Samstag, 4. Februar 2023
Drei mal drei ist sechs
Waren das noch angenehmen Zeiten, als Pippi Langstrumpf ihre Abneigung zur Schule in dieser Liedzeile verewigen durfte. Damals verband man mit Schule vor allem einen Eingriff in die gepflegte Pause. Nichts zu lernen, das war damals ein Traum. Nichts zu lernen ist heute ein Alptraum.

Unsere Welt ist nun einmal komplizierter als im Mittelalter, wo man nur der Kirche und den Fürsten gehorchen musste und das technisch komplizierteste Gerät im Haushalt ein Messer war. Wir müssen heute viel mehr lernen, wenn wir uns in dieser Welt zurechtfinden wollen. Sonst werden wir Opfer von Betrügern, die uns wahrmachen wollen, dass eine Impfung das Erbgut verändert und die Erde flach ist. Und außerdem kann man jedes Problem damit lösen, dass man die Ausländer rausschmeißt. Einfache Antworten für simple Gemüter.

Die Welt ist aber nicht einfach. Deswegen müssen wir lernen. Und dafür brauchen wir Lehrer.

Der Lehrerberuf war früher ein Traumberuf: Die Eltern erzogen die Kinder, die Lehrer trichterten ihnen Wissen ein, und dazwischen hatten sie auch noch zwölf Wochen Urlaub.

Heute hingegen überlassen viele Eltern das Erziehen der Kinder den Lehrern, weil sie zu stark damit beschäftigt sind, sich selbst zu verwirklichen, von der Arbeit gestresst sind oder einfach keine Lust haben. Die Schule könnte darauf reagieren, indem sie mehr Personal einstellt. Wenn die Gesellschaft sich ändert, müssen die Strukturen sich anpassen. Man musste ja auch mehr Lehrer einstellen, als Mädchen zur Schule gehen durften. Doch stattdessen reduziert man die Studienplätze für Lehrer und versieht diese mit einem Numerus Clausus, damit auch nicht zu viele auf Lehramt studieren. Regelmäßig setzen sich die Kultusminister zusammen, um den Bedarf an Lehrern zu berechnen, und regelmäßig verrechnen sie sich. Einen besseren Beleg dafür, wie schlecht unser Schulsystem ist, könnte die Kultusminister gar nicht liefern.

Doch nun haben sie einen Ausweg aus der Krise gefunden. Die Lehrer sollen einfach mehr arbeiten. Wenn man nicht genug hat, dann müssen die, die noch da sind, einfach mehr tun. Das ist zwar eine ungewöhnliche Art, Menschen zu motivieren, aber dafür wird sie sicherlich schiefgehen.

Das Thema ist nicht neu. Schon seit Jahren klagen wir über Lehrermangel. Doch es ändert sich nichts. Warum?

Das Thema „Klimawandel“ ist nicht neu. Schon seit Jahren wissen wir, dass wir etwas ändern müssten. Doch es ändert sich nichts. Warum?

Es sieht so aus, als habe Lehrermangel und Klimawandel mehr gemein, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Beide haben ein Problem: Die Folgen sieht man erst in Jahren. Die wirklichen Schäden des Klimawandels werden wir erst in einigen Jahren erleben, heute bekommen wir nur einen Vorgeschmack. Die wirklich Folgen des Lehrermangels und der mangelnden Bildung wird unsere Gesellschaft erst in einigen Jahren erfahren. Bis dahin geht doch alles gut. Wir sind nicht sehr gut darin, langfristige Folgen bei unserem heutigen Handeln zu berücksichtigen.

Noch ist nichts passiert, rief der Selbstmörder, als er beim Sprung vom Hochhaus am zehnten Stock vorbeikam.

Viel Spaß beim Fallen
J.E.



Sonntag, 22. Januar 2023
Im Krieg
Wir müssen den Klimawandel verhindern. Hierzu gibt es einen breiten Konsens in der Gesellschaft – abgesehen von einigen Unbelehrbaren, die leugnen, dass es überhaupt einen Klimawandel gibt, obwohl Kohlendioxid nachweislich ein Treibhausgas ist; oder die sagen, dass der Klimawandel doch nicht schlecht ist, weil mit mehr Kohlendioxid doch auch die Pflanzen schneller wachsen, als wenn diese zum Wachsen nur Kohlendioxid bräuchten.

Die Folgen des Klimawandels sind apokalyptisch: Das Klima wird sich grundlegend ändern, es wir wärmer und trockner, zugleich nehmen Unwetter zu und überschwemmen die Landschaft. Der Meeresspiegel steigt, und Pflanzen und Tiere, die sich nicht an das wandelnde Klima anpassen können, werden aussterben. Die Welt, in der unsere Kinder leben werden, wir völlig anders aussehen als die, in der die Eltern leben konnten. Und die Veränderungen werden keine Verbesserungen sein.

Deshalb verwundert es, weshalb wir in Deutschland immer weiter Braunkohle abbauen wollen, weshalb nun das Dorf Lützerath geräumt werden musste – gegen den Protest von Umweltschützern. Den meisten Menschen scheint dies jedoch egal zu sein. Wir werden das 1,5°C-Ziel von Paris nicht einhalten können? Das ist schon schlimm, aber…

Eigentlich ist es uns doch egal, wie die Welt unserer Kinder aussehen wird. Denn was wäre die Alternative? Wir müssten uns heute einschränken. Wir dürften nicht mehr so viel fliegen, nicht mehr so viel Fleisch essen, müssten auf unsere Wergwerf-Mentalität verzichten. Wer will das?

Natürlich wollen wir, dass es unseren Kindern gutgeht. Doch zugleich wollen wir nicht verzichten. Wir wollen den Kuchen behalten – und ihn essen. Das wird nicht gutgehen. Die Menschheit steht im Krieg mit sich selber: Die, die Verzicht fordern, gegen die, die nicht verzichten wollen.

Am Ende wird es nur Verlierer geben.
K.M.



Freitag, 6. Januar 2023
Diktatur der Radikalen
Will man in einer Demokratie etwas entscheiden, dann braucht man eine Mehrheit; so lautet zumindest die gängige Meinung. Und autoritäre Regierungen wie die in Polen, Ungarn oder der Türkei versuchen deshalb auch, Mehrheit zu sichern, indem sie die Medien unter ihre Kontrolle und politische Gegner mit fadenscheinigen Anklagen vor Gericht bringen.

Doch einige findige Demokratiefeinde an rechten Rand des Spektrums haben herausgefunden, dass man gar keine Mehrheit mehr braucht, um sich durchzusetzen. In den USA läuft gerade ein Trauerspiel um die Wahl des Speakers des Repräsentantenhauses. Obwohl die Republikaner hier die Mehrheit haben, gewinnt ihr Kandidat nicht, weil sich eine kleine, radikale Minderheit der Republikaner weigert, ihn zu unterstützen. Und der Speaker braucht zur Wahl die absolute Mehrheit des Hauses. Letztlich wird die Minderheit einen Kandidaten durchsetzen, der ihr genehm ist.

In Schweden regiert die konservative Partei mit der Tolerierung der rechtsextremen Schwedendemokraten. Diese haben nun durchgesetzt, dass Maßnahmen zum Klimaschutz radikal zurückgefahren werden – schließlich glauben Rechtsextreme nicht an den Klimawandel (Rechtsextremismus scheint deshalb so etwas wie eine Religion zu sein – denn die Wissenschaft weiß, dass es ihn gibt).

Und in Israel haben die rechtsextremen Partner der konservativen Likud-Partei durchgesetzt, dass Gesetze geändert werden. So können nun auch Vorbestrafte Minister werden (sonst wäre ein Rechtsextremer nicht Minister geworden) und in Zukunft soll das Parlament mit einfacher Mehrheit Urteil des Obersten Gerichts abändern können, womit die Regierung allmächtig wird – und die Regierung steht unter der Fuchtel der Extremisten.

Obwohl sie keine Mehrheit haben, haben Radikale also einen Weg gefunden, die Politik ihres Lande zu bestimmen.

Allerdings nur, weil ihnen wieder einmal konservative Kräfte dabei behilflich sind…
J.E.



Samstag, 24. Dezember 2022
Jesus würde sich wundern
Heute begehen die Christen die Geburt Jesus. Gerade konservative Menschen betonen, dass Europa heute ein so freier und friedlicher Kontinent ist, weil er ein christlicher Kontinent ist – im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt, wo andere Religionen herrschen. Sie übersehen dabei jedoch, dass Europa alles andere als frei und friedlich war, als die Religion in Europa noch mächtig war. Europa ist heute deshalb frei und friedlich, weil die Religion kaum noch Macht hat.

Doch ignorieren wir das für den Moment. Glauben wir den Konservativen, dass Europa christliche Wert lebt. Allerdings darf man dann schon fragen: Welche christlichen Werte sind das?

Jesus Christus hat sich immer für die Armen und Schwachen eingesetzt. Manch ein Konservativer möchte jedoch gar keinen Flüchtling mehr ins Land lassen, weil es alles „Wirtschaftsflüchtlinge“ sind – auch wenn sie vor dem Terror in ihrer Heimat fliehen und Jesus diese Unterscheidung gar nicht traf. Jesus Christus predigte Armut und jagte die Wechsler aus dem Tempel – manch ein Konservativer wünscht sich eine Wirtschaftsordnung, in der die Unternehmen machen können was sie wollen und so de facto die Reichen die Macht übernehmen. Jesus Christus predigte Nächstenliebe, manch ein Konservativer scheint nur sich selbst am nächsten zu sein.

Betrachtet man die Lehren und das Leben Jesus, dann stimmt dies mit dem Verhalten der Menschen überein, die die Konservativen verächtlich als „Gutmenschen“ beschimpfen – so als sei moralisches Verhalten eine Sünde. Auch Jesus, würde er heute Leben, wäre in den Augen dieser Konservativen ein Gutmensch, den man mit Verachtung straft.

Die Konservativen predigen christliche Werte – doch welche Werte meinen sie eigentlich? Jesus würde sich über die Antworte der Konservativen wahrscheinlich wundern.
P.H.



Freitag, 9. Dezember 2022
Heil dem Auto
Fährt man mit dem Rad durch München, dann kann man etwas erleben. Man nehme die Rosenheimer Straße: Ursprünglich eine vierspurige Straße ohne Radwege, hat München nun eine Spur pro Seite als Radweg ausgewiesen. Radfahrer sollen eben auch sicher in die Stadt fahren können und nicht auf das Wohlwollen der Autofahrer abgewiesen sein.

Doch nur zu gerne wird der Radweg nun zum Parken benutzt, oder um Autofahrer zu umfahren, die links abbiegen wollen. Eigentlich ist dies verboten. Ein Radweg ist ein Radweg, und nicht ein Behelfsweg für Autofahrer. Die Behinderungen der Radfahrer sind nicht legal, geschehen jedoch regelmäßig. Umso mehr freute sich der Schreiber dieser Zeilen, als er vor einige Zeit zwei Polizisten, die auf dem Rad unterwegs waren, die Rosenheimer Straße entlang folgen konnte. Kaum waren sie auf die Straße eingebogen, parkte auch schon ein Auto auf der Straße. Die Polizisten umradelten es gekonnte. Kurz darauf wich ein Auto auf den Radweg aus, um einen Linksabbieger zu umfahren. Die Polizisten bremsten ab, um ihm nicht mit dem Wagen zusammenzustoßen. Sonst geschah nichts.

Wie anders sieht es doch aus, wenn Klimaaktivisten den Autoverkehr behindern. Dann sperrt man sie ohne Urteil für 30 Tage weg und faselt schon von einer „Klima-RAF“, die im Entstehen sei. Das Behindern des Verkehrs ist eben erst dann verwerflich, wenn es denn Autoverkehrt betrifft.

Übrigens blieben auch die radelnden Polizisten nicht völlig tatenlos und ließen jedes Fehlverhalten durchgehen. Als ein Radler auf der falschen Seite fuhr, hielten sie ihn sofort an und zogen ihn für sein Fehlverhalten zur Rechenschaft.
K.M.



Samstag, 26. November 2022
Andere Maßstäbe
Nun hat die Union dem Bürgergeld in einer abgespeckten Form doch noch zugestimmt, doch vorher war sie sehr unzufrieden damit. Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident, war der Ansicht, dass das Bürgergeld sozial ungerecht sei, weil dadurch Nichtarbeiten beinahe so lukrativ wird wie Arbeiten. Man würde die hart arbeitende Bevölkerung deshalb benachteiligen. Das Geld dürfe den Menschen nicht einfach so in den Schoss fallen.

Ein paar Tage später regte sich Markus Söder schon wieder auf. Da war aufgefallen, dass aufgrund der steigenden Immobilienpreise gerade in Oberbayern der Freibetrag der Erbschaftssteuer oftmals nicht ausreicht, damit die Eltern ihr Häuschen steuerfrei an die Kinder vererben können. Nun würden hohe Steuern anfallen. Das fand Herr Söder ebenfalls ungerecht, und so forderte er eine Erhöhung der Freibeträge.

Bei der Erbschaft fällt den Menschen zwar auch Geld in den Schoss ? aber bei diesen Menschen handelt es sich um reichen Menschen, da muss man als Unionspolitiker natürlich ganz andere Maßstäbe anlegen.
J.E.



Freitag, 11. November 2022
Hauptsache, der Verkehr fließt
Dem Staat droht eine große Gefahr von einer neuen Terrorgruppe: Die letzte Generation. Diese Gruppe glaubt, sie sei die letzte Generation, die noch etwas am Klimawandel ändern könnte, was recht optimistisch erscheint. Tatsächlich dürfte dieser Zug schon abgefahren sein, aber man will die Jugend ja nicht demotivieren.

Die letzte Generation terrorisiert gerade Deutschland: Ihre Anhänger versperren Straßen, indem sie eine Hand mit Sekundenkleber auf der Straße festkleben. Dann muss die Polizei anrücken, um den Kleber zu lösen und die Demonstranten abzuführen. Die Demonstranten halten also den Autoverkehr auf. Und ein größeres Verbrechen scheint es in Deutschland nicht zu geben. Selbst das Zünden einer Bombe, um sich und andere in die Luft zu sprengen, scheint dagegen harmlos zu sein.

Diesen Eindruck kann man zumindest in Bayern gewinnen. Bayern hat ein besonderes Polizeigesetz: Dies erlaubt es, Menschen für 30 Tage einzusperren, wenn man den Verdacht hat, dass sie eine Straftat begehen können, die sogenannte Präventivhaft. Ein Gerichtsurteil braucht es für dafür nicht, eine Verhandlung ist ebenfalls nicht vorgesehen. Gedacht war dieses Gesetz, um Terroristen festsetzen und unschädlich zu machen. Angewendet wird es nun das erste Mal bei Mitgliedern der letzten Generation, die den Straßenverkehr behindern.

Noch nicht einmal Mord ist schwerwiegender als die Behinderung des Autoverkehrs.

Die Frage, die sich stellt, ist jedoch, ob man dieses Gesetz nicht auch anwenden sollte, um die bayerische Staatsregierung hinter Gittern zu bringen. Schließlich prahlt diese geradezu damit, dass sie den Wechsel auf alternative Energien und damit Klimaschutz behindert. Mangelnder Klimaschutz jedoch führt letztlich durch die Ausbreitung neuer Krankheiten und Unwetter zu Toten.

Allerdings behindert die Staatsregierung nicht den Autoverkehr. Damit dürfe ihr Handeln, obwohl es schwerwiegendere Folgen für die Menschen hat, kaum als terroristischer Akt gelten.
P.H.



Sonntag, 30. Oktober 2022
Wir leben einen Traum
Die Energiepreise sind auf neue Höchststände gestiegen. Grund ist der Krieg in der Ukraine. Sollte der vorbei sein, so die Hoffnung, wird alles wieder gut. Man muss die Durststrecke nur ein paar Monate mit staatlicher Hilfe überbrücken, und dann ist alles wieder wie früher.

Doch tatsächlich ist dieser Anstieg nur ein Vorgeschmack auf die Zukunft. Die Nachfrage nach Energie steigt auf dieser Erde immens an. Der ökologische Fußabdruck für Deutschland ist etwa dreimal so hoch wie Deutschlands Ressourcen. Seit dem 28. Juli 2022 nutzt die gesamte Menschheit Ressourcen, die sie gar nicht besitzt. Sie kann dies, weil sie Ressourcen abbaut, die über Jahrmillionen entstanden sind. Aber sie kann das nicht für immer.

Die Erde ist endlich. Ihre Ressourcen sind endlich. Wir räumen gerade das Konto ab, von dem auch unsere Kinder und Enkel leben müssen. Die Ressourcen werden weniger, die Preise werden steigen, auch ohne Krieg. Aber wir zeigen gerade, dass wir nicht bereit sind zu verzichten. Wir wollen, dass die Partie immer weitergeht. Aber für eine endlose Partie braucht man Drogen. Und unsere Drogen sind die fossilen Rohstoffe, die zum einen die Umwelt stark belasten, und zum anderen irgendwann aufgebraucht sind. Die Partie kann nicht ewig weitergehen. Wir werden uns irgendwann einschränken müssen. Unseren Lebensstil, der unsere Erde und die Zukunft unserer Kinder bedroht, können wir nicht weiter aufrechterhalten.

Wir leben einen Traum. Und wir haben große Angst davor, aufzuwachen.
P.H.



Samstag, 15. Oktober 2022
Verständigungsprobleme
In der Ampel-Koalition knirscht es gerade ziemlich. Vor allem die FDP leidet; denn seitdem sie in der Koalition ist, konnte sie keine Landtagswahl mehr gewinnen. Und die FDP kennt auch den Grund: Sie kann sich mit ihrer Politik in der Ampel-Koalition nicht durchsetzen.

Gut: Eine Bürgerversicherung, bei der auch Reiche in die Sozialsysteme einzahlen müssen, wurde verhindert. Steuererhöhungen für Reiche, wie sie die Linken planten, wurden verhindert. Aber das zählt doch nicht. Eigentlich ist der FDP wichtig, dass der Staat keine neuen Schulden macht. Und dann kam der Ukrainekrieg.

Mit einem Male musste die FDP zustimmen, Geld für die Bundeswehr aufzunehmen. Dann stiegen die Energiepreise, und die Regierung wollte den Leuten helfen. Doch da die FDP keine neuen Schulden machen wollte, musste sich der grüne Wirtschaftsminister etwas überlegen und kam auf die Gasumlage. Erst als die Krise immer schlimmer wurde, stimmte die FDP schließlich einer Gaspreisbremse und neuen Schulden zu. Sie kann sich eben nicht durchsetzen. Wenn es nach ihr gehen würde, dann würde der Staat keine neuen Schulden machen und sich einmischen. Der Markt würde das schon selber regeln. Aber die linken Koalitionspartner halten nicht viel vom freien Markt.

Allerdings scheint die FDP hier nicht nur ein Verständigungsproblem mit ihren Koalitionspartnern zu haben, sondern auch mit ihrem eigenen Wählerklientel, den Unternehmern und Selbstständigen. Diese pochen zwar auf den freien Markt, solange es ihnen gut geht, wenn es jedoch schlecht läuft, sind sie die ersten, die staatliche Hilfe wünschen. Und gerade diese wollte die FDP verweigern. Warum sollte man sie dann wählen?

Und so kam es zu den Niederlagen bei den Landtagswahlen. Die FDP sollte auf ihre Wähler hören, und sich einer sinnvollen Politik nicht weiter verschließen, weil sie glaubt, es besser zu wissen als ihre Wähler.
K.M.



Samstag, 1. Oktober 2022
Anschluss
Im Jahr 1938 sorgten nationalsozialistische Schergen dafür, dass Österreich an das Deutsche Reich angeschlossen wurde ? inszeniert von den Führern Nazi-Deutschlands. Der Begriff ?Anschluss? steht seitdem nicht nur in Deutschland für die illegale Annexion eines fremden Landes, auch in anderen Sprachen, wie im Französischen, fand dieser Begriff Eingang ins Vokabular.

Nun hat Russland vier Gebiete der Ukraine annektiert, nachdem die selbsternannten Herrscher vorher um Aufnahme gebeten hatten. Wieder einmal wurde eine schwerwiegende Entscheidung nur von einer kleinen Clique getroffen, auch wenn Russland den Eindruck erweckte, es habe vorher eine Abstimmung gegeben, die wie erwartet für die Annexion ausfiel. Somit sollte man nicht von einer Annexion sprechen, sondern von einem Anschluss, da es auch sonst viele Ähnlichkeiten zwischen 1938 und 2022 gibt.

Beide Male wird die Regierung von einem uneingeschränkten Herrscher geführt, der sein Volk diktatorisch regiert und die Menschenrechte ignoriert. Beide Male wird das Volk von einer Regierung geführt, die ihr Heil in ausländischen Abenteuern sucht, weil sie ihre Probleme sonst nicht in den Griff bekommt. Doch 1938 blieb die Weltgemeinschaft stumm, und so konnte das Nazi-Regime weitermachen und das größte Verbrechen der Geschichte begehen. Heute hat man aus der Geschichte gelernt. Heute erhebt sich zumindest der Westen und versucht, einem größenwahnsinnigen Diktator Einhalt zu gebieten. Das gefällt besonders extremen Kreisen nicht, die eine ähnliche Regierungsform im Westen befürworten würden. Doch die Erfahrung aus 1938 zeigte, dass man sich den Anfängen in den Weg stellen muss. Und dafür ist man bei Russland schon recht spät dran ? man denke nur an die Krim.

Nun muss Europa auf billiges Gas aus Russland verzichten, und dieser Verzicht wird nicht leicht werde. Doch vielleicht lernt Europa daraus, dass es bei wichtiger Infrastruktur auf eigenen Beinen stehen muss ? um sich nicht erpressbar zu machen. Doch momentan sucht man sein Heil bei anderen Diktatoren. Vielleicht hat man doch nicht viel aus der Geschichte gelernt.
P.H.