Samstag, 27. Juli 2019
Verabreicht die Medizin, bis der Patient stirbt
Seit dem großen Crash 2008 gab es keine größere Rezession mehr. Die Wirtschaft wächst weltweit, in dem einen Land etwas stärker, in dem anderen etwas schwächer. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hatten die Notenbanken weltweit die Zinsen gesenkt. In den USA und Europa sogar bis auf null Prozent. Dieser Stimulus sollte so lange weitergehen, wie die Inflation auf niedrigem Niveau war.

In den USA hatte man vor einigen Quartalen wieder angefangen, die Zinsen anzuheben. Dort liegt man nun bei knapp 2,5 Prozent. In Europa hat man sich das noch nicht getraut. Der große Boom blieb vor allem in den Südländern aus, also ließ man die Zinsen bei Null – und für die Einlagen der Banken bei der Zentralbank verlangt man sogar einen Strafzins von 0,4 Prozent. Man konnte es sich leisten. Die Inflation blieb niedrig.

Doch nun schwächelt die Wirtschaft wieder – und die Zentralbanken wollen die Wirtschaft ankurbeln, in dem sie die Zinsen senken. Auch die Europäische Zentralbank will die Zinsen senken – selbst, wenn diese immer noch bei null Prozent sind. Man wird wohl die Strafzinsen weiter erhöhen und so jeden bestrafen, der Geld spart.

Die Idee ist immer noch dieselbe: Mit billigem Geld kurbelt man die Wirtschaft an. Dass dann die Inflation steigt, muss man für eine gewisse Zeit in Kauf nehmen.

Frustrierend ist nur: Selbst Zinsen von Null Prozent haben nicht zu einem Wirtschaftsboom geführt, und die Inflation bleibt niedrig. Könnte es sein, dass das Rezept nicht funktioniert? Könnte es sein – man wagt es kaum auszusprechen – dass die Ökonomen sich irren und billiges Geld nicht zu einem Wirtschaftswachstum führt?

Nein, das kann nicht sein. Ökonomen können sich nicht irren. Wenn die Maßnahmen keine Effekte zeigen, dass kann das nur heißen, dass die Maßnahmen nicht weit genug gingen. So dachten auch die Ärzte des Mittelalters: Wenn trotz Aderlass der Patient nicht gesund wurde, dann ließ man eben noch mehr Blut ab.

Der Patient starb zwar, aber zumindest hatte man alles getan, was man konnte.
P.H.



Freitag, 10. August 2018
Proletarier, vereinigt euch!
Heute streiken die Piloten bei Ryanair. Es ist kein normaler Streik, um bessere Konditionen in einem Tarifvertrag zu erhalten; es ist ein Streik, um überhaupt erst einmal einen Tarifvertrag zu erhalten, wie ihn die Piloten der meisten Konkurrenten von Ryanair schon lange besitzen.

Das Ryanair Geschäftsmodell, so wird immer deutlicher, bestand nicht nur darin, möglichst billige Flüge anzubieten, weil man ein sehr gutes Management und clevere Ideen hatte. Ryanair hat die billigen Flüge vor allem deshalb anbieten können, weil sie ihre Mitarbeiter bis aufs Blut ausgebeutet haben. Viele Mitarbeiter sind gar keine Angestellten von Ryanair, sondern Selbstständige. Sie dürfen sich somit auch selber um ihre Sozialversicherungen kümmern, und wenn sie krank werden, dann verdienen sie eben nichts.

Außerdem beginnt die Arbeitszeit nicht, wenn man am Arbeitsplatz erscheint. Die Arbeitszeit beginnt erst, wenn er Flieger vom Gate ablegt. Musste von vorher noch etwas vorbereiten, dann war das ein privates Vergnügen. Gibt es eine Verzögerung beim Start, dann muss man dafür ja auch nicht bezahlt werden – schließlich arbeitet man ja nicht, man wartet nur darauf, dass man endlich arbeiten kann. Und wenn man schon so wenige Stunden arbeitet, dann braucht der Stundenlohn auch nicht hoch zu sein. Er muss gerade zum Überleben reichen. So kommt eine Stewardess im Monat nur auf 1000 Euro.

Geschichtsbewusste Leser wird das alles bekannt vorkommen: Auch zum Beginn der Industrialisierung, im Manchester Kapitalismus, wälzten die Unternehmer jedes Risiko auf die Arbeiter ab. Diese konnten von ihrem Einkommen dann kaum überleben. Ryanair lässt diese guten alten Zeiten wieder auferstehen.

So ist es wichtig und richtig, dass die Mitarbeiter sich zur Wehr setzen. Kein Unternehmen darf seine Mitarbeiter wie den letzten Dreck behandeln. Und so gilt heute für Ryanair-Mitarbeiter das, was für Arbeiter im Allgemeinen schon im 19. Jahrhundert galt: Proletarier, vereinigt euch!
P.H.



Sonntag, 6. Mai 2018
China wird fairer
China wird endlich fairer. Das meint natürlich nicht die politischen Verhältnisse. China ist und bleibt eine Diktatur, die ihre Bevölkerung unterdrückt. Aber das interessiert ja nicht wirklich. Doch der Markt wird für Ausländer fairer. Bisher mussten Ausländer sich mit einem chinesischen Partner zusammentun, wenn sie in Inland produzieren wollten. So blieben Teile der Gewinne im Land und Know-how wurde ins Land geholt. Diese Praxis wurde von westlichen Unternehmen als unfair empfunden. Die Chinesen spionieren uns aus, und bauen die Geräte dann selber, hieß es immer.

Doch das ist nun zum Teil vorbei. Der Zwang, Partnerschaften einzugehen, entfällt zumindest für einige Produkte. Endlich wird der Wettbewerb fair.

Natürlich ist es unfair, wenn chinesische Firmen sich ungehindert in westliche Firmen einkaufen können, umgekehrt ist dies aber nicht möglich. Doch was wäre gewesen, wenn China diese Restriktionen nicht eingeführt hätte? Hätte die chinesische Industrie im freien Wettbewerb mit der deutlich weiter entwickelten westlichen Industrie bestehen können? Sicher nicht. Mit dieser unfairen Praxis holte sich China das mit Gewalt, was die Industrieländer ärmeren Länder immer nur versprechen: Wirkliche Entwicklungshilfe.

Nun hat China eine eigenständige, in vielen Teilen wettbewerbsfähige Industrie. Länder, die schon früher „fairen“ Handel zugelassen haben, wie Afrika und Südamerika, sind immer noch arm. Denn was aus unserer Sicht fair sein mag, muss dies aus Sicht der anderen nicht unbedingt sein.

Man kann China noch nicht einmal einen großen Vorwurf machen: Das Land hat nur das getan, was wir früher auch getan haben. Wir, das meint alle europäischen Länder, die USA, Kanada, Japan, kurz das, was wir als „westliche Industrienationen“ bezeichnen. Diese haben ihre jungen Industrien auch abgeschottet, und sie haben kopiert, was die Maschinen hergaben.

Man nehme nur das Beispiel hochwertiger und kostengünstiger Messer. Diese wurden im 19. Jahrhundert in Sheffield entwickelt. Kurz darauf gab es Messer mit dem Gütesiegel „Sheffield made“ aber auch aus – Solingen. Erst später, als die Qualität stimmte, druckte man „Made in Solingen“ auf die Messer. Doch anstatt anderen Ländern diesen Weg ebenfalls zu erlauben, denunzieren wir ihn heute als „unfair“.

China mag in wirtschaftlichen Dingen nun fairer handeln. Es wird Zeit, dass wir das auch tun.
K.M.



Freitag, 23. März 2018
Protektionismus vs. Freihandel
Präsident Trump hat Zölle für Einfuhren in die USA erhöht. Bisher sind die Europäer noch ausgenommen, der Schritt richtet sich im Wesentlichen gegen China. Die Aktienmärkte reagieren aber mit Verlusten, man fürchtet, dass die Wirtschaft in schwierige Zeiten kommt. Freihandel, so wird uns nun gesagt, sei doch viel besser als Protektionismus.

Das mag sein, ist in dieser Allgemeinheit aber sicherlich falsch. Freihandel, wie ihn die Neoliberalen verstehen, soll vor allem jegliche staatlichen Einflüsse reduzieren. Er soll erst einmal alle Zölle abschaffen, doch er soll auch alle anderen Begrenzungen abschaffen (etwa Einfuhrverbote wegen möglicher Gesundheitsschäden) und zugleich eine Gerichtsbarkeit schaffen, in der die Unternehmen entscheiden, was gut für sie ist.

Dieses Vorgehen ist grundfalsch. Unternehmen sind Egoisten. Ohne einen Staat, der ihnen auf die Finger schaut, entwickeln sie sich zu dem egoistischen und menschenfeindlichen homo oeconomicus, den die Wirtschaftswissenschaftler in der realen Welt so verzweifelt suchen.

Beim Handel wie in jedem menschlichen Zusammenspiel braucht es jemanden, der die Regeln aufstellt, braucht es einen Staat. Ein Zuviel an Staat ist sicher nicht gut, da er alle Freiheiten erstickt. Doch ohne einen Staat bekommen die Unternehmen und die Reichen zwar alle Freiheiten, doch die nutzen sie nur, um die Freiheiten der Bürger zu ersticken.

Es braucht eine gesunde Mitte, einen Staat, der dafür sorgt, dass auch die Bürger ihr Recht auf Freiheit erhalten. Und das bekommen sie weder durch Freihandel noch durch Protektionismus.
P.H.



Freitag, 29. Dezember 2017
Arrogante Manager
Man kann den Populisten manchmal nur zustimmen: Die Elite muss bekämpft werden. Besonders gilt dies für einige Manager, die glauben, sie seien Gott und müssten sich anderen gegenüber nicht rechtfertigen. Gesetze, die für Sterbliche gelten, gelten für sie auf keinen Fall.

Man erinnert sich noch an den Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, der eine Summe von 50 Millionen Euro als „Peanuts“ bezeichnete. Oder an den Manager Thomas Middelhoff, der zur Arbeit gerne mit dem Hubschrauber flog, um die 150 Kilometer von Bielefeld nach Essen zurückzulegen. Nur von einem Chauffeur gefahren zu werden, reichte dem feinen Herrn nicht.

Doch die Krone der Unverschämtheit gebührt Volkswagen. Wir erinnern uns: Der Konzern hat in der Dieselaffäre die staatlichen Behörden nach Strich und Faden belogen, dabei aber immer wert darauf gelegt, dass das obere Management nichts von dem Betrug gewusst habe. Schuld waren nur untere Managementebenen, die das Top-Management schändlich hintergangen hatten.

Nun könnte man meinen, dass man kein Top-Management braucht, wenn es den Laden eh nicht im Griff hat. Das sehen die VW Top-Manager natürlich anders. Und stimmt es wirklich, dass die Top-Manager von dem Betrug nichts wussten? Es ist schon erstaunlich, mit welchem Engagement die oberen Herren des Konzerns versuchen, den Rechtsstaat auszuhebeln, damit niemand ihnen genauer auf die Finger schauen kann.

So hat VW eine interne Untersuchung bei der Kanzlei Day Jones in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollten der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden. Dies geschah jedoch nur sporadisch und dann auch nur mündlich. Die Staatsanwaltschaft hatte den Eindruck, dass die Kanzlei ihnen wichtige Informationen vorenthielt, und beschlagnahmte Anfang 2017 die Akten. Doch VW und Day Jones haben Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt. Würden die Akten ausgewertet, dann wäre das ein Bruch des Vertrauensverhältnisses zwischen Klient und Anwalt. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Antrag vorläufig stattgegeben, um keine eventuell rechtswidrige Situation zu schaffen, die endgültige Entscheidung steht noch aus.

Käme VW damit durch, dann bräuchten korrupte Firmen in Zukunft nur noch eine Kanzlei mit der Aufklärung beauftragen, und der Staat bliebe außen vor. Es steht zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht nicht im Sinne VWs entscheidet.

Aber damit noch nicht genug der Probleme für VW. Nun haben Aktionäre vor Gericht durchgesetzt, dass ein Sonderermittler eingesetzt wird, um zu klären, was Vorstand und Aufsichtsrat wussten. Die Aktionäre, wir erinnern uns, sind die Besitzer der Firma. Doch anstatt ihren Besitzern Rede und Antwort zu stehen, hat VW wieder Klage beim Bundesverfassungsgereicht eingereicht, weil es sich in seinen Grundrechten verletzt sieht. Man will schließlich selber entscheiden, was man tut, ohne jemandem Rechenschaft ablegen zu müssen.

Mit diesem Verhalten stärkt VW das Vertrauen in die Kaste der Manager sicherlich nicht.
J.E.



Freitag, 28. Juli 2017
Ein angemessenes Verhalten
Nun haben die Autohersteller auch noch ein Kartell gebildet. Dass sie keine Skrupel kennen und Verbrauchswerte schönen, immer größere und schwerer Giftschleudern für den Profit bauen, und ihnen die Umwelt trotz aller anderslautender Beteuerungen am Arsch vorbeigeht, das waren wir ja schon gewohnt. Nun auch noch ein Kartell.

Allerdings überrascht die Reaktion von BMW auf die Selbstanzeige: Wie ein beleidigtes Kind wollen sie nur mit Daimler nicht mehr spielen. „Mit dem will ich nicht mehr, ne!“ ruft BMW heraus, weil Daimler eine Selbstanzeige eingereicht hat, in der auch BMW beschuldigt wird.

Ist es nicht drollig? Da unterhalten sich zwei Verbrecher, und dann ist einer der beiden tatschlich überrascht, dass der andere ein illoyales Arschloch ist? Das Verhalten ist der Situation doch sicherlich nicht angemessen.

Angemessen wäre folgende Szene gewesen: Die Lichter sind gedimmt in dem Büro, in dem Don Krüger, der Pate aus München, Don Zetsche, den Paten aus Stuttgart, empfängt. Mit rauchiger Stimme beginnt Don Krüger leise zu reden: „Don Zetsche? Was tust du der Familie an?“

Don Zetsche windet sich ein bisschen, ganz wohl ist ihm nicht. Ein kleines Bisschen Anstand ist ihm geblieben, auch wenn es ihn zum Glück nicht oft belästigt. „Du musst verstehen, Don Krüger…“ murmelt er.

„Egoismus ist niemals gut“, krächzt Don Krüger mit heiserer Stimme. „Die Familie geht immer vor. Wo wären wir ohne die Familie? Wo wäre das Land ohne die Familie?“ Als von Don Zetsche keine Antwort kommt, spricht Don Krüger weiter: „Aber ich werde Nachsicht mit dir haben. Hier, ein Geschenk: Ein Pferdekopf!“

Das wäre ein angemessenen Verhalten gewesen.
P.H.



Samstag, 10. Juni 2017
Vogelfrei
Überschreiten die Supermärkte nun eine Grenze? Zumindest gibt es nun einen Aufschrei, weil die Kette real eine Gesichtserkennungssoftware einsetzen will.

Dass wir in Supermärkten von Kameras überwacht werden, weil wir alle potentielle Diebe sind, ist ja schon lange nichts Neues mehr. Doch nun will der Supermarkt nicht mehr nur sehen, dass jemand da ist und ob er eventuell etwas klaut. Jetzt will der Supermarkt auch noch wissen, wer in den Laden kommt, was er sich wie lange angesehen hat, was er letztlich gekauft hat, und wie er auf die Werbung reagierte. Der Mensch als gläserner Kunde. Die Privatsphäre ist aufgehoben.

Doch warum regen wir uns auf? Jeder, der im Internet einkauft, ist ein gläserner Kunde. Firmen wie Amazon registrieren jede Bewegung. Sie merken sich, was wir uns angesehen haben, sie merken sich, was wir gekauft haben – und sie richten ihre Werbung danach aus und sagen uns, dass andere Kunden, die dieses Produkt gekauft haben, sich auch dafür interessierten.

Im Internet werden wir besser überwacht als George Orwell es sich in seiner Dystopie „1984“ noch vorstellen konnte. Und Orwell konnte sich auch nicht vorstellen, dass diese Überwachung von Privatfirmen durchgeführt würde, sondern nahm noch an, dass es dafür den mächtigen Staat braucht. Doch der ist hier noch nahezu harmlos unterwegs.

Warum nun die Aufregung, wenn Supermärkte in der Realität das tun, was Geschäfte in der virtuellen Welt des Netzes schon seit Jahren durchführen? Haben wir die Überwachung im Internet nicht ernst genommen, weil sie ja schließlich „virtuell“ ist und wir die Kameras nicht sehen können?

Vielleicht realisieren wir nun, dass die Bedrohung nicht die Kameras im Supermarkt sind, sondern das skrupellose Sammeln persönlicher Daten der Internetgiganten wie Amazon, Google und Facebook. Verglichen mit denen ist selbst real mit seiner Gesichtserkennung ein harmloses Kind.

Für die Giganten des Internets ist der Mensch nur eine Ware. Rechtlos und vogelfrei.
P.H.



Freitag, 5. Mai 2017
Die unverantwortlichen Verantwortlichen
Das war doch der Witz des Tages: Ausgerechnet Pharmahersteller sorgen durch ihre sorglose Produktion für die Entstehung neuer Krankheiten. Ein Reportteam von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung hatte aufgedeckt , dass in den Seen in der Nähe von Produktionsstandorten für Antibiotika in Indien die Konzentration dieser Mittel um das Hundertfache über dem empfohlenen Grenzwert liegt, und die Gewässer schon Keime aufweisen, die gegen zahllose Antibiotika resistent sind.

Die europäische Pharmaindustrie ist sich keiner Schuld bewusst. Es würden regelmäßig Kontrollen durchgeführt. Allerdings nach dortiger Gesetzeslage. Und die ist äußerst lasch, sonst würden die Konzerne ja nicht dort produzieren.

Und auch CDU-Gesundheitsminister Gröhe fordert internationale Standards für die Pharmaproduktion. Schuld sind also die Behörden in Indien, die es nicht schaffen, harte Gesetze zu erlassen und diese auch durchzusetzen.

Doch die Auftraggeber aus Europa könnten die Regeln für die Produktion festlegen und dafür sorgen, dass keine „Superbakterien“ geschaffen werden, gegen die bald kein Mittel mehr wirkt. Aber das würde ja den Gewinn schmälern.

Und so sind die eigentlich Schuldigen nicht die Behörden in Indien, sondern die Unternehmen, die nach einer perversen Logik handeln: Solange es nicht offensichtlich illegal ist, machen wir es, auch wenn es offensichtlich unmoralisch ist. Aber so sprudeln wenigstens die Gewinne.

Man kennt das ja schon von der Autoindustrie, die eigentlich die Autos sauberer machen sollte, dabei jedoch nur trickste . So sind moderne Euro 6 Diesel auf der Straße kaum sauberer als Euro 4 Diesel.

Da beschwert sich die Industrie immer über die vielen Regulierungen, die ihr das Leben schwermachen würden. Doch die sind ja nur nötig, weil die Verantwortlichen in der Industrie immer wieder unverantwortlich handeln. Und sie haben auch nicht vor, dies zu beenden. An der Uni lernen sie keine Moral, sondern nur, wie man Geschäftsberichte liest. Das Menschsein wird den Managern abtrainiert.

Und so werden wir auch zukünftig von solchen Fällen lesen.
K.M.



Samstag, 22. April 2017
Reichtum für die Reichen
Die Wirtschaft in Deutschland wächst. Sie wächst so gigantisch und phänomenal wie noch in den letzten Jahrzehnten.

Gut preisbereinigt ist das Wirtschaftswachstum in Deutschland momentan auch nicht höher als Ende der 1990er Jahre , wo unbedingt eine Agenda 2010 durchgesetzt werden musste, um die Wirtschaft anzukurbeln. Aber wir empfinden das Wachstum heute einfach stärker.

Zumindest einige.

Viele jedoch bleiben auf der Strecke. Die EU-Kommission stellt in einem aktuellen Bericht fest: „Die insgesamt günstige Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung der letzten Jahre ist nicht in allen Teilen der Gesellschaft gleichermaßen angekommen“.

Und der Armutsbericht der Bundesregierung stellt eine wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft fest, auch wenn die kritischsten Formulierungen schon gestrichen wurden. So ist nun keine Rede mehr davon, dass hohe Ungleichheit nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt beeinträchtigen, sondern auch das Wirtschaftswachstum dämpfen könne, weshalb die Korrektur von Verteilungsergebnissen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe sei.

Aber was sollen wir uns auch mit solch kleinlicher Kritik an der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands aufhalten. Freuen wir uns doch an ihr!

Selbst wenn die wirtschaftliche Stärke nur dafür genutzt wird, dass die Reichen den Armen ihr Geld wegnehmen.
J.E.



Samstag, 8. April 2017
Die unsichtbare Hand
Der Kapitalismus, bei dem jeder nur an sich denkt, so lehrt uns Adam Smith, ist etwas Gutes; denn auch wenn jeder nur an sich denkt, so werde eine unsichtbare Hand schon dafür sorgen, dass es allen Menschen nachher besser gehe, als wenn sozial engagierte Menschen sich um das Wohl der Menschen kümmern.

Nehmen wir zum Beispiel die Pharmaindustrie. Sie ist Margen gewohnt, die man sonst nur vom Drogenhandel kennt. Nun erhöhen die Krankenkassen den Druck auf die Pharmaindustrie, die Margen sinken, die Industrie verlagert die Produktion in Schwellenländer, wo sie auch schon einmal ausfällt, mit der Folge, dass wichtige Medikamente über Wochen und Monate nicht lieferbar sind. Die Patienten leiden, aber wenigstens bricht die Marge der Pharmaindustrie nicht ein.

Die Autoindustrie verspricht uns die technisch besten Fahrzeuge, doch tatsächlich betrügt sie uns nur. Nun müssen Fahrer von Dieselfahrzeugen mit einem Fahrverbot rechnen, weil auch Fahrzeuge nach Euro-6-Norm auf der Straße nicht sauberer sind als Altfahrzeuge.

Und die verantwortungslosen Zockereien der Banken füllen ganze Bände. Sie haben mit ihrem Handeln die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds gebracht, und fühlen sich immer noch missverstanden. Vielleicht war ihr Ziel, die Weltwirtschaft abstürzen zu lassen, weil nur dann die wirklich großen Gewinne zu machen gewesen wären.

Die Wirtschaft nutzt die Freiheit, die man ihr gibt, rücksichtslos aus. Fast scheint es, als müsse man jedem Manager einen Aufpasser an die Seite stellen, weil er sich sonst verhält wie ein unerzogener Rüpel, der einfach das macht, was ihm Spaß macht, ohne sich um die Konsequenzen seines Handelns zu kümmern.

Egoismus in Maßen mag vorteilhaft für die Wirtschaft zu sein. Ungezügelter Egoismus, wie wir ihn in der neoliberalen Welt erleben, ist es sicher nicht.

Die unsichtbare Hand hilft uns nicht, sie erwürgt uns.
J.E.