Samstag, 6. Oktober 2018
Hütet Euch vor den Fanatikern
Diese Woche wurde der Friedensnobelpreis an zwei Persönlichkeiten verliehen, die gegen Gewalt gegen Frauen kämpfen. Nadia Murat war vor einigen Jahren selber Gefangene des IS. Dort wurde sie versklavt, geschlagen und vergewaltigt. Dabei verstehen sich die Mitglieder des IS doch als strenggläubige Muslime, die in Namen Allahs handeln. Ist Allah also ein Sadist?

Im Mittelalter fand die Kirche nichts dabei, mit der Inquisition die Menschen zu terrorisieren. Zahllose Menschen wurden mit Erlaubnis des Papstes gefoltert (es durfte nur kein Blut fließen) und dann verbrannt. Und auch die Kirche gab vor, im Namen des Herrn zu handeln. Ist Gott also ein Sadist?

Niemand kann sagen, was ein übernatürliches Wesen wirklich denkt und will. Das ist schließlich die Definition eines übernatürlichen Wesens. Könnten wir seinen Willen erfassen, dann wäre es ja nicht übernatürlich.

Dennoch gibt es Menschen, die davon überzeugt sind, Gottes Willen genau zu kennen. Um ihn zu erfahren haben sie tief in sich hinein gehorcht – und dann wohl nur ihr eigenes Echo gehört. Leider sind diese Fanatiker, die glauben, Gottes Willen umzusetzen, viel zu oft Sadisten und Menschenfeinde; denn das Reich Gottes ist nicht das Reich des Menschen. Darum hüte man sich vor den Fanatikern, die sich bei ihrer eigenen Brutalität auf Gott berufen.
J.E.



Samstag, 17. Juni 2017
Glauben heißt Vertrauen
Die ARD zeigt eine Themenwoche mit dem Titel „Woran glaubst du?“. Für viele ist die Antwort klar: Sie glauben an einen Gott, wie auch immer sie ihn nennen mögen. Doch glauben sie wirklich an einen Gott?

Wie erfahren die Menschen von Gott? Niemand kann wirklich behaupten, er hätte einen direkten Draht zu Gott. Die Menschen erfahren von ihm aus den heiligen Schriften, der Bibel, der Tora oder dem Koran. Doch diese Schriften wurden nicht direkt von Gott geschrieben, sondern von seinen Propheten. Sie erzählen uns von Moses, Jesus und Mohammed und anderen Propheten, sie berichten uns davon, was diese Menschen gesagt und erlebt haben. So soll Moses die zehn Gebote vom Berg Sinai hinab getragen haben. Anderen Propheten ist Gott direkt erschienen und forderte sie auf, etwas zu tun.

Doch woher können wir wissen, dass Gott diesen Propheten wirklich erschienen ist? Letztlich müssen wir hier den Propheten glauben. Wenn wir an Gott glauben, dann bedeutet das in erster Linie, dass wir seinen Propheten Vertrauen schenken.

Doch können wir dies? Können wir darauf vertrauen, dass uns die Propheten die Wahrheit sagen?

Manch einer mag einwenden, dass dieses Vertrauen doch dem Vertrauen gleicht, dass wir Wissenschaftlern und Ärzten entgegenbringen, die uns von Quantenwelten und kleinen Viren erzählen, Dingen, die wir genauso wenig sehen können wie Gott.

Doch dieser Vergleich hinkt. Quantenteilchen und manche Viren mag kein Mensch sehen können, doch wir können sie mit Maschinen sichtbar machen, mit Rasterkraftmikroskopen, mit Elektronenmikroskopen. Die Aussagen der Wissenschaft sind für jeden prinzipiell überprüfbar. Die Aussagen der Religion über Gott hingegen nicht. Auch mit der kompliziertesten Technik sind wir nicht in der Lage, Gott auch nur im Ansatz zu erkennen.

Wenn wir an Gott glauben, dann vertrauen wir seinen Propheten.

Doch die Geschichte zeigt, dass viele Propheten dieses Vertrauen skrupellos missbraucht haben.
P.H.



Freitag, 25. März 2016
Die teuflische Fratze
Und wieder gab es Anschläge religiöser Fanatiker, diesmal in Brüssel. 31 Menschen starben, über 230 Menschen wurden verletzt, als Selbstmordattentäter sich am Flughafen und in einer U-Bahn-Station in die Luft sprengten.

Bewusst spreche ich von "religiösen Fanatikern" und nicht von "islamistischen Fanatikern", denn letztlich ist es nur eine Fußnote, welcher Religion diese Menschen angehört haben, die weder ihr Leben achteten noch das der anderen Menschen. Sie führten ihre Verbrechen im Namen eines Gottes durch, im Namen einer Religion. Doch es ist unwichtig, welche Religion das ist. Es ist nur wichtig, dass es eine Religion ist.

Denn nur eine Religion kann Menschen dazu bringen, andere Menschen zu verachten, weil sie Mitglieder ihrer eigenen Religion als die Auserwählten betrachtet - und damit alle anderen als Wesen zweiter Klasse. Nur eine Religion kann diesen Fanatismus aufbringen, der Menschen dazu bringt, ihr eigenes Leben "für die Sache" zu opfern; denn nur eine Religion verlangt unkritischen Gehorsam.

Will man die heiligen Schriften der Thora, der Bibel oder des Korans wörtlich nehmen, dann muss man glauben, nicht denken. Ich glaube, weil es absurd ist, wie Augustinus gesagt haben soll. Der Glaube ist nicht rational, und die heiligen Schriften strotzen vor Unstimmigkeiten und Widersprüchen, so als seien sie von einem Wesen niedergeschrieben worden, dessen geistige Kräfte schon deutlich nachgelassen hatten.

Die heiligen Schriften wörtlich nehmen heißt, sich jeder Kritik zu enthalten. Man argumentiert nicht rational, sondern man glaubt. Man unterwirft sich dem Glauben, man gibt sich ihm hin - und der Glaube bestimmt das Leben, bis zu dem Moment, in dem man sich für den Glauben opfert.

Aber halt, könnte man rufen, die Terroristen sind doch alles Muslims! Wie können wir alle Religionen mit dem offensichtlich kriminellen Islam in einen Topf werfen?

Weil alle Religionen mit ihrer Forderung nach unkritischem Glauben gefährlich sind. Das Christentum hat seine Gefahr und Unmenschlichkeit im Mittelalter mehr als deutlich demonstriert, mit Kreuzzügen, der Inquisitionen und Hexenverbrennungen. Heute ist es menschlich, weil es machtlos ist. Die christlichen Staaten sind weitestgehend säkular, die Religion spielt kaum noch eine Rolle. Ihr fehlt die Macht, ihr grausames Spiel zu spielen. Anders in den islamischen Ländern, wo die Religion noch eine starke Rolle spielt.

Und dort zeigt die Religion ihre teuflische Fratze.
P.H.



Samstag, 21. November 2015
Krieger des Hasses
Wieder Paris. Anfang des Jahres hatten islamistische Terroristen ein Blutbad in den Redaktionsräumen des Satiremagazins Charlie Hebdo angerichtet, nun kamen sie zurück und töten an mehreren Orten über 130 Menschen. Die Welt ist geschockt über so viel Grausamkeit. Und manch einer versucht wieder, den Islam als grausame Religion darzustellen.

Doch genauso könnte man auch das Christentum als grausame Religion darstellen, die Religion Jesus Christus, die die Kreuzzüge, die Inquisition und die Hexenverbrennung hervorgebracht hat. Die Attentate in Paris auf den Islam zurückzuführen, nur weil die Attentäter vorgaben, in seinem Namen zu handeln, geht in die falsche Richtung. Genauso gut könnte man meinen, dass die Rechtsradikalen in Deutschland, die Flüchtlingsheime anzünden und Ausländer verprügeln, für Deutschland prügeln und morden, weil sie vorgeben, für Deutschland zu handeln.

Doch alle das sind nur Ausreden. Weder sind die Islamisten besonders religiös, noch sind die Rechtsradikalen besonders nationalistisch. Es sind einfach nur von Hass geprägte Gewaltmenschen, egoistische, menschenfeindliche Monster, die einen Grund suchen, um ihre sadistischen Tendenzen auszuleben und andere mit in den Abgrund ihrer Menschenfeindlichkeit zu ziehen.

Kein Gott wird ihnen dafür danken, dass sie Seine Schöpfung töten, dass sie Seine Gabe der Menschlichkeit mit Füßen treten.

Diese Menschen versuchen, eine Hölle auf Erden zu errichten, weil sie schon längst in einer leben.

Wir sollten das nicht zulassen.
P.H.



Samstag, 17. Januar 2015
Nous sommes Tartuffe
Es war ein Anschlag auf die Freiheit. Zwölf Menschen waren bei einem Anschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" am 07.01.2015 getötet worden. Charlie Hebdo war vor allem für seinen kritischen Umgang mit Religionen bekannt. Die Attentäter hatten Charlie Hebdo ausgewählt, weil er sich auch kritisch mit dem Islam auseinandersetzte. Als Zeichen der Solidarität mit den Mitarbeitern der Zeitung trugen Menschen weltweit das Schild "Je suis Charlie", ich bin Charlie, bei Demonstrationen gegen diesen Akt der Intoleranz und Brutalität.

Freiheit mag unangenehm sein, und sie endet auch dort, wo die Freiheit anderer beschnitten wird. Aber die Freiheit anderer wird nicht schon dort beschnitten, wenn man der Ansicht ist, dass mir die Ausübung der Freiheit eines anderen nicht gefällt. Kritik und Satire müssen in einer Demokratie immer möglich sein. Nähme man bei seinen Meinungsäußerungen Rücksicht auf die Befindlichkeiten aller, dann gäbe es keine freie Meinungsäußerung mehr - und die Demokratie wäre tot.

Doch wir wollen weiter in einer Demokratie leben. Wir sind Charlie.

Und wie wollen wir die Freiheit und unsere Demokratie verteidigen?

Es waren noch nicht einmal 24 Stunden vergangen, da fordert die CSU die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, die unter anderem deshalb gestoppt worden war, weil sie die freie Arbeit der Journalisten behindert. In Frankreich gibt es sie schon - und sie hat das Attentat trotzdem nicht verhindert. Sie kann nur die Freiheit einschränken, jedoch keine Verbrechen verhindern.

Und die christlichen Kirchen in Deutschland tun sich ohnehin schwer mit der Demokratie. Sie besitzen zahlreiche Sonderrechte, die ihnen auch erlauben, Menschen zu feuern, wenn sie sich das zweite Mal verheiraten. Die Regeln der Demokratie gelten für sie nicht. Und das Blasphemie-Verbot umhüllt sie zusätzliche mit einem Schutzkokon, den keine andere gesellschaftliche Gruppe besitzt. Wenn sich gerade die Kirchen für Freiheit und Demokratie einsetzen, dann klingt das heuchlerisch.

Im Französischen wird ein religiöser Heuchler nach eienr Figur des Autors Molière als "Tartuffe" bezeichnet. Sind wir also alle Charlie?

Non, nous sommes Tartuffe.
P.H.



Freitag, 21. November 2014
Rechtsfreier Raum
Manchmal wundert man sich, worauf man als Deutscher alles stolz sein soll. Doch worauf man stolz sein kann - und worüber man sich auch freuen kann - ist die Tatsache, dass man in Deutschland in einer Demokratie lebt, einer Staatsform, in dem das Volk (oder seine Vertreter) Gesetze machen, die dann für alle gelten. Wir leben nicht in einer Diktatur, wo eine kleine Clique von Mächtigen sich eigene Regeln macht.

Nun ja, wenn man hört, welchen Einfluss Lobbygruppen in Deutschland auf das Gesetzgebungsverfahren nehmen, dann kann man sich manchmal schon fragen, ob wir in Deutschland wirklich in einer Demokratie leben. Sollte es dennoch wackere Deutsche geben, die an dieser Behauptung festhalten, so wurden sie nun vom Bundesverfassungsgericht bitter enttäuscht.

Seit geraumer Zeit tun wir uns in der Demokratie mit den Kirchen schwer, diesen eigenartigen Organisationen, die vom Geistigen reden und auf das Körperliche schielen. Seit es Kirchen gibt, geht es darum, welche Macht sie in der realen Welt haben sollen, oder ob sie sich auf allein die geistige Welt beschränken sollen. Jesus hat sich klar dazu geäußert: So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist, hat er gesagt. Doch so ganz ohne weltliche Macht wollten die Mächtigen der Kirche nicht sein.

Das bekannteste Beispiel, wo dieser Streit zwischen Kirche und Staat eskalierte, war der Streit zwischen König Heinrich IV. und Papst Gregor VII. Dieser endete im Jahreswechsel 1076/1077 mit dem Gang nach Canossa, wo sich der König dem Papst unterwarf. Die Kirche hatte gezeigt, wer die wirkliche Macht im Staate hat.

Und selbst heute ist es noch so, dass die Kirche ihre eigenen Regeln machen kann, und der Staat tut nichts dagegen, mit höchstrichterlichen Segen. So hat ein katholisches Krankenhaus einem Arzt gekündigt, weil der nach einer Scheidung noch einmal geheiratet hat. Das widerspricht zwar nicht den weltlichen Gesetzen, aber den Gesetzen der katholischen Kirche. In unteren Instanzen hatte der Arzt noch Recht bekommen, und wir hatten Vertrauen in den Rechtstaat. Doch das Bundesverfassungsgericht hat nun entscheiden, dass Gerichte das "kirchliche Selbstverständnis" nur eingeschränkt überprüfen dürfen.

Die Kirche ist in Deutschland ein rechtsfreier Raum. Widersprechen ihre Regeln den staatlichen Gesetzen, dann haben sie trotzdem Geltung. Das Bundesverfassungsgericht ging erneut nach Canossa.

Was bedeutet dies nun in der Praxis? Wenn Sie Kinder schlagen wollen, Ihre Ehefrau rechtlos halten und sonst ihre eigenen Regeln machen wollen, dann gründen Sie am besten eine Kirche.

Aber nennen Sie diese dann bloß nicht islamisch. Geben Sie ihr lieber einen christlichen Namen. Das erweckt dann zumindest den Eindruck, als seien Sie auf der Seite der Guten - auch wenn nur die Verpackung anders, der Inhalt jedoch gleich ist.
P.H.



Samstag, 13. September 2014
In Go(l)d We Trust
Der amerikanischen Zentralbank ist einmal, so geht die Geschichte, ein peinlicher Fehler unterlaufen: Anstatt "In God We Trust" auf die Dollarscheine zu drucken, habe man "In Gold We Trust" auf die Geldscheine gedruckt. Der Fehler fiel auf, und man habe die Scheine schnell vernichtet.

Schließlich hat Jesus Christus während seiner Zeit auf Erden eine klare Trennlinie zwischen religiösen und weltlichen Dingen gezogen. In Matthäus 22:21 heißt es: "So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!" Weltliche Dinge haben in der Welt der Religion nichts zu suchen.

Nur scheinen gerade die Gralshüter der Religion damit wenig anfangen zu können - im Gegenteil. So zeigte die ARD Anfang dieser Woche eine beeindruckende Reportage, in der Journalisten versucht haben, den Reichtum der Kirchen in Deutschland zu ermitteln. Doch während Konzerne ihre Bilanzen offenlegen müssen, kann die Kirche ihre Vermögen verschleiern. Und sie ist sich nicht zu schade, dieses Vermögen mit Hilfe von Briefkastenfirmen und anderen Tricks zu verbergen. So ist es nicht möglich, das Vermögen der Kirche in Deutschland anzugeben. Man kann es nur auf mehrere Milliarden Euro schätzen.

Die weltlichen Besitztümer scheinen der Kirche am Herz zu legen. Die Vatikanbank soll in den 1980er Jahren im Besitz eines Unternehmens gewesen sein, welches auch Kondome herstellte. Als dies öffentlich wurde, verkaufte die Kirche, die Verhütung verteufelt, diese Firma flugs an ein anderes Unternehmen. Welches auch der Kirche gehörte...

"Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt", wie es in der Bibel heißt. Der Reichtum der Kirche stehe nicht im Widerspruch zu dieser religiösen Aufforderung zur Armut, wie Spötter meinen. Dadurch, dass sie den Reichtum der Welt aufsammele, ermögliche sie schließlich vielen Menschen den Weg in den Himmel...

Aber um weltlichen Reichtum und Macht geht es nicht nur den christlichen Kirchen. Auch den islamischen Fanatiker, die eine von der Religion bestimmte Welt anstreben, geht es nur um weltliche Macht. So hat die ISIS den Kampf im Irak und Syrien noch nicht gewonnen, aber schon einmal ein Kalifat ausgerufen. Nicht die Seelen der Menschen interessieren diese "Religiösen", nur der schnöde Mammon zählt.

In God we trust, in Gold we trust. Einen wirklichen Unterschied gibt es hier nicht.
P.H.



Samstag, 21. Juni 2014
Wir sind stolz, Analphabeten zu sein
Der Mensch ist stolz, auf seine Zivilisation, auf seine Kultur. Goethe und Schiller, Shakespeare und Molière, van Gogh und Rembrandt, Beethoven und Mozart - wer könnte die Helden der menschlichen Kultur nicht zumindest benennen? Wer mit diesen Namen nichts anfangen kann, der wird schräg angesehen. Der will ein kultivierter Mensch sein?

Doch wie steht es mit Shockley, Faraday und Snell? Wer kann mit dem Erfinder des Transistors, dem Entdecker der Induktion und dem Entdecker des Brechungsgesetzes etwas anfangen? Was ist Induktion überhaupt?

Machen Sie sich keine Gedanken. Wer keine Ahnung von den Naturwissenschaften hat, muss nicht befürchten, dass man ihn für einen unkultivierten Deppen hält. Im Gegenteil: Gerade in den kultivierten Kreisen gilt es als fein, rein gar nichts von Technik und Wissenschaft zu verstehen, so wie man als Gentleman auch nichts von Sozialhilfe oder der Münchner Tafel wissen sollte.

Diese Woche gab es zwei Auktionen, die dies wunderbar belegen: Die Briefmarke "British Guiana" ein 2,5 Zentimeter mal 3,2 Zentimeter großes, rötliches Stück Papier wurde für 9,5 Millionen Dollar versteigert. Der von Jack Kilby gebaute erste Prototyp des integrierten Schaltkreises erreichte hingegen noch nicht einmal das Mindestgebot von einer Millionen Dollar.

Bei der Briefmarke mag es sich um ein kleines Kunstwerk handeln, beim Mikrochip jedoch um die Basis der Technik, die heutige Computer ermöglicht, Smartphones, Fernseher, Waschmaschinen, kurz: Alle Technik, mit der wir uns heute umgeben.

Es ist, als habe man mit diesem Mikrochip das erste Rad der Menschen verkaufen wollen, das erste geschriebene Wort der menschlichen Zivilisation. Doch das findet kein Interesse. Wir nutzen die Technik gerne, doch eigentlich wollen wir nichts mit ihr zu tun haben, so als handele es sich um eine schwere Krankheit, mit der man sich nicht anstecken möchte. Und so hüten wir uns vor ihr, und sind auch noch stolz darauf, technische Analphabeten zu sein.

Aber vielleicht liegt der Grund in unserem verletzten Ego. Schließlich zeigt die Technik uns jeden Tag aufs Neue unsere Grenzen (sonst müssten wir sie ja nicht einsetzen), während die Kunst uns vorspielt, wir könnten - einem Gott gleich - alles erreichen.
P.H.



Freitag, 15. März 2013
Der Heilsbringer kommt
War das nicht eine aufregende Woche? Mit Spannung hatte man die Vorstellung erwartet, konnte nicht genug detaillierte Informationen bekommen, hatte schon Tage vorher spekuliert, was einen erwarten würde. Und dann endlich war das Geheimnis gelüftet wurden. Das neue Samsung Galaxy S4 ist da, und selbst intellektuelle Blätter wie "Die Zeit" beschäftigen sich ausführlich mit diesem Spielzeug.

Einen größeren Hype hätte nur noch das neue iPhone erzeugen können.

Oder die Wahl eines neuen Papstes.

Stimmt ja: Da war noch etwas in dieser Woche. Nachdem Papst Benedikt XVI. wie jeder normale Arbeitnehmer seine Rente angetreten hatte, musste die katholische Kirche ja einen neuen Papst wählen. Getroffen hat es den Argentinier Jose Bergoglio, der sich den Namen Franziskus gab. Und ebenso wie bei den High-End-Smartphones hatte es in den Tagen vorher große Spekulationen gegeben, wer der neue Papst denn sein könnte - und wofür er stehen würde.

Als Jesuit steht er für Armut, was einen merkwürdigen Gegensatz zum Reichtum der Kirche bildet. Aber zumindest ist er konservativ. Da weiß man, was ihn antreibt. Ebenso wie bei den Smartphones von Apple und Samsung.

Warum nur machen wir so einen Hype um einige Dinge? Keiner wundert sich tagelang, wie der neue Fernseher von Sony aussehen könnte, und keiner verfolgt die Wahl eines neuen Regierungschefs mit einer solchen Hingabe.

Ist es das Geheimnisvolle? Die Rituale, mit denen das Neue langsam angekündigt wird - eine Spekulation hier, ein unscharfes Foto dort, bis endlich weißer Rauch aufsteigt und alle Fragen beantwortet sind?

Zieht uns die Macht an? Die Marktmacht der Giganten Apple und Samsung - und die Macht der katholischen Kirche, die vorgibt, über 1,3 Milliarden Menschen zu herrschen, auch wenn die meisten Katholiken sich wundern, wieso sie diesem Verein, der eine Zufluchtsburg von Pädophilen zu sein scheint, überhaupt noch angehören?

Oder erhoffen wir uns wirklich eine bessere Welt? Eine Welt, in der die Technik für uns arbeitet, eine Welt, in der die christlichen Gebote wirklich gelten?

Wenn wir dabei nur nicht enttäuscht werden.
P.H.



Samstag, 9. Februar 2013
Die neue Inquisition
Früher war die Welt so einfach: Was die katholische Kirche sagte, wurde ohne Widerspruch hingenommen. Immerhin ist der Papst Nachfolger des Apostels Petrus, von dem es im Matthäus-Evagelium heißt: "Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein."

Stellte sich früher jemand gegen die Ansichten der katholischen Kirche, dann war sein Leben verwirkt. Die Inquisition rückte aus, und mit der päpstlich abgesegneten Folter hatte sie keine Probleme, alle gewünschten Geständnisse zu erreichen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute ist die Kirche nur noch ein Schatten ihrer selbst, die Gesellschaft wurde demokratisch, und den Menschen wurden die Menschenrechte zugesichert. Die Kirche besitzt nicht mehr die absolute Macht, die sie noch im Mittelalter innehatte, wo sie sogar Könige zum Kreuzgang nach Canossa zwingen konnte.

Doch die Situation scheint sich noch verschlimmert zu haben. Vom Täter scheint die Kirche zum Opfer mutiert zu sein. Immerhin beklagt Erzbischof Müller eine "Pogromstimmung" gegen die katholische Kirche, und Kardinal Meisner will gar eine "Katholikenphobie" entdeckt haben. Und warum? Nur weil die Kirche sich nicht an Gesetze hält und einer vergewaltigten Frau in zwei katholischen Krankenhäusern die Behandlung verweigert wurde, weil man ihr nicht die "Pille danach" verschreiben wollte? Nur weil die Kirche ihre Einrichtungen großzügig vom Staat finanzieren lässt - um dann dort Lohndumping und religiöse Diskriminierung zu betreiben, die mit den Gesetzen einer demokratischen Gesellschaft nicht zu vereinen sind?

Ein totalitäres System, das weder demokratisch noch moralisch ist, fühlt sich verfolgt, weil ihre Praktiken kritisch hinterfragt werden - und immer größere Teile der Bevölkerung nicht bereit sind, dies länger zu akzeptieren. Man könnte nun Mitleid mit einer Kirche haben, die es gewohnt war, ihre Ansichten und ihren Machtanspruch über Jahrhunderte brutal und skrupellos durchzusetzen. Doch ein bisschen Demut täte der Kirche nicht schlecht. Und das Eingeständnis, dass die eigenen Ansichten vielleicht doch nicht so menschlich und moralisch sind, wie sie von sich selber gerne behauptet.

Doch wie kann man Fehler eingestehen - wie kann man sie gar machen - wenn man glaubt, das eigene Handeln sei von Gott inspiriert?
P.H.