Sündenböcke
Friedrich Merz hat für Aufregung gesorgt. In der Sendung „Welt-Talk“ hatte er gesagt: „Die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300 000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen. Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“

Tatsächlich ist es ein großes Problem, dass viele Deutsche keine Termine bei vielen Ärzten bekommen, zumindest keinen schnellen. Der Grund sind jedoch nicht die Flüchtlinge, die, wie Merz andeutet, von den Ärzten bevorzugt werden. Grund sind die Privatpatienten, die von den Ärzten bevorzugt werden.

In Deutschland herrscht immer noch eine Zwei-Klassen-Medizin. Es gibt die Privatpatienten, die Reichen und Beamten, und die Kassenpatienten, das Fußvolk. Die einen bekommen eine luxuriöse Behandlung, die anderen müssen sehen, wie sie behandelt werden. Man könnte dies einfach ändern, wenn man eine Bürgerversicherung einführte, eine Versicherung für alle, doch auf Privilegien für Reiche und Beamte will gerade die Union nicht verzichten.

Also wird flugs behauptet, dass die Ursache des Problems nicht bei einer Politik liege, die die Reichen bevorzugt, sondern bei den Migranten. Die sind schließlich die Ursache für alle Probleme, mit denen die Bürger zu kämpfen haben – und nicht etwa eine Politik, die die meisten Bürger benachteiligt, weil sie Privilegien für Reiche beibehalten möchte.

Der Graben verläuft nicht zwischen Deutschen und Migranten, er verläuft zwischen Reichen und Ärmeren. Doch diesen Graben möchte man nicht überwinden. Also müssen die Migranten als Sündenböcke herhalten.
K.M.