Samstag, 12. Januar 2013
Glasnost bei der katholischen Kirche
Was waren das für Zeiten, als Mitte der 1980er Jahre mit Michail Gorbatschow ein Chef in den Kreml einzog, der praktisch von einen Tag auf den anderen mit alten Traditionen brach und ansprach, was die Bewohner des sowjetischen Riesenreichs trotz aller Propaganda schon längst wussten: Dass im kommunistischen Arbeiter- und Bauernparadies eben nicht alles so paradiesisch war, wie man sich das gerne gewünscht hätte. Doch den Mut zu haben, dies auch auszusprechen und für mehr Offenheit (Glasnost) und einen Umbau der Gesellschaft (Perestroika) einzutreten, brauchte in den verkrusteten Strukturen der Sowjetunion eine gehörige Portion Mut.

Diesen Mut braucht man im Westen eigentlich nicht. Hier leben wir in einer Demokratie, und es gilt die Meinungsfreiheit. Im ganzen Westen? Nein. Denn der Westen ist auf allen Ebenen von einer absolutistischen Diktatur durchwandert, die heute noch so agiert, wie vor Hunderten von Jahren, so als hätte es die Zeit der Aufklärung und der Demokratisierung nie gegeben.

Diese Diktatur, die katholische Kirche, fiel vor einigen Jahren vor allem dadurch auf, dass weltweit fast täglich Fälle bekannt wurden, in denen kirchliche Amtsträger Kinder missbraucht hatten - und die Kirchenführung schaute weg oder half sogar mit, die Verbrechen zu vertuschen. Zwischenzeitlich gewann man den Eindruck, dass katholische Priester vor allem deshalb kein Problem mit dem Zölibat haben, weil sie sich ohnehin viel lieber mit kleinen Jungen vergnügen. Allein im Bistum München Freising ergab eine Untersuchung Hinweise darauf, dass 159 Priester und 96 Religionslehrer Schutzbefohlene missbraucht hatten - und viele Personalakten waren inzwischen aus dem Archiv verschwunden oder lagen nur noch unvollständig vor.

Eine wissenschaftliche Studie sollte nun die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche untersuchen. Doch die Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachen wurde diese Woche mit einem großen Knall beendet. Die Kirche spricht von einem zerrütteten Vertrauensverhältnis, der Institutsleiter, Christian Pfeiffer, wirft der Kirche vor, dass sie die Forschungsergebnisse zensieren wollte.

Vielleicht wird die Kirche noch eine neue Studie starten, die dann jedoch den Beigeschmack eines Gefälligkeitsgutachten haben wird; vielleicht wird das niedersächsische Institut das Gutachten ohne Unterstützung der Kirche weiterführen - doch wie tiefgehend kann es dann sein? Eine umfassende Aufklärung ist nun nicht mehr möglich. Aber das, so wird gemutmaßt, sei genau im Sinne konservativer Kräfte.

Die Kirche ist eben noch nicht bereit für ein Glasnost. Vielleicht liegt dies ja auch daran, dass die Sowjets wussten, dass ihr Handeln auf menschlichen Regeln beruht, weshalb es fehlerhaft sein konnte, während die Kirche sich ja in all ihrem Tun auf ein allmächtiges Wesen beruft. Wie soll man sich da irren können?
P.H.



Samstag, 22. Dezember 2012
Selbstmordgefährdet
Nun war es doch nichts mit dem Weltuntergang, den einige für den 21.12.2012 vorhergesagt hatten - nur weil ein uralter Maya-Kalender an diesem Tag endete. Dabei schien der Amoklauf von Newtown mit seinen 27 Opfern vor einer Woche doch so ein schöner Auftakt für das Armageddon.

Der Mensch scheint eine Sucht nach dem Ende zu haben. Titel, die uns vor einem neuen Kometenschauer und dem Ende der Welt warnen, verkaufen sich wunderbar. Und wenn schon nicht die Welt untergeht, so schien man in diesem Jahr zumindest darauf zu warten, dass der Euro aufgibt und Europa ins Chaos fällt. Doch nun werten die ersten Rating-Agenturen sogar Griechenland wieder auf, das uns doch so ein vielversprechender Kandidat dafür war, dem Euro den Todesstoß zu versetzen.

Man kann sich auf nichts mehr verlassen; alles muss man selber machen. Und so schafft es der Mensch, zu jederzeit irgendwo auf der Welt einen Krieg zu führen. Zwar ging die Zahl der Kriege 2012 auf 34 zurück (von 37 im Jahr 2011), doch vielleicht auch nur deshalb, weil der Mensch glaubte, die Welt würde es Ende 2012 sowieso nicht mehr geben, da brauche er sich selber nicht mehr so anzustrengen. Allerdings motivierte ihn das nahe Ende auch nicht so stark, dass er wirklich überzeugende Entschlüsse gegen den Klimawandel traf. Die Klimakonferenz in Doha jedenfalls verkam zur Tragödie.

Doch jetzt beginnt die Weihnachtszeit, da sollten wir solche trüben Gedanken vergessen. Nun feiern wir die Geburt des Heilands, der der Welt Friede, Brüderlichkeit und Toleranz bringen wollte.

Vielleicht haben ihn die Menschen auch gerade deswegen umgebracht.
P.H.



Samstag, 10. November 2012
Die Scharia in Deutschland
Der Islam ist das schwarze Schaf der monotheistischen Religionen - zumindest wenn man vielen Konservativen glauben kann. Er ist eine Brutstätte von Terror und Gewalt, und ganz besonders muss man das islamische Recht, die Scharia, fürchten, schließlich hat dieses Recht rein gar nichts mit dem Recht zu tun, wie es eine demokratische Gesellschaft lebt.

Bei dieser Kritik an dem Islam vergisst man nur allzu gerne, dass es in Deutschland weite Bereiche der Gesellschaft gibt, in denen das staatliche, demokratische Recht ausgeklammert ist, und allein das Recht der Kirche gilt. Nämlich immer dort, wo auch nur im Entferntesten eine kirchliche Organisation als Arbeitgeber auftritt. Hier gilt plötzlich nicht mehr das Rechtssystem des Staates, sondern allein die Rechtsordnung der Kirche.

Dabei beruft sich die Kirche auf den Artikel 140 des Grundgesetzes, der aus der Weimarer Verfassung übernommen wurde. Darin heißt es: "Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde." Diese Selbstverwaltung sieht zwar vor, dass die Kirche sich im Rahmen des demokratischen Rechts bewegen soll, doch oft genug ignoriert sie dies einfach mal und beruft sich allein darauf, dass sie ihre Angelegenheiten selbständig verwalten kann. Und der Staat lässt sie gewähren.

So gibt es zwar eine Antidiskriminierungsregelung in der EU, nach der kein Bürger wegen seiner religiösen und politischen Ansichten diskriminiert werden darf, doch die Kirche hält sich nicht daran und stellt keine Menschen ein, die nicht ihrem Glauben anhängen, oder feuert sogar Menschen, die einen Lebenswandel führen, der den strengen Augen der kirchlichen Sittenwächter nicht genügt. Die Kirche macht sich ihr eigenes Recht - und pfeift auf das geltende staatliche Recht.

Unterstützung findet sie hierbei vor allem bei Politikern der Union, wie ein Beitrag des ARD-Magazins Panorama zeigte. Wie sagte doch die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion, Maria Flachsbarth: "Kirchen und Religionsgemeinschaften bestimmen selber darüber, selbstverantwortlich darüber, wie sie mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen." Deutlicher kann man nicht eingestehen, dass der Staat den Kirchen einen rechtsfreien Raum zugesteht.

Und hier schließt sich der Kreis und erklärt sich, wieso die Konservativen eine so große Angst vor dem Islam haben. Denn wenn die christlichen Kirchen ihr eigenes Recht, ihre eigene "Scharia" leben können, wieso dann nicht auch der Islam? Aber das ginge dann wohl doch etwas zu weit - und kann auch nicht gestattet werden, da ja nur die christliche Kirche die einzige Wahrheit verkündet.

Vielleicht sollten sich auch konservative, christliche Kreise endlich daran gewöhnen, dass wir in Deutschland in einem Rechtsstaat leben - und nicht in einem Kirchenstaat.
P.H.



Samstag, 3. November 2012
Stiefkind Islamismus
Die Auer Dult im Herzen von München bot auch dieses Mal ein breites Angebot an Antiquitäten, Kurzwaren, Schmankerln und weiteren interessanten Dingen. Doch dieses Jahr gab eines eine weitere Attraktion: Die Besucher der Auer Dult wurden von Mitgliedern der Partei "Die Freiheit" aufgefordert, eine Petition gegen ein geplantes Zentrum für Islam in Europa (Ziem) zu unterschreiben, das doch tatsächlich im Zentrum Münchens errichtet werden soll. Damit befände es sich in guter Nachbarschaft mit der christlichen Frauenkirche und des jüdischen Zentrums am Jakobsplatz. Doch während man keine Vorbehalte gegen diese beiden Religionen hat (oder es sich nicht traut, diese auszusprechen...) wird die Bevölkerung gegen das Ziem in Stellung gebracht.

Gegenüber dem Islam herrscht eine feindliche Stimmung, die man sonst nur dem Antichristen gegenüber zeigt. Dabei sind sich Christentum, Judentum und Islam mit ihrem Glauben an einen allmächtigen Gott ähnlicher als sonst zwei Religionen auf dieser Welt. Wie Lessing in seiner berühmten Ringparabel aus Nathan der Weise beschrieb, sind sie so ähnlich, dass sie praktisch nicht voneinander zu unterscheiden sind. Dennoch scheint der Islam das schwarze Schaf dieses Drillingsgespanns zu sein.

Sicherlich machen gerade Moslems mit Gewalt von sich reden und scheinen nicht immer in der Moderne angekommen zu sein. Doch betrifft dies alle Moslems? Haben Christen und Juden etwa eine weiße Weste? Warum grenzt man den Islam dann aus?

Der Islam gehört zu Deutschland und Europa wie das Christentum und das Judentum. Hier hatte der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff ausnahmsweise recht. Es war der Islam, der das Wissen der Antike bewahrte und weiterentwickelte, während Europa im "Dunklen Mittelalter" versank. Dank des Islams konnte Europa zur Renaissance wieder erwachen und eine führende Rolle in Kultur und Technik übernehmen. Man möchte gar nicht nachdenken, wo Europa heute ohne den Islam wäre.

Und sucht man heute religiöse Fanatiker, die kulturelle und geistig im Mittelalter hängen geblieben sind, dann braucht man nicht erst zu den Moslems gehen. Die erzkonservativen amerikanischen Evangelikalen, die allein den Worten der Bibel glauben, haben schon längst in Europa Fuß gefasst.

Doch der Islam bleibt das Stiefkind der monotheistischen Drillinge. Dabei wäre es doch gerade christlich, ihn endlich aufzunehmen. Aber leider hat's in Deutschland nur Katholiken und Protestanten...
P.H.



Samstag, 22. September 2012
Sieg der Radikalen?
Es ist schon erstaunlich, wie wenig es heute braucht, um die Welt in Aufruhr zu versetzen. Ein dilettantisch hergestellter und auf Youtube verbreiteter Film unter dem Titel "Innocence of Muslims" erhitzt momentan die Gemüter zahlreicher Moslems, weil sie ihre Religion und ihren Religionsfüher Mohammed darin verunglimpft sehen. Der Film wird von radikalen Evangelikalen wie dem Pfarrer und Islamhasser Terry Jones beworben und scheint seinen Ursprung in diesem radikal-religiösen Umfeld zu haben.

Wie soll die Gesellschaft nun auf diese gezielte Provokation einer ganzen Religionsgemeinschaft reagieren? Moslems protestieren weltweit gegen dieses Video - und nicht selten eskalieren die Proteste. Diesen Freitag starben bei solchen Protesten über 10 Menschen in Pakistan, hunderte wurden verletzt. Vor zehn Tagen war der US-Botschafter in Libyen von Demonstranten getötet worden.

Sollte man also den Film verbieten, damit nicht weiter Menschenleben gefährdet werden? Doch was wäre dann mit unserem Recht zur freien Meinungsäußerung? Das gilt auch dann, wenn die geäußerte Meinung ausgesprochen dämlich ist - so wie im Fall dieses Videos. Und es hat viele Jahrhunderte gedauert, bis die Menschen in der westlichen Welt die Menschenrechte wie ihr Recht zur freien Meinungsäußerung erkämpft hatten. Soll man diese mit einem Male aufgeben, so wie man schon zum Schutze der Menschen die Freiheit der Menschen nach den Anschlägen vom 9. September 2001 eingeschränkt hat? Sobald ein Radikaler hustet, zuckt der Staat zusammen und gibt die Menschenrechte Preis, die er doch bewahren soll?

Nein, das kann nicht die Lösung sein. Denn damit würden wir die unfreie Gesellschaft schaffen, die die radikalen Fanatiker sich wünschen, eine Gesellschaft, in der nur ihre Meinung gilt und alles andere ihrer Inquisition zum Opfer fällt.

Das mag nun pathetisch klingen, vielleicht sogar menschenverachtend eingedenkt des Leides, das die Opfer ertragen müssen: Aber beim Kampf für die Freiheit gab es immer Opfer und wird es immer Opfer geben. Und wenn wir diesen Kampf aufgeben, dann sind wir alle Opfer.

Die Radikalen müssen die Menschenrechte akzeptieren - und nicht wir ihre religiösen Dogmen, die Menschen zu Göttern erheben und andere Meinungen verdammen.
P.H.



Freitag, 3. August 2012
Die Kirche ist nicht von dieser Welt
Die Satirezeitschrift "Titanic" hatte im Juli ein durchaus fragwürdiges Cover zum sogenannten "Vatileaks"-Skandal, bei dem immer wieder vertrauliche Informationen aus der näheren Umgebung des Papstes an die Öffentlichkeit gelangt waren. Unter dem Titel "Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden" hatte die Titanic ein Bild vom Papst mit einem gelben Fleck im Schritt gezeigt. Das Landgericht Hamburg sah eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Papstes und verbot die Verbreitung der Zeitschrift.

Zeitnah forderte nun der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ein Blasphemie-Verbot in Deutschland. "Wer die Seele der Gläubigen mit Spott und Hohn verletzt, der muss in die Schranken gewiesen und gegebenenfalls auch bestraft werden", sagte der Bischof. Ein Sprecher des Bischofs teilte zwar mit, dass dies nichts mit dem Titanic-Cover zu tun habe - obwohl es doch so gut zu diesem Thema passt...

Jede öffentliche Person, jeder Star und jeder Politiker muss sich Kritik an seiner Person gefallen lassen. Nur die Kirche beruft sich auf die "Seele der Gläubigen" und möchte von diesen demokratischen Rechten der freien Meinungsäußerung verschont bleiben und will sich außerhalb einer demokratischen Rechtsordnung stellen.

Es ist, wir erinnern uns, dieselbe Kirche, die mit Hexenverfolgung und Inquisition auch nicht mit den Menschenrechten belästigt werden wollte; es ist dieselbe Kirche, die sich gut mit Diktaturen wie die Pinochets oder Hitlers arrangiert hat; es ist dieselbe Kirche, die soziale Gerechtigkeit predigt und zugleich Niedriglöhne bezahlt, die "schlimmer als Lidl" sind; es ist dieselbe Kirche, die von ihren Mitarbeitern die Einhaltung religiöser Gesetze fordert, obwohl der Staat ihnen mehr Freiheiten zugesteht - und sich die Freiheit nimmt, die Mitarbeiter zu feuern, sollten diese sich mehr Freiheiten herausnehmen; es ist dieselbe Kirche, die mit dem Vatikan den letzten noch verbliebenen abolutistisch regierten Staat in Europa betreibt. Kurz, es ist dieselbe Kirche, die in ihrer langen Geschichte gezeigt hat, dass sie mit demokratischen Errungenschaften auf dem Kriegsfuß lebt.

Wie Welt hat sich geändert, doch die Kirche lebt noch immer im Mittelalter. Da ist es nur folgerichtig, dass sie auch nicht mit einer derartigen Lappalie wie dem Recht auf freie Meinungsäußerung belästigt werden will.

Die Kirche ist eben nicht von dieser Welt.
P.H.



Samstag, 24. Dezember 2011
Alle Jahre wieder...
Alle Jahre wieder halten uns die Medien darüber auf dem Laufenden, wie groß der Umsatz im Weihnachtsgeschäft denn ausfällt - ob er so hoch ist wie im Vorjahr, ob er sogar höher ist, oder ob die Bürger dieses Jahr etwas knauserig sind.

Und alle Jahre wieder melden sich vor allem Kirchenvertreter zu Wort, die uns ermahnen, Weihnachten nicht zu einem reinen Kommerzfest verkommen zu lassen, so wie dies der Vorsitzender der katholischen deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, gerade wieder tat, als er sagte: "Wenn der Sinn von Weihnachten auf Geschenke gelegt und Kommerz reduziert wird, ist das eine Fehlentwicklung."

Weihnachten, das wissen schon unsere Kinder, feiern wir die Geburt Christi. Was viele aber nicht mehr wissen: Noch vor einigen Jahrhunderten war Weihnachten ein eher unbedeutendes Fest. Die Menschen freuten sich viel mehr auf den 6. Dezember, den Tag des Heiligen Sankt Nikolaus, wo man sich gegenseitig Geschenke machte. Erst Martin Luther und die Protestanten sprachen sich gegen die in ihren Augen blasphemische Heiligenverehrung der katholischen Kirche aus und setzten sich dafür ein, sich doch lieber zu Weihnachten, dem Geburtstag Christi, gegenseitig Geschenke zu machen.

Der Rest ist Geschichte, wie es so schön heißt: Nachdem Weihnachten ohnehin schon zum offiziellen Datum für gegenseitiges Beschenken erkoren wurde, tat die Konsumgüterindustrie ihr möglichstes, ein breites Panoptikum an Geschenken bereit zu stellen. Aus dem Heiligen Nikolaus wurde in den englischsprachigen Ländern der Santa Claus und in Deutschland der Weihnachtsmann, der den Kindern die Geschenke bringt - wenn nur die Eltern vorher dafür bezahlt haben. Und Coca-Cola schaffte es, mit ihrer Werbefigur des Santa Claus und Millionen an Werbegeldern das idealtypische Abbild für den modernen Weihnachtsmann mit langem weißen Bart und rotem Anzug zu schaffen.

Weihnachten, so wie wir es heute feiern, ist eine Schöpfung der Geschenkeindustrie; unser modernes Weihnachten definiert sich über Geschenke und Kommerz. Zu fordern, dass man den Sinn von Weihnachten nicht auf den Kommerz reduzieren solle, ist ungefähr so sinnvoll, wie zu fordern, dass es nachts nicht dunkel werden soll.

Was aber niemanden daran hindern soll, es dennoch zu versuchen.
P.H.



Mittwoch, 28. September 2011
Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit
Der Papst war mal wieder in Deutschland. Es war ein Ereignis erster Güter, selbst der Einbruch des Dax um mehrere Prozent, der sonst die Nachricht des Tages gewesen wäre, war nur noch eine Meldung unter vielen. John Lennon behauptete einmal, die Beatles seien größer als Jesus. Nun, der Papst ist es sicherlich.

Doch man jubelte dem Papst nicht nur zu, es gab auch kritische Stimmen. Der Tübinger Theologe Hans Küng kritisierte, dass der Papst zwar "ein offenes Ohr und ein hörendes Herz" versprochen habe, tatsächlich "habe das Oberhaupt der katholischen Kirche aber mit versteinertem Herz auf die Reformanliegen der meisten deutschen Christen reagiert". Der Vorsitzende der Kirchenleitung der Nordelbischen Kirche, Bischof Gerhard Ulrich, sagte, er sei "vom Ergebnis der Gespräche und der Ansprache Benedikts ernüchtert".

Der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, warf der Kirche vor, dass "innerkirchliche Kritik zu schnell als illoyal und ungehorsam hingestellt wird, statt zu sehen, dass sie aus Sorge erfolgt." Und Hans Küng fügte noch hinzu: "Wo dieser Papst ist, da ist Vergangenheit."

Offensichtlich hatten sich die protestantischen Kirchenfürsten und die katholischen Kritiker der Amtskirche mehr vom Papst zu den Themen Zölibat, Abendmahl oder Umgang mit Geschiedenen versprochen, als dieser dann bereit war zuzugestehen.

Aber mal ehrlich: Hatten diese Kritiker des Papstes wirklich erwartet, er würde sich bewegen? Verstehen die Kritiker des Papstes denn nicht, dass sie es nicht mit einem Politiker zu tun haben, sondern mit einem Kirchenfürsten?

Konrad Adenauer hatte das Glaubensbekenntnis des Politiker einmal so formuliert: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern." Denn ein Politiker vertritt nur Meinungen - und die ändert er schon mal wie eine Fahne im Wind, wenn er sich Vorteile davon verspricht.

Doch der Papst ist ein Kirchenfürst. Er ist der Nachfolger Petrus, der Fels, auf den die Kirche gebaut wurde, die selbst die Mächte der Unterwelt nicht überwältigen werden, wie es im Matthäus-Evangelium (16, 18) heißt. Er verkündet keine Meinungen, sondern die Wahrheit, wie sie in den heiligen Schriften offenbart wurden. Reduzierte er seine Wahrheiten zu einfachen Meinungen - ja, worauf sollten sich die Gläubigen denn dann noch verlassen können? Stimmt es dann wirklich, dass die Bösen in die Hölle und die Guten in den Himmel kommen? Gibt es überhaupt noch ein Leben nach dem Tod?

Der Papst muss darauf beharren, dass er die Wahrheit sagt und nichts als die Wahrheit, sonst versetzt er dem Glauben den Todesstoß. Er kann seine Aussagen deshalb nicht nach Moden ausrichten wie ein Politiker. Allen Kritikern, die in ihrer Naivität glauben, der Papst würde sich doch noch "bewegen", möchte man deshalb zurufen: "Verbringt Eure Zeit sinnvoller als darauf zu warten, dass der Fels zum Propheten kommen wird."
P.H.