Samstag, 22. Juli 2023
Kruzitürken
Im Süden Deutschlands kennt man den Ausspruch „Kruzitürken“, eine Verballhornung des Wortes „Kreuztürken“. Doch was soll das eigentlich bedeuten? Die Türken sind doch mehrheitlich muslimisch. Wen nannte man dann Kreuztürken?

Die Türken selber bezeichnete man damit nicht. Im Jahr 1683 standen die Türken das zweite Mal vor Wien und versuchten, die Habsburger Monarch zu stürzen. Doch diesmal waren sie nicht allein. Diesmal gesellten sich protestantische Österreicher zu ihnen, die ebenfalls die Habsburger Monarchie stürzen wollten; die sogenannten „Kreuztürken“.

Die Protestanten taten dies aus einem recht verständlichen Grund: Unter den katholischen Habsburgern wurden sie verfolgt, unter den muslimischen Türken würden sie frei leben können; denn die Christen, damals noch im Wesentlichen repräsentiert von den Katholiken, waren ungemein intolerant. Die Inquisition und die Hexenverbrennung zeigten, wie Christen mit Andersdenkenden umgingen. Beides war in der islamischen Welt unbekannt.

Heute behauptet man, dass der Islam intoleranter als das Christentum ist. Man müsse sich nur Länder wie den Iran und Afghanistan ansehen, in denen die Menschen unterdrückt werden. Allerdings regieren in diesen Ländern Extremisten. Christen brauchen keinen Extremismus, um intolerant zu sein. Erst in den 1960er Jahren hat die katholische Kirche ihr Kriegsbeil gegen den Islam begraben und die Religion als gleichberechtigt anerkannt. Wenn auch mit dem Zusatz, dass man natürlich nur im katholischen Glauben den Weg zur Seligkeit finden kann.

Der Islam von sich aus ist toleranter als das Christentum. Die christliche Welt wurde erst durch die Aufklärung toleranter, als man die Macht des Christentums zurückdrängte. Das Christentum wurde erst ohne den Glauben tolerant.

Diese kurze Geschichte der Intoleranz zeigt aber zumindest eines: Der Islam gehört tatsächlich nicht zu Europa.

Er ist dafür viel zu tolerant.
P.H.



Samstag, 18. März 2023
Für die Ewigkeit
Die Religion hat sich eine schwierige Aufgabe gestellt. Sie will uns Menschen erzählen, wie die Ewigkeit aussieht, was uns nach dem Tod erwartet und was ein Gott über Moral und das menschliche Handeln denkt. Sie hat keine Möglichkeit, herauszufinden, ob ihre Erkenntnisse auch tatsächlich stimmen. Aber deswegen muss man sie ja auch glauben – eben, weil man sie nicht wissen kann. Und wenn die Kirche mächtig ist, dann tut man gut daran, diese Glaubenssätze auch nicht in Frage zu stellen. Das ist nicht gut für die eigene Gesundheit.

Nun ist die Kirche in Europa aber nicht mehr so mächtig, wie sie einmal war. Und gerade einige Glaubenssätze der katholischen Kirche, wie das Zölibat, die Teilung der Macht in Herrscher – Kleriker – und Beherrschte – die Gläubigen und die Rolle der Frau erscheinen etwas aus der Zeit gefallen.

Nach den Missbrauchsskandalen in der Kirche, die vor allem deshalb skandalös waren, weil sie von der Kirche ohne Gewissensbisse vertuscht wurden, hat man in Deutschland den synodalen Weg gestartet, der die Rolle der Kirche überprüfen sollte. Kleriker und Laien sollten das zukünftige Aussehen der Kirche diskutieren. Diese Diskussion wurde vom Vatikan kritisch gesehen, und das Ergebnis besteht zusammengefasst darin, dass man den Papst fragt, ob er nicht was ändern möchte.

Die Antwort des Papstes dürfte nicht überraschen.

Und warum dürfte sie nicht überraschen? Weil die Kirche eben kein Verein ist, sondern eine Glaubensgemeinschaft. Sie glaubt, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein, die sie von Gott erhalten hat. Wahrer kann es doch nun wirklich nicht sein. Diese Wahrheiten hat die Kirche seit fast 2000 Jahren vertreten. Und nun soll sie eingestehen, dass diese Wahrheiten doch keine Wahrheiten waren, sondern sie sich geirrt hat?

Wer das fordert, hat das Konzept einer Religion nicht verstanden. Eine Religion glaubt sich im Besitz der einen Wahrheit, weshalb sie Nächstenliebe predigen kann, dennoch aber kein Problem mit Intoleranz und Heuchelei hat. Letztlich geht es nur darum, den eigenen Glauben zu schützen; denn dieser Glaube ist für die Ewigkeit – und sicher nicht das Ergebnis einer demokratischen Meinungsbildung.
P.H.



Samstag, 24. Dezember 2022
Jesus würde sich wundern
Heute begehen die Christen die Geburt Jesus. Gerade konservative Menschen betonen, dass Europa heute ein so freier und friedlicher Kontinent ist, weil er ein christlicher Kontinent ist – im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt, wo andere Religionen herrschen. Sie übersehen dabei jedoch, dass Europa alles andere als frei und friedlich war, als die Religion in Europa noch mächtig war. Europa ist heute deshalb frei und friedlich, weil die Religion kaum noch Macht hat.

Doch ignorieren wir das für den Moment. Glauben wir den Konservativen, dass Europa christliche Wert lebt. Allerdings darf man dann schon fragen: Welche christlichen Werte sind das?

Jesus Christus hat sich immer für die Armen und Schwachen eingesetzt. Manch ein Konservativer möchte jedoch gar keinen Flüchtling mehr ins Land lassen, weil es alles „Wirtschaftsflüchtlinge“ sind – auch wenn sie vor dem Terror in ihrer Heimat fliehen und Jesus diese Unterscheidung gar nicht traf. Jesus Christus predigte Armut und jagte die Wechsler aus dem Tempel – manch ein Konservativer wünscht sich eine Wirtschaftsordnung, in der die Unternehmen machen können was sie wollen und so de facto die Reichen die Macht übernehmen. Jesus Christus predigte Nächstenliebe, manch ein Konservativer scheint nur sich selbst am nächsten zu sein.

Betrachtet man die Lehren und das Leben Jesus, dann stimmt dies mit dem Verhalten der Menschen überein, die die Konservativen verächtlich als „Gutmenschen“ beschimpfen – so als sei moralisches Verhalten eine Sünde. Auch Jesus, würde er heute Leben, wäre in den Augen dieser Konservativen ein Gutmensch, den man mit Verachtung straft.

Die Konservativen predigen christliche Werte – doch welche Werte meinen sie eigentlich? Jesus würde sich über die Antworte der Konservativen wahrscheinlich wundern.
P.H.



Sonntag, 24. Juli 2022
Irren ist unmöglich
In Deutschland wird im Rahmen des ?Synodalen Wegs? diskutiert, wie man die katholische Kirche reformieren kann. Unter anderem geht es um die Rechte der Frauen in der Kirche. Die Bewegung ?Maria 2.0? fordert beispielsweise mehr Rechte für Frauen in der katholischen Kirche. Vor einigen Tagen sprach sich der Vatikan gegen den Synodalen Weg aus. Die beteiligten Organisationen wie ?Maria 2.0? reagierten darauf mit Unverständnis.

Aber warum? Glaubt ?Maria 2.0? wirklich, dass sie die katholische Kirche ändern kann? Sind die Beteiligten wirklich so naiv?

Die katholische Kirche vertritt seit fast 2000 Jahre ihre Meinungen. Nein, es sind keine Meinungen, es sind göttliche Wahrheiten, Regeln und Gesetze, die von Gott gegeben sind und weit über denen des Menschen stehen. Und nun erwartet man, dass die katholische Kirche sich hinstellt und sagt: ?Tut uns leid, wir haben uns geirrt?? Damit würde sie doch ihre Glaubwürdigkeit verlieren; denn wenn sie sich hier geirrt hat ? wo denn dann noch überall? Was kann man der katholischen Kirche dann noch glauben?

Will die katholische Kirche weiterhin als von Gott inspirierte Religion gelten, dann darf sie sich nicht irren. Irren ist menschlich. Die Kirche jedoch ist nicht menschlich.
P.H.



Samstag, 22. Januar 2022
Der Staat im Staate
Nun liegt das Gutachten zu Missbrauchsfällen im Bistum München-Freising vor und schlägt hohe Wellen. Der Vorwurf ist, dass auch der spätere Papst Benedikt XVI. nichts gegen Kinderschänder unternommen hat. Stattdessen wurden die Schuldigen einfach nur in eine andere Gemeinde versetzt ? wo sie dann weiter Kinder missbrauchten.

Interessant ist, wie sich die Kirche, wie sich vor allem Benedikt XVI., verteidigt: Nach Kirchenrecht sei das alles ja gar kein richtiges Verbrechen gewesen, Zwar habe ein Priester sich vor Kinder entblößt und masturbiert, aber da er sie nicht berührt habe, habe nach Kirchenrecht gar kein Missbrauch vorgelegen.

Damit sind wir bei einem Streit zwischen Kirche und Staat, der schon über eintausend Jahre alt ist: Wer hat letztlich das Sagen? Die Kirche hat daran keine Zweifel: Da sie behauptet, dass ihre Regeln von Gott kommen, und es keine höhere Instanz geben könne, muss sie das Sagen haben. Ihre Gesetze gelten, die des Staates sind zweitrangig. Das wollte die Kirche auch schon im 11. Jahrhundert durchsetzen, weshalb es zum sogenannten Investiturstreit kam, bei dem Kaiser Heinrich IV. dann seinen Gang nach Canossa antreten musste, um sich beim Papst zu entschuldigen.

Die Kirche ist immer noch die Ansicht, dass weltliches Recht für sie nicht gilt. Wenn Priester Fehler machen, dann wendet sie ihr eigenes Recht an, und nicht das staatliche Recht. Sie sieht gar nicht ein, dass sie sich einem Staat unterordnen muss. Sie ist schließlich der Quell der Moral. Weshalb so viele Priester Kinder missbrauchen.

Die Kirche ist heute ein Staat im Staate, der glaubt, sich nicht an die für alle anderen geltenden Gesetze halten zu müssen. Doch eine Demokratie kann nur überleben, wenn sich alle an die Gesetze halten. Sonst haben wir eine Diktatur. Es wird Zeit, dies der Kirche deutlich zu machen.
P.H.



Sonntag, 21. März 2021
Mit Gott
Wofür brauchen wir die Religion? Damit sie uns die Welt erklärt? Nein, diese Aufgabe hat heute die Wissenschaft übernommen, die darin auch deutlich erfolgreicher ist als es die Religion je wahr.

Brauchen wir sie für die Moral? Denn ohne Gott gäbe es keine Moral, wie Dostojewski gemeint hat?

Mehrere Politiker der christlichen Union sind in den letzten Tagen zurückgetreten, weil sie ihr politisches Mandat doch etwas zu eng mit unternehmerischen Aktivitäten verknüpft hatten. Oder anders gesagt: Sie haben sich korrumpieren lassen. Das kann auch Politikern anderer Parteien passieren, aber irgendwie trifft es Politiker der christlichen Union besonders häufig. Und schwarze Kassen hat man bei der Union nicht nur deshalb so gerne, weil die Farbe dieser politischen Organisation schwarz ist.

Die Pflegebranche sollte einen Mindestlohn einführen. Der Gesetzgeber wollte ihn nicht vorgeben, stattdessen sollten sich die Tarifparteien auf einen einigen, den der Staat dann für alle Pflegeunternehmen verpflichtend machen wollte. Die Einigung kam zustande, doch die großen Arbeitgeber der Kirchen, Caritas und Diakonie, mussten noch zustimmen. Sie verweigerten die Zustimmung ? die Caritas offen, die Diakonie sagte dann nichts mehr, weil die Caritas es ja schon abgelehnt hatte. Als kirchliche Unternehmen besitzen sie Privilegien. Gewerkschaften haben bei ihnen nichts zu melden. Hätten sie der Einigung zugestimmt, dann hätten Gewerkschaften indirekt Einfluss bei ihnen bekommen. Sie wollten keinen Präzedenzfall schaffen. Und so müssen viele Pfleger*innen weiter mit Hungerlöhnen leben.

Früher fragte man sich, welcher Priester vielleicht Kinder missbraucht haben könnte. Heute könnte man sich eher fragen, welcher Priester dies nicht getan hat. Endlos ist die Zahl der Kinderschänder in den Kirchen, wie auch gerade das Erzbistum Köln eingestehen musste. Alles im Namen Gottes.

Mit Gott an seiner Seite, so scheint es, braucht man eben keine Moral mehr.
J.E.



Samstag, 27. Februar 2021
Unsinnige Forderung
Anfang der Woche haben Frauen der Bewegung ?Maria 2.0? sieben Thesen an die Türen katholischer Kirchen geschlagen. Gut, sie haben sie nicht mit einem Nagel festgeschlagen, wie dereinst Martin Luther, sondern sie haben sie festgeklebt, damit sie auch ja nichts beschädigen. Aber es ging ja nur darum, an dieses historische Vorbild zu erinnern.

In diesen Thesen haben die Frauen, kurz gesagt, mehr Mitsprache und mehr Rechte in der katholischen Kirche gefordert. Im Fernsehen gab es eine Szene zu sehen, in der ein Mann sich im schönen München-Perlach darüber aufgeregt hat: ?Gleiche Rechte für Frauen? Hallo? Überlegt?s mal wo Euer Platz ist.?

Auch wenn diese Anmerkung politisch nicht korrekt ist, so hat der Mann im Kern nicht ganz Unrecht. Natürlich ist damit nicht gemeint, dass die Frauen keine gleichen Rechte wie Männer haben sollten. Zumindest in der Gesellschaft. In der katholischen Kirche ist das ganz etwas anderes. Hier wurden Frauen seit Jahrtausenden diskriminiert, und das auch noch mit Verweis auf die Bibel. Wie kann die Kirche dann hingehen und den Frauen nun gleiche Rechte einräumen? Dann müsste sie ja eingestehen, dass sie sich all die Zeit geirrt hat. Und wenn die Kirche sich bei diesem Thema geirrt hat ? ja, wo denn dann noch? Sie wäre mit einem Male völlig unglaubwürdig.

Deshalb ist die Forderung der Bewegung ?Maria 2.0? nach Gleichberechtigung in der katholischen Kirche eine unsinnige Forderung. Wenn die Frauen etwas ändern wollen, dann müssen sie es ihrem Vorbild beim Anschlagen der Thesen gleichtun ? und eine neue Kirche gründen.
K.M.



Dienstag, 19. November 2019
Der Aberglaube stirbt nicht aus
Am 07.11.2019 traf der bayerische Landtag eine bemerkenswerte Entscheidung: Es sollten Alternativen zu Antibiotika untersucht werden. Das war noch nicht bemerkenswert, schließlich werden durch exzessive Nutzung viele Antibiotika mittlerweile nutzlos. Bemerkenswert war, dass man Explizit auch homöopathische Mittel untersuchen will.

Die Homöopathie ist eine Pseudo-Wissenschaft. Es gibt keine Belege, dass homöopathische Mittel besser wirken als Placebos. Niemand kann überhaupt erklären, wieso Mittel, die so stark verdünnt sind, dass sie letztlich kein einziges Molekül der „Medizin“ enthalten, überhaupt wirken können. Dennoch gehen viele davon aus, dass es sich bei der Homöopathie um eine ernstzunehmende Medizinrichtung handelt.

Nur um zu zeigen, wie unsinnig der Vorgang des Potenzierens ist: Nach dem Glauben der Homöopathen wird ein Medikament umso stärker, je stärker es verdünnt ist. Deshalb wird es zum Beispiel immer stärker in Wasser verdünnt, bis man in einer Probe des Wassers kein Molekül des eigentlichen Medikaments mehr nachweisen kann. Wenn man also ein bisschen Alkohol nach dieser Methode verdünnt, dann enthält man nicht einfach nur Wasser, sondern ein so hochprozentiges Wasser, dass der kleinste Schluck schon dazu führt, dass man besoffen ist. Jedem ist offensichtlich, wie unsinnig das sein muss.

Ein paar Tage später gab es in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel, der sich kritisch mit dieser Entscheidung des Landtages auseinandersetzte und dabei vor allem den Homöopathie-Kritiker Edzard Ernst zitierte. Am 19.11. fanden sich Leserbriefe zu diesem Artikel, in denen Anhänger der Homöopathie Herrn Ernst widersprechen. Und sie tun dies auf einer Weise, die typisch ist für Pseudo-Wissenschaften.

Anhänger der Homöopathie könnten ja einfach wissenschaftliche Studien zitieren, um zu zeigen, dass die Homöopathie wirkt. Doch die gibt es nicht. Also muss man Kritikern anders begegnen: Man greift sie persönlich an (Was treibt Sie eigentlich wirklich an, …einen derart erbitterten Kampf gegen eine altbewahrte Heilmethode wie die Homöopathie zu führen? Profilierungssucht? Geltungsbedürfnis? Rechthaberei? Oder vielleicht Neid auf eine ärztliche Kunst, die Sie nicht beherrschen?). Man beruft sich darauf, dass die Homöopathie „altbewährt“ sei (wie der Aderlass und andere medizinische Methoden, die auch über Jahrhunderte praktiziert wurden). Man greift die Standard-Medizin an (als „goldenes Kalb“, nach dem man sich richten solle). Man zieht die wissenschaftlichen Kriterien in Zweifel („realitätsferne Wissenschaftsargumente“). Man beruft sich auf Einzelfälle („Wer schon einmal erlebt hat“), die keine generelle Regel rechtfertigen.

Die Leserbriefe in der Süddeutschen zeigen schön, wie Pseudo-Wissenschaftler den größten Humbug verbreiten und das auch noch als „wissenschaftliche“ verkaufen. Übrigens, die zitierten Leserbriefe wurden nicht von irgendwelchen Lesern verfasst, sondern von Ärzten mit einem „Dr. med.“.

Dies belegt aber wieder einmal, wieso die Entscheidung der EU, den deutschen Dr. med. nicht als wissenschaftlichen Titel anzuerkennen, gerechtfertigt war.
K.M.



Freitag, 19. April 2019
Die Kirche kann nicht irren
Diese Woche begeht die Kirche die Auferstehung Christi, wir haben die Osterwoche. Die Kirche kann sich, eingedenk der Leiden Jesu, als moralische Instanz darstellen, der das Leiden der Welt wirklich wichtig ist. Wahrscheinlich auch deshalb, weil sie es zumeist mitverursacht hat. Und damit müssen wir noch nicht einmal an die Inquisition und Religionskriege denken.

Seit Jahren vergeht mittlerweile kaum noch eine Woche, in der nicht irgendwelche kirchliche Würdenträger wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt werden oder neue Skandale publik werden. Doch wer trägt daran schuld? Ist es die Kirche, die sich mit göttlicher Macht brüstet, so dass sich ihre Vertreter alles herausnehmen können, auch den Missbrauch von Minderjährigen? Ist es die Kirche, die diese Untaten vertuschte, und die verantwortlichen Priester einfach nur versetzte, damit sie dann an einem anderen Ort ihre Untaten fortführen konnten, anstatt diese anzuzeigen und hinter Gittern zu bringen? Nein, der frühere Papst Benedikt XVI. hat die wahren Schuldigen ausfindig gemacht: Die 68er mit ihrer lockeren Sexualmoral und ihrem gottlosen Verhalten.

Wieso die oftmals ungläubigen 68er moralische Verfehlungen in der Kirche verursacht haben sollen, wir aus dem Pamphlet des Ex-Papstes nicht klar. Das ist aber auch nicht wichtig. Wichtig ist: Die Kirche hat keine Schuld. Sie kann auch keine Schuld haben, denn sie vertritt Gott auf Erden, sie kann deshalb nicht irren, sie kann deshalb nicht fehlen. Schuld müssen immer andere haben. Die Kirche sitzt per definitionem auf dem hohen Ross der Moralität, gibt es Verfehlungen, dann muss die Schuld bei anderen liegen. Das Weltbild der Kirche ist ebenso geschlossen wie widerspruchsfrei.

Man mag es für arrogant und weltfremd halten, doch das interessiert die Kirche nicht. Sie ist Gottes Vertretung auf Erden, sie ist auf Erden de facto Gott. Und als solcher kann sie keine Fehler begehen. Wer im Besitz der alleinigen Wahrheit ist, der muss natürlich auch intolerant gegenüber anderen sein; denn wäre er es nicht, würde er eingestehen, dass die anderen auch Recht haben könnten, dann würde er seinen eigenen Glauben, seine eigene Unfehlbarkeit und Allmacht verraten. Und weil Benedikt XVI. nicht nur ein strenggläubiger Katholik ist, sondern auch weiß, was er als Gott auf Erden zu tun hat, kann er die Schuld nicht in den Reihen der Kirche suchen, er muss sie bei anderen suchen.

Denn Gott kann nicht fehlen.
J.E.



Freitag, 22. Februar 2019
Parallelgesellschaft
Wenn man von Parallelgesellschaften spricht, dann meint man damit dubiose oder verbrecherische Organisationen wie die Islamisten oder die Mafia, die die Gesetze des Staates nicht akzeptieren, sondern nach ihren eigenen Regeln leben.

Wen man dabei nicht im Blick hat, sind die selbsternannten Hüter der Moral in unserer Gesellschaft: Die christlichen Kirchen. Das christliche Weltbild wird uns von konservativen Politikern ja ans Herz gelegt, wenn sie versuchen, die Identität des Landes zu definieren. Dabei stehen die Kirchen nicht mitten im Staat, sondern sie leben parallel zum Staat.

Endlos ist die Liste an Missbrauchsskandalen, mit denen die Kirchen seit Jahren zu kämpfen haben. Die katholische Kirche hält gerade eine Konferenz zu diesem Thema in Rom ab. Doch das Schlimme sind weniger die Missbräuche, als die Tatsache, dass die Kirche entschieden hat, diese Verbrechen nach ihren eigenen Regeln zu lösen. Der Staat, der eigentlich Verbrechen bekämpfen soll, bei dem in unserer Gesellschaft das Gewaltmonopol liegt, wurde nicht einmal eingeweiht. Wie eine Mafiaorganisation, so hat die Kirche nach ihren eigenen Regeln gehandelt und ist nach ihren eigenen Regeln mit den Verbrechern umgegangen. Und wie bei der Mafia, so wurden von der Kirche die wirklich großen Kriminellen gar nicht belangt.

Auch im Arbeitsrecht nimmt sich die Kirche eigene Regeln heraus. Diskriminierungsverbote sollen für sie nicht gelten, und so wollte sie einem Arzt kündigen, der nach seiner Scheidung ein zweites Mal geheiratet hat. Der Bundesgerichtshof hat dies nun verboten. Aber auch hier zeigt die Kirche, dass sie keine demokratische Organisation ist, sondern die Regeln der Demokratie missachtet und lieber nach ihren eigenen, diktatorischen Regeln agiert.

Doch eine Parallelgesellschaft darf es in unserem Staat nicht geben – weder die der Mafia noch die der Kirche.
P.H.