Der freie Markt regelt alles zum Guten
Für Ökonomen ist der Markt beinahe eine göttliche Kraft, die nur das Gute will und dafür sorgt, dass es allen Menschen besser geht – wenn nur der böse Staat sich nicht immer einmischen würde. Deshalb geht es den Menschen in den Industrieländern heute gut, weil die Nachfrage der Arbeitgeber nach qualifizierten und motivierten Arbeitskräften dafür gesorgt hat, dass soziale Sicherungen aufgebaut wurden und die Löhne stiegen. Ohne den Staat, so das Mantra der vor allem neoliberalen Ökonomen, herrsche bald das Paradies auf Erden.

Tatsächlich?

Ein Blick in die Geschichte zeigt ein ganz anderes Bild. Die Krankenversicherung in Deutschland wurde von Bismarck eingeführt, um die Arbeitervereine zu schwächen. Die boten ihren Mitgliedern nämlich eine rudimentäre Krankenversicherung an. Bismarck zwang die Arbeiter (und nicht die Beamten und Selbstständigen, die dem Staat ja schon treu waren) in die Krankenversicherung, damit sie kein Geld mehr hätten, um die Arbeitervereine zu unterstützen. Er wollte mit der Einführung der Krankenversicherung nicht den Arbeitern etwas Gutes tun, sondern die Arbeiterbewegung im Gegenteil schwächen, was ihm dann jedoch nicht gelang. Die von ihm eingeführte merkwürdige Teilung der Krankenversicherung haben wir in Deutschland jedoch bis zum heutigen Tage beibehalten.

Der nächste große Schritt für besser Arbeitsverhältnisse war das Stinnes-Legien-Abkommen von 1918. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Abschaffung der Monarchie befürchteten viele Unternehmer die Verstaatlichung der Unternehmen. Um das zu verhindern traf sich der Arbeitgeberführer Hugo Stinnes mit dem Gewerkschaftsführer Carl Legien. Dieser kannte die Befürchtungen der Unternehmer. Im Versprechen, dass die Unternehmen nicht verstaatlicht würden, rang er den Unternehmern viele Zugeständnisse ab, die wir heute für selbstverständlich halten – und die, in den Legenden der Ökonomen, die Arbeitgeber den Arbeitnehmern freiwillig zugestanden hatten, weil die Arbeitgeber motivierte Mitarbeiter suchten. Dazu gehörte die Anerkennung der Gewerkschaften als Vertreter der Arbeiterschaft, das Regeln der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge, die Einführung von Betriebsräten und der 8-Stundentag.

Einige dieser Leistungen wurden dann auch von Arbeiterbewegungen in anderen Ländern erkämpft, andere gibt es dort jedoch immer noch nicht. Wahrscheinlich müssen die Arbeiter dort nicht so stark motiviert werden wie die Arbeiter in Deutschland.

Oder die Geschichte vom Markt, der alles zum Guten regelt, ist nur ein Märchen.
P.H.