Brexit: Die EU als Sündenbock
Nächste Woche können die Briten darüber abstimmen, ob sie weiter in der EU bleiben wollen, oder ob sie die EU verlassen wollen. Schon wieder. Denn 1975, zwei Jahre nach dem Beitritt, haben die Briten schon einmal darüber abgestimmt, ob sie in der EU bleiben wollen. Damals waren zwei Drittel dafür. Doch diesmal könnte es eine Mehrheit für einen Austritt geben.

Die Briten, immer dieser Briten. Thatcher hat schon Sonderkonditionen für die Insel ausgehandelt (I want my money back), und man usterstellt ihnen allgemein, dass sie es immer noch nicht überwunden haben, nicht mehr das Zentrum eines Weltreichs zu sein. Wie kann man da Mitglied eines Clubs werden?

Doch sind die Briten wirklich gegen Europa? Wenn man sich die Argumente der Gegner anschaut, dann fallen vor allem zwei ins Auge, die in verschiedenen Schattierungen gebetsmühlenartig weiderholt werden: Die vielen Zuwanderer sind zu teuer für Großbritannien, und die Kosten für die EU sind zu hoch.

Es geht also eigentlich nur ums Geld. Die Briten fühlen, dass es in ihrem Land zu wenig Geld für die sozialen Systeme gibt, für die Investitionen in die Infrastruktur oder für Investitionen in die Wirtschaft. Die Armut in Großbritannien ist schneller gestiegen als in allen anderen westlichen Ländern - mit Ausnahme der USA. Immer mehr Briten befinden sich auf dem absteigenden Ast. Aber ist die EU an dieser Entwicklung schuld?

War es nicht so, dass jede Regierung seit Thatcher, egal ob konservativ oder links, die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht hat? War es nicht so, dass jede dieser Regierungen gespart hat - auch damit sie die Banken unterstützen konnte, die in der Krise 2008 sonst reihenweise umgefallen wären? Ist es nicht so, dass die Probleme der Briten hausgemacht sind?

Doch die EU bietet sich natürlich als Sündenbock an. Besonders, wenn man selber keine weiße Weste hat. Die Abstimmung über den Verbleib in der EU ist tatsächlich eine Abstimmung über die asoziale Politik der britischen Regierungen in den vergangenen Jahrzehnten. Doch davon kann man nun wunderbar ablenken.

Doch wenn die Briten dann tatsächlich die EU verlassen sollten - wer dient dann in der Zukunft noch als Sündenbock für die eigenen Verfehlungen?
P.H.