Die neue Inquisition
Früher war die Welt so einfach: Was die katholische Kirche sagte, wurde ohne Widerspruch hingenommen. Immerhin ist der Papst Nachfolger des Apostels Petrus, von dem es im Matthäus-Evagelium heißt: "Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein."

Stellte sich früher jemand gegen die Ansichten der katholischen Kirche, dann war sein Leben verwirkt. Die Inquisition rückte aus, und mit der päpstlich abgesegneten Folter hatte sie keine Probleme, alle gewünschten Geständnisse zu erreichen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute ist die Kirche nur noch ein Schatten ihrer selbst, die Gesellschaft wurde demokratisch, und den Menschen wurden die Menschenrechte zugesichert. Die Kirche besitzt nicht mehr die absolute Macht, die sie noch im Mittelalter innehatte, wo sie sogar Könige zum Kreuzgang nach Canossa zwingen konnte.

Doch die Situation scheint sich noch verschlimmert zu haben. Vom Täter scheint die Kirche zum Opfer mutiert zu sein. Immerhin beklagt Erzbischof Müller eine "Pogromstimmung" gegen die katholische Kirche, und Kardinal Meisner will gar eine "Katholikenphobie" entdeckt haben. Und warum? Nur weil die Kirche sich nicht an Gesetze hält und einer vergewaltigten Frau in zwei katholischen Krankenhäusern die Behandlung verweigert wurde, weil man ihr nicht die "Pille danach" verschreiben wollte? Nur weil die Kirche ihre Einrichtungen großzügig vom Staat finanzieren lässt - um dann dort Lohndumping und religiöse Diskriminierung zu betreiben, die mit den Gesetzen einer demokratischen Gesellschaft nicht zu vereinen sind?

Ein totalitäres System, das weder demokratisch noch moralisch ist, fühlt sich verfolgt, weil ihre Praktiken kritisch hinterfragt werden - und immer größere Teile der Bevölkerung nicht bereit sind, dies länger zu akzeptieren. Man könnte nun Mitleid mit einer Kirche haben, die es gewohnt war, ihre Ansichten und ihren Machtanspruch über Jahrhunderte brutal und skrupellos durchzusetzen. Doch ein bisschen Demut täte der Kirche nicht schlecht. Und das Eingeständnis, dass die eigenen Ansichten vielleicht doch nicht so menschlich und moralisch sind, wie sie von sich selber gerne behauptet.

Doch wie kann man Fehler eingestehen - wie kann man sie gar machen - wenn man glaubt, das eigene Handeln sei von Gott inspiriert?
P.H.