Tschüss, Europa!
Ende Mai hat man es nun beschlossen, einen weiteren Sargnagel für das, was für uns mal Europa war: Das Schengenabkommen, welches uns grenzenlose Reisefreiheit zwischen den Unterzeichnerstaaten garantierte,
wurde eingeschränkt. Nun können Länder ihre Grenzen wieder kontrollieren, etwa wenn zu viele Flüchtlinge ins Land kommen. Und ausgerechnet Deutschland war die treibende Kraft hinter der Reform.
Deutschland, das war einmal eins der Gründungsmitglieder der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, aus der sich die EU entwickelte. Nachdem es Deutschland geschafft hatte, in zwei verheerenden Kriegen praktisch alle seine Nachbarn zu überfallen, wollte sich dieses Land endlich in Europa integrieren. Es gab seine Grenzen auf, es gab seine Währung auf. Und als Deutscher freute man sich, dass man ohne Probleme nach Frankreich oder Spanien konnte und dort noch nicht einmal Geld umtauschen musste. Europa war nicht länger ein Fleckenteppich, Europa war Wirklichkeit geworden.
Doch nun erscheint Europa der deutschen Politik immer lästiger zu werden. So hat man die Drittstaatenregelung eingeführt, nach der Asylbewerber in dem Land Asyl beantragen sollen, das sie als erstes nach der Flucht aus der Heimat betreten haben - und sich dann gefreut, dass Deutschlands nur eine EU-Außengrenze zur Schweiz hat, aus der wenig Asylbewerber zu erwarten sich. Doch Italien wollte mit dem afrikanischen Flüchtlingsproblem nicht alleine gelassen werden. Also schickte es die Asylanten nach Deutschland. Und das will nun wieder die Grenzen dicht machen können. Was sollen wir schließlich mit den italienischen Asylanten?
Deutschland hat eine starke Wirtschaft - und profitiert von seinem Hinterland, Ländern wie Polen, Ungarn und der Tschechei, in denen es billig vorproduzieren lassen kann, um dann im Inland Fertigprodukte für den billigen Export herzustellen. Da Deutschland auch keine Kolonien hatte, hat es schon früher als andere Länder auf eine starke Exportwirtschaft gesetzt. Nun hilft diese lange Erfahrung und die billige Produktion in Osteuropa Deutschlands Wirtschaft und macht sie noch stärker. Historische und geographische Zufälle haben Deutschland in eine Sonderposition in Europa gebracht. Doch statt dankbar darüber zu sein, schauen wir auf die faulen Südländer herab, die diese positiven Randbedingungen nicht hatten.
Mit seiner starken Wirtschaft hat Deutschland Ungleichgewichte in Europa verschärft. Doch statt nun auf Ausgleich zu setzen, setzt es auf Konfrontation. Sollen die Südländer doch zusehen, wie sie alleine fertig werden! Geld bekommen sie von uns nicht! Lieber sollen sie sparen, dann wird schon alles gut!
Und das behauptet Deutschland, obwohl es selber mit Kurzarbeit während der Krise die Staatsausgaben massiv erhöht hat - und in den1930er Jahren mit der Sparpolitik während der Depression die Wirtschaftskrise noch verstärkt hat.
Doch Deutschland sieht sich nicht mehr als Teil Europas. Wurde Deutschland nicht in die EWG gezwungen, weil die Franzosen die erstarkende deutsche Wirtschaft kontrollieren wollten? Was haben wir denn schon von Europa?
Unsere Exporte können wir auch in andere Länder verkaufen. Und auf Freunde, die nur schnorren, kann man getrost verzichten.
Nur: Deutschland wird auch immer älter - und damit schwächer. Man sollte seine politische Richtung nicht aus der augenblicklichen Stärke definieren. Doch das scheint unserer Regierung nicht bewusst zu sein. Und so sagen wir Europa leise Servus.
Schade, es war schön, solange es gedauert hat.
K.M.
red horse am 14. Juni 13
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Drohnendes Unheil
Da wollte Deutschland mal ganz groß mitspielen, und hat Millionen in
die Entwicklung einer Drohne mit Namen "Euro Hawk" investiert, eines Flugkörpers, der ferngesteuert durch die Gegend fliegt, den Feind ausspioniert - und ihn gegebenenfalls umbringt. Es braucht keinen Soldaten mehr, um den Feind zu töten - und es braucht kein Gericht mehr, um jemanden zu verurteilen.
Die Amerikaner haben es vorgemacht. Und wie man diese Woche erfahren durfte, leiten sie diese Aktionen von Deutschland aus - kein Wunder, dass der kleine Bruder dasselbe Spielzeug haben wollte. Von
Stuttgart und Ramstein aus leiten die US-Militärs ihre Drohnen, die vor allem in Afrika fliegen und dort gezielt Terroristen töten. Wie die Amerikaner jemanden als Terrorist identifizieren? Das ist ganz einfach. Allerdings können Zivilisten dies nicht verstehen. Weshalb man auch keine Gerichte damit belästigt, den potentiellen Terroristen zu verurteilen.
Nach dem Angriff auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 haben die Amerikaner das Rechtssystem umgeschrieben. Vorher gab es Feinde in einem Krieg, für die die Genfer Konventionen galten, und es gab Verbrecher, die von einem ordentlichen Gericht abgeurteil wurden. Die
Amerikaner schufen danach die Gruppe der "feindlichen Kämpfer", die weder als Verbrecher noch als Kriegsgegner gelten, und bei denen man auch ungestraft "alternative Verhörtechniken" anwenden kann, die der Rest der Welt als Folter bezeichnet. Eingekerkert wurden diese feindlichen Kämpfer in dem Militärcamp Guantanamo auf Kuba - einer amerikanischen Festung in einem kommunistischen Land. Welcher Ort wäre besser geeignet, um internationales Recht außer Kraft zu setzen?
Zwar hat der amerikanische Präsident Obama versprochen, diesen Ort der Schande, an dem die Amerikaner alle ihre demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien über Bord geworfen haben, zu schließen. Doch die Mehrheit der Amerikaner scheint mit Demokratie nicht mehr viel am Hut zu haben - und ist
vehement dagegen.
Wogegen wendet sich noch einmal der Krieg der islamistischen Terroristen? Gegen die Freiheit in der westlichen Welt, gegen die Demokratie, die Menschenrechte.
Es sieht ganz so aus, als hätten sie gewonnen.
K.M.
red horse am 01. Juni 13
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Steueroase Deutschland
Der Kampf gegen Steuersünder scheint eine der größten Aufgaben der deutschen Politik zu sein. Vor allem die Schweizer fallen immer wieder unangenehm auf, weil sie es deutschen Reichen erlauben, ihr Geld ungestraft vor dem deutschen Fiskus zu verbergen. Allerdings
bröckelt der Widerstand der Schweizer, die nun bereit sind, immer mehr mit dem deutschen Fiskus zu kooperieren. Die Hartnäckigkeit Deutschlands im Kampf um Steuergerechtigkeit hat sich, so scheint es, gelohnt.
Und ist ziemlich heuchlerisch.
Nach einem
Bericht der OECD nimmt Deutschland den Kampf gegen Geldwäsche nicht sonderlich ernst. Von 49 untersuchten Kriterien erfüllt Deutschland nur 29 - und ist damit nur knapp an der Aufnahme auf die Schwarze Liste der Geldwäscheländer vorbeigeschrammt.
Und wenn Steuerfahnder bei uns in Deutschland mal zu aggressiv werden - besonders in unionsregierten Ländern - dann werden die Beamten auch schon einmal als
psychisch krank eingestuft und aus dem Dienst entfernt, so wie dies vier Steuerfahndern Hessen passiert ist. Seitdem können die Manager der Großbanken Frankfurts wieder etwas ruhiger schlafen.
Ähnlich unternimmt auch Bayern bei der Steuerfahndung
keine großen Anstrengungen. Und wenn mal jemand auf illegale Vorgehensweisen hinweist, dann dient das allenfalls dazu, ihn ebenfalls als psychisch krank zu diagnostizieren und für Jahre in eine geschlossene Anstalt einzuweisen, so wie dies
Gustl Mollath passiert ist.
Die Bösen sind immer die Anderen. Aber vielleicht stinkt es im eigenen Nest mittlerweile auch so stark, dass niemand sich mehr traut, hier mal aufzuräumen.
P.H.
red horse am 18. Mai 13
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Wer hat, dem wird gegeben
Billiger Wohnraum ist knapp in Deutschland - und in Bayern wird er jetzt noch knapper. Die Bayerische Landesbank, die im Zuge der Finanzkrise an den Rand des Konkurs getrieben war und mit zehn Milliarden Euro vom Staat gerettet werden musste, hat Anfang April ihre Beteiligung an der Wohnungsbaugesellschaft
GBW an den Wohnungsbauinvestor Patrizia verkauft. Sie hat bei diesem Deal knapp 2,5 Milliarden Euro eingenommen.
Das klingt erst einmal nach einer stolzen Summe. Allerdings wurden dabei 32.000 Wohnungen verkauft, also knapp 76.600 Euro pro Wohnung, oder 1350 Euro pro Quadratmeter. So günstig ist der Quadratmeter in bayerischen Städten sonst nicht zu haben, ganz besonders nicht in München, wo gut ein Drittel der Wohnungen liegen. Für die Patrizia war der Kauf der GBW ein Schnäppchen. Mehr noch: Formal hat die Patrizia ja nicht die Wohnungen gekauft hat, sondern die Anteile der Landesbank an der GBW. Dazu gehören zwar die Wohnungen, da aber formal keine Wohnungen verkauft wurden, sondern nur Firmenanteile, bezahlt die Patrizia bei diesem Deal noch nicht einmal Grunderwerbsteuer, obwohl ihr nun 32.000 Wohnungen gehören. Wenn ein privater Investor schon Staatseigentum bekommt, dann soll es eben auch richtig billig sein.
Aber warum, so fragt man sich, hat die GBW ihre Wohnungen zu diesem Schnäppchenpreis nicht einfach den Mietern angeboten? So billig wären die doch nie an eigenen Wohnraum gekommen, bei heutigen Zinssätzen hätten Zinsen und Tilgung für einen Kredit weniger gekostet als die Miete!
Der Grund ist einfach: Bei diesem Verkauf hätte sich der Vorstand der GBW strafbar gemacht.
Nun ist man völlig verwirrt. Doch in unserem Rechtsstaat, der den Reichen gibt und den Armen nimmt, ist der Verkauf an die Patrizia legal, der Verkauf der Wohnungen an die Mieter zu denselben finanziellen Konditionen wäre jedoch illegal.
Wäre die GBW hingegangen und hätte die Wohnungen zu einem Preis an ihre Mieter verkauft, der deutlich unter dem Marktwert liegt, dann hätte die Firma
Vermögenswerte vernichtet. Jeder Firmenvorstand, der dies tut, macht sich strafbar. Der Verkauf der Wohnungen unter Marktwert wäre damit illegal.
Die Patrizia hingegen hat ja nicht die Wohnungen gekauft, sondern die Anteile der Landesbank an die GBW. Unter dem Strich erhält sie so auch Wohnungen, formal hat sie jedoch eine Firma unternommen. Und wie der Wert der Firma bestimmt wird, das bleibt den beteiligten Parteien überlassen. Wenn der Verkäufer deutlich zu wenig fordert, dann hat der Käufer halt Glück gehabt.
Denn wie es heißt es schon in der Bibel: Wer hat, dem wird gegeben.
J.E.
red horse am 20. April 13
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Deutschlands Erfolg: Ausbeutung
Kaum ein Land steht in Europa besser da als Deutschland. Hier brummt die Wirtschaft, die Export eilen von
Rekord zu Rekord und die Arbeitslosigkeit befindet sich auf einem historischen
Tiefstand.
Eigentlich sollten doch alle froh sein, dass Deutschland ein rettender Anker im zerrütteten Europa ist und den schwächelnden Euro mit seiner wirtschaftlichen Stärke am Leben hält. Doch was passiert? Alle sind sauer auf Deutschland, und die Investmentlegende George Soros fordert sogar, dass Deutschland den
Euro aufgeben solle, wenn das Land keinen Euro-Bonds zustimmt.
Doch gerade dies will die Bundesregierung nicht. Wieso sollen wir mit unserer starken Wirtschaft die faulen Südeuropäer unterstützen, die weit über ihre Verhältnisse gelebt haben?
Vielleicht sollten wir das nicht. Vielleicht brauchen wir das nicht. Was stört uns Europa? Aber wäre es nicht schön, wenn wir wenigstens innerhalb Deutschlands für ein bisschen mehr Gerechtigkeit sorgen würden?
In Deutschland stiegen die
Einkommen weniger stark als die Einnahmen aus Vermögen. Inflationsbereinigt verdient ein Arbeitnehmer heute weniger als im Jahr 2000. Diese Entwicklung ist einmalig in Europa. In allen anderen Ländern stiegen die Einkommen der Arbeitnehmer an - und damit auch die
Lohnstückkosten.
Zugleich kennen fast alle EU-Staaten
Mindestlöhne - wobei das reichste EU-Land, Luxemburg, mit 10.83 Euro auch den höchsten Mindestlohn hat. In Deutschland hingegen werden auch schon mal nur drei oder vier Euro in der Stunde gezahlt.
In Deutschland wird der Niedriglohnsektor ausgebaut, immer mehr Leute rutschen in die Armut. Die Schere zwischen reich und arm ist in Deutschland stark auseinander gegangen. Erhöhte man hier die Einkommen der Arbeitnehmer und verringerte den Reichtumszuwachs der Reichen, dann ginge die Schere wieder zusammen, dann hätte man mehr Gerechtigkeit in Deutschland - und Europas Probleme würden sich entschärfen.
Weil in Deutschland der Niedriglohnsektor wächst, wird Deutschland zum
China Europas, wie ein Bericht des ARD-Magazin "Monitor" von diesem Donnerstag gezeigt hat. So haben sich in Frankreich die Anbauflächen für Spargel und Erdbeeren fast halbiert, weil man dort den Arbeitern einen Mindestlohn zahlen muss (etwa 1500 Euro brutto im Monat), während die Flächen in Deutschland um 70% zunahmen, weil man hier die Arbeiter aus Osteuropa mit einem Hungerlohn abspeisen kann. Gussteile werden zur Weiterbearbeitung aus Belgien nach Deutschland gebracht, weil der deutsche Subunternehmer mit Werksverträgen und anderen Möglichkeiten der Lohnkostenreduzierung deutlich billiger sein kann als seine Konkurrenz aus Belgien.
Deutschland boomt, weil es einen Preiskampf auf dem europäischen Arbeitsmarkt entfacht hat. Doch davon haben auch die deutschen Arbeitnehmer nichts, deren Einkommen beständig sinken. Profiteure dieses Booms sind nur die oberen Zehntausend. Und damit es ihnen gut geht, geht Europa vor die Hunde.
Stellen wir uns so Europas Zukunft vor?
K.M.
red horse am 13. April 13
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Mein Königreich für ein Pferd
Das waren noch Zeiten, als man bereit war, sein ganzes Königreich für ein Pferd einzutauschen, so wie König Richard III. von England dies im gleichnamigen Drama von William Shakespeare gesagt hat. Heutzutage ist zumindest das Fleisch geschlachteter Pferde so billig, dass man es statt Rindfleisch in Lasagnen oder Bolognesen einsetzt - natürlich, ohne dies auf den Verpackungen der Fertigprodukte zu deklarieren, der Kunde könnte ja sonst verunsichert sein. Und schon hat Europa einen Pferdefleischskandal. Allein in Deutschland wurde bis heute Pferdefleisch in
67 Fertigprodukten nachgewiesen.
Als Konsumenten fühlen wir uns natürlich verarscht. Gut, wir wollen offensichtlich unsere Lebensmittel möglichst billig haben, aber wir wollen auch nicht, dass man uns vorlügt, wir würden eine Ware erhalten, die wir dann gar nicht bekommen. Das kann uns aufregen!
Wirklich?
Seit Jahren schon können wir zahlreiche mit Käse überbackene Lebensmittel kaufen, die eigentlich gar nicht mit Käse überbacken sind. Denn diese käseähnliche Masse auf den Lebensmitteln wurde nicht aus Milch hergestellt, sondern dieser Analogkäse ist eine Pampe aus Pflanzenfetten, Emulgatoren, Aromen und Farbstoffen, die nur wie Käse aussieht - aber deutlich billiger hergestellt werden kann. Das ist schon
seit Jahren bekannt, war damals ein kleiner Aufreger, aber heute stört das niemanden mehr.
Und kennen Sie Surimi? Beim Tengelmann um die Ecke finden sie Surimi-Produkte sogar in der Feinkostabteilung. Doch tatsächlich handelt es sich um kleingeschreddertes
Fischfleisch, das mit Farb- und Geschmacksstoffen bearbeitet wird, bis es wie Krebsfleisch oder Shrimps aussieht. So kann man die Reste zumindest hochpreislich verkaufen, und der Kunde hat den Eindruck, er würde was für sein Geld bekommen - und nicht nur als Mülltonne für ansonsten unverkäufliches Fischfleisch dienen.
Wir wollen's billig, deshalb bekommen wir Müll. Über das Pferdefleisch regen wir uns heute auf, doch schon bald ist das vergessen, und wir essen weiter den Müll, als wäre nichts gewesen, so wie wir auch Analogkäse und Surimi in uns hineinstopfen. Wir scheinen eine lebensmüde Gesellschaft zu sein.
Aber schließlich hat auch Richard III. sein Leben selber ein Ende gesetzt.
K.M.
red horse am 23. Februar 13
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Passt es?
Wie heißt es doch in einem Sprichwort: Was nicht passt, wird passend gemacht. Man könnte manchmal meinen, dass sich dieses Sprichwort auf die Europäische Union bezieht. Aber hier geht es nicht um die "Eurokrise", sondern um das Verhältnis vom Kontinent zum Vereinigten Königreich. Unvergessen die
Schlagzeile der Times vom 22.10.1957: "Dichter Nebel im Ärmelkanal - Kontinent abgeschnitten." Großbritannien und der Kontinent gehören nur formal zum selben Erdteil. Und letztlich ist die Insel der Dreh- und Angelpunkt.
So meldete sich auch der britische Premierminister
James Cameron in dieser Woche zu Wort. Er wünscht sich weniger eine Europäische Union als ein "Netzwerk" von Staaten und will seine Landsleute über den Verbleibt Großbritanniens in der EU abstimmen lassen.
Man kann diese Rede als ein wahltaktisches Manöver verstehen. Gerade in Camerons konservativer Partei wird immer wieder gefordert, die EU doch zu verlassen. Mit der Aussicht, in einigen Jahren ein Referendum über den Verbleib der Insel in der EU zu haben, sind diese Kritiker erst einmal beruhigt, und Cameron erhöhte seine Chancen auf eine Wiederwahl.
Doch Cameron's Rede liegt ein tiefer Riss zugrunde, der zwischen dem Königreich und Kontinentaleuropa geht. Der Riss geht um das Verständnis von Freiheit.
Für die angelsächsischen Länder bedeutet Freiheit vor allem persönliche Unabhängigkeit. Der Staat soll sich gefälligst nicht in das Leben seiner Bürger einmischen, jeder soll das machen können, was er will. Niemand soll auf seinem Weg behindert werden, ganz besonders nicht auf seinem Weg zu unvorstellbarem Reichtum.
An diesem Punkt haken die Kontinentaleuropäer ein und merken an, dass es doch nicht gerecht sein kann, wenn einige wenige viel und viele nichts haben. Die Vorstellung von Freiheit des Kontinents ist geprägt von der französischen Revolution: Liberté, égalité, fraternité. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit stehen gleichberechtigt nebeneinander, Freiheit auf dem Kontinent bedeutet vor allem politische Gleichheit. Die Freiheit des Einzelnen steht nicht über dem Wohl der Gemeinschaft.
Die Angelsachsen betonen das Individuum, die Kontinentaleuropäer die Gemeinschaft. Das passt nicht zusammen. Dennoch soll es passend gemacht werden?
Vielleicht wäre es für Europa wirklich besser, wenn Großbritannien austräte.
K.M.
red horse am 26. Januar 13
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Die Partei der Reichen
Morgen wird in Niedersachsen der
Landtag neu gewählt, und die Wahl wird zur Schicksalswahl zweier Politiker: Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler muss um seinen Posten bangen, wenn die FDP zu schlecht abschneidet und gar nicht in den Landtag kommt. Und Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der SPD, wird starken Gegenwind spüren, sollte die SPD nicht den Regierungswechsel in Niedersachsen herbeiführen können.
FDP- und SPD-Granden plagt die Angst vor der Zukunft. FDP und SPD selig vereint - wer hätte das gedacht, scheine FDP und SPD doch sozial- und wirtschaftspolitische Extreme zu vertreten? Auf der einen Seite die FDP, die Partei der Ärzte, Apotheker, Hoteliers und all der Reichen, die gar nicht wissen, wohin mit ihrem Geld, auf der anderen Seite die SPD, die Partei der Arbeiterbewegung, die sich um den kleinen Mann kümmert, der jeden Tag ums Überleben kämpfen muss.
Doch auch die FDP war mal mehr als die Partei neoliberaler Wirtschaftspolitik. Sie war eine Partei, die für mehr Freiheit in unserer Gesellschaft eingetreten ist, die Willy Brandt und seinen legendären
Aufruf "Mehr Demokratie wagen" voll und ganz unterstützt hat. Doch nun wagt die FDP nur noch weniger Steuern für Reiche und den
Schutz von Steuerbetrügern. Doch wer nur Politik für die oberen Zehntausend betreibt, muss sich nicht wundern, dass die Wählergruppe entsprechend schrumpft - und die Fünf-Prozent-Hürde bald so unüberwindlich erscheint wie der Himalaya.
Ganz anders die SPD: Ihr Wählerpotential könnte ihr leicht die absolute Mehrheit verschaffen. Und dennoch hechelt sie von einem Umfragetief zum nächsten. Verkehrte Welt?
Was hat uns die letzte SPD-Regierung auf Bundesebene denn gegeben? Eine Reduzierung des Spitzensteuersatzes um 11 Prozentpunkte - so stark wie noch nie in der Geschichte Deutschlands; die Etablierung des Niedriglohnsektors; die Streichung der Arbeitslosenhilfe; die Zulassung von Hedgefonds und die steuerliche Bevorteilung von Private Equity. Man reibe sich noch einmal kurz die Augen und bestätige dann: Die SPD unter Schröder hat eine Politik betrieben, bei der die FDP vor Neid erblassen musste.
Und nun bangen FDP und SPD gemeinsam um die Macht. Aber so ist das eben in einer Demokratie: Wer eine Politik für Minderheiten betreibt und das Volk verarscht, den wählt man nicht. Recht geschieht ihnen.
K.M.
red horse am 19. Januar 13
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Zieh, Django!
Eine Kleinstadt in Amerika - und nicht nur sie - steht unter Schock. Ein Amokschütze hat insgesamt
27 Menschen umgebracht, 20 von ihnen waren Kinder. Noch ist es unfassbar, wie so etwas geschehen konnte, noch fragt man sich, was im Gehirn eines Menschen vorgehen muss, der zu so einer Grausamkeit fähig ist. Dabei vergisst man eines: Die Opferzahl mag ungewöhnlich hoch sein, doch die zugrunde liegende menschliche Brutalität scheint zumindest in den USA etwas ganz normales zu sein.
In Europa wundern wir uns immer, dass die Amerikaner so einfach an Schusswaffen kommen. Diese gibt es dort ganz offen im Supermarkt, und werden nicht wie bei uns in kleinen Läden versteckt, so als handele es sich um pornographisches Material. Selbst kleinste Kinder werden in den USA schon an Waffen trainiert. Und so wundert es nicht, dass allein in den USA jährlich
30.000 Menschen an Schussverletzungen sterben. In Deutschland waren es gerade einmal
1.200 Tote. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung sterben in Deutschland nur 1/8 so viele Menschen durch Schussverletzungen wie in den USA.
Doch die Zahl der Waffen allein kann dies nicht erklären. Im Jahr 2010 wurden
814 Menschen in Deutschland ermordet. Fast so viele Menschen wurden im selben Jahr in
jeder amerikanischen Großstadt ermordet: In New York gab es 471 Morde, in Los Angeles 458 und in Chicago 312. Wobei sich das FBI über diese Zahlen freute - vor zwanzig Jahren waren die Mordraten noch etwa doppelt so hoch.
So verwundert es nicht, dass die amerikanischen Gefängnisse überfüllt sind. In den USA sitzt knapp
ein Prozent der Erwachsenen im Gefängnis. In Deutschland sitzen nur etwa
ein Promille der Erwachsenen im Gefängnis.
Das Problem der USA sind weniger die vielen Waffen, an die man ohne größere Probleme kommen kann, als eine tendenziell größere Brutalität der Bürger. Vielleicht muss man so werden, wenn man als Einzelkämpfer seines Glückes Schmied ist und ohne staatliche Solidarität mit dem Leben kämpft. Was auch immer der Grund ist: Auch wenn die USA die Waffengesetze verschärfen sollten, wird es erst dann weniger Tote geben, wenn das Land auch zu einem menschlicheren Miteinander findet.
P.H.
red horse am 16. Dezember 12
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Heiße Luft
Blickt man gerade in München aus dem Fenster, dann mag man es nicht glauben: Doch die aktuelle Kältewelle und der zuckerweiße Schnee, die die Stadt im Griff hatben, können nicht verbergen, dass die Erde immer wärmer wird. Aus diesem Grunde hatten die Industrieländer sich auf dem
Umweltgipfel von Kyoto im Jahr 1997 auch darauf geeinigt, den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren. Gut, die USA als damals größter CO2-Emittent waren dem Protokoll nie beigetreten, aber viele andere Länder wollten mitmachen.
Doch von diesen Ländern haben sich viele nicht an die ausgemachten Ziele gehalten. Allein Deutschland, Großbritannien, Rumänien, Tschechien und Belgien
erreichten oder übertrafen ihre Ziele, andere Länder wie Russland oder die Ukraine profitierten von einer zusammengebrochenen Wirtschaft, um ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, doch unter dem Strich wuchs der weltweite CO2-Ausstoß, als hätte es das Kyoto-Protokoll nie gegeben. Und ebenso wuchs die d
durchschnittliche Erdtemperatur, als hätte die Menschheit rein gar nichts unternommen, sondern sich nur unbeteiligt im Sessel zurückgelehnt.
Und nun sitzt die Menschheit in Doha zusammen, und versucht, sich neue Ziele für die CO2-Reduktion zu geben. Doch der Gipfel steht
vor dem Scheitern, vor allem, weil die reichen Länder den armen Ländern nicht beim bei der Umstellung auf eine ökologische Wirtschaft helfen wollen.
Sollte er scheitern: Wäre das wirklich so schlimm? Gut, man wird sich von den nachfolgenden Generationen vorhalten lassen müssen, man hätte nichts unternommen, als zumindest noch etwas Zeit gewesen sei. Aber werden uns die nachfolgenden Generationen wirklich Vorwürfe machen? Vielleicht gefällt es ihnen, dass in Berlin und Boston das Klima wärmer geworden ist und Texas zur Wüste wurde. Denn mal ehrlich: Was kam schon Gutes aus Texas?
Und sollte die Konferenz doch zu einem Ergebnis kommen und die Länder der Erde sich auf Ziele einigen: Wäre der Kampf gegen die Erderwärmung dann gewonnen? Das Kyoto-Protokoll hat uns gezeigt, dass solche Vereinbarungen nicht das Papier wert sind, auf dem sie niedergeschrieben wurden.
Die Konferenzteilnehmer, so scheint es, erzeugen auf ihren Tagungen mehr heiße Luft, als sie nachher zu verhindern suchen. Sollen sie doch zu Hause bleiben und sollen die Dinge doch ihren Lauf nehmen. Wer sagt denn, dass der Mensch das nächste Jahrtausend erleben muss? Die Erde wird es dann auch ohne uns noch geben.
K.M.
red horse am 08. Dezember 12
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