Samstag, 16. Juni 2012
Ökonomie vs. Ökologie
Morgen wird in München wieder gewählt. Nein, es handelt sich nicht um eine Wahl zum Stadtparlement oder den Landtag. Eigentlich ist es auch keine Wahl, sondern nur ein Bürgerentscheid. Und unser Ministerpräsident hat auch schon angekündigt, dass in das Ergebnis nicht sonderlich interessiert. Lieber will er die Landtagswahl im nächsten Jahr nutzen, um das Thema entscheiden zu lassen. Andere Themen scheint's in Bayern wohl nicht zu geben.

Worum geht es eigentlich? Der Münchner Flughafen hat heute zwei Startbahnen. Die Betreiber gehen jedoch davon aus, dass die Zahl der Starts und Landungen in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird. Also brauche man eine weitere Startbahn, da dieses Verkehrsaufkommen mit den vorhandenen zwei Startbahnen nicht zu schaffen sei. Außerdem soll die dritte Startbahn für 11.000 weitere Stellen sorgen. Wer wollte bei diesem Argument eine dritte Startbahn verhindern wollen?

Natürlich die Gegner der dritten Startbahn. Diese führen an, dass die Prognosen zu optimistisch seien. In den letzten Jahren sei die Zahl der Flugbewegungen rückläufig gewesen. Beim Bau der Startbahn müsse weitere, wertvolle Natur weichen. Und wenn wirklich mehr Flugzeuge starten und landen sollten, dann würde der Lärm am Flughafen weiter zunehmen - dabei leiden die Anwohner jetzt schon unter dem großen Lärm der Flieger.

Hier soll gar nicht versucht werden, für die eine oder andere Seite zu argumentieren. Doch was fällt auf? Die Befürworter argumentieren rein ökonomisch. Die Startbahn ist gut für die Wirtschaft. Die Gegner argumentieren eher ökologisch. Die Natur und die Gesundheit der Menschen leiden unter einer dritten Startbahn und mehr Flugbewegungen.

Wieder einmal haben wir den Fall, dass die Ökonomie und Ökologie wie unversöhnliche Kontrahenten gegenüber stehen. Doch was ist die Ökologie? Erst einmal nur die Wissenschaft, die die Beziehungen der einzelnen Lebewesen untereinander und mit ihrer Umwelt untersucht, wie die Wikipedia schreibt. Die Ökonomie beschäftigt sich gar nur mit den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Menschen oder Organisationen, die von Menschen geschaffen wurden. Letztlich ist die Ökonomie ein Teilbereich der Ökologie. Eigentlich können sie gar nicht konträre Ziele haben.

Dass sie dennoch als unversöhnliche Kontrahenten auftreten, zeigt uns nur, dass die von den Menschen geschaffenen Regeln der Wirtschaft wohl nicht sonderlich sinnvoll sind.
J.E.



Freitag, 18. Mai 2012
Zur Aktienkultur
Aktien, so lehren uns die Finanzgurus, sind ein wichtiger Bestandteil des Geldanlage-Portfolios - zumindest für die, die Geld haben, das sie anlegen können. Denn mit Aktien kauft man sich einen Anteil an einem Unternehmen. Sie sind damit fast so sicher wie eine Immobilie - aber nicht so teuer und viel leichter zu handeln. Statt Miete kassiert man die Dividende, und natürlich die fantastischen Wertsteigerungen der Aktien. Egal welchen Anlageberater man fragt: Nichts schlägt die Aktie an Wertsteigerung. Man muss nur den richtigen Zeitraum finden. Sonst käme man eventuell darauf, dass auch nichts die Aktie schlägt, wenn es um Wertvernichtung geht...

Die Anleger der Telekom-Aktie hofften auch auf eine saftige Wertsteigerung. Anfangs trat sie auch ein. Wir erinnern uns an die goldenen Zeiten des ausgehenden 20. Jahrhunderts, als jede Technologie-Aktie förmlich in den Himmel schoss, die Manager mussten das Vermögen der Firma nur
schnell genug verbrennen, davon, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen sollte, war gar nicht mehr die Rede. In dieser Zeit begeisterten sich Millionen Deutsche für die Telekom-Aktie - und wurden bitter enttäuscht. Nach einem fulminanten Höhenflug ist sie heute weniger wert als am Ausgabetag. Deshalb klagten zahlreiche Anleger, weil sie sich vom Management betrogen fühlten. Doch nun verloren sie vor Gericht.

Das Trauerspiel um die T-Aktie hat der Aktienkultur in Deutschland geschadet, wie die Experten finden. Nun trauen sich immer weniger Deutsche, diese großartigen Wertpapiere zu kaufen. Aber sind das wirklich noch Wertpapiere, so wie die Theoretiker sich das gedacht haben? Man kauft sich einen Anteil am Unternehmen und profitiert von der Unternehmensentwicklung?

Heute dominieren nicht Anleger das Geschäft an den Börsen, sondern Spekulanten. Besonders die Hochgeschwindigkeitshändler kaufen und verkaufen riesige Aktienpakete in Sekundenbruchteilen. Der Wert der Aktien hat nichts mehr mit dem Wert des Unternehmens zu tun, sondern nur noch mit den Erwartungen der Spekulanten. Und seinen Höchststand vom 7. März 2009 hat der DAX-Kursindex bis heute nicht mehr erreicht. Die Aktien sind keine Geldanlage mehr, sondern reines Spekulationsobjekt. Wenn die Tragödie um die T-Aktie erreicht hat, dass die Deutschen dies verstehen, dann hatte sie doch ihr Gutes.
J.E.



Samstag, 28. April 2012
Phoebus lebt!
Wer war noch einmal Phoebus? Zum Glück gibt es Wikipedia: "Das Phoebuskartell bezeichnet ein Gebiets-, Normen- und Typenkartell, das im Dezember 1924 in Genf von den international führenden Glühlampenherstellern gegründet wurde." Die meisten Kartelle haben zum Ziel, den Preis für ein Produkt möglichst hoch zu halten. Phoebus nicht. Die Kartellmitglieder einigten sich vielmehr darauf, die Lebensdauer für Glühlampen möglichst niedrig zu halten. So gab es in den 1920er Jahren schon Glühlampen, die mehrere tausend Stunden brannten! Nicht auszudenken, wenn sich das durchgesetzt hätte! Irgendwann hätten die Kunden ihr ganzes Leben mit einer einzigen Glühlampe gelebt! Wo wäre denn da der Umsatz geblieben?

Also einigten sich die Mitglieder des Phoebuskartells darauf, die Lebensdauer einer Glühlampe auf 1000 Stunden zu beschränken. Die Firmen mussten auch regelmäßig Produktionsmuster abliefern, damit überprüft werden konnte, ob sie diese Vorgabe einhielte. Brannten die Birnen länger, dann mussten sie Strafe zahlen.

Im Jahr 1942 soll das Kartell beendet worden sein, als die US-Regierung Anklage gegen General Electric erhob. Bemerkenswerterweise ist es dennoch keinem Glühlampenhersteller in den folgenden Jahrzehnten gelungen, die Lebensdauer der Glühbirne auf mehr als 1000 Stunden zu steigern...

Jetzt brauchen sich die Hersteller darüber aber auch nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. In der EU werden Ende des Jahres die letzten Glühbirnen verboten, die ersten Modelle sind schon seit September 2009 verboten. Sie werden durch Energiesparlampen ersetzt, für die die Industrie viel Werbung gemacht hat. Immerhin verbrauchen sie nur ein Fünftel so viel Strom wie die herkömmliche Glühbirne. Und das ist in Zeit der CO2-Verschmutzung sicher ein gewichtiges Argument.

Nachdem das Verbot der Glühbirne jedoch durchgesetzt war, tat sich jedoch merkwürdiges. Plötzlich kamen die Energiesparlampe in die Kritik. Erst warnte Ende 2010 das Umweltbundesamt vor dem Quecksilber in den Energiesparlampen; denn zerbrechen diese, so wird der Quecksilberrichtwert in der Luft um das 20fache überschritten.

Dann deckte das NDR-Magazin "Markt" auf, dass viele Energiesparlampen krebserregende Stoffe enthalten, die bei der Benutzung in die Atemluft freigesetzt werden - die Energiesparlampen brauchen dazu noch nicht einmal beschädigt zu sein.

Vor kurzem gab es eine Reportage auf 3sat zum Ende der Glühbirne. Während die Leuchtmittelhersteller keine Probleme hatten, den Reportern die Produktion der herkömmlichen Glühbirne und zukünftiger Leuchtkörper auf Halbeiterbasis zu zeigen, durften sie bei keinem Hersteller die Produktion von Energiesparlampen besichtigen. Ein aus Asien zugespielter Film zeigte dann auch, was wohl der Grund sein dürfte: Ohne ausreichenden Schutz werden hier die giftigen Stoffe wie das Quecksilber in die Lampen eingebracht. Die Arbeiter werden früh krankt und sterben jung. Aber Asiaten gibt's ja genug.

Ist es also wirklich in unserem Sinne, dass die Glühbirnen durch die Energiesparlampe ausgetauscht werden? Oder hat die Industrie hier wieder einen Standard geschaffen, der in ihrem Sinne sein mag, doch nicht im Sinne der Kunden? Lebt Phoebus immer noch?
J.E.



Sonntag, 8. April 2012
Was man nicht weiß...
Zu Ostern hat man mal wieder Zeit für die Familie. Man trifft sich, und lässt die Kleinen nach den vorher versteckten Eiern suchen, auch wenn dies beim heutigen Wintereinbruch in München eine kühle Angelegenheit wird. Und wenn die Eier gefunden sind, dann setzt man sich an den üppig gedeckten Tisch. Schließlich will man sich was Gutes tun.

Dumm ist nur, dass man bei den bunt gefärbten Eiern aus dem Supermarkt gar nicht weiß, ob man sich was Gutes getan hat. Denn auch wenn wir ansonsten peinlich darauf achten, Eier aus Freilandhaltung oder gar Biohaltung zukaufen - zu Ostern kann es uns passieren, dass uns schäbige, aber zumindest bunt gefärbte Käfigeier untergejubelt werden.

Aber was soll man sich beschweren: So läuft der freie Markt nun einmal. Zwar soll sich dank Angebot und Nachfrage die optimale Versorgung aller einstellen, doch wenn die Nachfrage gar nicht weiß, wie das Angebot aussieht, dann kommt halt irgendwas auf den Tisch.

Das denkt sich wohl auch die Lebensmittelindustrie, die unseren Kleinen immer neue Leckereien anbietet. Natürlich nur darauf ausgerichtet, was gut für die Kleinen ist. Doch eine Untersuchung der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch zeigt, dass die speziellen Produkte für Kinder vor allem eines sind: fett und voller Zucker. Und dafür auch noch deutlich teurer als vergleichbare Produkte für Erwachsene.

Denn das ist letztlich der freie Markt: Wer am besten lügt, der hat die Nase vorn.
Aber das kannte man ja auch schon von Pinocchio...
K.M.



Freitag, 23. März 2012
Aufschwung dank Agenda 2010?
Die Wirtschaft brummt derzeit, wie lange nicht mehr. Die Bundesagentur für Arbeit erwartet 2012 ein Rekordtief bei den Arbeitslosenzahlen - im Jahresdurchschnitt sollen unter 3 Millionen Menschen arbeitslos sein, nach gut 5 Millionen noch vor einigen Jahren.

Woran liegt es, dass Deutschland wirtschaftlich trotz der weltweiten Finanz- und Schuldenkrise so gut da steht? Vielen Ökonomen und Journalisten erscheint die Antwort klar: Natürlich nur wegen der Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010, die Deutschlands Arbeitsmarkt fit für die Zukunft machten. Wie die Zukunft aussah, konnte man schon seit Jahren in den USA beobachten: Immer mehr Menschen rutschen in den Niedriglohnsektor ab, und müssen zwei oder gar drei Jobs annehmen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Aber das muss man halt akzeptieren, soll das Land überleben (und die Oberschicht sich weiter aus der Finanzierung der Gesellschaft zurückziehen können).

Aber hat die Agenda 2010 wirklich etwas mit dem derzeitigen wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands zu tun? Reden wir doch mal über die Eurokrise: Länder wie Griechenland und Portugal leiden unter der gemeinsamen Währung, weil diese nun ihre Währungen nicht mehr abwerten und so den Export ihrer Produkte ankurbeln können. Auf der anderen Seite steht Deutschland: Unsere Währung wird im gemeinsamen Währungsraum trotz der großen Handelsüberschüsse nicht mehr aufgewertet. Aus Deutschlands Sicht, ist der Euro zu billig. Und deshalb brummt die Wirtschaft.

Dieses Phänomen kennen wir aus der Vergangenheit: Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich die Industrienationen auf ein stabiles Währungssystem mit fixen Wechselkursen relativ zum Dollar geeinigt, dem sogenannten System von Bretton Woods. Als Deutschlands Wirtschaft wuchs, hätte er Exportüberschuss vor allem in die USA mit einer Verteuerung der D-Mark einhergehen müssen. Doch der Wechselkurs blieb stabil, die D-Mark war unterbewertet und deutsche Güter waren konkurrenzlos günstig. Das deutsche Wirtschaftswunder nahm seinen Lauf.

Das Wachstum der deutschen Wirtschaft erlebte erste Dellen, als die D-Mark 1969 um 8,5% aufgewertet wurde. Als dann der Wechselkurs der D-Mark zum Dollar 1971 freigegeben wurde, wurde die D-Mark weitere 9% teurer. Das Wirtschaftswunder war vorbei. Freuen wir uns also über den billigen Euro, so langes es ihn noch gibt. Aber hören wir bitte auf zu behaupten, die neoliberale Agenda 2010 hätte irgendetwas mit der heutigen wirtschaftlichen Stärke Deutschlands zu tun.
J.E.



Samstag, 17. März 2012
Der Süden hat's gut
Die Schuldenkrise hat Europa immer noch im Griff, auch wenn der erfolgreiche Schuldenschnitt in Griechenland dem Kontinent nun etwas Luft verschafft hat. Was aber ist der Grund dafür, dass es besonders den Südländern wie Griechenland, Portugal und Spanien so schlecht geht? Die Antwort scheint allen klar: Die immensen Lohnsteigerungen, die die Südländer ihren Arbeitnehmern in den letzten Jahren genehmigt haben. Weil es denen so gut geht, leidet das Land.

Man kann jede beliebige Zeitung aufschlagen, und schon findet man eine Grafik, die die Lohnentwicklung der letzten Jahre darstellt. So stiegen die Löhne in Deutschland von 2000 bis 2011 um moderate 7 Prozent, in Spanien, Portugal oder Griechenland jedoch um das 3 bis 5fache. Da ist es ja kein Wunder, dass die Wirtschaft dieser Länder nicht mehr wettbewerbsfähig ist.

So zumindest die Propaganda, der wir tagtäglich ausgesetzt sind. Doch wer hat am Ende mehr: Ein Mensch, der zu einem Einkommen von 100.000 Euro fünf Prozent Erhöhung bekommt, oder ein Mensch, der zu einem Einkommen von 10.000 Euro 30 Prozent Erhöhung bekommt?

In den Zeiten des PISA-Schocks sind solche Rechnungen natürlich kaum zu bewältigen. Da beschwert man sich doch lieber, dass der Kollege mit einem Einkommen von 10.000 Euro eine so viel größere Erhöhung bekommt als der zehnmal reichere Mensch.

Tatsache ist jedoch, dass die Einkommen in den Südländern deutlich niedriger sind als in Deutschland - trotz dieser "immensen" Lohnsteigerungen in den letzten Jahren. Die waren ja auch gewollt, immerhin sollen sich die Lebensverhältnisse in der EU mit der Zeit angleichen. Wüchsen die Löhne in allen Ländern um denselben Faktor, dann bliebe die Kluft zwischen arm und reich ja auf Ewig bestehen. Doch selbst trotz dieser Steigerungen verdient ein Arbeitnehmer in Griechenland nur durchschnittlich 23.900 Euro im Jahr und der Arbeitnehmer in Deutschland 42.400. Ebenso ist die Kaufkraft der Arbeitnehmer in Deutschland deutlich höher als in den kriselnden Südländern.

Trotz dieser geringen Einkommen sollen die Südländer also nicht wettbewerbsfähig? Das erscheint nun doch komisch. Da verschweigt man lieber die absoluten Zahlen und berichtet nur von den viel höheren Lohnsteigerungen, um den Südländern Vorwürfe zu machen. Nie log man schöner mit Statistiken.
J.E.



Samstag, 25. Februar 2012
Der Mythos des freien Handels
Der freie Handel ist das Lieblingskind unserer Ökonomen: Über Angebot und Nachfrage bildet sich im freien Spiel der Kräfte ein fairer Preis für eine Ware oder Dienstleistung. Mischt sich der Staat mit Reglementierungen ein, dann spiegelt der so entstandene Preis die Marktsituation noch nicht einmal ansatzweise wieder - und er ist entweder viel zu hoch oder viel zu niedrig. Soweit die Theorie.

In der Praxis sieht es eher so aus, dass Firmen, wenn sie sich unbeobachtet glauben, blitzschnell Kartelle bilden, um den Preis nach ihrem Gusto festsetzen zu können - und das freie Spiel der der Kräfte durch das Recht des Stärkeren ersetzen.

Oder man erzeugt völlig unverständliche Produkte, wie die Derivate, die die Weltwirtschaft 2008 in die Krise gerissen haben, und verlangt für den Schrott Mondpreise, weil eh niemand versteht, dass er hier nicht wertvolles, sondern nur Müll bekommt.

Der letzte Clou ist es, die Versorgungssicherheit mit Strom in Deutschland aufs Spiel zu setzen, nur um ein paar Euro extra zu verdienen. So haben die Stromhändler nach einem Vorwurf der Bundesnetzagentur Anfang Februar nicht den Bedarf eingekauft, den ihre Kunden tatsächlich benötigt hätten, sondern deutlich weniger. Schließlich war der Strom zu dieser Zeit wegen der Kältewelle in Europa und dem riesigen Bedarf in Frankreich deutlich teurer als sonst. Dieser fehlende Strom musste dann mit der für Notfälle vorgesehenen Regelleistung ausgeglichen werden, die den hübschen Vorteil hatte, dass sie deutlich günstiger zu bekommen war als der Strom an den Strombörsen. Dies hatte zur Folge, dass die Sicherheitsreserve Anfang Februar für mehrere Tage fast aufgebraucht war. Wäre in dieser Zeit ein Kraftwerk ausgefallen, dann hätte es in Deutschland einen großflächigen Blackout gegeben. Aber hätten die Händler sich regulär über die Börse mit Strom eingedeckt, dann hätten sie ja nicht die hübschen Gewinne einfahren können.

Als der Staat noch die Finanzgeschäfte und den Stromhandel kontrollierte, hatte es solche Auswüchse nicht gegeben, bei denen eine Minderheit sich auf den Kosten einer Mehrheit bereichern konnte. Doch jetzt ist der Handel frei.

Es ist nur Schade, dass er sich nicht an die hübschen und mathematisch ausgefuchsten Theorien der Ökonomen hält.
J.E.



Samstag, 18. Februar 2012
Arbeitet endlich mehr!
Ökonomen scheinen sich für Auguren zu halten, die die Zukunft vorhersagen können. Und wie bei der Offenbarung des Johannes sind die Zukunftsaussichten für Deutschland seit Jahren eher apoklyptischer Natur. So hat die OECD vor kurzem eine Studie veröffentlicht, nach der Deutschlands Wohlstand in Gefahr ist. So sei das langfristige, durchschnittliche Wachstum hierzulande mit 1,5 Prozenz schon niedrig, mittelfristig drohe es aber, auf 1 Prozent zu sinken. Wir werden alle arm!

Ne, Quatsch, wenn die Wirtschaft noch wächst, dann werden wir auch reicher. Die Mehrheit der Deutschen wird nur deshalb ärmer, weil die Regierung mit ihrer neoliberalen Politik den Zuwachs an Reichtum nicht mehr gerecht an alle Bürger verteilt.

Aber was kann man nach Einschätzung der OECD-Ökonomen dagegen tun, dass die Wirtschaft nur noch marginal wächst? Die Lösung ist einfach: Wir müssen endlich mehr arbeiten. So sollen "mehr Frauen in Beschäftigung und vor allem Vollzeitbeschäftigung" gebracht werden. Um das zu erreichen, solle die "kostenlose Mitversicherung von Ehepartnern, die nicht arbeiten, in der gesetzlichen Krankenversicherung ... abgeschafft werden, das schaffe Anreize für die Ehepartner, ebenfalls zu arbeiten."

Aber nicht nur die Frauen sind faule Säcke, die sich vor der Arbeit drücken, auch unsere Alten sollen endlich mehr arbeiten. "Auch für ältere Arbeitnehmer sollte es attraktiver werden, länger im Beruf zu bleiben. Dafür sei allerdings ein Umbau des Rentensystems nötig: Die Ökonomen empfehlen, dass bei der Berechnung der Rente künftig die letzten Berufsjahre besonders stark zählen sollten. Dann hätten Arbeitnehmer einen Anreiz länger im Beruf zu bleiben, weil sie ansonsten erhebliche Einschnitte bei der Rente befürchten müssten." Von wegen Frührente und dann mit fünfzig auf Mallorca! Das war einmal!

Aber Moment: Ist es nicht so, dass gerade ältere Menschen von Firmen vevorzugt aussortiert werden und dann keinen neuen Job mehr finden? Ist es nicht so, dass der einzige Wachstumsbereich in Deutschland der Niedrigohnsektor ist, wo die Menschen in prekären und zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnisse gerade so um die Runde kommen? Die OCED-Ökonomen unterstellen den Deutschen, dass sie nicht arbeiten wollen, dabei können sie nicht arbeiten, weil es in unserer hochtechnisierten Servicewüste kaum noch ausreichend Jobs gibt. Es ist ja nicht so, dass ein riesiges Angebot an anständig bezahlten Arbeitsplätzen auf eine nicht vorhandene Nachfrage stößt, die man durch Einschnitt im Sozialsystem, durch die man die faulen Schnorrer zum Arbeiten treibt, erhöhen kann. Vielmehr stößt eine große Nachfrage nach guten Jobs auf ein kaum vorhandenes Angebot. In einer solchen Situation auch noch Einschnitte im Sozialsystem vorzuschlagen, ist schon eine ziemliche Frechheit.

Wenn man schon die Zukunft vorhersagen will, dann sollte man sich doch erst etwas mit der Gegenwart bschäftigt haben.
J.E.



Samstag, 28. Januar 2012
Betrügen lohnt sich
Betrügen, so glauben wir doch, ist ein Verbrechen. Wer einen anderen mit der Absicht auf persönliche Bereicherung täuscht, der gehört bestraft. So sieht es zumindest der gesunde Menschenverstand. Aber was weiß der schon von unserem Rechtssystem...

Unsere Richter scheinen hier ein anderes Verständnis zu haben. So führte Heidrun S. den Hilfeverein "Kinder in Not" wie ein Familienunternehmen, dessen Gewinne - sprich Spenden - fast völlig für den eigenen Lebensunterhalt eingesetzt wurden, auch wenn die Homepage des Vereins sich vollmundig mit guten Taten schmückte - die jedoch andere vollbracht hatten. Im Laufe der Jahre veruntreute Heidrun S. mit ihrer Familie knapp 5 Millionen Euro - und wurde dafür dann schwer bestraft: Sie bekam zwei Jahre auf Bewährung und musste eine Strafe von gut 50.000 Euro bezahlen. Das veruntreute Geld musste sie nicht zurückzahlen. Es war ja auch schon alles ausgegeben - wie könnte man es dann noch zurückfordern? Unter dem Strich hat ihr der Schwindel also etwa 5 Millionen Euro eingebracht. Und sie musste noch nicht einmal ins Gefängnis.

Aber nicht nur Einzelpersonen betrügen, sondern ganze Firmen. Man denke nur an die Leiharbeitsbranche. Eigentlich sollte diese ihren Angestellten ja genauso viel zahlen, wie die festangestellten Kollegen in den Betrieben verdienen. Eine Ausnahme war nur möglich, wenn es einen Tarifvertrag mit einer Gewerkschaft gab, der eine Abweichung von dieser Regel erlaubte. Denn, so dachte der Gesetzgeber, welche Gewerkschaft würde denn, abgesehen von wirklichen Notfällen, einer solchen Ausnahme zustimmen?

Aber zum Glück gibt es ja die Christen, die auch noch die zweite Wange hinhalten, wenn man ihnen schon was auf die erste gab. Nur so kann man erklären, wieso die christliche Gewerkschaft CGZP völlig unproblematisch Tarifverträge mit zahlreichen Leiharbeitsfirmen abschloss, in denen Hungerlöhne für die Arbeiter die Norm waren. Dumm nur, dass das Bundesarbeitsgericht im Dezember 2010 dieser Gewerkschaft die Tariffähigkeit absprach, weil sie nun einmal so gut wie gar keine Arbeiter vertrat. Damit waren die Tarifverträge ungültig, die Gesetze galten, und die Arbeiter konnten das ihnen vorenthaltene Einkommen zurückfordern und der Staat die zu wenig gezahlten Sozialbeiträge. Die Leiharbeiterbranche sieht sich nun mit Millionenforderungen konfrontiert - und müsste doch tatsächlich das aufwendig ergaunert Geld wieder zurückzahlen.

Doch was der kleine Spendenbetrüger nicht muss, dass sollen doch auch große Leiharbeitsfirmen nicht müssen. Das scheint zumindest der Wirtschaftsflügel der Union zu denken. Dieser fordert "Vertrauensschutz" für die Leiharbeitsfirmen, die doch im festen Glauben daran, es mit einer echten Gewerkschaft zu tun zu haben, diese Tarifverträge abgeschlossen hätten. Gut, dass seit spätestens 2006 die Tariffähigkeit der CGZP in Frage steht, muss einen Unternehmer ja nicht kümmern. Wie schon die Banken, so scheinen auch die Leiharbeitsfirmen volles Risiko zu fahren - und dann darauf zu hoffen, dass der Staat ihnen schon unter die Arme greift.

Da haben die Neoliberalen doch ausnahmsweise mal recht: Unser Sozialstaat ist wirklich überdimensioniert. Und wenn Ihre Kinder mal nicht wissen, was sie werden wollen: Millionenbetrüger ist ein Job mit Zukunft und ohne jedes Risiko.
P.H.



Samstag, 14. Januar 2012
Juhu, 'ne neue Steuer!
Auf eine Sache kann man sich bei unseren Politikern ja verlassen: Wenn es darum geht, Geld aus den Taschen der Bürger zu ziehen, dann zeigen sie eine ungeahnte Kreativität. So haben einige Städte wie Köln eine sogenannte Bettensteuer eingeführt, bei der Hoteliers eine bestimmte "Kulturförderabgabe" pro Gast an die Stadt zahlen müssen. Bonn hat auf dem Straßenstrich einen Automaten aufgehängt, an dem die Prostituierten jeden Abend ein Ticket ziehen müssen, damit sie sich an die Straße stellen dürfen. Und nun ist schon wieder eine neue Steuer im Gespräch: Die Finanztransaktionssteuer.

Natürlich gibt es hier auch schon wieder kritische Stimmen, die diese hübsche Idee für zusätzliche Steuereinnahmen madig machen wollen. Besonders die FDP gab zu bedenken, dass unter dieser Steuer, die auf Aktien-, Anleihen- und Derivategeschäfte erhoben werden soll, gerade die Kleinsparer leiden werden, da die Banken diese Kosten ja direkt auf die Kunden umlegen würden. Es ist wirklich beschämend, dass Mutti, wenn sie gerade bei Aldi ein paar Euro gespart hat, diese in Zukunft nicht mehr in Derivategeschäfte stecken kann, weil die paar Kröten komplett für die Bankgebühren draufgehen werden.

Oder ist es nur "verwunderlich" zu sehen, was aus Sicht der FDP "Kleinsparer" sind? Wahrscheinlich hängt am Eingang ein Schild: "Kleinsparerverein FDP, Mindesteinkommen: 1 Million Euro pro Jahr".

Im Gegenteil, diese Steuer würde gerade diejenigen Treffen, die mit diesen "Massenvernichtungswaffen" (so die Investmentlegende Warren Buffet) ihr Geld verdienen. Denn diese leben davon, dass sie irrsinnige Geldsummen bewegen und dann hier ein Promille und dort drei Promille Gewinn machen, und die Anlagen sofort wieder verkaufen. Wenn bei jedem Verkauf 0,1 - 1 Promille an Steuern bezahlt werden müssen, dann lohnt sich der ganze Aufwand natürlich nicht mehr - es bliebe ja alles beim Staat.

Und das ist der eigentliche Sinn einer Finanztransaktionssteuer: Unsinnige Spekulationsgeschäfte, die nur Blasen erzeugen, sollen damit verhindert werden. Wenn diese Steuer wirklich erfolgreich ist, dann verhindert sie die Geschäfte, die sie besteuern will, und die Einnahmen des Staates bewegen sich nahe Null.

Und das wäre doch mal wirklich mal eine Steuer, für die man sich begeistern könnte.
J.E.