Die Theorie muss stimmen
Ökonomen sind große Denker. Anders als Physiker und Chemiker brauchen sie keine aufwendigen Experimente, um ihre Theorien zu überprüfen; anders als Biologen machen sie sich nicht die Mühe, die Welt zu beobachten, schließlich ist die Welt der Menschen so viel komplizierter als die Welt der Tiere. Ökonomen setzen sich hin und rechnen. Und wenn sie ein Ergebnis haben, dann muss es stimmen.

Ein solches Ergebnis ist die Theorie von Nachfrage und Angebot, die über den Preis bestimmt wird. Steigt der Preis, dann steigt das Angebot, doch die Nachfrage sinkt - und umgekehrt.

Dieser Theorie folgt auch die Europäische Zentralbank (EZB) unter Mario Draghi. Die Wirtschaft lahmt, sie könnte besser laufen, wenn sie mehr Geld hätte. Also wird das Angebot an Geld erhöht, indem der Preis des Geldes, der Zins, gesenkt wird. Diese Politik verfolgt die EZB nun schon seit Jahren, ohne großen Erfolg. Da die Theorie aber stimmen muss, war wohl der Preis des Geldes noch zu hoch. Also reduzierte die EZB ihn nun auf null. Die Realität soll endlich gezwungen werden, sich an die Theorie zu halten.

Das ging schon beim Mindestlohn schief. Hier hatten die Ökonomen vorgerechnet, dass ein höherer Lohn die Nachfrage nach Arbeitskräften reduzieren würde, weshalb die Arbeitslosigkeit in Deutschland steigen müsste. Auch das ist nicht eingetreten.

Echte Wissenschaftler würden sich nun fragen, ob vielleicht die Theorie fehlerhaft ist, wenn die Realität sich so hartnäckig weigert, ihr zu folgen.

Doch Ökonomen sind weniger Wissenschaftler als oft nur ein Sprachrohr der Eliten. Und denen helfen ein geringer Lohn durch höhere Gewinne und niedrige Zinsen durch explodierende Aktienkurse prächtig. Also stimmt die Theorie doch.
J.E.