Freitag, 30. November 2012
Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt
In diesen Tagen gehen zwei Meldungen durch die Presse, die uns mal wieder zweifeln lassen, ob wir in einem fortschrittlichen und aufgeklärten Land leben - oder doch eher in einer Bananenrepublik, wo Recht und Gesetz ganz im Auge des Betrachters liegen.

Da gab es vor einigen Monaten einen Entwurf zum neuen Armutsbericht der Bundesregierung, der sich recht kritisch mit der Tatsache auseinandersetzte, dass die Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind und die Einkommen zwischen den Reichen und dem Rest der Bevölkerung immer weiter auseinander gehen - vor allem deshalb, weil die Reichen immer reicher werden, während die Einkommen der anderen Arbeitnehmer stagnieren. Dieser Entwurf wurde nun unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums (Philipp Rösler, FDP) überarbeitet, und diese kritischen Passagen wurden entfernt. Nun ist von einer aufgehenden Schere zwischen arm und reich nicht länger die Rede. Nachher käme noch jemand darauf, dass die Reichen etwas von ihrem Reichtum abgeben sollen, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Das kann die FDP natürlich unmöglich zulassen.

Doch diese Streichungen waren keine Willkürentscheidung, wie der Bundeswirtschaftsminister in einem Interview mit dem ARD/ZDF-Morgenmagazin erklärte. Sondern vielmehr sei es so, dass es heute viel mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftige gibt als noch vor Jahren, die Aussage des Berichts sei deshalb nicht korrekt gewesen.

Das stimmt auch. Nur verdienen die meisten einen Hungerlohn, weil der Niedriglohnsektor konsequent ausgebaut wurde. Die Tatsache, dass heute mehr Leute beschäftigt sind, ist kein Widerspruch zur Behauptung, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander geht. Aber das scheint Herrn Rösler und den Rest unserer Bundesregierung nicht zu stören. Sie leben halt nach dem Pipi Langstrumpf-Motto: "Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt."

Ähnlich ging die Politik und Justiz wohl auch im Fall Gustl Mollath vor. In einem schmutzigen Scheidungskrieg mit seiner früheren Frau hat Herr Mollath Anzeige gegen sie und ihren damaligen Arbeitgeber, die Hypo-Vereinsbank, wegen Schwarzgeldgeschäften gestellt. Dies erschien dem zuständigen Richter und einem Gutachter so absurd, dass Herr Mollath wegen paranoider Wahnvorstellungen um einen Schwarzgeldkomplex vor sieben Jahren in die Psychatrie eingewiesen wurde. Und weil sich der Wahn nicht besserte, sitzt er da heute noch.

Erst als die Presse sich der Sache annahm und ein interner Revisionsbericht der Bank publik wurde, der Mollaths Behauptungen bestätigte, wurde der Druck auf die auch schon damals tätige Justizministerin Beate Merk (CSU) so groß, dass sie nun die Staatsanwaltschaft Nürnberg anwies, den Fall neu aufzurollen. Zwar waren Frau Merk die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Fall Mollath und der interne Bericht der Bank schon seit geraumer Zeit bekannt. Doch erst der massive öffentliche Druck hatte sie dazu bringen können, ihre ganz eigene Weltsicht der Realität anzupassen.

So unterhaltsam Pippi Langstrumpf mit ihrem Versuch ist, sich die Welt nach ihrer Vorstellung einzurichten - vielleicht sollte man angehende Politiker davon abhalten, diese Sendung zu sehen. Offensichtlich richtet sie bei diesen charakterlich nicht sonderlich gefestigten Menschen viel Schaden an.
K.M.



Samstag, 27. Oktober 2012
Bananenrepublik
Anfang Oktober hatten wir einen kleinen Beitrag darüber geschrieben, wie Firmen offensichtlich Gesetze zu ihrem Nutzen bei der Bundesregierung bestellen können. Dachten wir damals noch, damit habe die Demokratie in Deutschland einen Tiefpunkt erreicht, dann wurden wir jetzt eines besseren belehrt.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete am Mittwoch, dass der CSU-Sprecher Hans Michael Strepp in der heute-Redaktion des ZDF angerufen hatte, um einen Beitrag über den SPD-Landesparteitag zu verhindern, auf dem die SPD ihren Kandidaten für die Landtagswahl in Bayern nominierte. Erst soll das ganz nur ein Missverständnis gewesen sein, doch dann trat Herr Strepp von seinem Posten zurück - und niemand in der CSU will geahnt haben, dass der Pressesprecher der CSU derart mit den freien Medien reden würde.

Heute sieht es aber nicht so aus, als sei das Vorgehen des CSU-Pressesprechers wirklich so einmalig gewesen. So wurde nun publik, dass der Bayerische Rundfunk einen für Herrn Söder (damals Umweltminister in Bayern) kritischen Bericht nach einem Anruf seiner Sprecherin zurückgezogen hatte.

Wir wussten ja, dass unsere Presse nicht so frei ist, wie wir sie gerne hätten. Private Medien stehen unter der Vormundschaft großer Konzerne, deren Lenker gerne mal Politik machen - wenn sie denn nicht ganz darauf verzichten und die Bürger durch endlose Unterhaltungsshows gänzlich von der Politik entfremden. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt regelmäßig unter Druck, auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Scharfmacher der Parteien regelmäßig zurückpfeift und daran erinnert, dass wir in Deutschland eben kein Staatsfernsehen haben, so wie dies noch in der DDR der Fall war. Doch diese Versuche der direkten Einflussnahme auf das Programm - und offensichtlich teilweise sogar erfolgreich - hätten wir wohl doch nicht für möglich gehalten.

Wer einen Wagen fahren will, braucht einen Führerschein, wer Stromkabelverlegen will, muss eine Ausbildung zum Elektriker absolvieren. Doch wer politisch in unserem Lande tätig werden will, braucht wohl nur eine große Klappe. Vielleicht sollte man bei unseren Politikern einen Gesinnungstest machen, und sie daraufhin testen, ob sie die Grundregeln demokratischen Handelns überhaupt verstehen.

Aber vielleicht reicht es ja auch nur, wenn in Bayern die CSU mal eine Pause von der Macht nimmt. Sie scheint den Eindruck zu haben, ihr gehöre das Land und sie könnten sich alles erlauben - als sei Bayern eine Bananenrepublik. Warum sonst fallen gerade CSU-Granden mit einem derart demokratiefeindlichen Verhalten auf?
K.M.



Sonntag, 14. Oktober 2012
Der Friedensnobelpreis und die Hoffnung
Damit hatte nun wirklich keiner gerechnet. Eher, so dachte man, bekommen Menschenrechtsgruppen aus Russland oder gar Helmut Kohl den Friedensnobelpreis, doch dann gab es am Freitag Vormittag die große Überraschung: Der Friedensnobelpreis im Jahr 2012 wird an die Europäische Union verliehen.

Sicherlich hat die EU, haben die Mitgliedsländer der EU und ihre Bürger großes geleistet. Über 60 Jahre kein Krieg mehr in Mitteleuropa - dass hätte sich vor einiger Zeit niemand vorstellen können. Doch die Europäer haben das Unmögliche mögliche gemacht. Das egoistische Gegeneinander der Nationalstaaten wich einem Miteinander, verwurzelt in der grundlegenden Idee, dass alle Menschen gleich sind, und wenn schon nicht alle Menschen, dann doch zumindest die Europäer, die in ihrer Geschichte soviel Leid erfahren haben.

Zumindest schien dies die grundlegende Idee der EU zu sein. In den Zeiten der aktuellen Krise fragt man sich verwundert, was aus dem Miteinander der Europäer geworden ist. Vielleicht waren die heeren Ideen einer Union doch nicht mehr als leere Worte?

Allzusehr erinnert die Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an die Verleihung des Friedensnobelpreises an den damals frisch gewählten amerikanischen Präsidenten Barack Obama im Jahr 2009. Dieser war angetreten, die unmoralische und aggressive Politik seines Amtsvorgängers George W. Bush zu beenden. Er wollte auf den Iran und Nord-Korea zugehen und das unsägliche, sich jenseits aller Gesetze befindliche Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba schließen. Alles schöne Wünsche, doch umgesetzt wurde kaum etwas.

Obama war als Tiger gestartet und ist als Bettvorleger gelandet. Hoffentlich ist dies kein Omen für die weiteren Leistungen der EU.
P.H.



Samstag, 6. Oktober 2012
Gesetze auf eBay
Manchmal hat man den Eindruck, dass der Unterschied zwischen einer Bananenrepublik und der Bundesrepublik Deutschland nur darin besteht, dass eine Bananenrepublik in der Regel besseres Wetter hat. Wie sonst sollte man die immer wieder auftretenden, heimlichen Einflussnahmen von Unternehmen und Lobbyorganisationen auf die Gesetzgebung der Bunderegierung verstehen, die so gar nicht zum Verständnis einer Demokratie passen?

Der letzte bekanntgewordene Fall ist die kurzfristige Änderung des Geldwäschegesetzes. Dieses hatte im Paragraf 16a vorgesehen, dass auch die Spielhallen besser überwacht werden sollten. Eine bessere Überwachung der Spielhallen mit ihren - wie man vermutet - teilweise im Graubereich liegenden Handlungen war jedoch nicht im Sinn der Automatenlobby, vor allem nicht des größten Herstellers von Spielautomaten, der Firmengruppe Gauselmann. Also schrieb diese kurz einen Beschwerdebrief, und von heute auf morgen wurde der kritische Paragraf 16a einfach ersatzlos gestrichen - ganz im Sinne des Automatenkonzerns, der schon seit längerer Zeit auf zahlreichen, dubiosen Wegen Geld in die Kassen der FDP leitete, welche zum Glück gerade den Wirtschaftsminister stellt.

Vor Jahren war bekannt geworden, dass Mitarbeiter von Unternehmen und ihren Verbänden in den Ministerien sitzen - das Programm war von der damaligen Bundesregierung unter Gerhard Schröder unter dem Titel "Seitenwechsel" sogar ganz offiziell gestartet worden - dort aber nicht nur, wie ursprünglich angedacht, die Arbeitswelt der Ministerialen kennenlernen, sondern ganz ungeniert an Gesetzesentwürfen mitschreiben, die ihre eigene Branche betreffen. So haben Vertreter der Deutschen Börse AG und des Bundesverbandes der Deutschen Investmentgesellschaft am Investmentmodernisierungsgesetz mitgeschrieben, mit dem letztlich Hedge Fonds in Deutschland legalisiert wurden.

Nun gut, niemanden wundert es, dass die Reichen und Mächtigen sich den Staat so einrichten, wie es ihnen gefällt. Schließlich glaubt ja niemand ernsthaft an diese alberne "Demokratie" und den Spruch "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus", wie es im Artikel 20 des Grundgesetzes steht. Das Dreiklassenwahlrecht, bei dem die Bürger je nach Steueraufkommen mehr oder weniger Stimmen hatten, ist zwar offiziell abgeschafft, aber niemand stellt ernsthaft in Frage, dass es in den Hinternzimmern der Macht noch gelebt wird.

Warum dann diese Heimlichtuerei? Warum steht man nicht dazu, dass Geld die Welt regiert, und anderslautende Gesetze nur als "Opium fürs Volk" dienen? Warum versteigert man dann nicht ganz öffentlich Gesetzesvorlagen auf eBay und setzt die um, die das meiste Geld einbringt?

Dann könnte man sich wenigstens diese Heimlichtuerei und die peinliche Berührtheit im Fall der Entdeckung sparen.
K.M.



Samstag, 29. September 2012
Die Rente ist sicher
Dies hatte uns der langjährige Arbeits- und Sozialminister der Regierung Kohl, Norbert Blüm, dereinst versprochen. Doch heute klingt diese Aussage wie Hohn. Zwar sind momentan nur etwa 2,5% der Bevölkerung von Altersarmut betroffen, doch im Jahr 2030 werden nach aktuellen Prognosen ein Drittel der Menschen von Altersarmut betroffen sein. Deshalb widmen wir uns dem Thema Rente nun schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen.

Weshalb ist die Rente nicht mehr sicher? Ökonomen sagen uns, das liege an der demographischen Entwicklung. Die Bevölkerung in Deutschland werde immer älter, also müsse sie mit immer weniger Geld auskommen. Diese Rechnung würde stimmen, wenn der Reichtum des Staates über die letzten Jahre und auch in die absehbare Zukunft nicht größer wird; denn bleibt der Kuchen gleich groß, doch mehr Menschen wollen essen, dann müssen die einzelnen Stücke kleiner werden.

Dies ist jedoch nicht der Fall. Tatsächlich hat sich der Reichtum Deutschlands, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, in den letzten Jahren vervielfacht, und es ist davon auszugehen, dass er auch in den nächsten Jahren weiter wächst. Der Kuchen wird also beständg größer. Und trotzdem sollen die Stücke, die jeder einzelne bekommt, kleiner werden?

Sie werden es. Nicht als Folge irgendwelcher Natur- oder Marktgesetze, sondern als Folge gewollte politischer Entscheidungen. Besonders zwei Entscheidungen erhöhen das Risiko für die Altersarmut drastisch.

Das ist zum einen die Entscheidung, dass das Rentenniveau von heute 51% auf 43% im Jahr 2030 sinken soll. So reduziert man den Kuchen, den man an die Hungrigen verteilen muss, deutlich.

Zum anderen wurde gerade in Deutschland der Niedriglohnsektor immens ausgebaut. Der Prozentsatz der Beschäftigten, die in Deutschland in diesem Sektor arbeiten, stieg von 17,7 Prozent im Jahr 1995 auf 23,1 Prozent im Jahr 2010. Wer in diesem Sektor arbeitet, hat jedoch kaum genug Geld, um etwas für die Rente anzusparen. Der Kuchen schrumpft weiter.

Als Gegenmaßnahme entschied sich die Bundesregierung, die sogenannte Riester-Rente einzuführen. Mit ihr können die Leute, die ohnehin schon zu wenig haben, selber Geld für ihr Alter ansparen. Außerdem kann man so der Senkung des Rentenniveaus entgegen wirken - auch denn die private Versicherungswirtschaft für die immensen Aufwände, die sie mit den Riester-Renten hat, natürlich viel höhere Verwaltungsgebühren abziehen muss, als dies bei der staatlichen Rente nötig ist. Wären diese Entscheidungen nicht wirklich so getroffen worden, man könnte sie für die wirren Ideen eines durchgedrehten Kabarettisten halten.

Blüm hatte Recht: Die Rente ist sicher. Wir müssen nur aufhören, sie selber zu beschädigen.
K.M.



Samstag, 21. Juli 2012
Die Volkskammer der BRD
In dieser Woche hat die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete der CDU Vera Lengsfeld für einen kleinen Eklat gesorgt, als sie den deutschen Bundestag mit der Volkskammer der DDR verglichen hat, die ja nur pro Forma existierte, um die Vorlagen des Politbüros abzunicken. Besonders kritisch sah sie die Abstimmungen zum Rettungsschirm und der Bankenrettung in Spanien. Gerade im letzten Fall waren die Abgeordneten aus dem Urlaub zurückgeholt worden, um die Hilfe zu genehmigen. Wer glaubt wirklich, dass sich ein Abgeordneter am Strand die dazugehörigen Vereinbarungen genau durchgelesen hat, damit er nun im Bundestag an der richtigen Stelle die Hand heben konnte?

Ähnlich verwunderlich registriert man als Bürger die Posse um das neue Meldegesetz, das mit einer rekordverdächtig langen Aussprache von 57 Sekunden verabschiedet wurde - und den Meldeämter die Möglichkeit gibt, die Adressen der Bürger zu verkaufen, falls diese nicht explizit Widerspruch dagegen einlegen. Später erst merkte man, dass man damit den Staat zum Adresshändler machte, und der größte Kritiker der christlich-liberalen Union, der bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer, ließ verlautbaren, dass hier ein "dicker Fehler" passiert sei und man das Gesetz im Bundesrat stoppen werde.

Es scheint, als wüssten unsere Abgeordneten nur selten, worüber sie da eigentlich abstimmen, wenn sie doch mal im Parlament auftauchen. Das musste auch das ARD-Magazin Panorama feststellen, als es im September 2011 nach der Entscheidung des Bundestages über die Aufstockung des europäischen Rettungsschirms eine Umfrage unter den Abgeordneten durchführte, und sich erkundigte, wie groß denn der Anteil Deutschlands an diesem Rettungsschirms sei. Nur wenige konnten diese Frage tatsächlich beantworten.

Aber kann man deshalb sagen, der Bundestag sei wie die Volkskammer der verblichenen DDR? Immerhin gibt es einen wichtigen Unterschied: Wir dürfen die Deppen, die uns vertreten, frei wählen.

Wenn die dann mal nicht eine würdige Vertretung für uns sind...
K.M.



Samstag, 7. Juli 2012
Pflege für die Versicherungswirtschaft
Ende Juni konnte die FDP einen kleinen Sieg im Bundestag feiern. Ihr Gesundheitsminister Daniel Bahr brachte seine Pflegereform durch den Bundestag. Und man kann wirklich sagen, dass es eine Pflegereform der FDP ist.

Die Reform sieht zahlreiche Verbesserungen für Leistungsempfänger vor, so soll die ambulante Versorgung und Betreuung von Demenzkranken verbessert werden und die Angehörigen erhalten mehr Geld, wenn sie demente Verwandte zu Hause pflegen. Zwar steigt wegen der höheren Kosten der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,1%, aber die Steuersenkungspartei FDP konnte damit ganz gut leben, denn die Reform sieht noch eine weitere wichtige Änderung vor.

Diese Änderung hatte die FDP der Union in einem harten Streit um die Einführung des Betreuungsgeldes abgerungen. Die FDP hatte sich nur bereit erklärt, das Betreuungsgeld zu unterstützen, wenn die Union im Gegenzug dem Aufbau einer privaten Pflegeversicherung nach dem Vorbild der Riester-Rente zustimmt. Und so sieht das Gesetz nur Pflegeversicherung nun vor, dass private Versicherungen mit fünf Euro pro Monat bezusschusst werden. Viel ist das nicht, aber nun wurde nach der Rente auch die Pflege um eine neue, private Säule erweitert.

Rufen wir uns noch einmal die Erfolge der Riester-Rente ins Gedächtnis: Der Staat hatte die Leistungen der staatlichen Rentenversicherung gekürzt, und dann die Bürger aufgefordert, eine private Rente abzuschließen. Um dies zu fördern, so die Idee des damaligen Arbeits- und Sozialministers Walter Riester, bezuschusste der Staat diese private Rente. Die Rechnung sieht nun so aus, dass der Staat in den ersten zehn Jahren etwa 8,2 Milliarden Euro an Zuschuss ausgeschüttet hat - und die Versicherungswirtschaft gut 6 Milliarden Euro an Provisionen und Verwaltungsgebühren kassiert hat. Der staatliche Zuschuss für die Riester-Rente ist nichts weiter als eine Subvention die Versicherungswirtschaft. Nur wird sie über den Bürger umgeleitet.

Nun gibt es also auch eine Riester-Pflege. Es besteht wohl kein Zweifel daran, wem diese Einrichtung letztlich dienen soll. Schließlich rekrutiert die FDP hier ihre Wähler. Und der privaten Krankenversicherung geht es schon lange nicht mehr so gut, wie noch vor Jahren. Da kommt ihr eine Riester-Pflege sicher gerade recht.

Aber dem Bürger kann man das auch noch als Wohltat in seinem Sinne verkaufen...
P.H.



Samstag, 23. Juni 2012
Den Staat schwächen
Die Staaten sollen sparen. Immerhin kann man ja nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Und so schnürrt man in Europa einen Fiskalpakt, der alle Länder dazu verpflichten soll, weniger Schulden zu machen.

Doch warum machen die Länder eigentlich so viele Schulden? Nun, weil die Ausgaben so hoch sind. Das könnte man zumindest auf den ersten Blick sagen. Und tatsächlich geben wir für unsere Sozialversicherungen und die Sozialhilfe Milliarden aus.

Ein anderer Grund für die vielen Schulden könnte aber auch sein, das wir viel zu wenig Geld einnehmen. Denn schließlich sagt uns erst die Differenz aus Einnahmen und Ausgaben, wie stark wir im Negativen sind. Und gerade die Einnahmen fast aller Industrieländer wurden in den letzten Jahren beschnitten. In den USA senkte Reagen den Höchssteuersatz von über 70% auf und 40%, und auch George W. Bush setzte Anfang 2000 Steuersenkungen von etwa 135 Milliarden Dollar pro Jahr durch. Ähnlich schenkte die Regierung Schröder den Deutschen Milliarden, als sie den Spitzensteuersatz von über 50% auf knapp über 40% senkte. Allerdings haben all diese Maßnahmen ein Geschmäckle: Sie kommen fast nur den Reichen zugute, die Armen zahlen fast genauso viel Steuern wie vor den großen Reformen.

Aber der Staat wollte die Steuern reduziert, schließlich sollen die Leistungsträger für ihre Leistung auch belohnt werden. Dass sie auch bei den hohen Steuersätzen belohnt wurden und Millionen nach Hause brachten ist egal. Dass die Wirtschaft nach den Zweiten Weltkrieg trotz der hohen Steuersätze deutlich besser lief als heute, wo die Leistungsträger besser belohnt werden, stört auch keinen. Doch wenn der Statt schon die Einnahmen reduziert - müsste er dann nicht auch die Ausgaben reduzieren?

Hier tat sich der Staat schwer. Schließlich tut er mit seinen Ausgaben den Bürgern - also uns allen - etwas gutes. Er subventioniert die Theater und die Schwimmbäder, er baut die Straßen und stellt Sozialleistungen bereit. Wer würde schon darauf verzichten wollen? Und wer würde eine Regierung wiederwählen, die diese Leistungen einschränkte?

Also blieb bei den Ausgaben alles beim Alten, und der Staat machte mehr Schulden. Das soll nun der Fiskalpakt eindämmen. Jetzt muss der Staat bei den Ausgaben streichen. Damit wird er schwächer. Und nun könnte man an eine Verschwörung glauben: Es sind gerade die Konservativen, die die Einnahmen des Staates reduzierten, nun den Fiskalpakt fordern - und sich ohnehin einen schwachen Staat wünschen. Mit ihren fiskalpolitischen Maßnahmen erreichen sie diese Schwächung endlich.

Dabei ist ein schwacher Staat nur für einen gut: Für die Starken. Und dazu gehört die Mehrheit der Bürger sicher nicht.
K.M.



Freitag, 8. Juni 2012
Ist Europa am Ende?
Die Frage, ob Europa am Ende sei, kommt einem in diesen Tagen sicherlich öfter. Die Schuldenkrise vor allem in den Südländern scheint kein Ende zu nehmen. Die Griechen haben arge Probleme, eine Regierung auf die Beine zu stellen, die etablierten Parteien, die den Sparkurs unterstützten, erreichten bei der Wahl vom 6. Mai keine Mehrheit. Nun darf am 17. Juni wieder gewählt werden, doch es gibt arge Zweifel, ob sich nach dieser Wahl eine regierungsfähige Mehrheit finden wird.

In Spanien stehen die Banken vor dem Abgrund, und man spekuliert, dass das Land am Wochenende einen Hilfsantrag beim europäischen Rettungsschirm EFSF stellen wird. Und der Weltmeister aller Gelddrucker, der Chef der amerikanischen Zentralbank Ben Bernanke, warnt vor der europäischen Schuldenkrise und den Risiken für die amerikanische Wirtschaft.

In Deutschland fühlt man sich noch relativ sicher. Die Arbeitslosenzahlen liegen auf dem niedrigsten Stand seit zwanzig Jahren - auch wenn sich das Tempo des Aufschwungs nun etwas zu verlangsamen scheint. Immerhin profitiert Deutschland von dem schwächelnden Euro wie kein zweites Land. Und wenn es schon ohne weiteres Zutun von der schwachen Währung profitiert, dann kann es den anderen Ländern mit dem von Deutschland initiierten Fiskalpakt auch noch vorschreiben, wie die sich zu verhalten haben. Hauptsache ist doch, Deutschland muss den Südländern nicht wirklich helfen, ihre Wirtschaft in Schwung zu bringen. Es reicht ja schon, dass wir den Banken das Geld zurückzahlen.

Nun haben die europäischen Mitgliedsländer auch noch entschieden, dass das Schengenabkommen, welches eine freie Reisefreiheit innerhalb der Mitgliedsstaaten garantiert, nach Gutdünken eer Regierung eines Mitgliedslandes für bis zu zwei Jahre ausgesetzt werden kann. Wie man hört, geschah dieser Rückschritt in der europäischen Integration vor allem auf Betreiben Deutschlands und Frankreichs. Schließlich hatte Italien nordafrikanische Flüchtlinge vor einiger Zeit einfach nach Norden reisen lassen, weil es mit dem Ansturm überfordert war. Und das kann man ja nicht noch einmal zulassen.

Sieht so das Europa aus, das wir haben wollen? Jedes Land entscheidet aus rein egoistischen Gründen, wie es mit den anderen Umgeht? An einem Rettungsfond für den Süden beteiligen wir uns, schließlich haben auch unsere Banken dort Milliarden versenkt, doch den Bürgern helfen wird nicht, obwohl gerade Deutschland von dem schwachen Euro profitiert? Wenn ein Land von Hilfesuchenden überrannt wird und auf die Hilfe der Partner hofft - dann machen wir schnell die Grenzen dicht?

Europa kann nur überleben, wenn sich seine Mitglieder sich solidarisch verhalten. Und gerade Deutschland legt im Moment einen derartigen Egoismus an den Tag, das man sich nur schämen kann. Hoffentlich besinnen sich unsere Politiker bald wieder auf die europäischen Werte, die doch gerade die Union als christlich definiert.
P.H.



Freitag, 1. Juni 2012
Sind wir Masochisten?
Der Mensch, so hören wir immer wieder, liebt die Freiheit. So will er auf gar keinen Fall durch den Staat gegängelt werden, und als Jugendlicher stößt ihm nichts saurer auf, als wenn er die Eltern oder die Lehrer versuchen, ihm irgendwelche Vorschriften zu machen. Der Mensch möchte frei sein. Bevormundung oder gar Strafen für Fehlverhalten passen nicht in diese Welt.

Bis dann ein Herr Ramsauer, seines Zeichens CSU-Mitglied und Bundesverkehrsminister ankam, und das Punktesystem für Fehlverhalten im Straßenverkehr vereinfachen wollte. So sollte es, je nach Fehlverhalten, nur noch ein oder zwei Punkte geben (früher gab es bis zu sieben Punkte), allerdings wäre der Führerschein dann schon nach 8 Punkten weg - und nicht erst nach 18.

Nun gilt es ja heutzutage jedoch als modern, wenn man die Bürger über Gesetzesvorhaben im Internet diskutieren lässt. So richtete das Bundesverkehrsministerium eine Internetseite ein, auf der die Bürger ihre Meinung zu diesem Gesetzesvorhaben sagen konnten. Erstaunlicherweise war der Hauptkritikpunkt, dass die Bestrafung mit maximal zwei Punkte für einige Vergehen wie Fahren im Vollrausch oder schwere Nötigung als zu lax eingeschätzt wurde. Diese sollen nun mit drei Punkten geahndet werden.

Das muss man sich mal vorstellen: Da hat der Bürger die Wahl, seine eigene Bestrafung festzulegen - und er entscheidet sich für eine harte Strafe. Denn wir wollen zwar Freiheit - aber eben keine Anarchie. Wenn die Strafen jedoch zu lax werden, so wird befürchtet, dass die Vergehen zunehmen. Oder anders gesagt: Wer ein schweres Verbrechen begeht, soll auch entsprechend bestraft werden. Die Freiheit kann nicht jedes Verhalten rechtfertigen. Wir drücken uns nicht vor der Strafe, denn wir wollen Gerechtigkeit.

Sind wir also masochistisch? Nein, nur moralisch.
P.H.