Freitag, 22. April 2016
Umsonst ist der Tod
Menschen sind neugierig. Wir würden gerne alles über den anderen wissen. Doch niemand ist bereit, wirklich sein ganzes Leben in der Öffentlichkeit zu leben. Selbst die Narzissten, die sich bei Big Brother einsperren lassen, können sich für kurze Zeit zurückziehen. Der Mensch braucht seine Privatsphäre, denn sonst würde er nicht mehr sein Leben leben, sondern das anderer Menschen.

Auch der Staat ist neugierig. Er möchte gerne alles über seine Bürger wissen. Doch dieser Neugier hat das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben: Das BKA-Gesetz, welches der Bundespolizei weitreichende Rechte bei der Überwachung der Bürger einräumte, ist nicht verfassungskonform. Die Privatsphäre muss geschützt werden.

Aber interessiert uns das noch? Dem Staat verbieten wir, unsere Privatsphäre zu durchleuchten, gegenüber Unternehmen, die kaum an Gesetze gebunden sind, haben wir damit jedoch kein Problem. Wann immer wir eine Webseite besuchen, wann immer wir eine Email schreiben, geben wir etwas über uns Preis; denn die E-mail-Dienst können unsere E-Mails mitlesen - und tun dies auch.

Wir glauben, wir würden etwas umsonst bekommen, und bezahlen dies mit dem Ende unserer Privatsphäre. Ähnlich es beim Fernsehen: Das Privatfernsehen kostet uns nichts. Wir zahlen nur die Werbung, die dort läuft. Aber wieviel wir so bezahlen, das wissen wir nicht; deswegen glauben wir ja, dass es umsonst sei. Dass hingegen die öffentlich-rechtlichen Geld kosten, dass sehen wir direkt. Und deswegen regen wir uns über diese "Zwangsabgabe" auf.

Im Internet agieren wir ähnlich: Wir sehen nicht, was uns die Nutzung der Dienste kostet. Das geschieht im Verborgenen. Wir haben keine Ahnung, was wir wirklich zahlen. Doch es scheint viel zu sein: Google verdient schließlich Milliarden.

Doch würde uns jemand denselben Dienst gegen eine monatliche Gebühr anzubieten, dafür aber unsere Daten zu schützen, dann würden wir dies für Abzocke halten

Dabei wissen wir doch: Umsonst ist nur der Tod.

Aber wer denkt schon gerne an den Tod.
K.M.



Samstag, 12. März 2016
Die Theorie muss stimmen
Ökonomen sind große Denker. Anders als Physiker und Chemiker brauchen sie keine aufwendigen Experimente, um ihre Theorien zu überprüfen; anders als Biologen machen sie sich nicht die Mühe, die Welt zu beobachten, schließlich ist die Welt der Menschen so viel komplizierter als die Welt der Tiere. Ökonomen setzen sich hin und rechnen. Und wenn sie ein Ergebnis haben, dann muss es stimmen.

Ein solches Ergebnis ist die Theorie von Nachfrage und Angebot, die über den Preis bestimmt wird. Steigt der Preis, dann steigt das Angebot, doch die Nachfrage sinkt - und umgekehrt.

Dieser Theorie folgt auch die Europäische Zentralbank (EZB) unter Mario Draghi. Die Wirtschaft lahmt, sie könnte besser laufen, wenn sie mehr Geld hätte. Also wird das Angebot an Geld erhöht, indem der Preis des Geldes, der Zins, gesenkt wird. Diese Politik verfolgt die EZB nun schon seit Jahren, ohne großen Erfolg. Da die Theorie aber stimmen muss, war wohl der Preis des Geldes noch zu hoch. Also reduzierte die EZB ihn nun auf null. Die Realität soll endlich gezwungen werden, sich an die Theorie zu halten.

Das ging schon beim Mindestlohn schief. Hier hatten die Ökonomen vorgerechnet, dass ein höherer Lohn die Nachfrage nach Arbeitskräften reduzieren würde, weshalb die Arbeitslosigkeit in Deutschland steigen müsste. Auch das ist nicht eingetreten.

Echte Wissenschaftler würden sich nun fragen, ob vielleicht die Theorie fehlerhaft ist, wenn die Realität sich so hartnäckig weigert, ihr zu folgen.

Doch Ökonomen sind weniger Wissenschaftler als oft nur ein Sprachrohr der Eliten. Und denen helfen ein geringer Lohn durch höhere Gewinne und niedrige Zinsen durch explodierende Aktienkurse prächtig. Also stimmt die Theorie doch.
J.E.



Freitag, 19. Februar 2016
Rechtsfreier Raum
Wenn man von einem rechtsfreien Fraum spricht, dann meint man in der Regel den Rand der Gesellschaft, an dem sich Kriminelle und zwielichtige Gestalten aufhalten. Doch seit einigen monaten verstärkt sich der Verdacht, dass es mitten im Herzen der deutschen Wirtschaft einen riesigen, rechtsfreien Raum gibt.

Diesen Eindruck gewinnt man verstärkt seit dem Beginn des VW-Abgasskandals, wo VW eingestehen musste, eine spezielle Software zu benutzen, die auf dem Prüfstand dafür sorgt, dass die Grenzwerte für die giftigen Stickoxide bei ihren Dieselmodellen eingehalten wurden, was im Normalbetrieb dann aber nicht der Fall ist. Anfangs hieß es, dass nur VW trickse, alle anderen Hersteller sind sauber.

Dann stellte jedoch die Deutsche Umwelthilfe fest, dass ein Opel Zafira auf dem Teststand die Grenzwerte einhielt - auf der Straße jedoch bei weitem übertraf. Benutzte man statt eines üblichen Prüfstandes, bei dem nur die Antriebsräder gedreht werden, einen anderen Prüfstand, bei dem alle vier Räder gedreht werden, dann hielt der Wagen auch auf dem Prüfstand die Grenzwerte nicht mehr ein. Trickst Opel etwa auch?

Dann fiel ein Modell der Mercedes C-Klasse unangenehm auf. Doch Mercedes hatte dafür eine Erklärung: Zum Schutz des Motors dürfe die Abgasreinigung bei außergewöhnlicher Belastung ja deaktiviert werden. Und bei diesem Test sei es mit 10°C ja ungewöhnlich kalt gewesen, weshalb der Motor geschützt werden musste.

Diese Woche nun hat das ZDF-Magazin "Frontal 21" mehrere Modelle getestet. Dabei wurde der Prüfzyklus exakt auf der Straße nachgefahren. Alle Modelle übertrafen hier den Grenzwert um ein Vielfaches - während sie ihn auf dem Prüfstand problemlos einhielten.

Es scheint, als sei der normale Betrieb auf der Straße für unsere Autos schon eine außergewöhnliche Belastung.

Schließlich stehen sie ja die meiste Zeit.

Und was macht der Staat? Greift er ein? Führt er Untersuchungen durch? Sorgt er dafür, dass die Gesetze eingehalten werden?

Nein, er hält sich zurück - und bestätigt, dass die Autoindustrie im Herzen Deutschlands ein rechtsfreier Raum ist.
P.H.



Freitag, 29. Januar 2016
Steuertricks für alle
Es ist schon eine Frechheit, mit welchen Steuertricks die globalen Konzerne wie Apple, Google, Starbucks, die Allianz und andere ihre Steuerschuld kleinrechnen. Prozentual gesehen zahlen sie so viel Steuern wie jemand, dessen Einkommen gerade zum Überleben reicht - und dabei nagen sie sicher nicht am Hungertuch.

Mittlerweile nehmen die Proteste gegen diese Praktiken der Konzerne zu. So hat Starbucks in England freiwillig angeboten, die Steuertricksereien einzuschränken und jährlich 10 Millionen Pfund mehr Steuern zu zahlen, unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Gewinne. Man ist ja schließlich großzügig.

Was man auch sein kann, wenn man die Höhe seiner Steuern selber festlegen darf.

Etwas härter hat es Google getroffen. Die wurden vom Staat in Großbritannien gezwungen, Steuern nachzuzahlen, und zwar 130 Millionen Pfund. Allerdings für den Zeitraum ab 2005. Pro Jahr ist das immer noch eine Summe, die Google beim jährlichen Rechenschaftsbericht gar nicht weiter auffallen dürfte.

Dieses halbherzige Vorgehen des Staates gehen die globalen Sozialschmarotzer hat jetzt jedoch ein Dorf in Wales auf die Barrikaden gebracht. Und sie haben ihre Konsequenzen daraus gezogen: Die Händler in Crickhowell haben sich organisiert und wenden nun dieselben Steuertricks an, mit denen die globalen Konzerne ihre Investoren beglücken.

Der Staat bleibt dabei natürlich auf der Strecke. Wenn dieses Beispiel Schule macht, dann wird ihm irgendwann das Geld ausgehen.

Aber das kann er sich dann ja immer noch bei den armen Arbeitern holen.
J.E.



Samstag, 24. Oktober 2015
Marktversagen in der Landwirtschaft
Das ZDF-Magazin Frontal 21 berichtete darüber, dass die EU-Kommission im April den Import von 17 Genpflanzen zur Verwendung in Lebens- und Futtermitteln zugelassen hatte. Eigentlich will kaum jemand gentechnisch veränderte Lebensmittel in Europa haben, weil die Auswirkungen auf die Umwelt noch nicht verstanden sind. Während in den USA neue Produkte erst einmal auf den Markt gebracht werden, und dort bleiben, bis zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass sie einen Schaden anrichten, gilt in Europa eigentlich das Vorsorgeprinzip: Die Hersteller sollen erst nachweisen, dass ein Produkt unschädlich ist, bevor es auf den Markt kommen darf. Das ist bei gentechnisch veränderten Pflanzen noch nicht der Fall.

Warum dürfen Firmen dennoch Genpflanzen in die EU einführen? In dem Beitrag wird von Experten immer wieder angeführt, dass man ja keine Wahl habe. Die großen Futtermittelproduzenten der Welt bauen fast nur Genpflanzen an, wollen wir unsere Tiere ernähren, dann müssen wir wohl oder übel diese Pflanzen zulassen.

Das Argument muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Weil Agrarkonzerne praktisch nur noch Genpflanzen anbieten, müssen wir diese zulassen.

Leben wir nicht in einer Markwirtschaft, in der sich Angebot und Nachfrage ausbalancieren? Wenn eine große Nachfrage zu Produkt X besteht, dann werden sich schnell Firmen finden, die es herstellen. Nun besteht in Europa eine große Nachfrage nach gentechnikfreien Lebensmitteln. Und dennoch finden sich keine Firmen, die diese herstellen wollen?

Der Markt funktioniert also nicht. Offensichtlich wird der Markt gestört. Und wer hat die Macht, den Markt zu stören? Nur eine Handvoll multinationaler Konzerne, die sich mit ihrem zumeist gentechnisch veränderten Saatgut eine goldene Nase verdienen, und deshalb wie ein Monopol ihre Interessen durchsetzen und die Nachfrage ignorieren.

Ein solches Verhalten ist ganz klar illegal. Wer seine Marktmacht missbraucht, handelt gesetzeswidrig. Das Kartellamt muss eingreifen, und diese Firmen, die den Markt zerstören, zur Ordnung rufen!

Schließlich leben wir in einer Marktwirtschaft, und nicht in einer Diktatur der Konzerne. Das hoffen wir wenigstens.
J.E.



Samstag, 26. September 2015
Wir brauchen einen Maximallohn
War das ein Kampf, den Mindestlohn in Deutschland einzuführen. Jahrzehntelang hatte sich Deutschland als eines der wenigen Industrieländer geweigert, einen Mindestlohn einzuführen. Erst, als die Auswirkungen der neoliberalen Politik der Regierung Schröder mit der Ausbeutung der Armen nicht mehr zu übersehen waren, wurde Anfang 2015 ein Mindestlohn in Deutschland eingeführt - gegen den Rat der meisten Ökonomen, die auch schon eine kurze wirtschaftliche Eintrübung Ende 2014 auf die bald kommende Einführung des Mindestlohns zurückgeführt hatten.

Stattdessen wuchs die Wirtschaft weiter, die Arbeitslosenzahlen sanken - sogar trotz einer aufziehenden Krise in China - und der Mindestlohn machte sich noch nicht einmal ansatzweise negativ bemerkbar, so wie dies auch alle empirischen Studien der Ökonomen bisher gezeigt hatten, die weder bei Mindestlohnerhöhungen in den USA noch bei der Einführung des Mindestlohns in Großbritannien vor einigen Jahren einen negativen Effekt beobachtet hatten.

Doch es kann nicht sein, dass mehr Geld für die Armen gut für die Wirtschaft ist. Das widerspricht dem egoistischen Weltbild der Neoliberalen, und so hat sich nun auch ein wackerer Kämpfer gegen den Mindestlohn gefunden, der das Haar in der Suppe gefunden hat: Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hat festgestellt, dass "die Beschäftigung seit Jahresbeginn nur wenig stärker gewachsen sei als in den Jahren zuvor."

Die Beschäftigung wächst also nach wie vor, sogar noch stärker als früher, aber nur ein kleines bisschen stärker. Und schuld daran ist nur der böse Mindestlohn. Ja, schafft ihn endlich ab!

Mal abgesehen von dieser eher kabarettistischen Einlage des Arbeitgeberpräsidenten hat der Mindestlohn, der schließlich das Volkseinkommen stärk, keine negativen Auswirkungen. Negative Auswirkungen scheint aber ein zu hohes Einkommen zu haben.

Vor Jahren wuchsen die Gehälter der Bankenmanager in den Himmel - und sie bescherten uns bei dem Versuch, ihre Boni ins Unendliche zu steigern, den größten Wirtschaftscrash der Neuzeit. Und nun folgt ihnen Martin Winterkorn mit seinem VW-Konzern, der Mann, der 2014 mit 15,9 Millionen Euro mit Abstand das höchste Gehalt aller DAX-Vorstände hatte: VW musste zugeben, eine Betrugssoftware entwickelt zu haben, die bei Test den Abgasgehalt der Dieselfahrzeuge reduzierte.

Warum macht man so etwas? Nun, die Reinigung der Diesel-Abgase ist aufwendig und teuer. Baut man die neuste Technik ein, dann werden entweder die Autos teurer, was den Absatz senkt, oder die Marge sinkt. Beides wirkt sich negativ auf die Boni der Top-Manager aus. Und so ist es nur natürlich, dass man, um die Boni zu maximieren, eine Betrugssoftware einbaut, die Zielerreichung vorgaukelt, obwohl man dafür praktisch nichts ausgeben musste. Niemand kann glaubhaft versichern, dass der Vorstand- und Entwicklungschef von VW nichts davon gewusst haben will, dass die Dieselmotoren des Konzerns die gesetzlichen Grenzwerte nicht einhalten - es aber trotzdem wundersamerweise durch die Zulassungstests schaffen.

Der Anreiz, riesige Mengen Geld zu verdienen, senkt die moralischen Schranken. Nach mir die Sintflut, die ich dann auch noch in einer geilen Luxus-Yacht verbringen werde.

Was wir also noch dringender als einen Mindestlohn brauchen, ist ein Maximallohn.
P.H.



Freitag, 3. Juli 2015
Der egoistische Ökonom
Die Ökonomie versucht das wirtschaftliche Miteinander zu beschreiben und auch vorherzusagen: Welche Auswirkungen haben bestimmte politische Eingriffe auf die Wirtschaft? Sollte man sie deshalb durchführen oder lieber unterlassen?

Um diese Fragen zu beantworten, bedient sich der Ökonom nicht eines unheimlich komplexen menschlichen Wesens, sondern er nimmt an, dass der Mensch rational und egoistisch ist. Er denkt nur an sich selbst und weiß alles. Ein Gott auf Erden, der nie das Rote Kreuz gegründet hätte.

Und welche Schlussfolgerungen zieht der Ökonom nun aus dieser Annahme? Wie sollte man sich im Fall einer Rezession verhalten? Nun, die Antwort scheint klar: Wir sollten sparen. Zumindest erzählen wir dies den Krisenländern in Südeuropa, besonders, den momentan sehr widerspenstigen Griechen. Und wir können auch zeigen, dass diese Wirtschaftspolitik erfolgreich ist: Hat sich Spanien durch die Sparpolitik nicht erholt? Liegt die Arbeitslosenquote dort Anfang 2015 nicht bei beneidenswerten 23%? Glücklich, wer in Spanien lebt.

Nur Länder wie die USA und Deutschland halten sich nicht an diese Ratschläge. Die USA ebenso wie Deutschland mit seiner Abwrackprämie und dem ewig laufenden Kurzarbeitergeld während der Krise pumpten Milliarden in die Wirtschaft, um Nachfrage zu schaffen und einen weiteren Abschwung zu verhindern. In beiden Ländern liegt die Arbeitslosenquote nun bei unter 10%. Der Unterschied zu Spanien und Griechenland ist aber: aus eigener Kraft können die beiden Länder die Nachfrage nicht ankurbeln. Hier müssten andere Länder helfen. Und deshalb raten die lieber zu einem Sparkurs.

Und was wurde nicht alles befürchtet, wenn Deutschland den Mindestlohn einführt! Die Arbeit würde teurer, die Unternehmen würden mehr zahlen müssen (was eintraf), und deshalb würde die Wirtschaft einbrechen (was nicht eintraf)!

Andere Ökonomen verwiesen darauf, dass mit dem Mindestlohn mehr Geld in die Hände der Armen käme, was die Nachfrage erhöhen und der Wirtschaft helfen würde. Und tatsächlich sinkt die Arbeitslosenquote in Deutschland immer weiter.

Auf jede Frage, so scheint es, liefert die Ökonomie die Antwort, die der Fragende gerne hören will.

Nur leider scheinen die Antworten der Ökonomen, die auf die Fragen der Reichen antworten, am weitesten von der Realität entfernt zu sein.
J.E.



Samstag, 9. Mai 2015
Haltet die Leute dumm!
Vor einigen Wochen merkte eine Schülerin über Twitter an, dass sie "eine Gedichtanalyse in 4 Sprachen schreiben könne", aber "keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen" habe. Manch ein Lehrer reagierte empört auf diese Kritik und stellte die Frage, ob das Mädchen denn keine Eltern habe.

Diese Lehrer scheinen der Meinung zu sein, dass Wissen über den Alltag von den Eltern vermittelt werden sollte. Die Schule habe sich auf Hochgeistiges zu konzentrieren.

Aber wie viele Eltern kennen sich mit den Feinheiten der Finanzwirtschaft aus? Wenn wir alle Fachleute wären, wieso werden dann so viele von der Bank- und Versicherungswirtschaft über den Tisch gezogen? Wie viele wissen, dass die Garantieverlängerungen, die uns in Elektromärkten angeboten werden, nur den Gewinn der Elektromärkte steigern sollen, da sie genau die Phase im Leben eines Gerätes abdecken, wo die Ausfallwahrscheinlichkeit am geringsten ist? Wer kennt schon all die Tücken des Alltags?

Aufklärung täte hier sicher Not.

Doch ist Aufklärung auch erwünscht?

Offiziell leben wir in einer Marktwirtschaft. Angebot und Nachfrage treffen sich und legen den Preis für ein Produkt fest. Dies funktioniert natürlich nur, wenn Angebot und Nachfrage über den gleichen Wissensstand verfügen. Wenn die Angebotsseite mehr weiß und die Nachfrageseite mit vielen Dingen gar nichts anfangen kann, dann gibt es diesen gleichen Wissensstand nicht, die Angebotsseite diktiert die Regeln - und der Markt versagt.

Das nennt man dann Kapitalismus.

Im Kapitalismus versuchen Unternehmen, eine Marktkontrolle zu erreichen, entweder indem sie ein Monopol errichten oder/und indem sie die Kunden dumm halten, und ihnen so zum Beispiel chemische Pampe als gesundes Essen verkaufen können. Das würde nicht mehr funktionieren, wenn der Kunde tatsächlich wüsste, was in der Wirtschaft geschieht.

Und so ist es nur natürlich, dass wir unsere Kinder Gedichte interpretieren lassen, aber nicht über die Wirtschaft aufklären, in der sie leben.

Sonst hätten wir in Deutschland doch tatsächlich noch irgendwann eine Marktwirtschaft.
J.E.



Freitag, 10. April 2015
Patentiertes Leben
Patente, so hören wir immer wieder, sind wichtig für Industrienationen. Ohne Patente gäbe es keine Erfindungen und keinen Fortschritt - denn wer investiere schon in Erfindungen, wenn er seine Erfindung nicht schützen kann? Also wurden Patent erfunden, die es dem Inhaber erlauben, anderen die Nutzung seiner Erfindung zu verbieten.

Allerdings kostet die Durchsetzung des Verbots Geld, manchmal viel Geld. Geld, das nur die großen Konzerne haben. Für die bietet das Patent deshalb tatsächlich einen Schutz - für alle anderen ist es ein Papiertiger. Aber gerade große Konzerne gelten nicht als besonders innovativ, obwohl sie viele Patente einreichen...

Man kann sich also schon fragen, ob Patente wirklich sinnvoll sind, oder nicht eher nur den Wettbewerb behindern; ob sie also sinnvoll sind. Ganz besonders laut wird diese Frage bei Patenten auf Pflanzen gestellt. Nach Artikel 53 des Europäischen Patentübereinkommens sind Patente auf "Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren" eigentlich verboten, so dass sich diese Frage gar nicht stellen sollte. Dumm ist nur, dass sich das Patentamt nicht an seine eigenen Regeln hält.

So erhielt Monsanto im Jahr 2013 ein Patent auf einen schnellwachsenden Brokkoli. Dieser Brokkoli wurde durch herkömmliche Züchtung erhalten, er unterscheidet sich von dem bekannten Brokkoli durch einen langen Stiel, der es einfacher machen soll, ihn automatisch zu ernten. Natürlich gab es Beschwerden gegen das Patent, welches so offensichtlich illegal ist. Doch nun hat die Große Beschwerdekammer entschieden, dass das Patent bestehen bleibt. Zwar seien konventionelle Züchtungsverfahren nicht patentierbar, die damit hergestellten Pflanzen aber schon, so die Kammer. Das liest sich im Gesetz zwar anders, aber mit der Zulassung von Patenten auf gentechnisch veränderte Pflanzen brach das Patentamt den Deich schon vor Jahren, nun lässt es eben auch Patente auf konventionell gezüchtete Lebewesen zu. Es kann eben alles patentiert werden, was irgendwie neu ist. Zum Wohl der Großkonzerne.

Und dies ist auch nur zu ihrem Wohl. Kleine Firmen haben kaum die finanziellen Mittel, um Patentverletzer anzugehen. Und Großkonzerne haben auch die Macht, ihre Patente durchzusetzen. "Dann kauft doch herkömmlichen Brokkoli!" könnte man rufen. Nur kontrollieren die Großkonzerne wie Monsanto den Saatgutmarkt. Bald schon wird es keinen anderen Brokkoli als den Monsanto-Brokkoli geben. Und mit jedem Bissen wird Monsanto reicher und mächtiger.

Und bald gilt dies auch für Tomaten, Gurken, Zucchini... Man muss zum Vampir werden, will man verhindern, dass die Großkonzerne uns das letzte Geld aus der Tasche ziehen. Denn Patente auf den Menschen sind noch nicht erlaubt.

Noch nicht.
P.H.



Samstag, 14. März 2015
Schizophrenes Europa
Am Montag dieser Woche hat die Europäische Zentralbank die letzten Schleusen geöffnet. Weil die Inflation noch niedrig ist, schmeißt die EZB so viel Geld auf den Markt, wie noch nie vorher. Die Zinsen sind schon seit Jahren historisch niedrig, seit Mitte 2014 müssen Banken, die Geld bei der EZB parken, sogar Strafzinsen zahlen, dennoch erholt sich die Wirtschaft in den Krisenländern der EU kaum, weil dort kein Geld ankommt, um zu investieren oder zu konsumieren.

Also kauft die EZB nun monatlich für 40 Milliarden Euro Staatsanleihen von den Banken auf, um ihnen mehr Geld zur Verfügung zu stellen, Geld, welches dann dazu dienen soll, die Konjunktur anzukurbeln.

Doch Geld scheint nicht das Problem zu sein. Geld hatten die Banken schon vorher genug, sie wurden mit den Strafzinsen ja sogar gezwungen, es an die Kunden weiter zu reichen - und haben es dennoch nicht getan, sondern lieber die Strafzinsen der EZB in Kauf genommen. Und so sorgt die zusätzliche Geldschwemmen nur dafür, dass die Aktienkurse steigen und der DAX von Rekord zu Rekord eilt. Das zusätzliche Geld landet nicht in der Wirtschaft und bei den Armen, deren Konsum angekurbelt werden soll, sondern in den Taschen der Reichen, die dadurch noch reicher werden.

Denn gleichzeitig verfolgt die Politik ein ganz anderes Ziel. Anstatt die Wirtschaft durch Investitionen anzukurbeln, will sie die Staatshaushalte durch Sparen in den Griff bekommen.

Die EZB stellt mehr Geld zur Verfügung, und Politik nimmt es sofort wieder weg.

Mal schaun, wie lange Europa diesen Spagat überlebt.
J.E.