Zu abstrakt
Nun gibt es
Ausgangsbeschränkungen in Bayern und dem Saarland. Die meisten Geschäfte und Restaurants sind geschlossen, Museen, Schwimmbäder und Schulen ohnehin, und auch Reisen darf man nicht mehr. All das, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen.
Diese Maßnahmen sind sicher richtig. Hier soll keine Kritik an ihnen geübt werden. Doch es verwundert: Sicherlich sind am Corona-Virus schon tausende Menschen gestorben, und es werden wahrscheinlich noch mehr sterben, so wenig man sich das auch wünschen mag. Doch zugleich gibt es eine Krise, an der auch Tausende sterben, unter der Millionen leiden – und das scheint nur wenige zu stören.
Der Klimawandel sorgt dafür, dass tropische Krankheiten nach Europa kommen, Unwetter, Hochwasser und Hitzewellen töten Menschen und rauben anderen die Lebensgrundlage. Millionen Menschen verlassen schon ihre Heimat – und noch mehr werden folgen – weil der Klimawandel ihre Lebensgrundlage zerstört. Und wenn jemand, wie die „Fridays for Future“-Bewegung, sich dagegen wehrt, dann wird sie belächelt, und man weist darauf hin, dass man den Menschen doch nicht zu viel zumuten darf.
Dabei fordert diese Bewegung nur, dass die Versprechen zur Eindämmung des Klimawandels (nicht, um ihn aufzuhalten, dafür ist es zu spät) endlich eingehalten werden. Die dafür erforderlichen Maßnahmen sind viel harmloser als alles, was wir heute wegen des Corona-Virus bereit sind zu tun. Doch diese einfachen Maßnahmen, obwohl ebenso nötig, würden uns schon überfordern. Das verstehe, wer will.
Aber vielleicht liegt dies nur daran, weil wir die Folgen des Klimawandels nicht so direkt spüren. Sie sind uns zu abstrakt, da zu langfristig und zu indirekt. Und wirklich rational ist der Mensch ja nicht.
K.M.
red horse am 21. März 20
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Wer wirklich wichtig ist
Nun, wo Bayern und das Saarland die ersten
Ausgangsbeschränkungen verhängt haben, wird deutlich, wer in dieser Gesellschaft wirklich wichtig ist, damit sie nicht zusammenbricht. Es sind die Mitarbeiter der Lebensmittelgeschäfte, es sind die Ärzte und Pfleger, es sind die Mitarbeiter des öffentlichen Nahverkehrs und die Boten, die uns Pakete bringen – und natürlich auch die Frauen, die vor allen in diesen Berufen arbeiten.
Aber was auch auffällt: Diese Berufsgruppen sind vor allem die Berufsgruppen, die am wenigsten verdienen (mit Ausnahme der Ärzte). Richtig gut verdienen Top-Manager, Berater und Investmentbanker. Aber fällt es auf, wenn die mal nicht arbeiten? Top-Manager fordern vor allem ihre Mitarbeiter auf, unternehmerisch tätig zu werden, da sie selber kaum Ideen haben. Noch nie haben so viele Berater die Unternehmen aufgesucht – und noch nie waren diese so richtungslos. Und Investment-Banker vernichten unter dem Strich mehr Geld, als sie durch ihre Arbeit erschaffen. All diese Bullshit Jobs halten sich für unheimlich wichtig – dabei sind sie zumeist völlig überflüssig.
Dennoch schaffen sie es, das große Geld abzusahnen, während man die wirklich wichtige Arbeit für so unwichtig hält, dass man den Männern und Frauen, die sie ausüben, kaum den Mindestlohn zahlen will.
Aber vielleicht wissen die Bullshit Jobber auch, wie unwichtig ihre Arbeit eigentlich ist. Und deswegen versuchen sie, noch so viel Geld mitzunehmen, wie sie tragen können, bevor die Gesellschaft herausfinden, dass man sie nicht braucht.
J.E.
red horse am 21. März 20
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Demut
Der Mensch ist der Herrscher der Welt. „Macht euch die Erde Untertan“, heißt es in der Bibel. Kein Lebewesen der Erdgeschichte hat die Welt so geprägt wie der Mensch. Schon denkt man darüber nach, dem Zeitalter des Menschen einen Namen zu geben, Anthropozän, obwohl man bisher Zeitalter nach geologischen Ereignissen benannte. Doch der Mensch ist eine ganz besondere Kraft.
Dann aber auch nicht. Ein kleines Virus, so klein, dass man es mit dem bloßen Auge nicht sehen kann, versetzt die Menschheit in Angst und Schrecken. Covid-19, eine von einem Virus aus der Gattung der Coronaviren erzeugte Krankheit, hält die Welt in Atem. In Deutschland gab es am Morgen des 07.03.2020 genau
684 Infizierte, weltweit waren es über 100.000. Gemessen an der Gesamtzahl der Deutschen und aller Menschen eine geringe Zahl. Doch sie steigt, und sie steigt rapide. Zudem sterben etwa zwei Prozent der Infizierten – mehr als zehnmal so viele wie bei einer normal verlaufenden Grippewelle.
Und der Mensch, der Herrscher der Welt, der darüber entscheidet, welche Landschaften, Tiere und Pflanzen überleben, der darüber entscheidet, wie sich das Klima der Erde wandelt – was macht der allmächtige Mensch?
Er flüchtet.
Die Straßen in den betroffenen Orten sind menschenleer. Es kommt selbst in nicht direkt betroffenen Orten zu Hamsterkäufen. Gab es im entfernten Bekanntenkreis einen Infizierten, dann wird man oftmals von der Firma gebeten, zu Hause zu bleiben.
Der Mensch muss erkennen, dass er nicht der Herrscher der Welt ist. Vielleicht sollte er auch die Erde nicht so behandeln, als diene sie nur seinen Interessen.
Aber sollte der Mensch tatsächlich diese Lektion aus dieser Krise lernen – dann wird er sie vergessen, sobald die Krise vorbei ist.
K.M.
red horse am 07. März 20
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Wahnsinn
Und nun Hanau. Ein rechtes Terrornetzwerk ist für die Gesetzeshüter immer noch nicht zu erkennen, doch am Abend des 19.02.2020 erschoss ein Täter in
Hanau mindestens elf Menschen – mit ausländischem Hintergrund. Nach dem Attentat auf die Synagoge in Halle. Nach dem Mord an Walter Lübcke. Nach den Taten des NSU.
All diesen Tätern ist gemeinsam, dass sie ein sehr verqueres Weltbild haben. Sie glauben geheime Mächte an der Macht, die die Menschen kontrollieren wollen. Sie glauben an die Überlegenheit der weißen Rasse. Sie vertreten überzeugt zahllose Verschwörungstheorien, die eine unglaubwürdiger als die andere ist.
Jörg Meuthen von der AfD hat deshalb getwittert: „Das ist die wahnhafte Tat eines Irren.“ Recht hat er. Er fügte jedoch hinzu, dass es kein rechter Terror war. Da irrt er.
Die Ideen, denen dieser wie all die anderen Attentäter anhingen, gehören zum Grundkonzept der Rechtsextremen. Sie sind das Weltbild, dass sie sich von der Welt gemacht haben, in der sie zu leben glauben. Es ist dieses irre Weltbild, von Wahnvorstellungen geprägte Weltbild, das sie zu ihren Taten animiert.
Aber es ist schön zu sehen, dass selbst ein Hauptvertreter der neuen Rechten die eigenen Ideologen und die daraus folgenden Taten für Wahnsinn hält.
J.E.
red horse am 21. Februar 20
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Was ist schlimmer?
In Thüringen herrscht seit Monaten ein Patt. Die Linken haben keine eigene Mehrheit, und die bürgerlichen Parteien wollten ihr diese auch nicht verschaffen. Die Rechtsextremen haben keine eigene Mehrheit – und die bürgerlichen Parteien wollen mit denen natürlich auch nichts zu tun haben. Als aber die Rechtsextremen die
Bürgerlichen unterstützten, da war es erst einmal okay.
Man muss eben auf die Feinheiten achten. Die Frage, die sich die bürgerlichen Parteien zu stellen hatten, war, welche politische Richtung ist schlimmer: Die ganz linke oder die ganz rechte?
Nun, was man von einer ganz rechten Regierung zu erwarten hat, kennt man aus der deutschen Geschichte: Terror und Menschenhass.
Was man von einer ganz linken Regierung zu erwarten hat, kennt man ebenfalls aus der deutschen Geschichte: Terror und Menschenhass.
Da tun sich die beiden nicht viel. Doch man erkennt heute Tendenzen: Die ganz linken Gruppierungen werden demokratischer, die ganze rechten werden extremer. Gewalt aus ihren Reihen nimmt immer weiter zu. Also was ist schlimmer?
Ne, so kann man das auch nicht beurteilen. Lieber schaut man in die Vergangenheit, zu Zeiten der industriellen Revolution. Dort wurde der Diebstahl eines Brotes (da man den Reichen nahm) ungleich härter bestraft als Körperverletzung (solange sie keinen Reichen betraf). Und an diesem Maßstab scheinen sich die bürgerlichen Parteien immer noch zu orientieren.
Linke, die den Reichen an den Reichtum wollen, sind also immer schlimmer als alle anderen, solange diese nicht den Reichen ans Leder wollen.
J.E.
red horse am 09. Februar 20
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Schon wieder geht ein Stück Freiheit verloren
Man scheint ja in Deutschland nicht mehr viel Freiheiten zu haben. Man darf nichts mehr sagen, weil Begriff wie „Schlampe“ oder „blöde Kuh“ neuerdings als Beleidigungen gelten, man hat keine wirkliche Wahl mehr in der Politik, weil alle Parteien plötzlich liberal sind und das Völkische verachten, kurz: Das Leben in Deutschland wird immer unfreier. Und jetzt auch noch das.
Der
ADAC hat nun bekanntgegeben, dass er sein grundsätzliches Nein gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen nicht mehr aufrechterhalten wird. Bisher war er vehement gegen ein Tempolimit, weil es weder für das Klima viel bringe noch eine Reduzierung der Unfallzahlen zur Folge habe.
Gut, was viel bringt, kommt immer auf den Bezug an. Relativ zum gesamten Verkehr in Deutschland bringt ein Tempolimit auf Autobahnen für das Klima nicht viel. Allerdings steigt der Verbrauch deutlich, wenn man schneller als 130 km/h fährt, weil die Hersteller den Verbrauch unterhalb dieser Grenze optimieren. Denn fast überall auf der Welt darf man nicht schneller als 130 km/h fahren.
Und dass die Unfallzahlen mit einem Tempolimit nicht zurückgehen würden, ist längst widerlegt: Nach 2002 wurde auf der A24 in Brandenburg auf einem 62 Kilometer langen Stück nur noch 120 km/h fahren, vorher gab es kein Tempolimit. Die Zahl der Unfälle und der Getöteten pro Jahr halbierte sich seitdem, die Zahl der Verletzten sank um mehr als die Hälfte.
Aber das wichtigste Argument für ein Tempolimit dürfte sein, dass viele Autofahrer nicht verstehen, was es bedeutet, wenn man kein Tempolimit hat. Dies bedeutet nur, dass man auf seine Höchstgeschwindigkeit nicht achten muss. Es bedeutet nicht, dass man ein Recht darauf hat, die Höchstgeschwindigkeit auch zu fahren. Doch viele Autofahrer sehen das so, rasen und bedrängen die, die sich erdreisten, bei einem Überholvorgang nur auf 140 km/h zu beschleunigen.
Die Einführung eines Tempolimits wird vor allem dafür sorgen, dass die Menschen sich auf den Autobahnen wieder anständiger benehmen. Und schon wieder geht ein Stück Freiheit verloren…
K.M.
red horse am 25. Januar 20
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Herrschaft des Unrechts
„Das Unrecht herrscht!“ So hörte man es aus rechtspopulistischen Kreisen, als Deutschland 2015 eine große Zahl Flüchtlinge aufnahm und so eine humanitäre Katastrophe verhinderte. Menschlichkeit ist also Unrecht. Was ist für Rechtspopulisten dann Recht?
Gerade diese Woche brachte zwei Beispiele dafür, wie man sich einen Rechtsstaat im Sinne der Rechtspopulisten vorzustellen hat. Da wurde zum einen der iranische General
Soleimani auf Geheiß des US-Präsidenten Trump ermordet. Soleimani war selber für den Tod zahlloser Menschen verantwortlich und sicherlich kein Unschuldsengel. Doch ein Urteil kann erst vollstreckt werden, wenn es eine Verhandlung gab. Trump hat einfach mal entschieden. Er hat dieselben Methoden angewandt, die auch Soleimani zu einem gefürchteten General werden ließen. Er hat sich auf dieselbe Stufe mit Kriminellen gestellt und den Rechtsstaat getötet.
Und in Kamp-Lintfort (aber nicht nur da) wird ein
Bürgermeister immer wieder von Rechten so massiv bedroht, dass er nun einen Waffenschein beantragt hat, um sich zu schützen. Andere Bürgermeister geben ihr Amt auf, um endlich wieder in Frieden leben zu können. Der Druck aus rechtspopulistischen Kreisen, die keinerlei demokratische Legitimation besitzen, die auch nicht gewählt sind, ist so massiv und skrupellos, dass die Demokratie einknickt.
Recht im Sinne der Rechtspopulisten existiert erst dann, wenn der Rechtsstaat und die Demokratie abgeschafft sind – und die Rechtspopulisten mit dem Recht des Stärkeren und reiner Willkür ihre Machtfantasien ausleben können.
Früher hätte man dies als „Herrschaft des Unrechts“ bezeichnet.
J.E.
red horse am 11. Januar 20
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Lasst uns christlich sein!
Es sind die Tage vor Weihnachten, der Geburt Jesus Christus. Was könnte da passender sein, als der Aufruf, dass wir wieder christlich sein sollen. Es ist ja nicht nur zur Weihnachtszeit, dass wir aufgefordert werden, wieder christliche Werte zu leben. Besonders die Rechtspopulisten machen sich ja Sorgen um das christliche Abendland, dessen Ende sie schon gekommen sehen.
Es sind aber auch die Rechtspopulisten, die gegen Ausländer hetzen, sich als Antisemiten erweisen und ihre Gegner am Liebsten ausschalten wollen – oder zumindest mundtot machen wollen. Es sind gerade die Rechtspopulisten, die doch so gar keine Menschlichkeit und Nächstenliebe zeigen – also die eigentlich typischen christlichen Werte.
Allerdings ist dies nur ein scheinbarer Widerspruch. Die Rechtspopulisten fordern nicht, dass wir die theoretischen christlichen Werte leben sollen, sondern die gelebten christlichen Werte. Und die lassen sich einfach mit den Begriffen Hass und Intoleranz umschreiben.
Als die christliche Religion in Europa herrschte, da wurden Andersdenkenden gnadenlos als Ketzer und Hexen verfolgt, gefoltert und getötet. Andersgläubige wurden mit heiligen Kriegen überzogen, um sie zu auszurotten. Die Christen mögen von Nächstenliebe reden, doch gelebt haben sie Hass und Intoleranz.
Und das sind auch die Werte, die nach dem Willen der Rechtspopulisten wieder gelebt werden sollen. Andere – ob sie nun einen anderen Glauben, eine andere Hautfarbe oder andere Ansichten haben – sollen ausgeschaltet werden; sie sind unwerte Lebensformen.
In diesem Sinn des Hasses und der Intoleranz ist der Aufruf der Rechtspopulisten wie der AfD in Deutschland zu verstehen, dass die christlichen Werte wieder gelebt werden sollen.
J.E.
red horse am 22. Dezember 19
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3 mal 3 ist 6
… das wird man doch wohl noch sagen dürfen. Natürlich darf man das sagen. Es gibt Meinungsfreiheit in unserem Land, auch wenn manch ein Populist bevorzugt aus dem rechten Lager dies in Frage stellt.
Was diesen Populisten dann nicht gefällt, ist der Gegenwind, der ihnen begegnet, wenn sie einige Äußerungen machen, die der Mehrheit, die sie zu vertreten glauben, nicht gefallen. Aber das gehört eben auch zur Meinungsfreiheit.
Wir sollten jedoch aufpassen, dass wir nicht alles als Meinung verstehen. 3 mal 3 ist 6 ist keine Meinungsäußerung, sondern eine mathematische Aussage. Und als solche ist sie schlicht falsch. Diese Aussage ist eine Lüge.
Andere Aussagen, die Menschen aufgrund ihrer Rasse oder ihrer Sexualität herabsetzen, sind auch keine Meinungen, sondern Beleidigungen – wenn nicht sogar Drohungen.
Jeder kann sagen, was er will. Doch wenn er lügt oder beleidigt, dann muss er mit Gegenwind rechnen. Das wird man doch wohl noch mal sagen dürfen.
Schlimm ist nur, dass die Medien sich von den rechten Populisten bedrängen lassen und immer öfter jede Aussage als Meinung betrachten. Dann versuchen sie, wirren Ideen, glatten Lügen und harschen Beleidigungen genauso viel Platz einzuräumen wie echten Meinungen. Wenn jemand aber behauptet, „das Blut der Deutschen“ sei anders als das der Afrikaner, dann vertritt er keine Meinung, sondern ist ein Idiot. Wenn jemand behauptet, es gäbe keinen Klimawandel, dann lügt er. Man kann sich über die Auswirkungen streiten, die liegen schließlich in der Zukunft. Doch wenn dem einen Prozent Außenseiter in der Diskussion dieselbe Breite eingeräumt wird wie den 99 Prozent, die in ihrer Ansicht übereinstimmen, dann werden die Gewichte falsch gelegt. Es entsteht der Eindruck, als sei die Meinung geteilt, dabei trifft eine Mehrheit auf einen Außenseiter.
Den darf man nicht unterdrücken, man darf ihm seine Meinung nicht verbieten. Man darf aber auch nicht den Eindruck erwecken, als würde diese Meinung von einer großen Masse vertreten. Dann werden Lügen als wahr angesehen und Beleidigungen zur Norm.
Man darf die Meinungsfreiheit nicht missbrauchen, wenn man sie behalten will.
P.H.
red horse am 14. Dezember 19
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Der Aberglaube stirbt nicht aus
Am 07.11.2019 traf der bayerische Landtag eine bemerkenswerte Entscheidung: Es sollten Alternativen zu Antibiotika untersucht werden. Das war noch nicht bemerkenswert, schließlich werden durch exzessive Nutzung viele Antibiotika mittlerweile nutzlos. Bemerkenswert war, dass man Explizit auch
homöopathische Mittel untersuchen will.
Die Homöopathie ist eine Pseudo-Wissenschaft. Es gibt keine Belege, dass homöopathische Mittel besser wirken als Placebos. Niemand kann überhaupt erklären, wieso Mittel, die so stark verdünnt sind, dass sie letztlich kein einziges Molekül der „Medizin“ enthalten, überhaupt wirken können. Dennoch gehen viele davon aus, dass es sich bei der Homöopathie um eine ernstzunehmende Medizinrichtung handelt.
Nur um zu zeigen, wie unsinnig der Vorgang des Potenzierens ist: Nach dem Glauben der Homöopathen wird ein Medikament umso stärker, je stärker es verdünnt ist. Deshalb wird es zum Beispiel immer stärker in Wasser verdünnt, bis man in einer Probe des Wassers kein Molekül des eigentlichen Medikaments mehr nachweisen kann. Wenn man also ein bisschen Alkohol nach dieser Methode verdünnt, dann enthält man nicht einfach nur Wasser, sondern ein so hochprozentiges Wasser, dass der kleinste Schluck schon dazu führt, dass man besoffen ist. Jedem ist offensichtlich, wie unsinnig das sein muss.
Ein paar Tage später gab es in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel, der sich kritisch mit dieser Entscheidung des Landtages auseinandersetzte und dabei vor allem den Homöopathie-Kritiker Edzard Ernst zitierte. Am 19.11. fanden sich Leserbriefe zu diesem Artikel, in denen Anhänger der Homöopathie Herrn Ernst widersprechen. Und sie tun dies auf einer Weise, die typisch ist für Pseudo-Wissenschaften.
Anhänger der Homöopathie könnten ja einfach wissenschaftliche Studien zitieren, um zu zeigen, dass die Homöopathie wirkt. Doch die gibt es nicht. Also muss man Kritikern anders begegnen: Man greift sie persönlich an (Was treibt Sie eigentlich wirklich an, …einen derart erbitterten Kampf gegen eine altbewahrte Heilmethode wie die Homöopathie zu führen? Profilierungssucht? Geltungsbedürfnis? Rechthaberei? Oder vielleicht Neid auf eine ärztliche Kunst, die Sie nicht beherrschen?). Man beruft sich darauf, dass die Homöopathie „altbewährt“ sei (wie der Aderlass und andere medizinische Methoden, die auch über Jahrhunderte praktiziert wurden). Man greift die Standard-Medizin an (als „goldenes Kalb“, nach dem man sich richten solle). Man zieht die wissenschaftlichen Kriterien in Zweifel („realitätsferne Wissenschaftsargumente“). Man beruft sich auf Einzelfälle („Wer schon einmal erlebt hat“), die keine generelle Regel rechtfertigen.
Die Leserbriefe in der Süddeutschen zeigen schön, wie Pseudo-Wissenschaftler den größten Humbug verbreiten und das auch noch als „wissenschaftliche“ verkaufen. Übrigens, die zitierten Leserbriefe wurden nicht von irgendwelchen Lesern verfasst, sondern von Ärzten mit einem „Dr. med.“.
Dies belegt aber wieder einmal, wieso die Entscheidung der EU, den deutschen Dr. med. nicht als wissenschaftlichen Titel anzuerkennen, gerechtfertigt war.
K.M.
red horse am 19. November 19
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Wissenschaftsnutten
Wissenschaftsnutten? Was soll das sein? Nun, dabei handelt es sich um einige Wissenschaftler, die einen Doktor- oder sogar Professorentitel erhalten haben, diesen jedoch nicht dafür einsetzen, um wissenschaftlich zu arbeiten, sondern um mit Hilfe dieser „Adelung“ Propaganda für die Industrie zu machen.
Nehmen wir ein Beispiel: Die Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM), eine neoliberale Lobby-Plattform, die von einer Werbeagentur im Auftrag von Arbeitgeberverbänden betrieben wird, wettert gegen alles, was irgendwie sozial sein könnte. Neue soziale Marktwirtschaft bedeutet in ihrer Lesart vor allen, dass sie asozial sein sollte und nur gut für die Reichen.
Im Moment
wettert die INSM gegen die Grundrente. Diese sei einfach nur ungerecht. Und sie bekommt
Unterstützung von einem bekannten Rentenexperten: Professor Bernd Raffelhüschen. Man kennt ihn schon von der großen Rentendiskussion zum Beginn des 21. Jahrhunderts, als rot-grün dann das Rentenniveau senkte und die Riester-Rente einführte. Die Idee war, dass man an ansteigenden der Rentenzahlung in einigen Jahren um bis zu vier Prozent verhindern wollte – indem die Leute heute schon vier Prozent ihres Einkommens zur Seite legen sollten.
Dass dies sinnvoll ist, hat er Raffelhüschen immer wieder bestätigt. Es hat vor allem zwei Vorteile: Die vier Prozent der Riester-Rente werden vom Arbeitnehmer alleine gezahlt und müssen nicht zur Hälfte vom Arbeitgeber übernommen werden wie bei er gesetzlichen Rente. Und die Riester-Rente ist privatwirtschaftlich organisiert, was „Experten“ wie Herrn Raffelhüschen sehr wichtig war. Denn nur so kann die Versicherungswirtschaft riesige Gewinne damit einfahren. Natürlich wurden diese beiden enormen Vorteile für die Unternehmen nicht thematisiert. Man sprach lieber von „demographischer Gerechtigkeit“ als Grund für die teilweise Umstellung des Rentensystems.
Mit ihren seriösen Titeln als Professor können Wissenschaftsnutten, die sich in den Dienst der Reichen stellen und Propaganda für sie betreiben, somit einen größeren Schaden anrichten als manch ein Terrorist.
J.E.
red horse am 13. November 19
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