Montag, 15. Januar 2018
Freie Fahrt!
Die Franzosen sind schon Spaßvögel. Sie streiken so oft, dass es eine Internetseite gibt, wo man sich einen Überblick verschaffen kann, wer wann wo streikt, damit man nicht umsonst zu einem Amt fährt oder glaubt, einen Zug benutzen zu können. Nun senken sie das Tempolimit auf Landstraßen von 90 auf 80 km/h. Und schon gibt es die ersten, die das auch für deutsche Landstraßen fordern.

Natürlich ist der Aufschrei groß. Was soll uns denn noch alles verboten werden? In den Städten darf man keine Autorennen mehr veranstalten, auf der Landstraße soll man nun auch langsamer fahren, und bald soll es wohl auch noch Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Autobahn geben. Wo kommen wir denn da hin!

Es ist unser verbrieftes Recht, schnell zu fahren. Das steht schon im Grundgesetz, und wenn nicht, dann gehört es da schleunigst hin (kann sich die CSU nicht darum kümmern?). Immerhin können wir gut fahren, wir haben unsere Fahrzeuge unter Kontrolle, und sind verantwortungsvoll. Gut, als man in Deutschland Anfang der 1950er Jahre alle Geschwindigkeitsbeschränkungen aufhob, da nahm die Zahl der Unfälle so stark zu, dass man sie für Städte und später für Landstraßen wieder einführte. Aber die Autobahnen müssen frei bleiben!

Und so gibt es genug Idioten, die glauben, sie haben ein Recht, auf deutschen Autobahnen 200 km/h zu fahren. Wenn dann jemand links nur 150 fährt, dann gilt er als Verkehrshindernis und wird gnadenlos zur Seite gedrängt. Wenn so ein fetter BMW oder Audi bei dieser Geschwindigkeit nur zehn Meter hinter einem fährt, dann bekommt man Angst und macht Platz.

Der Fahrer des auffahrenden Fahrzeugs bekommt natürlich keine Angst. Dafür ist er zu dämlich, sonst hätte er ja den Sinn des Sicherheitsabstandes verstanden und würde nicht so eng auffahren. Und er fühlt sich im Recht: Wieso fährt der Depp vor mir nicht 200, wenn die Straße doch frei ist?

Allein um diese Arschlöcher, die glauben, ein Recht auf Rasen zu haben, einzufangen, braucht es eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. Doch was macht die Politik? Sie führt lieber eine Maut ein.

Das stört uns nicht so. Wir können dann ja immer noch rasen.
P.H.



Freitag, 29. Dezember 2017
Arrogante Manager
Man kann den Populisten manchmal nur zustimmen: Die Elite muss bekämpft werden. Besonders gilt dies für einige Manager, die glauben, sie seien Gott und müssten sich anderen gegenüber nicht rechtfertigen. Gesetze, die für Sterbliche gelten, gelten für sie auf keinen Fall.

Man erinnert sich noch an den Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, der eine Summe von 50 Millionen Euro als „Peanuts“ bezeichnete. Oder an den Manager Thomas Middelhoff, der zur Arbeit gerne mit dem Hubschrauber flog, um die 150 Kilometer von Bielefeld nach Essen zurückzulegen. Nur von einem Chauffeur gefahren zu werden, reichte dem feinen Herrn nicht.

Doch die Krone der Unverschämtheit gebührt Volkswagen. Wir erinnern uns: Der Konzern hat in der Dieselaffäre die staatlichen Behörden nach Strich und Faden belogen, dabei aber immer wert darauf gelegt, dass das obere Management nichts von dem Betrug gewusst habe. Schuld waren nur untere Managementebenen, die das Top-Management schändlich hintergangen hatten.

Nun könnte man meinen, dass man kein Top-Management braucht, wenn es den Laden eh nicht im Griff hat. Das sehen die VW Top-Manager natürlich anders. Und stimmt es wirklich, dass die Top-Manager von dem Betrug nichts wussten? Es ist schon erstaunlich, mit welchem Engagement die oberen Herren des Konzerns versuchen, den Rechtsstaat auszuhebeln, damit niemand ihnen genauer auf die Finger schauen kann.

So hat VW eine interne Untersuchung bei der Kanzlei Day Jones in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollten der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden. Dies geschah jedoch nur sporadisch und dann auch nur mündlich. Die Staatsanwaltschaft hatte den Eindruck, dass die Kanzlei ihnen wichtige Informationen vorenthielt, und beschlagnahmte Anfang 2017 die Akten. Doch VW und Day Jones haben Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt. Würden die Akten ausgewertet, dann wäre das ein Bruch des Vertrauensverhältnisses zwischen Klient und Anwalt. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Antrag vorläufig stattgegeben, um keine eventuell rechtswidrige Situation zu schaffen, die endgültige Entscheidung steht noch aus.

Käme VW damit durch, dann bräuchten korrupte Firmen in Zukunft nur noch eine Kanzlei mit der Aufklärung beauftragen, und der Staat bliebe außen vor. Es steht zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht nicht im Sinne VWs entscheidet.

Aber damit noch nicht genug der Probleme für VW. Nun haben Aktionäre vor Gericht durchgesetzt, dass ein Sonderermittler eingesetzt wird, um zu klären, was Vorstand und Aufsichtsrat wussten. Die Aktionäre, wir erinnern uns, sind die Besitzer der Firma. Doch anstatt ihren Besitzern Rede und Antwort zu stehen, hat VW wieder Klage beim Bundesverfassungsgereicht eingereicht, weil es sich in seinen Grundrechten verletzt sieht. Man will schließlich selber entscheiden, was man tut, ohne jemandem Rechenschaft ablegen zu müssen.

Mit diesem Verhalten stärkt VW das Vertrauen in die Kaste der Manager sicherlich nicht.
J.E.



Freitag, 15. Dezember 2017
Denen zeigen wir’s
Die rechten Populisten, die überall in den Industrieländern an Zuspruch gewinnen, werden nicht gewählt, weil sie für etwas stehen, sondern weil sie gegen etwas stehen: Gegen die Elite.

Dabei ist unwichtig, dass sie selber Teil der Elite sind. Dabei ist unwichtig, dass sie alles und jeden als Lügner beschimpfen und selber kaum etwas anderes erzählen als Lügen. Dabei ist unwichtig, dass sie einen Großteil der Menschen – zumeist alle, die nicht weiß und männlich sind – als Untermenschen behandeln. Kurz: Dabei ist völlig unwichtig, was für Arschlöcher sie sind. Hauptsache sie nehmen den Kampf gegen die verhasste Elite auf, die nur in ihre eigene Tasche wirtschaftet und nichts dagegen unternimmt, dass die Armen immer ärmer werden.

Donald Trump, der größte Präsident, den die USA je hatten oder haben werden, zeigt nun, wie man den Kampf gegen die Eliten und für das Volk aufnimmt. Er versucht, eine Steuerreform durchzusetzen, die den Reichen immense Steuererleichterungen gibt, den einfachen Bürgern jedoch höhere Steuern auflastet, da Möglichkeiten der Steuerreduktion für sie wegfallen; er schießt sich auf Obamacare ein, die Krankenversicherung für alle, so dass Millionen Amerikaner in Zukunft wieder ohne Krankenversicherung dastehen werden; und er hebt die Netzneutralität auf, so dass Großkonzerne in Zukunft die Vorfahrt im Netz haben werden und noch mehr verdienen können.

Trump kümmert sich wirklich um die Kleinen. Sie dürfen halt nicht zu klein sein.

Aber was hätte man von einem notorischen Lügner auch sonst erwarten sollen?
J.E.



Dienstag, 28. November 2017
Attacke!
Die amerikanische Regierung unter Donald Trump ist einzigartig. Nicht nur, dass sich in ihr zahllose Milliardäre zusammengetan haben, um scheinbar den Armen zu helfen, und dann doch nur Gesetze zu entwerfen, die die Krankenversicherung der Armen einschränken oder vor allem den Reichen die Steuern senken würde, nein, Trump und seine Mitstreiter scheinen sich das Ziel gesetzt zu haben, die USA weiterzuentwickeln. Bisher waren sie eine Demokratie, in der die Meinungsfreiheit höher gehalten wurde als in jedem anderen Land. Bald dürfte dies der Vergangenheit anzugehören. Das Vorbild scheinen autoritäre oder diktatorische Regime wie China oder Russland zu sein.

Schon vor seiner Wahl beschimpfte Trump Medien, die es wagten, etwas zu veröffentlichen, was ihm nicht gefiel, als „Lügenmedien“ oder „Fake News“. Die Konservativen, die lieber das Land in einem rein kapitalistischen System ausbeuten wollen, anstatt sich dem Wettbewerb in einer Marktwirtschaft zu stellen, unterstützen Trump bei seiner Kampagne. Frei nach dem Motto: Wer nicht so denkt wie wir, soll dies lieber nicht sagen.

Und nun machen sich die Konservativen daran, kritische Medien in ihre Gewalt zu bringen. Der Time-Verlag mit dem weltweit bekannten Time-Magazin wurde verkauft. Zu den Käufern gehören die Erz-Konservativen Koch-Brüder, Milliardäre, die den Staat am liebsten sofort abschaffen würden, damit er ihnen nicht in die Geschäfte fuscht.

Und CNN scheint auch zum Abschuss frei zu sein. AT&T möchte Warner übernehmen. Zu Warner gehört der liberale Nachrichtensender CNN. Das Justizministerium versucht mit allen Mitteln, diese Übernahme zu verhindern. Aber wenn CNN abgespalten würde und an einen anderen Investor ginge, vielleicht einen konservativen, dann könnte man sich die Übernahme schon vorstellen…

Derweil hat eine Gruppe konservative Aktivisten versucht, der Washington Post nachzuweisen, dass sie Fake News verbreite. Dazu erschien eine Frau bei den Journalisten der Zeitung und erzählte, dass sie vor Jahren von einem konservativen Senator missbraucht wurde, davon schwanger wurde und das Kind abtreiben ließ. Leider taten die Journalisten der Post etwas, was für konservative Reporter unter ihrer Würde ist: Sie versuchten, die Geschichte durch eine Recherche zu bestätigen. Dabei stellte sie sich als falsch heraus und die wahren Urheber wurden aufgedeckt

Die Attacke auf die freien Medien ist in den USA im vollen Gange.

Und bald gilt in den Trump-USA die Weisheit aus der früheren Sowjetunion: Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, solange sie der Meinung der Mächtigen übereinstimmen.
J.E.



Freitag, 10. November 2017
Wir haben verstanden
Gebetsmühlenartig wiederholten die CSU-Granden nach der desaströsen Bundestagswahl diesen Satz: „Wir haben verstanden.“

Viele Menschen fühlen sich von den Politikern nicht mehr repräsentiert. Diese scheinen sich nur noch um die Belange der Reichen zu kümmern und ihren eigenen politischen Spielchen nachzugehen. Die Bedürfnisse des Volkes scheinen ihnen völlig gleichgültig zu sein. Deshalb wurden die etablierten Parteien bei der Wahl auch so abgestraft.

Nun hat die CSU verstanden und will sich wieder um die Bedürfnisse des Volkes kümmern. Die CSU?

Die CSU möchte zum Beispiel, dass der Münchener Flughafen eine dritte Startbahn erhält. Schließlich haben alle großen Flughäfen mehr als zwei Startbahnen. Kritiker dieses Plans stellen die Sinnhaftigkeit der Idee infrage. Abe die CSU macht ja Politik für das Volk, also wurde das Volk gefragt. Die Volksbefragung wurde jedoch nicht in den von den Ausbauplänen unmittelbar betroffenen Gemeinden durchgeführt, wie Freising und Erding, sondern in München. Die Bewohner der Stadt sind von dem zusätzlichen Lärm nicht betroffen und würden von dem Ausbau profitieren; sie hätten also allen Grund, für die dritte Startbahn zu votieren. Außerdem ist München Anteilseigner der Flughafen GmbH, also war die Durchführung der Volksbefragung zum Thema Startbahn in München nicht völlig aus der Luft gegriffen.

Doch die Münchener zeigten sich mit den betroffenen Bewohnern solidarisch und votierten gegen eine dritte Startbahn. Aber die CSU möchte eine dritte Startbahn! Und wenn die CSU was möchte, dann läuft sie so lange gegen die Wand, bis die Wand nachgibt. Nur leider blockierte München nun wunschgemäß mit seinem Stimmanteil den Bau der dritten Startbahn in der Flughafen GmbH. Würde die CSU gegen das Volk verlieren?

Noch hat die CSU ein Ass im Ärmel. Sie denkt nun darüber nach, die Flughafen GmbH in eine Flughafen AG umzuwandeln. Dann könnten die Münchener mit ihrem blöden Anteil den Bau der dritten Startbahn nicht mehr blockieren.

Die CSU hat verstanden? Zumindest im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
P.H.



Samstag, 4. November 2017
Mythos Effizienz
Es geschah vor der Bundestagswahl. Die Aktuelle Stunde, eine Nachrichtensendung des WDR, testete die Kandidaten, indem sie diese mit „echten Menschen“ konfrontierte. Der FDP-Chef Christian Lindner traf auf einen Krankenpfleger, der die Profitgier privater Klinikbetreiber bemängelte. Lindner gab jedoch zu bedenken, dass private Anbieter vielleicht effizienter seien.

Da erhebt sich die Frage, wo Herr Lindner die letzten dreißig Jahre verbracht hat. Seit den 1980er Jahren predigen neoliberale Ökonomen, dass man möglichst viele Aufgaben vom Staat zur Privatwirtschaft transferieren soll, weil diese doch so viel effizienter sei als der Staat mit seinen Sesselfurzern. Und die Politik folgte diesem Vorschlag bereitwillig – brachte der Verkauf von staatlichen Unternehmen doch Geld in die hochverschuldeten Kassen.

Seitdem kann man beobachten, wie die privaten Unternehmen die Effizienz steigern: Die Kosten für die Mitarbeiter werden drastisch reduziert. Anstatt ihnen feste, gut bezahlte Anstellungen zu geben, werden die Mitarbeiter ausgelagert und mit Hungerlöhnen abgespeist. Die Deutsche Post unterhält heute keine eigenen Postfilialen mehr und lässt die Packe von Subunternehmen ausliefern, die kaum den Mindestlohn erhalten. Auch wird die Infrastruktur wird vernachlässigt. Die Telekom rühmt sich, dass sie schon große Teile Deutschlands mit schnellem Internet versorge. Dabei gibt es immer noch Bereiche, die noch nicht einmal langsames Internet haben. Mit einer solchen Bilanz wäre ein Postminister früher zum Rücktritt gezwungen worden. Und der Kunde muss mit einem immer schlechteren Service und steigenden Preisen leben.

Aber: Die Gewinne haben sich vervielfacht. Die Investoren der einstigen Staatsunternehmen verdienen sich eine goldene Nase. Und das ist schließlich alles, worauf es ankommt.

Worauf es zumindest der FDP ankommt.
J.E.



Samstag, 21. Oktober 2017
Das war es mit der Mückenplage
Ehrenamtliche Forscher des Entomologischen Vereins Krefeld haben über 25 Jahre lange regelmäßig Insektenfallen in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz aufgestellt und die Menge der Insekten bestimmt, die gefangen wurden. Über die Zeit wurden das immer weniger. Seit 1989 ist die Zahl der Insekten um durchschnittlich 76 Prozent zurückgegangen. Die Insekten sterben aus.

Und diese Zahlen wurden nicht inmitten eines vergifteten Ackerfeldes ermittelt, sondern in Naturschutzgebieten. Wie es auf den Ackerfeldern aussieht, können wir nur spekulieren.

Dass Bienen sterben , wissen wir schon seit langem. Pestizide sind die Hauptverdächtigen. Damit wir immer hübsches Obst und Gemüse zu niedrigen Preisen bekommen, vergiften wir die Umwelt. Bei den Bienen bedeutet dies aber auch, dass wir damit unsere Lebensgrundlage zerstören, denn wir brauchen Bienen zum Befruchten der Blüten.

Nun stellen wir verwundert fest, dass diese Gifte auch alle anderen Insekten töten. Na und? Wer, außer einem Gourmet, braucht schon Schnecken? Oder Kakerlaken? Oder Mücken?

Doch die Insekten erfüllen wichtige Aufgaben im Ökosystem. Wie ein feines Uhrwerk erfüllt jede Art ihre Aufgabe. Fällt eine Art aus, dann verändert sich das Ökosystem. Und die Veränderung ist selten vorteilhaft.

Die augenfälligste Änderung ist, dass die Vögel immer weniger Nahrung finden – und deshalb auch die Zahl der Vögel drastisch zurückgeht.

Aber ehrlich: Wozu brauchen wir Vögel? Liefern die Milch? Können wir ihre Federn in Kissen verwenden? Eigentlich sind sie doch nutzlos. Und was nutzlos ist, so lehrt uns die moderne, ökonomische Denke, ist auch wertlos. Sollen sie doch krepieren.

Und wenn die Insekten sterben, dann fällt hoffentlich auch die alljährliche Mückenplage aus.
K.M.



Samstag, 7. Oktober 2017
Sollen sie uns hassen?
Salah ist Syrer. Als der Krieg ausbrach, war gerade seine kleine Tochter geboren, seine Frau war mit einem weiteren Kind schwanger. Sie wollten nicht weg, doch irgendwann kamen die Bomben immer näher. Die Fanatiker des Islamischen Staates standen vor den Toren der Stadt. Dann sollte Salah zur Armee eingezogen werden, zu einer Truppe, die als Foltertruppe bekannt ist. Da wusste er: Sie mussten fliehen.

Doch wie sollte er seiner schwangeren Frau und seinem Baby die Flucht zumuten? Die Strapazen wären zu groß. Ein Bekannter erzählte ihm, dass Flüchtlinge in Deutschland ihre Verwandten ganz legal nachkommen lassen können. Also beschlossen die Familie, dass Salah alleine fliehen sollte, sich alleine den Strapazen und dem fast sicheren Tod aussetzen sollte, um dann die Familie vor dem Elend in der Heimat zu retten. Deutschland erschien wie ein Paradies. Sie konnten ja nicht wissen, dass die christliche Leitkultur der Deutschen kaum menschlicher ist als das Weltbild des IS.

Salah machte sich auf die Flucht und kam 2015 in Deutschland an. Doch er musste warten, bis er seinen Asylantrag stellen konnte. Da er auch vor dem Militär geflohen war, bestand gute Aussicht, dass er nicht nur als Kriegsflüchtling anerkannt würde, sondern auch als politisch Verfolgter. Nach Monaten konnte er seinen Antrag stellen, doch die Bearbeitung verzögerte sich. Sie verzögerte sich um Monate. Im Jahr 2016 beschloss die Bundesregierung, dass Kriegsflüchtlinge nicht mehr ihre Familie nachholen können. Man fürchtete sich zwar vor dem vielen jungen Männern, die allein geflohen waren, da sie allein auf sich gestellt leicht gewalttätig werden konnten, aber noch mehr schien man sich vor ihren Familien und ihren Kindern zu fürchten. Kinder sollen lieber zu Hause sterben.

Endlich bekam Salah seinen Bescheid: Er war nur als Kriegsflüchtling anerkannt. Nach der neuen Regelung konnte er seine Familie nicht mehr nachholen. Verzweifelt machte sich seine Frau nun selber auf den Weg, mit ihrer kleinen Tochter und dem gerade geborenen Sohn; in den Ruinen des Krieges war kein Leben mehr möglich. Sie gelangten in die Türkei und kamen auf das Boot einer Schlepperbande. Dieses Boot sank, kaum dass es die Küste der Türkei verlassen hatte. Es gab keine Überlebenden.

Salah hat gegen seinen Bescheid Rechtsmittel eingelegt. Es sieht nun so aus, dass er wohl doch als politisch Verfolgter anerkannt wird und seine Familie nachholen könnte.

Doch die hat er nun nicht mehr.

(Nach einem Bericht des ARD-Magazins Panorama.)
K.M.



Mittwoch, 27. September 2017
Wahl gegen den Staat
Bei der Bundestagswahl 2017 gab es nur zwei Gewinner : Die FDP und die AfD, also zwei Parteien, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben: Die FDP ist eine alte, traditionelle Partei, die AfD ist eine junge Protestpartei. Der FDP traut man ohne weiteres zu, dass sie sich demokratisch verhält, bei der AfD hat man da noch seine Zweifel, da sich zu viele Rechtsradikale in ihren Reihen aufhalten.

Doch tatsächlich sind sich diese beiden Wahlgewinner näher, als es auf den ersten Blick scheint, und das muss wirklich Anlass zur Sorge geben. Denn beide Parteien geben nicht viel auf den Staat.

Große Teile der AfD träumen von einem anderen Staat, der eher völkisch als demokratisch ist. Völkisch bedeutet letztlich, dass man sich um demokratische Spielregeln keine Gedanken machen muss, da das Volk eh nur einen Willen besitzt. Und wer diesen Willen nicht hat, der ist eben ein Volksverräter und sollte deportiert oder anderweitig „entsorgt“ werden.

Die FDP träumt von einem Staat, der kaum noch Staatsgewalt ausübt. Sie will „weniger Staat“, ganz im Sinne der neoliberalen Doktrin, die im Staat das Böse an sich sieht und davon fantasiert, dass es allen Menschen bessergehen würde, wenn sich der Staat nicht andauernd einmischen würde.

Doch wenn der Staat nicht mehr da ist, um sich einzumischen, um Umweltschutz, Arbeitnehmerrechte und auch Menschenrechte zu garantieren – wer tut dies dann?

Ohne eine demokratische Staatsgewalt sind die Schwachen den Starken ausgeliefert. Und auch wenn die Motivationen unterschiedlich sind, die Zielsetzung von FDP und AfD ähneln sich hier. Sie wollen den Staat entmachten und die Gewalt in die Hand der Starken legen.

Und genau deshalb ist das Wahlergebnis so besorgniserregend.
P.H.



Freitag, 1. September 2017
Nonstop Nonsens
Alexander Dobrindt ist unser Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Und wenn es um Erfolge geht, dann hat kein Minister mehr Erfolge vorzuweisen, als Dobrindt. Sie müssen ihn nur mal fragen.

So etwa beim Ausbau des schnellen Internets. Hier hat Dobrindt auf eine Technologie gesetzt, die schnell 70% der Haushalte erreichen kann – allerdings nur in großen Städten. Dabei handelt es sich um das sogenannte Vectoring, bei dem man das alte Kupferkabel auf 50 oder 100 Mbit/s beschleunigt. Um wirklich schnelles Internet zu haben, müsste man auf reine Glasfasertechnologie umstellen. Doch da ist Deutschland unter ferner liefen im europaweiten Vergleich . Und viele ländliche Bereiche wären ja schon froh, wenn sie wenigstens Vectoring hätten.

Beim Ausbau moderner Fahrzeugtechnologien sieht es auch nicht besser aus. Dobrindt schützt den Diesel , während die Elektromobilität nicht vorankommt.

Zugleich gibt es einen riesigen Investitionsstau bei der Infrastruktur. Straßen und Brücken verfallen, bald kann sich das Exportland Deutschland überlegen, wie es seine Waren noch an die Grenzen bringt, über die Straßen wird es kaum gehen. Als Lösung werden öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) von Dobrindt beworben. Eine solche ist der Ausbau der A1 zwischen Bremen und Hamburg. Eine private Betreibergesellschaft bezahlte den Ausbau, und erhielt dafür die Einnahmen aus der LKW-Maut. Die scheinen nicht zu reichen, und so verklagt die Betreibergesellschaft nun den Staat. Dobrindt war über das Problem wohl schon seit Jahren informiert , doch er blieb ein Fan der ÖPP-Projekte.

Eigentlich ging bei Dobrindt alles schief, was schiefgehen konnte (aber fragen Sie nicht ihn dazu). Nur bei einer Sache hat er wie gewünscht geliefert: Der Maut . Ein Projekt, was sich kaum rechnet, und eigentlich nur eingeführt wurde, weil die Bayern über die Einführung der Maut in Österreich sauer waren.

Dobrindt liefert also nur, wenn es wirklich unsinnig wird. Aber dann ist er verlässlich.
K.M.