzliche Rente vermag nicht mehr zu leisten, was sie einmal leisten sollte.
Doch war der Sinn der Rente wirklich, den Bürgern eine finanzielle Absicherung im Alter zu geben? Als Bismarck die Sozialversicherungen in Deutschland einführte, da lag ihm das Wohl der Arbeiter nicht sonderlich am Herzen. Vielmehr wollte er der immer stärker werdenden Arbeiterbewegung die Mitglieder abspenstig machen, indem er den Staat als soziales Organ etablierte. Das funktionierte zwar nicht, bescherte den Deutschen aber die Kranken- und Rentenversicherung.
Wie schon zu Bismarcks Zeiten, so war es lange die Regel, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber anteilig an den Sozialkosten beteiligten. Doch in der Krankenversicherung ist der Anteil der Arbeitgeber und eingefroren, zukünftige Steigerungen fallen alleine zu Lasten der Arbeitnehmer. Und in der Rentenversicherung senkt man das Rentenniveau immer weiter ab, damit die Beiträge nicht steigen. So wurde das Erfolgsmodell gesetzliche Rente, die die große Depression in den 1920er Jahren und zwei Weltkriege überstanden hat, zu einer kraftlosen Hülle, die selbst in Zeiten des Wirtschaftswachstums nicht mehr stark genug ist, Armut zu verhindern. Die Rente war sicher, bis die Politik sie verstümmelte.
Bismarck wollte mit der Rente die Arbeiter gewinnen. Das scheint heute nicht mehr nötig zu sein. Die Arbeiterbewegung ist schwach und machtlos. Und so fährt man die Errungenschaften des Sozialstaates, die den Arbeiter an die Gerechtigkeit des Staates glauben lassen sollten, immer weiter zurück.
Auf die Schwachen nimmt man keine Rücksicht.
J.E.
red horse am 05. Dezember 14
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Rechtsfreier Raum
Manchmal wundert man sich, worauf man als Deutscher alles stolz sein soll. Doch worauf man stolz sein kann - und worüber man sich auch freuen kann - ist die Tatsache, dass man in Deutschland in einer Demokratie lebt, einer Staatsform, in dem das Volk (oder seine Vertreter) Gesetze machen, die dann für alle gelten. Wir leben nicht in einer Diktatur, wo eine kleine Clique von Mächtigen sich eigene Regeln macht.
Nun ja, wenn man hört, welchen Einfluss Lobbygruppen in Deutschland auf das Gesetzgebungsverfahren nehmen, dann kann man sich manchmal schon fragen, ob wir in Deutschland wirklich in einer Demokratie leben. Sollte es dennoch wackere Deutsche geben, die an dieser Behauptung festhalten, so wurden sie nun vom Bundesverfassungsgericht bitter enttäuscht.
Seit geraumer Zeit tun wir uns in der Demokratie mit den Kirchen schwer, diesen eigenartigen Organisationen, die vom Geistigen reden und auf das Körperliche schielen. Seit es Kirchen gibt, geht es darum, welche Macht sie in der realen Welt haben sollen, oder ob sie sich auf allein die geistige Welt beschränken sollen. Jesus hat sich klar dazu geäußert: So
gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist, hat er gesagt. Doch so ganz ohne weltliche Macht wollten die Mächtigen der Kirche nicht sein.
Das bekannteste Beispiel, wo dieser Streit zwischen Kirche und Staat eskalierte, war der Streit zwischen König Heinrich IV. und Papst Gregor VII. Dieser endete im Jahreswechsel 1076/1077 mit dem
Gang nach Canossa, wo sich der König dem Papst unterwarf. Die Kirche hatte gezeigt, wer die wirkliche Macht im Staate hat.
Und selbst heute ist es noch so, dass die Kirche ihre eigenen Regeln machen kann, und der Staat tut nichts dagegen, mit höchstrichterlichen Segen. So hat ein katholisches Krankenhaus einem Arzt gekündigt, weil der nach einer Scheidung noch einmal geheiratet hat. Das widerspricht zwar nicht den weltlichen Gesetzen, aber den Gesetzen der katholischen Kirche. In unteren Instanzen hatte der Arzt noch Recht bekommen, und wir hatten Vertrauen in den Rechtstaat. Doch das Bundesverfassungsgericht hat nun
entscheiden, dass Gerichte das "kirchliche Selbstverständnis" nur eingeschränkt überprüfen dürfen.
Die Kirche ist in Deutschland ein rechtsfreier Raum. Widersprechen ihre Regeln den staatlichen Gesetzen, dann haben sie trotzdem Geltung. Das Bundesverfassungsgericht ging erneut nach Canossa.
Was bedeutet dies nun in der Praxis? Wenn Sie Kinder schlagen wollen, Ihre Ehefrau rechtlos halten und sonst ihre eigenen Regeln machen wollen, dann gründen Sie am besten eine Kirche.
Aber nennen Sie diese dann bloß nicht islamisch. Geben Sie ihr lieber einen christlichen Namen. Das erweckt dann zumindest den Eindruck, als seien Sie auf der Seite der Guten - auch wenn nur die Verpackung anders, der Inhalt jedoch gleich ist.
P.H.
red horse am 21. November 14
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Gesundheitsrisiko
Die Krankheit
Ebola wütet schon seit Monaten in Afrika. Erste Fälle gab es selbst in Europa und den USA. Doch über die Krankheit in Afrika hat man die Krankheit in Europa vergessen. Damit ist nicht die Schwäche der europäischen Wirtschaft gemeint, sondern das parasitäre Geschäftsmodell des EU-Landes Luxemburg.
Wie Journalisten zahlreicher internationaler Medien in einer beispiellosen Zusammenarbeit herausfanden, hat Luxemburg in großem Stil internationalen Konzernen dabei geholfen,
Steuern zu vermeiden. Die Gewinne, die internationale Firmen irgendwo machten und dort hätten versteuert werden müssen, wurden einfach nach Luxemburg umgeleitet - wo sie mit lächerlich kleinen Steuersätzen von unter einem Prozent versteuert wurde. Da es sich hierbei aber um Abermilliarden Euro handelt, blieb genug übrig, damit Luxemburg das reichste Land Europas werden konnte, was das
Pro-Kopf-Einkommen angeht (mit 110.000 Dollar ist es mehr als doppelt so groß wie das deutsche mit 44.000 Dollar).
Die Milliarden, die den europäischen Ländern beim Aufbau der Infrastruktur und des Gemeinwesens fehlen, konnten dank der luxemburgischen Großzügigkeit die Firmen in die eigene Tasche stecken - mit einer kleinen Korruptionsbeihilfe an den luxemburgischen Staat.
Aber wir sollten ehrlich bleiben: Wir erwecken gerade den Eindruck, dass das Verhalten der Verantwortlichen in Luxemburg und der internationalen Konzerne illegal war. Das war es natürlich nicht. Wenn ein Staat die Gesetze so strickt, dass Steuervermeidung legal wird, dann war das Verhalten der Firmen völlig legal. Käme Deutschland morgen auf die Idee, Banküberfälle zu legalisieren, dann hätten wir schnell einen neuen, blühenden Geschäftszweig.
Und so haben die Konzerne, die aufgrund der Aufdeckung ihrer Machenschaften nun in er Kritik stehen, natürlich recht, wenn sie sich darauf berufen, dass ihr Verhalten legal war. Dies gilt allerdings nicht, wie sie ebenfalls sagen, für den Diebstahl der Daten, der die Aufdeckung dieses Skandals erst ermöglicht hat. Die Journalisten sollte man an den Pranger stellen, nicht die rechtschaffenden Unternehmen.
Ein Wirtschaftssystem, das unmoralisches Handeln belohnt, kann nicht ganz richtig sein. Aber zum Glück hat die EU-Kommission im Fall Luxemburg die Untersuchung aufgenommen. Und sie wird den Fall mit aller Härte angehen.
Immerhin wird sie von Jean-Claude Juncker geleitet, dem Mann, der als Regierungschef das Luxemburger Modell ins Leben rief. Er kennt schließlich die Details am besten.
Und er hat auch die größte Erfahrung damit, sein eigenes Handeln zu legalisieren.
J.E.
red horse am 07. November 14
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