Vogelfrei
Überschreiten die Supermärkte nun eine Grenze? Zumindest gibt es nun einen Aufschrei, weil die Kette real eine Gesichtserkennungssoftware einsetzen will.

Dass wir in Supermärkten von Kameras überwacht werden, weil wir alle potentielle Diebe sind, ist ja schon lange nichts Neues mehr. Doch nun will der Supermarkt nicht mehr nur sehen, dass jemand da ist und ob er eventuell etwas klaut. Jetzt will der Supermarkt auch noch wissen, wer in den Laden kommt, was er sich wie lange angesehen hat, was er letztlich gekauft hat, und wie er auf die Werbung reagierte. Der Mensch als gläserner Kunde. Die Privatsphäre ist aufgehoben.

Doch warum regen wir uns auf? Jeder, der im Internet einkauft, ist ein gläserner Kunde. Firmen wie Amazon registrieren jede Bewegung. Sie merken sich, was wir uns angesehen haben, sie merken sich, was wir gekauft haben – und sie richten ihre Werbung danach aus und sagen uns, dass andere Kunden, die dieses Produkt gekauft haben, sich auch dafür interessierten.

Im Internet werden wir besser überwacht als George Orwell es sich in seiner Dystopie „1984“ noch vorstellen konnte. Und Orwell konnte sich auch nicht vorstellen, dass diese Überwachung von Privatfirmen durchgeführt würde, sondern nahm noch an, dass es dafür den mächtigen Staat braucht. Doch der ist hier noch nahezu harmlos unterwegs.

Warum nun die Aufregung, wenn Supermärkte in der Realität das tun, was Geschäfte in der virtuellen Welt des Netzes schon seit Jahren durchführen? Haben wir die Überwachung im Internet nicht ernst genommen, weil sie ja schließlich „virtuell“ ist und wir die Kameras nicht sehen können?

Vielleicht realisieren wir nun, dass die Bedrohung nicht die Kameras im Supermarkt sind, sondern das skrupellose Sammeln persönlicher Daten der Internetgiganten wie Amazon, Google und Facebook. Verglichen mit denen ist selbst real mit seiner Gesichtserkennung ein harmloses Kind.

Für die Giganten des Internets ist der Mensch nur eine Ware. Rechtlos und vogelfrei.
P.H.